Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 260/19

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von ausländischer Körperschaftsteuer, die auf Dividenden von Gesellschaften mit Sitz im Ausland entfällt.

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Die Klägerin ist eine Versicherungsgesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie wurde im Jahr 2006 im Wege der Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der A Aktiengesellschaft mit Sitz in Hamburg (im Folgenden: A AG).

3

Die A AG besaß in den Streitjahren 1999 bis 2001 alle Anteilscheine des Sondervermögens XX, ein Spezialfonds im Sinne von § 1 Abs. 2 des damals in Kraft gewesenen Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) der B ... mit beschränkter Haftung.

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Die Klägerin beantragte am 8. August 2007 beim Finanzamt C unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 6. März 2007 in der Rechtssache Meilicke I (C-292/04, DStR 2007, 485) unter anderem für die Streitjahre die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer, die auf Dividenden aus EU- und EWR-Staaten entfällt. Dieser Antrag wurde auch für die Steuererstattungsansprüche gestellt, für die die Klägerin Rechtsnachfolgerin ist.

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Im März 2015 konkretisierte die Klägerin diesen Antrag gegenüber dem Finanzamt C dahingehend, dass für

- 1999:

... €,

- 2000:

... €,

- 2001:

... € 

an ausländischer Körperschaftsteuer angerechnet werden solle. Sie bezog sich dabei auf Dividenden, die der XX in den Streitjahren aus Anteilen an folgenden ausländischen Kapitalgesellschaften erhielt, von denen in den Sitzländern jeweils Quellensteuern einbehalten wurden:

...

6

Die Klägerin legte dabei Bescheinigungen der depotführenden Banken über die Dividenden sowie Steuerbescheinigungen der ausschüttenden ausländischen Gesellschaften vor, in denen die anteilige Steuerbelastung der Ausschüttung nach folgender Formel berechnet wurde:
Höhe der Steuerbelastung = anteilige Ausschüttung x effektive Steuerquote ÷ 100

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Die Steuerbescheinigungen wiesen jeweils das Jahr aus, auf das sich die Ausschüttung bezieht, die Anteile des Dividendenempfängers, die Anzahl der Gesamtanteile, die Beteiligungshöhe des Dividendenempfängers in Prozent, die Gesamtausschüttung an alle Anteilseigner, den Jahresüberschuss laut Bilanz, die der deutschen Körperschaftsteuer entsprechende Steuer, die anteilige Ausschüttung, die effektive Steuerquote (in Prozent der Körperschaftsteuerbelastung des Jahresüberschusses) und die Höhe der Steuerbelastung der Ausschüttung. Bezüglich des näheren Inhalts der Bescheinigungen wird auf Bl. 7 ff. der Rechtsbehelfsakte "Untätigkeitseinspruch KStG 1999 und 2000" und auf Bl. 9 ff. der Rechtsbehelfsakte "Abrechnungsbescheid KSt 2001" Bezug genommen.

8

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin - unter anderem für die Körperschaftsteuer 1999 bis 2001 - von 2003 bis 2009 erließ der Beklagte am 5. Mai 2009 geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der A AG. Dabei wurden im Rahmen der Gewinnermittlung 2001 dem Prüfungsbericht vom 27. Februar 2009 entsprechend (Prüfvermerk Nr. 6) die von der A AG vom XX bezogenen ausländischen Einkünfte gemäß § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als steuerfrei behandelt.

9

Die Klägerin legte am 19. Mai 2009 Einspruch gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 ein. Mit Bescheiden vom 28. Juni 2011 und vom 30. Oktober 2018 wurden die Körperschaftsteuerbescheide 2000 und 2001 aus hier nicht streiterheblichen Gründen erneut geändert. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin ausweislich ihrer Begründung vom 14. August 2019 zuletzt nur noch geltend, dass in den Jahren 1999 bis 2001 noch keine Anrechnung gemäß § 36 des Einkommensteuergesetzes (EStG aF) der geltend gemachten ausländischen Körperschaftsteuer erfolgt sei. Es werde um Abhilfe dieses Einspruchsbegehrens gebeten. Die anzurechnende Körperschaftsteuer sei umfassend nachgewiesen worden. Diese Beträge hätten bislang aufgrund der Besteuerungssystematik der Spezialfonds noch nicht angerechnet werden können.

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Mit Entscheidung vom 13. September 2019 verwarf der Beklagte den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1999 als unzulässig. Die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer sei im Rahmen eines Abrechnungsbescheides zu prüfen.

