Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 249/16
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Einfuhrabgaben.
- 2
Die Klägerin, jeweils vertreten durch die Firma A ... GmbH, Hamburg, meldete mit zwei Zollanmeldungen jeweils vom 3. September 2015 62.300 Stück bzw. 62.290 Stück Laternen-Bastelsets aus Papier (jeweils diverse Motive: Tier 1, Tier 2, Tier 3, Thema 1 und Thema 2) aus der Volksrepublik China zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Die Laternen-Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2 und Tier 3 bestehen jeweils aus einem Laternenstanzteil aus Wellpappe, Blättern aus Transparentpapier, Bastelkarton und Glitzerpapier, einem Laternentragebügel aus Draht und einer Bastelanleitung mit Vorlagebogen zum Abpausen für Motivteile. Die Laternen-Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2 bestehen jeweils aus einem Laternenstanzteil aus Wellpappe, zwei Blättern rund zugeschnittenem Transparentpapier, farblich bedruckten Motivstanzteilen aus Pappe, einem Laternentragebügel aus Draht und einer Bastelanleitung. Die Klägerin gab in den Zollanmeldungen als Warennummer jeweils 9503 0070 000 (anderes Spielzeug [als in Unterpositionen 9503 0010 bis 9503 00 61 genannt], aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen) der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, 1, m. spät. Änd.)) - im Folgenden: KN - an.
- 3
Auf der Grundlage der angegebenen Warennummer setzte der Beklagte gegen die Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 3. September 2015 (XXX-1) u.a. 3.634,40 EUR ZollEU und mit Einfuhrabgabenbescheid vom 3. September 2015 (XXX-2) u.a. 3.633,81 EUR ZollEU, jeweils nach einem Drittlandszollsatz von 4,7 %, fest.
- 4
Mit Schreiben vom 12. November 2015 beantragte die Klägerin, die Ware jeweils in die Warennummer 9505 9000 000 (Fest-, Karnevals-/Faschings- oder andere Unterhaltungsartikel, einschließlich Zauber- und Scherzartikel, andere [als in Unterposition 9505 10 genannt]) einzureihen und die festgesetzten Einfuhrabgaben zu erstatten. Dem Schreiben fügte die Klägerin eine Warenprobe (Laternen-Bastelset Motiv Tier 1) bei.
- 5
Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 lehnte der Beklagte den Erstattungsantrag ab mit der Begründung, dass die Ware korrekt als "anderes Spielzeug, aufgemacht in Aufmachungen" unter der Codenummer 9503 0070 000 eingereiht sei. Das Bastelset diene der Freizeitgestaltung "kreatives Herstellen einer Laterne" und besitze aufgrund der speziell zusammengestellten Waren in der Gesamtheit Spielzeugcharakter. Es sei mit der Bastelanleitung in einer mit Abbildungen der Laterne bedruckten Pappumrandung aufgemacht. Der Hauptzweck liege im Herstellungsprozess an sich, also in einer spielerischen Unterhaltung/Beschäftigung, die aus mehreren Arbeitsschritten/Tätigkeiten bestehe und kein einfaches Zusammenbasteln sei. Eine noch nicht zusammengesetzte Papierlaterne/Lampion der Position 9505 liege nicht vor.
- 6
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass das Zusammenstellen des Bastelsets ausschließlich dem Zweck diene, später als Laterne für ein traditionelles Fest (Martinsumzug, Lichterfest in der Kirche) zu dienen. Ausgehend von der Wortlautinterpretation und einer teleologischen Interpretation sei Spielzeug im weiteren Sinne jeder Gegenstand und sämtliche Materialien, die Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene zum Spielen veranlassten. Spielimpulse gingen von zusammenzusetzenden Laternen nicht aus, einzelne Bestandteile oder das fertige Produkt könnten nicht zum Spielen benutzt werden. Auch im Basteln bzw. den einzelnen Bastelschritten lägen keine spielerischen Elemente. Das Bastelset sei wie eine fertige Laterne einzureihen, da das vorgeformte Stanzteil aus Wellpappe und der Laternentragebügel erkennbar nur zum Basteln der Laterne verwendbar seien.
- 7
Nachdem der Beklagte eine Stellungnahme des Bildungs- und Wissenschaftszentrums (im Folgenden: BWZ), Dienstort Hamburg, vom 26. Mai 2016 eingeholt hatte, in der das BWZ zu dem Ergebnis kam, dass die Ware in die Codenummer 9503 0070 000 einzureihen sei, wies er mit Einspruchsentscheidung vom 15. November 2016 den Einspruch als unbegründet zurück. Die Laternen-Bastelsets seien als "Spielzeug, aufgemacht in Aufmachungen" der Warentarifnummer 9503 0070 000 zuzuordnen. Da das vorgeformte Stanzteil aus Wellpappe keinerlei Hinweis auf seine spätere Verwendung als Laterne erkennen lasse, der sog. "Laternentragebügel" sich lediglich als halbrund gebogener Draht darstelle und die Papierbögen universell nutzbar seien, stelle sich die Ware nicht als unvollständige bzw. unfertige Ware im Sinne der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN - im Folgenden: AV - 2 a) dar und könne daher nicht wie eine fertige Laterne als Festartikel im Sinne der Position 9505 eingereiht werden. Darüber hinaus gehörten zur Position 9505 keine Spielsachen. Der Wortlaut der Position 9503 enthalte u.a. "anderes Spielzeug". Dazu gehöre Spielzeug, das im Wesentlichen zur Unterhaltung von Personen (Kinder oder Erwachsene) bestimmt sei. Dabei sei zu beachten, dass einige Waren, die als Einzelstücke zu anderen Positionen gehören würden, hier die Papierbögen als Waren des Kapitels 48 und der Drahtbogen als Ware des Abschnitts XV der KN, allein auf Grund ihrer Zusammenstellung und ihrer Aufmachung den Charakter von Spielzeug erhielten. Für ein "Spielzeug, aufgemacht in einer Aufmachung" müsse die Ware aus zwei oder mehr unterschiedlichen Waren bestehen, die in einer Verpackung für den Einzelverkauf angeboten und nicht neu verpackt würden und für eine spezielle Freizeitbeschäftigung typisch seien. Das Laternen-Bastelset, das mit dem Aufdruck "der große Bastelspaß zum Selbstgestalten" beworben werde, bestehe aus verschiedenen Waren und werde in einer Verpackung für den Einzelverkauf angeboten. Das Stanzteil werde zusammengesteckt, die Formteile würden von der Bastelanleitung auf die Papierbögen übertragen, ausgeschnitten und aufgeklebt. Die entstehenden Formteile würden an dem entstandenen Korpus befestigt und die am Ende entstandene figürliche Darstellung werde durch den Drahtbügel ergänzt. Die wesentlichen Merkmale des Bastelns in mehreren Arbeitsschritten seien gegeben, der Unterhaltungswert bestehe im Prozess der Herstellung eines kreativ gestalteten Unikates, hier in Form einer Laterne, die so im Handel nicht erhältlich sei.
