Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 211/19
Tatbestand
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Die Klägerin betrieb seit dem ... 2017 einen Imbiss in Hamburg. Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung gab sie für das Jahr der Betriebseröffnung geschätzte Umsätze von 48.000 € an. Nach Recherche des Beklagten wurde die Klägerin zuvor in Deutschland nicht steuerlich geführt. Steuererklärungen für das Streitjahr 2017 reichte sie zunächst nicht ein.
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Aufgrund von Kontrollmitteilungen des Finanzamtes A war dem Beklagten bekannt geworden, dass die Klägerin B am 1. März 2017 ein Darlehen über 30.000 € zzgl. einer Aufwandsentschädigung von 2.000 € gewährt und ferner am ... 2017 einen Geschäftsanteil an der C GmbH für 95.000 € erworben hatte, deren Stammkapital in diesem Zuge um 25.000 € erhöht worden war. Unter dem 23. Oktober 2018 forderte der Beklagte die Klägerin zur Äußerung über die Herkunft der aufgewandten Mittel auf. Nach mehrfachen ergebnislosen Fristverlängerungen drohte der Beklagte am 23. Januar 2019 die Festsetzung eines Zwangsgeldes an, sofern die erbetene Stellungnahme nebst Vorlage u.a. des Darlehensvertrages und der Kontoauszüge nicht bis zum 20. Februar 2019 erfolge. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2019, dass es sich um von ihr gespartes Geld gehandelt habe, dass sie aus einer Selbstständigkeit erwirtschaftet habe. Zudem habe sie ein Familiendarlehen erhalten und von ihrem verstorbenen Vater 50.000 € geerbt. Nachdem die zum Beleg angekündigten Unterlagen nicht eingereicht wurden, setzte der Beklagte am 1. April 2019 ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 € fest. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 11. April 2019. Nunmehr trug die Klägerin vor, die Mittel stammten aus einem Darlehen der Mutter über 50.000 €, 30.000 € entstammten dem Nachlass des in der Schweiz wohnhaft gewesenen Vaters. Ein weiteres Darlehen von 20.000 € sei von der Schwiegermutter gewährt worden, weitere 10.000 € habe diese als Gegenleistung für die Unterstützung im Alter geschenkt. Das übrige Geld stamme aus einer Fußballwette. Da auch diese Angaben nicht belegt wurden, wies der Beklagte den Einspruch gegen die Zwangsgeldfestsetzung mit Entscheidung vom 18. November 2019 zurück.
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Nachdem die Klägerin weiterhin keine Steuererklärungen eingereicht hatte, erließ der Beklagte am 3. September 2019 Schätzungsbescheide für das Streitjahr über den Gewerbesteuermessbetrag, die Gewerbesteuer sowie über Umsatzsteuer und setzte jeweils einen Verspätungszuschlag (85 € Gewerbesteuer und 200 € Umsatzsteuer) fest. Das Verfahren gegen den Schätzungsbescheid zur Einkommensteuer ist abgetrennt worden und wird anderweitig verfolgt (2 K 10/21). Den Bescheiden lag ein geschätzter Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 50.000 € und Umsätze von 98.000 € (davon 18.000 € zum ermäßigten Steuersatz) zugrunde. Hiergegen legte die Klägerin am 2. Oktober 2019 Einsprüche ein, die ebenfalls am 18. November 2019 mangels Begründung zurückgewiesen wurden.
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Am 19. Dezember 2019 hat die Klägerin formal Klage erhoben und die Änderung der Bescheide nach Maßgabe der einzureichenden Steuererklärungen begehrt. Im Verlaufe des Verfahrens hat sie Steuererklärungen eingereicht und einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 31.050,32 € und Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von 49.011 € sowie zum ermäßigten von 12.379 € erklärt.
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Der Beklagte meint, die Steuererklärungen könnten der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, weil bislang die Herkunft der Mittel ungeklärt sei, über die die Klägerin verfügt habe. Die erbetenen Nachweise hierfür seien nicht erbracht worden.
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Nach Setzung einer Ausschlussfrist gem. § 79b Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) trägt die Klägerin nunmehr vor, dass 30.000 € aus einer Erbschaft des Vaters stammten (Beweis Zeugnis der Mutter D), 10.000 € von der Schwiegermutter geschenkt worden seien (Beweis Zeugnis der E), 25.000 € seien von der Mutter geschenkt worden (Beweis Zeugnis der Mutter D), 25.000 € habe sie vom Ehemann erhalten (Beweis Zeugnis F) und 5.000 € habe sie selbst bei einer Fußballwette erwirtschaftet.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. die Bescheide für 2017 über den Gewerbesteuermessbetrag, die Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, jeweils vom 3. September 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2019 nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärungen zu ändern und die Steuer herabzusetzen,
2. die Bescheide über die Festsetzung des Verspätungszuschlags zum Gewerbesteuermessbescheid 2017 und zur Umsatzsteuer 2017 vom 3. September 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2019 aufzuheben, sowie
3. den Bescheid über die Festsetzung eines Zwangsgeldes vom 1. April 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2019 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hält daran fest, dass eine Änderung der Schätzungsbescheide angesichts der widersprüchlichen und nicht belegten Angaben zur Herkunft der Mittel für die im Streitjahr erfolgten Zahlungen nicht möglich sei. Zudem bestehe nach den letzten Angaben der Klägerin bei den geflossenen Zahlungen noch eine Deckungslücke von 55.000 €.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Sitzungsniederschrift über den Erörterungstermin vom 2. Dezember 2020 Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin zugestimmt.