11

Mit weiterer Entscheidung vom 13. September 2019 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2000 und 2001 als unbegründet zurück. Über die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer sei in einem Abrechnungsbescheid zu entscheiden.

12

Das Finanzamt C leitete den Antrag der Klägerin auf Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer im Mai 2018 zuständigkeitshalber an den Beklagten weiter, der den Antrag als einen solchen auf Erteilung von Abrechnungsbescheiden auslegte.

13

Mit Bescheid vom 13. September 2019 erließ der Beklagte einen Abrechnungsbescheid für 2001, in dem eine verbleibende Steuer in Höhe von ./. ... € ausgewiesen wird. Eine Anrechnung der ausländischen Steuer in Höhe von ... € erfolgte nicht, weil im Veranlagungszeitraum 2001 bereits dem Grunde nach keine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer bei inländischen Dividendenempfängern in Betracht komme. Nach § 34 Abs. 2 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3858) - KStG aF - blieben Bezüge aus ausländischen Beteiligungen ab dem Veranlagungszeitraum 2001 nach Maßgabe von § 8b Abs. 1 KStG bei der Einkommensermittlung außer Ansatz. Die besondere Anwendungsregelung von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 Satz 1 Nr. 1 KStG aF sei nicht einschlägig, weil ausländische Körperschaften nie dem Anrechnungsverfahren unterlegen hätten.

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Mit Schreiben vom 13. September 2019 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die Entscheidung über die Anträge auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides für die Jahre 1999 und 2000 zurückzustellen. Es sei nicht geklärt, welche Nachweise für eine etwaige Anrechnung zu erbringen seien.

15

Die Klägerin legte am 24. September 2019 Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid für 2001 ein, den sie damit begründete, dass § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF lediglich die Voraussetzung aufgestellt habe, dass die damit verbundenen Einnahmen bei der Veranlagung erfasst würden. Es habe keine Auswirkung auf die Anrechnung, ob die Einnahmen steuerfrei oder steuerpflichtig seien. Die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF sei erst durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, 1433) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2002 entfallen.

16

Am 25. September 2019 legte die Klägerin Untätigkeitseinspruch wegen der Nichterteilung eines Abrechnungsbescheides für die Jahre 1999 und 2001 ein.

17

Mit Entscheidung vom 4. November 2019 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid 2001 als unbegründet zurück. Mit dem Steuersenkungsgesetz sei die Anrechnung von Körperschaftsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG aF mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2001 abgeschafft worden. Bereits aus dem System des Anrechnungsverfahrens folge, dass die Einnahmen bei der Veranlagung zu erfassen und steuerpflichtig sein müssten.

18

Mit weiterer Entscheidung vom 4. November 2019 wies der Beklagte den Einspruch in Bezug auf die Nichterteilung von Abrechnungsbescheiden für die Jahre 1999 und 2000 als unbegründet zurück. Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer sei, dass die Einnahmen und die anrechenbare Körperschaftsteuer bei der Berechnung des Einkommens erfasst seien (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF) und die anrechenbare Körperschaftsteuer nachgewiesen worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die mitgeteilte ausländische Körperschaftsteuer bei der Ermittlung der Einkünfte auf Anlegerebene durch den XX berücksichtigt worden sei. Eine Anrechnung scheide schon aus diesem Grunde aus. Aus den als Steuerbescheinigungen der ausschüttenden Gesellschaften bezeichneten Unterlagen gehe zudem nicht hervor, wer die Bescheinigung erstellt habe, und es sei nicht nachgewiesen worden, dass diese Beträge die tatsächliche Körperschaftsteuerbelastung darstellten.

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Die Klägerin hat am 1. Oktober 2019 gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13. September 2019 Klage erhoben (Az. 6 K 260/19) und zur Begründung zunächst geltend gemacht, dass ihr Begehren auf Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer nicht allein in dem Verfahren auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides zu verfolgen sei. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF ordne vielmehr eine Wechselwirkung zwischen Abrechnungsbescheid und Körperschaftsteuerbescheid an.

20

Die Klägerin hat am 6. Dezember 2019 Klage gegen den Abrechnungsbescheid 2001 und die Nichterteilung von Abrechnungsbescheiden 1999 und 2000 erhoben (Az. 6 K 295/19), mit der sie die Erteilung von Abrechnungsbescheiden für die Jahre 1999 bis 2001 begehrt, in denen die geltend gemachte ausländische Steuer angerechnet wird.