- 8
Mit ihrer am 6. Dezember 2016 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor: Die Verwendung der Ware sei im Hinblick auf die Spielzeugeigenschaft ein entscheidendes Tarifierungskriterium. Der Spielzeugbegriff verlange, dass die Ware im Wesentlichen nur einem Zweck, dem der Unterhaltung, diene. Dies bestätige auch der Blick auf die umfangreichen Einzelbeispiele zu Spielzeug, die in den Erläuterungen zu Position 9503 aufgeführt seien. Allen aufgeführten Waren sei gemeinsam, dass sie keinen weiteren Verwendungszweck als das reine Spielen hätten. Das Laternenset erfülle jedoch zwei Funktionen. Es diene der Unterhaltung, weil mit diesem ein Laternenunikat hergestellt werde. Die fertige Laterne habe jedoch anders als andere Bastelartikel noch eine andere Funktion, nämlich die Verwendung anlässlich des Laternenumzugs, der jährlich in Kindergärten und Grundschulen veranstaltet werde. Das Laternenset könne nach der AV 2 a) als Festartikel in die Position 9505 eingeordnet werden, auch wenn zum Zeitpunkt der Einfuhr keine verwendungsfähig fertiggestellte Laterne vorliege. Werde, wie im Fall der Festartikel der Position 9505, ausschließlich auf den Verwendungszweck abgestellt, so müsse der Verwendungszweck auch bei der Beantwortung der Frage, ob die Ware alle wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der fertigen Ware aufweise, berücksichtigt werden. Aufgrund der Zusammenstellung der Ware sei erkennbar, dass die Bestandteile zu einer Laterne zusammengebaut würden. Die Fertigstellung der Laterne stelle eine einfache Aufgabe dar, die ohne weiteres von jeder Person erfüllt werden könne. Auch der Aspekt der Unterhaltung führe nicht zwingend zur Nichtanwendung der Position 9505. Der Aspekt des Gestaltens einer eigenen Laterne gehöre zur Ausgestaltung des Festes selbst. Zum Fest des Laternenumzugs gehöre in Kindergärten und Grundschulen immer auch das Angebot, eine Laterne zu basteln, und in manchen Familien werde die Laterne zu Hause gebastelt. Daher sei das Laternen-Bastelset auch dann als Festartikel der Position 9505 9000 00 zuzuordnen, wenn es noch nicht alle wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale einer Laterne aufweise. Da der Unterhaltungsaspekt sowohl in der Position 9503 beim Spielzeugbegriff als auch in der Position 9505 Berücksichtigung finde, wäre es auch denkbar, dass beide Warennummern einschlägig seien. Nach AV 3 c) wäre die Ware dann der in der Warennomenklatur letztgenannten Position 9505 zuzuweisen und würde auch in diesem Fall ein Festartikel bleiben. Es sei zudem auf zwei verbindliche Zolltarifauskünfte YYY-1 und YYY-2 für ähnliche Waren (Osterdekoration aus Zuschnitten aus Kartonpapier, durch deren Zusammenkleben ein 3-D-Effekt entstehe bzw. Malset für Ostereier aus Ostereiern, Pinsel und Farbtöpfchen) zu verweisen, die jeweils als Osterfestartikel unter die Codenummer 9505 9000 000 eingereiht worden seien. Schließlich sei auf die Einreihung diverser Laternen-Bastelsets in die Warennummer 9505 9000 000 nach erfolgter Beschau durch das Zollamt Hamburg-1 mit Einfuhrabgabenbescheid vom 7. August 2019 zu verweisen. Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die von ihr im Klageverfahren vorgelegten Warenproben (Laternen-Bastelset Motiv Tier 2 [Beschriftungsaufdruck des eingeführten vergleichbaren Bastelsets Motiv Tier 2: "Der große Bastelspaß; anspruchsvoll"]; Laternen-Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2 [Beschriftungsaufdruck der eingeführten vergleichbaren Bastelsets: "1..2..3..fertig!; leicht"]) erläutert hat, dass lediglich die Laternen-Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2 und Tier 3 sich vergleichbar mit der mit dem Erstattungsantrag eingereichten Warenprobe Motiv Tier 1 darstellten, wohingegen es sich bei den Laternen-Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2 um solche der leichten Ausführungslinie handele, die ohne Einsatz einer Schere durch Zusammenstecken und Kleben komplett vorgestanzter Bögen und Motive hergestellt werden könnten, trägt die Klägerin weiter vor: Da die Produkte aus speziell geformten Stanzteilen, die zu verbinden sind, Zuschnitten aus Transparentpapier und farbigen Papierzuschnitten zum Verzieren, die verklebt würden, und einem gebogenen Metalldrahtbügel, der hinzugefügt werde, bestünden, stelle diese einfache Art der Verarbeitung zu einer fertigen Laterne ein Zusammensetzen im Sinne der AV 2 a) dar.
- 9
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2016 zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 12. November 2015 Zoll in Höhe insgesamt 3.092,85 EUR zu erstatten.