...
Entscheidungsgründe
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Das Gericht entscheidet gem. § 90 Abs. 2 i.V.m. § 79a Abs. 3 und 4 FGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin.
I.
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1. Der Klage bleibt der Erfolg versagt.
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a) Die gegen den Gewerbesteuerbescheid gerichtete Klage ist unzulässig, weil sie sich gegen einen Folgebescheid richtet, die Einwendungen aber gegen den Grundlagenbescheid, den Gewerbesteuermessbescheid, zu richten sind (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).
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b) Bzgl. der Festsetzung der Verspätungszuschläge und der Festsetzung des Zwangsgeldes hat die Klägerin nicht dargetan, worin sie eine Beschwer sieht, sodass die Klage auch insoweit unzulässig ist.
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Die Festsetzung der Verspätungszuschläge lässt aber auch im Übrigen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klägerin ist ihrer Steuererklärungspflicht schuldhaft nicht fristgerecht nachgekommen, sondern hat die Erklärungen erst im Verlauf des Klageverfahrens eingereicht. Die Höhe des Verspätungszuschlages entspricht den Vorgaben des § 152 Abs. 2 und Abs. 5 AO. Die Festsetzung des Zwangsgeldes beruht auf der bestandskräftigen Androhung, sodass eine Prüfung ausgeschlossen ist, ob das Zwangsmittel geeignet ist, weil dieser Einwand gegen die Androhung zu richten gewesen wäre. Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung des Zwangsgeldes gem. § 333 AO waren erfüllt, Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
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c) Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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Die angegriffenen Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Umsatzsteuer für das Streitjahr sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Der Beklagte war nach § 162 AO zur Schätzung berechtigt, weil die Klägerin keine Steuererklärungen für das Streitjahr eingereicht hatte. Hierüber besteht kein Streit.
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Während des Klageverfahrens hat die Klägerin zwar Steuererklärungen eingereicht, der Beklagte hat es aber zu Recht abgelehnt, diese Erklärungen der Besteuerung zugrunde zu legen. Grundsätzlich ist den Angaben des Steuerpflichtigen Glauben zu schenken, es sei denn, es liegen greifbare Umstände vor, die darauf hindeuten, dass die Angaben falsch oder unvollständig sind (z.B. BFH-Urteil vom 11. Juli 1978, VIII R 120/75, BStBl II 1979, 57). Im Streitfall sprechen gewichtige Gründe dafür, dass die Steuererklärungen nicht ordnungsgemäß sind und die Angaben der Klägerin nicht der Wahrheit entsprechen. Insoweit hätte es der Klägerin oblegen, die vom Beklagten aufgezeigten Zweifel auszuräumen. Dies ist der Klägerin nicht gelungen.
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Die Klägerin hat einen Jahresüberschuss von 31.050,32 € erklärt. Laut ebenfalls vorgelegter Einkommensteuererklärung (abgetrenntes Verfahren 2 K 10/21) erzielte der Ehemann einen Bruttoarbeitslohn von 26.868,00 €, sie verfügten mithin laut Probeberechnung des Beklagten zusammen über ein zu versteuerndes Einkommen von 52.061,00 €. Aus diesem laufenden Einkommen waren - neben dem allgemeinen Lebensunterhalt - die in Rede stehenden Aufwendungen für die Darlehensgewährung und den Erwerb von GmbH-Anteilen mit Kapitalaufstockung unzweifelhaft nicht zu bestreiten.
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Über die tatsächliche Herkunft der aufgewandten Mittel hat die Klägerin keine nachvollziehbaren Angaben gemacht, sodass davon auszugehen ist, dass sie zum Teil durch ihren Gewerbebetrieb erwirtschaftet wurden und sich folglich die Schätzung als angemessen erweist.