21

Mit Beschlüssen des Senats vom 13. Januar 2020 wurden die Verfahren 6 K 260/19 und 6 K 295/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Verfahren wurde unter dem Az. 6 K 260/19 fortgeführt.

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Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vor:

23

Die Klage seien zulässig. Insbesondere sei keine (Teil-)Rücknahme der Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide erfolgt.

24

Es sei nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Meilicke I unstrittig, dass im Ausland festgesetzte Körperschaftsteuer auf die im Inland festgesetzte Körperschaftsteuer der Anteilseigner anrechenbar sei. Eine Erfassung der ausländischen Körperschaftsteuer im Rahmen der Veranlagung gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF sei weiterhin möglich. Die Notwendigkeit einer solchen Erfassung, die bislang weder auf der Ebene des XX noch ihrer, der Klägerin, erfolgt sei, werde nicht bestritten.

25

Die erforderlichen Nachweise zu diesen Steuern seien mit Schreiben vom 6. März 2015 erbracht worden. Die Steuerbescheinigungen der ausländischen Gesellschaften seien von ihr, der Klägerin, für eine Vielzahl von Fällen vorbereitet worden und enthielten nicht nur eine rein rechnerische Ermittlung der Körperschaftsteuerbelastung. Ausgewiesen werde sowohl der Betrag der tatsächlich ausgeschütteten Dividende und die darauf lastende - der deutschen Körperschaftsteuer entsprechende - ausländische Körperschaftsteuer. Die ausländischen Körperschaften seien erneut angeschrieben und um Vorlage der Körperschaftsteuerbescheide gebeten worden. Die D AG habe reagiert und die Veranlagungsverfügungen der Kantonalen Steuerverwaltung E für 1999 und 2000 vorgelegt. Ferner habe die F die Bestätigungen des Steueramtes der Stadt G und des Kantonalen Steueramtes G für 2000 eingereicht (Anlagen zum Schriftsatz vom 23. Februar 2021). Die H ... habe es abgelehnt, die französischen Körperschaftsteuerbescheide für 1999 und 2000 vorzulegen. Die J ... habe per E-Mail einen Auszug des dänischen Finanzamtes überreicht, aus dem sich die gezahlte Steuer für 1998 ergebe (Anlage zum Schriftsatz vom 7. Juni 2021).

26

Empfänger der streitgegenständlichen Dividenden sei der XX gewesen, bei dem die Erträge erfasst und der Rechtsvorgängerin der Klägerin zugerechnet worden seien. In den Jahren 1999 und 2000 sei in den Körperschaftsteuererklärungen der Betrag der Ausschüttungen sowie die auf die Körperschaftsteuer anzurechnende ausländische Quellensteuer als steuerpflichtiger Bruttoertrag erfasst worden. Die ausländische Körperschaftsteuer, deren Anrechnung begehrt werde, sei allerdings nicht enthalten. Dies könne nachgeholt werden.

27

Im Jahr 2001 seien die in Rede stehenden Dividendenerträge durch die Außenprüfung nach § 8b Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 40a KAGG nicht der Besteuerung unterworfen worden. Dies stehe der Anrechnung der auf den jeweiligen Dividenden lastenden ausländischen Steuer allerdings nicht entgegen. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF sei es nur erforderlich, dass die mit der anzurechnenden ausländischen Steuer verbundenen Einnahmen bei der Veranlagung erfasst würden. Ob die damit verbundenen Einnahmen steuerfrei oder steuerpflichtig seien, habe keine Auswirkung auf die Anrechnung.

28

§ 40 Abs. 3 Satz 1 KAGG, wonach Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer insoweit außer Betracht zu lassen seien, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthielten, für die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Ausübung des Besteuerungsrecht verzichtet habe, sei auf die streitgegenständlichen Ausschüttungen nicht anwendbar. Sämtliche einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA Finnland, DBA Dänemark, DBA Frankreich und DBA Schweiz) sähen die Anrechnungsmethode zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung vor.

29

Die der A AG aus dem XX in den streitgegenständlichen Veranlagungszeiträumen zuzuweisenden Besteuerungsgrundlagen seien in den Streitjahren nach der damals geltenden Fassung des KAGG nicht gesondert festzustellen gewesen. Eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf Ebene des XX scheide schon deshalb aus, weil nach der in Rede stehenden Gesetzeslage § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG aF nicht auf Ebene von Spezial-Investmentfonds anwendbar gewesen sei.