- 10
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 11
Zur Begründung verweist er auf die Begründung seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Nach den Erläuterungen zur KN gehöre zur Warengruppe "anderes Spielzeug" Spielzeug, das im Wesentlichen zur Unterhaltung von Personen (Kinder oder Erwachsene) bestimmt sei. Die Erläuterung spreche nicht von nur einem Zweck noch schließe sie Spielzeug mit mehr als einem Verwendungszweck vom Spielzeugbegriff aus, solange es im Wesentlichen der Unterhaltung diene. Der wesentliche Verwendungszweck der streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets liege aber in der Unterhaltung von Kindern oder Erwachsenen durch Basteln. Da das Laternen-Bastelset sich nicht als unfertige Ware im Sinne der AV 2 a) einreihen lasse, bestehe auch keine Konkurrenzsituation zwischen zwei Positionen und auch die AV 3 c) sei nicht anwendbar. Im Hinblick auf die Laternen-Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2 sei zu betonen, dass auch insoweit eine Einreihung als Laterne in Anwendung der AV 2 a) nicht in Betracht komme. Die AV 2 a) könne nicht zur Anwendung kommen, da die Einreihung bereits abschließend in der Anwendung der AV 1 und 6 als Spielzeug, aufgemacht in Aufmachungen erfolgt sei. Zum Zeitpunkt der Einfuhr stelle sich die Ware als Bastelset dar, der Verwendungszweck als Laterne werde erst nach Zusammensetzen und Verkleben des Stanzteils aus Wellpappe und der Befestigung des Metalldrahtbügels erkennbar. Abschließend solle die Ware mit den vorhandenen Motiven verziert werden. Da die Anleitung einen Fertigungsprozess in mehreren verschiedenen Arbeitsschritten vorgebe, seien auch diese Sets als Bastelsets anzusehen. Die Einfachheit der Bastelschritte ziele auf die motorischen Fähigkeiten und das Konzentrationsvermögen von Kleinkindern ab und ermögliche es diesen erst, unter der Aufsicht von Erwachsenen einen größeren Anteil der Fertigstellung selber vorzunehmen. Damit stehe der Unterhaltungswert des Herstellungsprozesses im Vordergrund. Die für die Herstellung der Laterne erforderlichen Werkezuge (Flachzange zum Umbiegen der äußeren Enden des Metallbügels und Heißklebepistole zum Verkleben der Papierteile) widerlegten, dass es sich lediglich um einen zerlegt gestellten Fest- bzw. Unterhaltungsartikel handele.
- 12
In der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2020 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
- 13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakte des Beklagten einschließlich der vorgelegten Warenproben Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 14
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne - weitere - mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
II.
- 15
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
- 16
Die Verpflichtungsklage ist auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung des Differenzbetrages, der sich für den mit den beiden Einfuhrabgabenbescheiden vom 3. September 2015 festgesetzten Zoll ausgehend von einem Drittlandszollsatz von 2,7 % statt von 4,7 % ergibt, mithin auf die Erstattung eines Betrages in Höhe von 3.092,85 EUR gerichtet, was ausgehend von dem zunächst angekündigten Antrag auf Verpflichtung zur Neubescheidung des Erstattungsantrags keine Ermäßigung des Sachantrags, sondern eine bloße Präzisierung des Klagantrags in der mündlichen Verhandlung darstellt.
- 17
Der den Erstattungsantrag der Klägerin ablehnende Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der mit den beiden Einfuhrabgabenbescheiden vom 3. September 2015 erhobenen Einfuhrabgaben ausgehend von einem Drittlandszollsatz von 2,7 % statt von 4,7 %, § 101 Satz 1 FGO.
- 18
Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1, 1. Alt. der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 2010 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, 1, ber. ABl. 1993 L 79, 84, ABl. 1996 L 97, 38 und L 321, 23, m. spät. Änd.) - im Folgenden: ZK - liegen nicht vor (zur Anwendbarkeit des Art. 236 ZK in Bezug auf vor dem 1. Mai 2016 erfolgte Einfuhren trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269, 1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267, 2, m. spät. Änd.) - Unionszollkodex - siehe FG Hamburg, Urteil vom 12. Oktober 2016, 4 K 160/14, in: juris). Danach werden Einfuhrabgaben - auf, wie hier gegeben, fristgerechten Antrag hin, vgl. Art. 236 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK - insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Vorliegend waren die durch die Überführung der streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets in den zollrechtlich freien Verkehr gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 2, Abs. 3, Unterabs. 1 Satz 1 ZK entstandenen und erhobenen Einfuhrabgaben, hier der mit den beiden Einfuhrabgabenbescheiden vom 3. September 2015 festgesetzte Zoll einschließlich des mit dem Erstattungsantrag geltend gemachten Betrages, indes gesetzlich geschuldet.
- 19
Die Voraussetzungen für eine Erhebung eines Drittlandszolls von 4,7 % lagen bei den dem streitgegenständlichen Erstattungsbegehren zugrundeliegenden Einfuhrvorgängen vor.
- 20
Zwischen den Beteiligten ist insoweit allein streitig die Frage der Tarifierung der eingeführten Laternen-Bastelsets.
- 21
Die Klägerin geht von einer Einreihung als Festartikel in die Position 9505 und dort von einer Einreihung in die Unterposition 9505 9000 000 (andere [als in Unterposition 9505 10 genannt]) aus. Der Beklagte geht demgegenüber von einem Spielzeug im Sinne der Position 9503 und dort von einem anderen Spielzeug, aufgemacht in Aufmachungen, der Unterposition 9503 0070 aus.
- 22
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 6. September 2018, C-471/17; Urteil vom 20. November 2014, C-666/13; Urteil vom 17. Juni 2014, C-480/13; BFH, Beschluss vom 28. April 2014, VII R 48/13, jeweils in: juris) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die AV 1 und 6). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den AV 2 bis 5. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur KN, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (EuGH, Urteil vom 9. Juni 2016, C-288/15; Beschluss vom 19. Januar 2005, C-206/03, jeweils in: juris). Der Verwendungszweck der Ware kann ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen muss. Im Übrigen ist der Verwendungszweck der Ware nur dann ein erhebliches Kriterium, wenn die Einreihung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware erfolgen kann (EuGH, Urteil vom 5. September 2019, C-559/18; Urteil vom 9. Juni 2016, C-288/15, jeweils in: juris; vgl. auch BFH, Urteil vom 26. September 2017, VII R 17/16, in: juris). Was die Einreihung von Waren in eine Tarifposition für eine Verwendung angeht, d.h. eine Position, die auf ein Tarifierungskriterium abstellt, das auf einer besonderen Verwendung der betreffenden Waren beruht, ist es nicht erforderlich, dass die alleinige oder ausschließliche Zweckbestimmung der einzureihenden Ware dieser Verwendung entspricht. Ausreichend ist, dass die in der fraglichen Position genannte Verwendung die wesentliche Zweckbestimmung dieser Ware ist (EuGH, Urteil vom 5. September 2019, C-559/18, in: juris).