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Anfänglich hatte die Klägerin - unspezifisch - behauptet, die Mittel zum Teil selbst erwirtschaftet zu haben, Familiendarlehen und eine Erbschaft von 50.000 € erlangt zu haben. Sodann hat sie behauptet, Darlehen in Höhe von 70.000 € erhalten zu haben, und zwar 50.000 € von der Mutter und 20.000 € von der Schwiegermutter, zuzüglich einer Zweckschenkung der Schwiegermutter von 10.000 € sowie aus einer Erbschaft des Vaters 30.000 € erlangt zu haben, mithin 110.000 €. "Der Rest" soll aus dem Gewinn einer Fußballwette stammen. Um die aufgewandten Mittel abzudecken, müsste dieser Gewinn 40.000 € betragen haben. Während des Klageverfahrens hat die Klägerin hiervon abweichend vorgetragen, dass sie neben der Erbschaft von 30.000 € und der Zweckschenkung über 10.000 € 25.000 € schenkweise von ihrer Mutter und 25.000 € von ihrem Ehemann erhalten zu haben; 5.000 € stammten aus einer Fußballwette. Dies ergibt insgesamt einen Betrag von 95.000 €. Zudem hätten die Klägerin und ihr Ehemann über einen längeren Zeitraum als Selbstständige Gewinne erwirtschaftet und Rücklagen gebildet.
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Diese Angaben sind bereits aus sich heraus widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, beispielsweise, dass die Klägerin zunächst die Inanspruchnahme von Darlehen über 70.000 € behauptet, während nach den Angaben im Klageverfahren gar keine Darlehen in Anspruch genommen wurden, dafür aber erstmals eine Schenkung der Mutter von 25.000 € und die Zurverfügungstellung des nämlichen Betrages durch den Ehemann behauptet wird. Unterlagen über die behaupteten Geldbewegungen oder eine zeitliche Einordnung, wann und unter welchen Umständen die Auskehrung der Mittel oder die Eröffnung des Nachlasses erfolgt sein sollen, fehlen gänzlich. Auch wenn Bargeschäfte unter Angehörigen in gewissem Umfang üblich sein mögen, spricht auch das Fehlen jeglicher Belege angesichts der Höhe der Mittel, die zugewandt worden sein sollen, für eine reine Schutzbehauptung. Auch das Fehlen eines Belegs über den behaupteten Wettgewinn und jeglicher Nachweise über die behaupteten eigenen Ersparnisse sprechen gegen die Klägerin. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin vor dem Streitjahr steuerlich nicht geführt wurde.
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Soweit die Klägerin sich zum Beweis auf das Zeugnis ihrer Mutter und ihrer Schwiegermutter berufen hat, war dem schon deshalb von Amts wegen nicht zu folgen, weil im Ausland lebende Zeugen zu sistieren sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom Finanzgericht nicht zu laden, sondern vom Beteiligten, der die Vernehmung beantragt, nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO zu stellen (BFH-Beschlüsse vom 2. März 2005 VI B 161/04, BFH/NV 2005, 1088; vom 11. November 2004 V B 82/04, BFH/NV 2005, 568; vom 5. Februar 2004 V B 205/02, BFH/NV 2004, 964). Kommt der Beteiligte, der sich auf einen im Ausland lebenden Zeugen beruft, seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das Finanzgericht ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen (BFH-Beschluss vom 6. November 2006, V B 107/05, BFH/NV 2007, 467 m.w.N.).
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Soweit das Zeugnis des Ehemannes der Klägerin, F, betroffen ist, ist der Beweisantritt zu unspezifiziert - wie auch bei den Auslandszeuginnen - und liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Nachdem Zuwendungen des Ehemannes zunächst überhaupt nicht in Rede standen, hätte es näherer Angaben bedurft, auf welcher Grundlage die Mittel zur Verfügung gestellt worden sein sollen - als Darlehen oder als Schenkung - und wann unter welchen Umständen die Zahlung erfolgt sein soll. Zudem ist nicht ansatzweise dargetan worden, woher der Ehemann angesichts seiner überschaubaren erklärten Einkünfte, über derart hohe Beträge verfügen konnte. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin ein Darlehen über 30.000 € gewährt, sich die Mittel dafür aber selbst erst von Dritter Seite beschaffen muss.
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Die Höhe der Schätzung begegnet keinen Bedenken. Angesichts der erheblichen Mittel, über die die Klägerin im Streitjahr offensichtlich verfügen konnte, und zwar 150.000 €, und angesichts der erheblichen Verletzung der Mitwirkungspflichten erscheint ein lediglich um knapp 20.000 € höherer geschätzter als erklärter Gewinn aus Gewerbebetrieb von 50.000 € und Umsätzen von 98.000 € eher maßvoll.
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Die Klage kann danach keinen Erfolg haben.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO fehlen.
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Referenzen
- 2004 V B 205/02 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 76 1x
- FGO § 115 1x
- 2 K 10/21 2x (nicht zugeordnet)
- § 333 AO 1x (nicht zugeordnet)
- V B 107/05 1x (nicht zugeordnet)
- 2005 VI B 161/04 1x (nicht zugeordnet)
- § 162 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 2004 V B 82/04 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 96 1x
- FGO § 135 1x
- § 152 Abs. 2 und Abs. 5 AO 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 79a 1x
- VIII R 120/75 1x (nicht zugeordnet)
- § 90 Abs. 2 AO 1x (nicht zugeordnet)