30

Die vom Gesetzgeber intendierte Gleichstellung von Fondsanlage und Direktanlage sei im Hinblick auf das rein nationale Anrechnungssystem über das System von Vergütung der deutschen Körperschaftsteuer nach § 38 Abs. 2 KAGG und Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nach § 38 Abs. 3 KAGG jeweils an den Fonds erreicht worden. Im Falle einer Weiterausschüttung oder Thesaurierung zugunsten inländischer unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilscheininhaber habe der Fonds gemäß § 38a KAGG die Vorbelastung herzustellen (sogenannte Ausgleichsteuer) und von dem Teil der Ausschüttung gemäß § 39 Abs. 2 KAGG Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen gehabt. Der Anteilscheininhaber habe die im Wege der Ausgleichsteuer erhobene Körperschaftsteuer zu versteuern gehabt, habe sich aber im Gegenzug die inländische Körperschaftsteuer und die vom Fonds einbehaltene Kapitalertragsteuer gemäß § 36 Abs. 2 EStG aF i.V.m. § 39b Abs. 1 KAGG auf die individuelle Körperschaftsteuer anrechnen lassen können.

31

Innerhalb dieses Systems sei eine Umsetzung des EuGH-Urteils in der Rechtssache Meilicke I nur dadurch zu erreichen, dass die ausländische Steuer ebenfalls durch den deutschen Fiskus an den XX vergütet werde. Hierfür fehle es aber an einer rechtlichen Grundlage. § 38 KAGG habe ausdrücklich nur die Vergütung der Körperschaftsteuer unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften vorgesehen. Für eine Vergütung der ausländischen Steuer bleibe daher schon dem Wortlaut nach kein Raum.

32

Der EuGH habe in der Rechtssache Meilicke I nur entschieden, dass die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF unionsrechtswidrig sei, soweit sie die Möglichkeit der Steueranrechnung auf den reinen Inlandsfall begrenze. Eine Beseitigung der Unionsrechtswidrigkeit des deutschen Anrechnungsverfahrens könne daher nicht auf der Ebene des Sondervermögens XX erfolgen, weil die Vorschriften des KAGG nicht unionsrechtswidrig seien. Die Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH könne aufgrund des innerstaatlich vorgesehenen Transparenzprinzips auf Ebene des Anteilseigners erfolgen.

33

Auch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) gehe in einem Schreiben an die Depotbank K AG vom 15. März 2019 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 13. Juli 2020) davon aus, dass eine Vergütung der ausländischen Körperschaftsteuer an die Depotbank nicht erfolgen könne. Das Wertpapier-Sondervermögen gelte als Steuersubjekt im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Solche Vermögen seien gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 KAGG vorbehaltlich des § 38a KAGG von der deutschen Körperschaftsteuer befreit. Es werde somit auf die erhaltenen Kapitalerträge des Vermögens keine Körperschaftsteuer erhoben. Eine ausländische Körperschaftsteuer sei überschießend und nicht erstattungsfähig. Der Vergütungsantrag der K AG sei zurückgenommen worden.

34

Das Zusammenspiel der vom BZSt und vom Beklagten vertretenen Auffassungen führe im Ergebnis dazu, dass im Falle der Kapitalanlage über inländische Investmentfonds eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer niemals erfolgen könne. Dieses Ergebnis verstoße sowohl gegen die Kapitalverkehrsfreiheit als auch gegen das steuerliche Transparenzprinzip. Im Ergebnis komme deshalb nur eine Anrechnung auf Ebene der Anteilscheininhaber in Betracht.

35

Der EuGH lehne die Begrenzung auf das deutsche Steuerniveau ab. Deshalb sei die Anrechnung nicht auf die nach deutschem Recht vorgeschriebene Höhe von 3/7 der Ausschüttung beschränkt. Vielmehr sei die im Sitzstaat tatsächlich gezahlte ausländische Steuer anzurechnen. Diese ergebe sich aus den vorgelegten Nachweisen.

36

Die Anrechnungsverfügungen zum Körperschaftsteuerbescheid könnten geändert werden, weil es korrespondierend zu einer Änderung der Steuerfestsetzung komme. Eine Zahlungsverjährung nach § 228 der Abgabenordnung (AO) sei deshalb nicht eingetreten.

37

Die Klägerin beantragt,
1. den Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom 5. Mai 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2019 dergestalt zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um ... € höher angesetzt wird;
2. den Körperschaftsteuerbescheid 2000 vom 30. Oktober 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2019 dergestalt zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um ... € höher angesetzt wird;
3. den Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom 30. Oktober 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2019 dergestalt zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um ... € höher angesetzt wird;
4. den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2019 zu verpflichten, Abrechnungsbescheide für 1999 und 2000 zu erlassen, in denen ausländische Körperschaftsteuer in Höhe von ... € für 1999 und von ... € für 2000 angerechnet werden;
5. den Abrechnungsbescheid für 2001 vom 13. September 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2019 dergestalt zu ändern, dass ausländische Körperschaftsteuer in Höhe von ... € angerechnet wird.