- 23
Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der eingeführten Waren sprechen - dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen des Gemeinsamen Zolltarifs folgend sowie unter Berücksichtigung der Erläuterungen zum HS und der Erläuterungen zur KN - nach Überzeugung des Gerichts für die Einreihung in die von dem Beklagten angenommene Unterposition 9503 0070.
- 24
Unter die Unterposition 9503 0070 fällt anderes (als in den Unterpositionen 9503 0010 bis 9503 0061 genanntes) Spielzeug, aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen.
- 25
Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets um Spielzeug im Sinne der Position 9503 handelt.
- 26
Der Spielzeugbegriff wird weder im HS noch in der KN definiert. Es ist somit unter Berücksichtigung der Erläuterungen zur KN und zum HS ein zollrechtlicher Spielzeugbegriff zu entwickeln (FG Hamburg, Urteil vom 27. Mai 2016, 4 K 217/14, in: juris). Nach der Erläuterung zu Kapitel 95 HS, Rz. 01.0, gehören Spielzeug und Spiele jeder Art zur Unterhaltung für Kinder und zur Zerstreuung für Erwachsene zum Kapitel 95, nach der Erläuterung zu Position 9503 HS, Rz. 19.0, gehört Spielzeug, das im Wesentlichen zur Unterhaltung für Personen (Kinder und Erwachsene) bestimmt ist, zur Position 9503. Damit sind Spielzeuge Waren, die im Wesentlichen zur Unterhaltung für Kinder oder Erwachsene bestimmt sind. Waren, die als Einzelstücke zu anderen Positionen gehören würden, erhalten aufgrund ihrer Zusammenstellung und ihrer Aufmachung den Charakter von Spielzeug (Erläuterung zu Position 9503 HS, Rz. 50.0). Beispielhaft genannt werden Chemiegerätekästen, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, "dass diese Zusammenstellungen Spielzeugcharakter haben" (Erläuterung zu Position 9503 HS, Rz. 50.0). Da Spielzeug nach den genannten Erläuterungen auch der Unterhaltung Erwachsener dienen kann, muss es nicht die typische Aufmachung von Kinderspielzeug haben (FG Hamburg, Urteil vom 27. Mai 2016, 4 K 217/14, in: juris).
- 27
Die Laternen-Bastelsets dienen ausweislich der auf den Packungseinlegern aufgedruckten bildlichen Darstellungen und den rückseitig aufgedruckten Bastelanleitungen, in denen jeweils beschrieben bzw. durch bildhaft dargestellte Arbeitsschritte erläutert ist, mit welchen Arbeitsschritten aus dem Stanzteil aus Wellpappe, den Bögen aus Transparentpapier, Bastelkarton und Glitzerpapier (Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2, Tier 3) bzw. den Zuschnitten aus Transparentpapier und bedruckten Papiermotiven (Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2) sowie dem Drahtbügel eine Papierlaterne zusammengefügt und verziert werden kann, der Anfertigung von individuell gefertigten Bastelunikaten in Form von Laternen.
- 28
Für die Laternen-Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2 und Tier 3 gilt dabei Folgendes: Ausgehend von den beigefügten Bastelanleitungen und Vorlagebögen zum Abpausen für Motivteile können die Laternen in genau der Weise vom Verwender angefertigt werden, wie dort vorgegeben, so dass jeweils exakt die auf den Papiereinlegern abgebildete Tiermotiv-Laterne entsteht, oder es können mit dem vorhandenen Bastelkarton und Glitzerpapier auch andere Verzierungselemente für den Laternenkorpus nach freier Kreativität des Verwenders geschaffen werden. Die Anfertigung der Laterne erfordert eine Vielzahl von einzelnen Arbeitsschritten (Formen, Einstecken und Verkleben der - teils zuvor auszuschneidenden - Papierteile für den Laternenkorpus, Umbiegen und Einfügen des Laternentragebügels sowie Aufzeichnen, Ausschneiden und Aufkleben von Zierelementen), die hinreichend akkurat auszuführen sind, um das gewünschte Bastelergebnis zu erzielen. Insbesondere dann, wenn man nach der Motivvorlage die teils sehr kleinen und feingliedrigen Motive für die Gestaltung der Tiere auf Transparentpapier abpaust, ausschneidet, auf Bastelkarton und Glitzerpapier überträgt und dann wiederum ausschneidet, ggf. noch mit Buntstiften bemalt und dann auf den zusammengesetzten Laternenkorpus aufklebt, sind diese Arbeitsschritte zudem äußerst aufwändig und vielschichtig. Ferner kann die Laterne nur unter Zuhilfenahme von Werkzeugen und Hilfsmitteln (Schere zum Zuschneiden der Transparentpapierbögen für den Laternenkorpus und zum Ausschneiden der Motivteile aus Bastelkarton und Glitzerpapier, Flachzange zum Umbiegen der Enden des Laternentragebügels aus Metall, Heißklebepistole zum Ver- und Aufkleben der diversen Papierteile) angefertigt werden. Diese Laternen-Bastelsets sind mithin darauf ausgelegt, dass der Verwender sich kreativ und geschickt betätigt, um ein individuelles und in seiner Aufmachung und Wirkung recht aufwändiges Bastelunikat in Form einer ein Tier darstellenden Laterne anzufertigen. Angesichts der Vielzahl, Komplexität und für ein ansprechendes Bastelergebnis erforderlichen Genauigkeit und Sorgfalt der auszuführenden Arbeitsschritte kann - anders als die Klägerin meint - nicht davon ausgegangen werden, dass diese Laternen-Bastelsets lediglich unfertige Laternen enthalten, die ohne großen Aufwand schlicht zusammenzusetzen sind und vom Verwender nur mit Blick auf die Nutzung der verwendungsfertigen Laterne für ein Laternenfest gekauft werden. Vielmehr steht - was für die Einreihung als Spielzeug ausreichend ist, da nach den Erläuterungen Spielzeuge Waren sind, die im Wesentlichen zur Unterhaltung für Kinder oder Erwachsene bestimmt sind - der unterhaltende Aspekt der Laternen-Bastelsets durch das Basteln im Vordergrund, mag als Ergebnis der Basteltätigkeit auch eine Laterne entstehen und als solche dann für ein Laternenfest oder als Dekorationsobjekt genutzt werden (vgl. zur wesentlichen Zweckbestimmung der Verwendung einer Ware auch EuGH, Urteil vom 5. September 2019, C-559/18, in: juris). Damit sind diese Laternen-Bastelsets nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften erkennbar auf die Unterhaltung bzw. Zerstreuung von Erwachsenen oder im Basteln geschickten älteren Kindern durch kreatives Basteln angelegt und haben durch ihre auf die gezielte Basteltätigkeit ausgerichtete Zusammenstellung den Charakter von Spielzeug.
- 29
Für die Laternen-Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2 gilt dabei Folgendes: Ausgehend von den beigefügten Bastelanleitungen und den vorgestanzten Motivteilen sind die Laternen vornehmlich in genau der Weise vom Verwender anzufertigen, wie dort vorgegeben, so dass jeweils exakt die auf den Papiereinlegern abgebildete Laterne mit thematisch zusammenpassenden Zierelementen (pinkfarbene Laterne mit Thema 1, Zierelement ... und Zierelement ... bzw. blaue Laterne mit Zierelement ..., Zierelement ... und Thema 2) entsteht. Die Anfertigung der Laterne erfordert mehrere auszuführende Arbeitsschritte (Formen, Einstecken und Verkleben der Papierteile für den Laternenkorpus, Umbiegen und Einfügen des Laternentragebügels sowie Aufkleben von vorgefertigten Zierelementen), die, wie insbesondere das Zusammenstecken und Verkleben des Laternenkorpus und das Umbiegen der Enden des Laternentragebügels, auch hinreichend akkurat auszuführen sind, um das gewünschte Bastelergebnis zu erzielen. Zudem kann die Laterne nur unter Zuhilfenahme von Werkzeugen und Hilfsmitteln (Flachzange zum Umbiegen der Enden des Laternentragebügels aus Metall, Heißklebepistole zum Ver- und Aufkleben der diversen Papierteile) angefertigt werden. Aufgrund der vereinfachten Bastelschritte ohne Abpause- und Ausschneidearbeiten können viele der Bastelschritte auch von jüngeren bzw. im Basteln weniger geschickten Kindern ausgeführt werden. Gleichwohl sind auch diese Laternen-Bastelsets darauf ausgelegt, dass der Verwender sich - entsprechend seinen Fähigkeiten - kreativ und geschickt betätigt, um ein individuelles und in seiner Aufmachung und Wirkung recht aufwändiges Bastelunikat in Form einer motivverzierten Laterne anzufertigen. Angesichts der Vielzahl und der - gemessen am angesprochenen Kundenkreis kleinerer Kinder - durchaus gegebenen Komplexität und für ein ansprechendes Bastelergebnis trotz der weitgehend vorgefertigten Bastelelemente erforderlichen Genauigkeit und Sorgfalt der auszuführenden Arbeitsschritte kann - anders als die Klägerin meint - auch für diese einfacher gestalteten Laternen-Bastelsets nicht davon ausgegangen werden, dass sie lediglich unfertige Laternen enthalten, die ohne großen Aufwand schlicht zusammenzusetzen sind und vom Verwender nur mit Blick auf die Nutzung der verwendungsfertigen Laterne für ein Laternenfest gekauft werden. Vielmehr steht - was für die Einreihung als Spielzeug ausreichend ist, da nach den Erläuterungen Spielzeuge Waren sind, die im Wesentlichen zur Unterhaltung für Kinder oder Erwachsene bestimmt sind - auch hier der unterhaltende Aspekt der Laternen-Bastelsets durch das Basteln - hier durch die vereinfachten Bastelschritte speziell für kleinere Kinder - im Vordergrund, mag als Ergebnis der Basteltätigkeit auch eine Laterne entstehen und als solche dann für ein Laternenfest oder als Dekorationsobjekt genutzt werden (vgl. zur wesentlichen Zweckbestimmung der Verwendung einer Ware auch EuGH, Urteil vom 5. September 2019, C-559/18, in: juris). Damit sind diese Laternen-Bastelsets nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften erkennbar auf die Unterhaltung bzw. Zerstreuung von Kindern durch kreatives Basteln angelegt und haben durch ihre auf die gezielte Basteltätigkeit ausgerichtete Zusammenstellung den Charakter von Spielzeug.
- 30
Demgegenüber ist es für sämtliche streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets unerheblich, dass auf den Einlegern jeweils der Hinweis aufgedruckt ist: "Achtung! Bastelmaterial - kein Spielzeug! Nur unter Aufsicht eines Erwachsenen basteln." Denn eine der Ware beigefügte Bezeichnung der Ware als "kein Spielzeug" stellt eine für die Tarifierung unerhebliche bloße Beschreibung der Ware dar und lässt den aufgrund der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware vorhandenen Spielzeugcharakter unberührt (vgl. auch BFH, Urteil vom 27. Februar 2019, VII R 1/18, in: juris, m.w.N.).
- 31
Innerhalb der Position 9503 sind die Laternen-Bastelsets in die Unterposition 9503 0070 einzureihen.