38

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

39

Das Halbeinkünfteverfahren auf Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften gemäß § 52 Abs. 1 EStG und § 34 Abs. 1, § 10 KStG in den maßgeblichen Fassungen sei grundsätzlich erst ab dem Veranlagungszeitraum 2002 anzuwenden gewesen. Deshalb habe im Streitjahr 2001 noch die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF gegolten. Nicht abschließend geklärt sei allerdings die Parallelität zwischen dieser Fortgeltung für Ausschüttungen, die im Jahr 2001 erfolgt seien, und der Anwendbarkeit von § 8b Abs. 1 KStG auf empfangene Dividenden, insbesondere, weil ausländische Kapitalgesellschaften ihrerseits in der Regel einem ausländischen Besteuerungsregime unterfielen und nicht dem Anrechnungsverfahren. Die streitgegenständlichen Erträge seien in der Zeit des Anrechnungsverfahrens erwirtschaftet worden, deshalb sei im Streitjahr 2001 § 8b Abs. 1 KStG noch nicht anwendbar gewesen.

40

Voraussetzung für eine erfolgreiche Anrechnung von gezahlter ausländischer Körperschaftsteuer auf die deutsche Steuer sei nach der Entscheidung des EuGH Meilicke II die Vorlage von Belegen, anhand derer die Finanzverwaltung eindeutig und genau überprüfen könne, ob die nach den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift vorlägen, ohne dass sie dabei die Gutschrift schätzen dürften.

41

Eine Anrechnung erfolge beim Empfänger der Dividende. Dies sei im vorliegenden Fall der XX gewesen. Es sei nicht klar, inwieweit die streitgegenständlichen Ausschüttungen an den XX aus solchen Ausschüttungen stammten, für die Eigenkapital im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG in der maßgeblichen Fassung als verwendet gelte. Diese in § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 EStG aF normierte Voraussetzung sei auch im vorliegenden Fall anzuwenden und müsse belegt und nachvollziehbar sein. Dazu habe die Klägerin keine Ausführungen getätigt.

42

Eine Anrechnung komme - wenn überhaupt - nur in Höhe von 3/7 der Ausschüttungen in Betracht. Allein die gesetzlich vorgesehene Begrenzung auf eine Anrechnung von Erträgen unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaften stelle einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar. Im Übrigen bleibe § 36 EStG aF nach der Rechtsprechung des BFH vollumfänglich anwendbar (unter Bezugnahme auf BFH, Urteil vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037).

43

Nach der Rechtsprechung des BFH komme eine Anrechnung nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Körperschaftsteuerbeträge nicht als Einnahmen im Rahmen der Steuerfestsetzung erfasst worden seien (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF). Eine Erklärung als Einnahmen könne nur auf der Ebene des XX erfolgen. In den Streitjahren sei die anrechenbare Körperschaftsteuer nach § 38 KAGG auf Antrag an die Depotbank zu vergüten gewesen. Auf der Ebene des Fonds habe eine Entlastung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer erfolgen sollen. Die Rechtsprechung des EuGH in den Streitsachen Meilicke müsse auch für § 38 Abs. 2 KAGG gelten. Denn auch diese Vorschrift diskriminiere Beteiligungen an solchen Gesellschaften, die sich nicht im Inland befänden. Es habe einen Antrag auf Erstattung an das damalige Bundesamt für Finanzen gestellt werden müssen. Es werde bestritten, dass der Antrag der Depotbank K AG tatsächlich zurückgenommen worden sei. Die Klägerin habe diesen Vortrag nicht belegt.

44

Die Klägerin habe bislang jedenfalls keine zureichenden Nachweise darüber erbracht, dass die anzurechnenden ausländischen Körperschaftsteuern tatsächlich entrichtet worden seien. Die vorgelegten Unterlagen seien unzureichend. Es müsse eindeutig nachvollziehbar sein, dass eine tatsächliche Belastung der ausschüttenden Gesellschaft mit Körperschaftsteuer gegeben sei. Eine rein rechnerische Nachvollziehbarkeit reiche nicht aus. Zudem belegten die vorgelegten Unterlagen nicht eindeutig, dass die ausländische Dividende nicht steuerfrei aus Eigenkapital erbracht worden sei.