- 32
Nach der Erläuterung zu Unterposition 9503 0070 KN, Rz. 36.7, bestehen "Aufmachungen" dieser Unterposition aus zwei oder mehr unterschiedlichen Waren, die in einer Verpackung für den Einzelverkauf angeboten und nicht neu verpackt werden und für eine spezielle Freizeitbeschäftigung oder Arbeit bzw. für bestimmte Personen oder Berufe typisch sind, wie beispielsweise Lehrspielzeug und pädagogisches Spielzeug. In Abgrenzung zu "Zusammenstellungen" der Unterposition 9503 0070, die aus zwei oder mehr verschiedenartigen Waren (hauptsächlich zur Unterhaltung) bestehen (Erläuterung zur Unterposition 9503 0070 KN, Rz. 36.2), und daher die Kombination von verschiedenartigen Waren der Position 9503 betreffen, erfassen "Aufmachungen" der Unterposition 9503 0070 Kombinationen unterschiedlicher Waren, die einzeln betrachtet nicht bzw. nicht nur in die Position 9503 einzureihen sind (vgl. auch Erläuterungen zu Position 9503 HS, Rz 50.0 und 51.0). Die streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets bestehen unzweifelhaft jeweils aus unterschiedlichen Waren, die getrennt gestellt nicht in die Position 9503 einzureihen wären, nämlich zum einen aus Zuschnitten bzw. Bögen aus Pappe/Papier und zum zweiten aus einem Metalldraht. Des Weiteren werden, was ebenfalls unzweifelhaft ist, die unterschiedlichen Waren als "Laternen-Bastelsets" mit einem Papiereinleger, auf dem die fertiggestellten Laternen abgebildet und nähere Beschreibungen zum Inhalt der Sets sowie eine Bastelanleitung abgedruckt sind, jeweils in einer Verpackung für den Einzelverkauf angeboten und nicht neu verpackt. Da die Laternen-Bastelsets, wie oben ausgeführt, dem Anfertigen von individuell gestalteten Motiv-Laternen durch das geschickte und gestaltende Zusammenfügen von verschiedenen Elementen und Zuschnitten aus Papier und einem Metallbügel dienen, sind sie schließlich auch für eine spezielle Freizeitbeschäftigung, hier das kreative Basteln, typisch. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis auch den - allerdings für das Gericht nicht bindenden - Nationalen Entscheidungen und Hinweisen (NEH) entspricht, nach denen Aufmachungen der Unterposition 9503 0070 aus verschiedenartigen Waren bestehen, deren Bestandteile einzeln betrachtet nicht bzw. nicht nur in die Position 9503 einzureihen sind, wie z.B. Sets für eine spezielle Freizeitbeschäftigung, bei denen durch die vorliegenden Gegenstände eine spielerische Unterhaltung/Zerstreuung erwirkt wird, wie z.B. beim Basteln, und der Hauptzweck im Herstellungsprozess an sich liegt, also in einer spielerischen Unterhaltung/Beschäftigung, die aus mehreren Arbeitsschritten/Tätigkeiten besteht (Erläuterungen zu Unterposition 9503 0070 NEH, Rz. 33.0, 36.0, 37.0).
- 33
Demgegenüber ist die von der Klägerin angesprochene Einreihung als Festartikel in die Position 9505 und dort als andere Festartikel im Sinne der Unterposition 9505 9000 nicht zutreffend.
- 34
Die streitgegenständlichen Waren stellen sich zu dem für die Tarifierung maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Einfuhr unstreitig nicht als verwendungsfähig fertiggestellte Laternen dar, sondern nur als Sets aus verschiedenen Bastelmaterialien zur Anfertigung einer Laterne.
- 35
Eine Anführung der streitgegenständlichen Waren in Position 9505 als unfertige Laternen nach Maßgabe der AV 2 a) ist - anders als die Klägerin meint - nicht möglich.
- 36
Eine Anwendung der AV 2 a) ist zwar entgegen der Auffassung des Beklagten vorliegend nicht bereits deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil die streitgegenständlichen Waren sich in Anwendung der AV 1 Satz 2 als Spielzeug im Sinne der Position 9503 darstellen. Nach AV 1 Satz 2 sind maßgebend für die Einreihung der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften, also u.a. auch die AV 2 a). Nach der Erläuterung zu AV 1 HS Rz. 08.0 Satz 1 soll der Satzteil "soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist" jeden Doppelsinn ausschließen und eindeutig festlegen, dass der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln bei der Einreihung den Vorrang vor jeder anderen Erwägung hat. Dementsprechend sind in erster Linie der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln maßgebend und es darf nur dann, wenn nach diesen Kriterien kein eindeutiges Einreihungsergebnis erzielt werden kann, auf die AV 2 bis 5 zurückgegriffen werden (vgl. BFH, Urteil vom 30. Juni 2020, VII R 40/18, in: juris, Rn. 11). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die mögliche Einreihung einer Ware in eine Position eine mögliche alternative Einreihung der Ware als unfertige Ware nach Maßgabe der AV 2 a) in eine andere Position grundsätzlich ausschließt. Vielmehr erweitert die AV 2 a) Satz 1 den Geltungsbereich jeder Position, die eine bestimmte Ware anführt, so dass nicht nur die vollständige oder fertige Ware erfasst wird, sondern auch die unvollständige oder unfertige Ware, wenn diese im maßgebenden Zeitpunkt die charakteristischen Merkmale der vollständigen oder fertigen Ware aufweist (vgl. Erläuterung zu AV 2 HS Rz. 02.0), und die AV 2 a) Satz 2 erweitert diese Regelung wiederum auf vollständige oder fertige oder als nach AV 2 a) Satz 1 als vollständig oder fertig anzusehende Waren, die zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt werden. Lediglich dann, wenn in den Positionen bzw. Unterpositionen (vgl. AV 6 i.V.m. AV 1) oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln etwas anderes bestimmt ist, d.h. dort eine Regelung enthalten ist, die die Anwendung der AV 2 a) für die Anführung der Ware in einer Position bzw. Unterposition ausschließt oder die Ware vorrangig einer anderen Position bzw. Unterposition zuweist, kommt eine Anwendung der AV 2 a) aufgrund der in der AV 1 enthaltenen Vorgabe nicht in Betracht. Damit ist es grundsätzlich denkbar, dass sich eine Ware einerseits als fertige bzw. vollständige Ware in eine Position einreihen lässt und ggf. zugleich als unfertige bzw. unvollständige Ware in eine andere Position einreihen lässt, wobei die Positionskonkurrenz sodann nach den Regelungen der AV 3 aufzulösen wäre.
- 37
Dies vorweggeschickt, kommt im Ergebnis eine Einreihung der streitigen Waren in die Position 9505 nach Maßgabe der AV 2 a) gleichwohl nicht in Betracht.
- 38
Nach AV 2 a) Satz 1 gilt jede Anführung einer Ware in einer Position auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Nach AV 2 a) Satz 2 gilt die Anführung einer Ware in einer Position auch für eine vollständige oder fertige oder nach AV 2 a) Satz 1 als solche geltende Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt wird. Nach der Erläuterung zu AV 2 a) HS, Rz. 02.0, wird auch die unvollständige oder unfertige Ware erfasst, wenn diese im maßgebenden Zeitpunkt die charakteristischen Merkmale der vollständigen oder fertigen Ware aufweist. Nach der Erläuterung zu AV 2 a) HS, Rz. 10.2 und 11.6, sind noch nicht zusammengesetzte Waren Waren, deren verschiedene Teile dazu bestimmt sind, entweder durch Hilfsmittel (Schrauben, Muttern, Bolzen, usw.) oder z.B. durch Vernieten oder Schweißen zusammengesetzt zu werden, sofern es sich dabei tatsächlich nur um Zusammensetzen handelt; dabei kommt es nicht auf die Kompliziertheit des Zusammensetzens an, jedoch dürfen die verschiedenen Teile bei der Vervollständigung zu einer fertigen Ware keiner weiteren Bearbeitung unterzogen werden.
- 39
Für die Laternen-Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2 und Tier 3 gilt dabei Folgendes: Die Voraussetzungen der AV 2 a) liegen bereits deshalb nicht vor, weil es sich bei diesen streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets weder um unfertige Laternen, die die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale von fertigen Laternen haben, noch um fertige Laternen oder als fertig geltende Laternen, die lediglich noch nicht zusammengesetzt gestellt werden, handelt. Zwar sind die Laternen-Bastelsets ausweislich des jeweils beigefügten Papiereinlegers mit Abbildung und Bastelanleitung erkennbar darauf angelegt, dass aus den enthaltenen Materialien die auf dem Papiereinleger abgebildete Laterne gebastelt werden kann. Dieses ist jedoch nur möglich, wenn die enthaltenen Materialien in bestimmter Art und Weise bearbeitet werden. Der Zuschnitt aus Wellpappe muss erst zu einem Laternenkorpus geformt und mittels Umbiegen der Rastnasen fixiert werden. Das Transparentpapier für die Vorder- und Rückseite des Laternenkorpus muss erst passgenau ausgeschnitten werden. Ferner müssen die Zierelemente, die später die Gestaltung als Tier-Laterne erkennen lassen, auf die Bögen aus Bastelkarton und Glitzerpapier nach einer Motivvorlage erst aufgezeichnet und dann ausgeschnitten werden. Und auch der Metalldraht muss erst an den Enden umgebogen werden, um ihn in den Laternenkorpus einhängen zu können. Hinzu kommt, dass je nach individueller Verwendung der Materialien und individueller Kreativität des Nutzers aus den Bögen aus Bastelkarton und Glitzerpapier auch andere Verzierungselemente ausgeschnitten oder diese Materialien auch zu völlig anderen Zwecken, z.B. als buntes Malpapier oder für die Gestaltung von Grußkarten, eingesetzt werden können. Damit weisen die Bestandteile dieser Laternen-Bastelsets nicht die charakteristischen Merkmale einer fertigen Tiermotiv-Laterne auf, sondern sind zunächst einmal schlicht Bastelmaterialien, die zumindest teilweise beliebig verwendet werden können. Ebenso wenig handelt es sich bei den Bestandteilen dieser Laternen-Bastelsets um Teile von fertigen oder als fertig geltenden Laternen, die lediglich im Sinne der oben genannten Erläuterungen zu AV 2 a) zusammengesetzt werden. Zwar ist es, anders als der Beklagte wohl meint, unerheblich, dass für das Zusammensetzen der Laternen eine Flachzange als Werkzeug und Klebe als Hilfsmittel verwendet werden müssen, da es nach den oben dargestellten Erläuterungen zu AV 2 a) auf die Kompliziertheit des Zusammensetzens nicht ankommt und auch der erforderliche Einsatz von Werkzeugen und Hilfsmitteln weder nach dem Wortlaut der AV 2 a) noch nach den Erläuterungen einem Zusammensetzen entgegensteht. Jedoch müssen die zusammenzusetzenden Teile der Tiermotiv-Laternen zuvor einer Bearbeitung unterzogen werden, was nach den Erläuterungen zu AV 2 a) die Anwendung der AV 2 a) ausschließt. Wie eingangs bereits ausgeführt, müssen die in den Laternen-Bastelsets vorhandenen Materialien zunächst durch Formen, aufwändiges Aufzeichnen und Ausschneiden sowie Biegen bearbeitet werden, um danach schließlich durch geschicktes Zusammenfügen eine Form zu finden, in der sie eine Tiermotiv-Laterne bilden. Die Herstellung der Tiermotiv-Laternen erfolgt daher nicht durch ein bloßes Zusammensetzen von vorhandenen Teilen einer fertigen oder als fertig geltenden Laterne. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass diese Laternen-Bastelsets, gesetzt den Fall, dass sie entgegen den vorstehenden Ausführungen doch nach Maßgabe der AV 2 a) als unfertige oder noch nicht zusammengesetzt gestellte Laternen anzusehen sein sollten, aufgrund der besonderen Beschaffenheit und Zusammenstellung der Ware gleichwohl keine Waren sind, die als - unfertige bzw. noch nicht zusammengesetzt gestellte - Festartikel der Position 9505 zugeordnet werden könnten. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen zu den Laternen-Bastelsets Motive Thema 1 und Thema 2 verwiesen werden, die in gleicher Weise auch für die Laternen-Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2 und Tier 3 gelten würden.
- 40
Für die Laternen-Bastelsets Motiv Thema 1 und Thema 2 gilt dabei Folgendes: Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzungen der AV 2 a) auch bei diesen streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets bereits deshalb nicht vorliegen, weil es sich auch hier weder um unfertige Laternen, die die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale von fertigen Laternen haben, noch um fertige Laternen oder als fertig geltende Laternen, die lediglich noch nicht zusammengesetzt gestellt werden, handelt. Denn jedenfalls wären diese streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets, auch wenn sie nach Maßgabe der AV 2 a) als unfertige oder noch nicht zusammengesetzt gestellte Laternen anzusehen sein sollten, aufgrund der besonderen Beschaffenheit und Zusammenstellung der Ware gleichwohl keine Waren, die als - unfertige bzw. noch nicht zusammengesetzt gestellte - Festartikel der Position 9505 zugeordnet werden könnten. Im Einzelnen: Auch diese Laternen-Bastelsets sind ausweislich des jeweils beigefügten Papiereinlegers mit Abbildung und Bastelanleitung erkennbar darauf angelegt, dass aus den enthaltenen Materialien die auf dem Papiereinleger abgebildete Laterne gebastelt werden kann. Zwar entfallen im Gegensatz zu den Laternen-Bastelsets Motive Tier 1, Tier 2 und Tier 3 das Zuschneiden des Transparentpapiers für den Laternenkorpus und die besonders aufwändigen Abpause- und Ausschneidearbeiten für die auf den Korpus aufzuklebenden Zierelemente, die der Laterne die besondere Motiv-Gestaltung verleihen. Gleichwohl sind die für die Laterne zusammenzusetzenden Teile durchaus einer gewissen Bearbeitung zu unterziehen, bevor sie zu einer Laterne zusammengefügt werden können. Der Zuschnitt aus Wellpappe muss erst zu einem Laternenkorpus geformt und mittels Umbiegen der Rastnasen fixiert werden. Und auch der Metalldraht muss erst an den Enden umgebogen werden, um ihn in den Laternenkorpus einhängen zu können. Letztlich kann dahin gestellt bleiben, ob die Bestandteile dieser Laternen-Bastelsets aufgrund der komplett zugeschnittenen und vorgefertigten Elemente aus Wellpappe, Transparentpapier und bedruckten Stanzmotiven aus Papier schon die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der späteren Motiv-Laterne aufweisen bzw. die Herstellung der Laterne - unter Vernachlässigung der sehr einfachen Bearbeitungsschritte des Formens und Fixieren des Wellpappenkorpus und des Umbiegens der Enden des Metalldrahts - durch bloßes Zusammensetzen von vorhandenen Teilen der Laterne erfolgt. Denn auch gesetzt den Fall, dass diese Laternen-Bastelsets sich nach Maßgabe der AV 2 a) als unfertige Laternen oder als fertige bzw. als fertig geltende Laternen, die lediglich noch nicht zusammengesetzt gestellt werden, darstellen sollten, sind sie keine Festartikel im Sinne der Position 9505. Nach den Erläuterungen zu Position 9505 KN, Rz. 01.0, 10.0, 11.0 und 12.0, müssen Waren, um als Festartikel eingereiht werden zu können, Dekorationswert haben (aufgrund von Design und Verzierung) und ausschließlich als Festartikel entworfen, angefertigt und anerkannt sein; Gegenstände, die einen eigenen Gebrauchswert haben, sind ausgeschlossen, auch wenn sie ein auf einen spezifischen festlichen Anlass bezogenes Design oder auf einen spezifischen festlichen Anlass bezogene Verzierungen aufweisen; Spielsachen, einschließlich Plüschtiere und Spiele, gehören dabei ausdrücklich nicht zu der Position 9505. Die Laternen-Bastelsets als solche haben keinerlei Dekorationswert, vielmehr stellen sie Bastelmaterial zur Anfertigung bestimmter Bastelunikate in Form von Motiv-Laternen dar und haben, wie oben ausgeführt, aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung Spielzeugcharakter, so dass sie nach den genannten Erläuterungen als Festartikel nicht in Betracht kommen.
- 41
Aus den vorgenannten Gründen stellen sämtliche streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets auch nicht unter dem von der Klägerin des Weiteren angeführten Aspekt, dass sie gerade für Bastelarbeiten aus Anlass eines bestimmten Festes - hier des Laternenfestes - zur Unterhaltung genutzt werden, Festartikel im Sinne der Position 9505 dar.
- 42
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angesprochene Positionskonkurrenz zwischen Position 9503 und 9505 und die Frage nach der Anwendung der AV 3 c) stellt sich damit ebenfalls nicht.
- 43
Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin angeführten vZTAs für verschiedene Osterfestartikel ebenfalls keine der Klägerin günstigere Beurteilung rechtfertigen. Die genannten Osterfestartikel sind wegen der Unterschiede in der Komplexität der für die Herstellung des Bastelergebnisses erforderlichen Arbeitsschritte nicht mit den streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets vergleichbar. Zudem wäre selbst für den Fall, dass eine vZTA existierte, mit der eine der streitgegenständlichen Ware vergleichbare Ware im Sinne der Klägerin eingereiht würde, diese Einreihung durch eine andere Zollbehörde für das Gericht nicht bindend. Entscheidend ist für die gerichtliche Entscheidung allein, welche zolltarifliche Einreihung zutreffend ist. Erweist sich eine einem Einführer erteilte vZTA als unzutreffend, kann ein anderer Einführer in einem anderen Einfuhrfall nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der zuständigen Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung zugrunde legt (vgl. BFH, Beschluss vom 30. März 2015, VII B 117/14, in: juris). Entsprechendes gilt auch für die von der Klägerin angeführte Einreihung diverser Laternen-Bastelsets als Festartikel anlässlich eines Einfuhrabgabenbescheides aus dem Jahr 2019.
- 44
Aus der damit vom Beklagten zutreffend vorgenommenen Einreihung der streitgegenständlichen Laternen-Bastelsets in die Unterposition 9503 0070 ergibt sich, dass die mit den beiden Einfuhrabgabenbescheiden vom 3. September 2015 jeweils erhobene Zollschuld in berechneter Höhe ausgehend von einem Drittlandszollsatz von 4,7 % gesetzlich geschuldet war.
III.
- 45
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- FGO § 90 1x
- FGO § 101 1x
- FGO § 135 1x
- FGO § 115 1x
- Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 160/14 1x
- VII R 48/13 1x (nicht zugeordnet)
- VII R 17/16 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 217/14 2x
- VII R 1/18 1x (nicht zugeordnet)
- VII R 40/18 1x (nicht zugeordnet)
- VII B 117/14 1x (nicht zugeordnet)