...

Entscheidungsgründe

45

Die Klage ist zulässig (I.) aber unbegründet (II.)

I.

46

1. Die Klage gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1999, 2000 und 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13. September 2019 ist zulässig.

47

a) Die Klägerin ist als Gesamtrechtsnachfolgerin der A AG durch die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide beschwert, auch wenn sie durch die Hinzurechnung der streitgegenständlichen ausländischen Körperschaftsteuer zu ihren Einnahmen eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens und damit eine höhere Steuerfestsetzung beantragt.

48

Sie, die Klägerin, begehrt mit dieser Hinzurechnung eine Anrechnung der streitgegenständlichen ausländischen Körperschaftsteuer nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 EStG aF in Verbindung mit § 49 Abs. 1 KStG in der maßgeblichen Fassung (KStG aF). Dieses Begehren verfolgt die Klägerin zugleich mit ihrer Klage gegen den Abrechnungsbescheid 2001 und die Ablehnung der Erteilung von Abrechnungsbescheiden für 1999 und 2000.

49

Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF wird die Körperschaftsteuer nicht angerechnet, wenn die Einnahmen oder die anrechenbare Körperschaftssteuer bei der Veranlagung nicht erfasst werden. Die Klägerin muss danach somit - dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig - im Wege der Anfechtung der Körperschaftsteuerbescheide eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens erreichen, um auf der Erhebungsebene in den Vorteil der Anrechnung der streitgegenständlichen ausländischen Körperschaftsteuer zu gelangen (vgl. dazu BFH, Urteil, vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037).

50

b) Das nach § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Vorverfahren wurde durchgeführt. Die Einsprüche der Klägerin vom 19. Mai 2009 gegen die nach der Außenprüfung geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 5. Mai 2019 wurden mit Entscheidungen des Beklagten vom 13. September 2019 als unzulässig (1999) und unbegründet (2000 und 2001) zurückgewiesen. Die Änderungsbescheide für 2000 und 2001 vom 28. Juni 2011 und vom 30. Oktober 2018 sind gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden.

51

Die Klägerin hat ihr Einspruchsbegehren mit Schriftsatz vom 14. August 2019 zwar auf die "Anrechnung ausländischer Quellensteuer (hier: Körperschaftsteuer)" beschränkt. Darin liegt aber keine (teilweise) Rücknahme der Einsprüche im Sinne einer Beschränkung auf Einsprüche gegen die Anrechnungsverfügungen der Körperschaftsteuerbescheide als selbständige Verwaltungsakte im Erhebungsverfahren (vgl. dazu Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 36 EStG Rn. 20). Die Klägerin hat in diesem Schriftsatz vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass die Einspruchsverfahren gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 bis zu einer Anrechnung fortgeführt werden sollten, und um Abhilfe ihres, der Klägerin, Einspruchsbegehrens gebeten. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes rechtschutzgewährender Auslegung (vgl. dazu etwa BFH, Beschluss vom 26. Januar 2010, VI B 115/09, BFH/NV 2010, 935 m.w.N.) ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 aufrechterhalten wollte, um eine Anrechnung zu erreichen, auch wenn sie, die Klägerin, im Einspruchsverfahren nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass dafür eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens begehrt wird. Ausweislich der Einspruchsentscheidungen vom 13. September 2019 ging dementsprechend auch der Beklagte davon aus, dass die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide nicht zurückgenommen worden sind oder sich erledigt hatten, sondern noch zu bescheiden waren.

52

c) Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 27. September 2019, eingegangen am 1. Oktober, innerhalb der Klagefrist vorgetragen, dass § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF eine Wechselwirkung zwischen Abrechnungsbescheid und Körperschaftsteuerbescheid anordne, und damit den Gegenstand des Klagebegehrens im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO hinreichend deutlich bezeichnet (Erhöhung der Einnahmen um die anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer).

53

2. Die Klage ist gegen die Ablehnung der Erteilung eines Abrechnungsbescheides für 1999 und 2000 als Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 2 FGO) und gegen den Abrechnungsbescheid 2001 als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO) zulässig.

54

Der Beklagte hat das Anrechnungsbegehren der Klägerin zutreffend dahingehend ausgelegt, dass darüber in Abrechnungsbescheiden zur Körperschaftsteuer 1999 bis 2001 im Sinne von § 218 Abs. 2 AO zu befinden war. Die Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer war zwischen den Beteiligten streitig. Darüber war deshalb - in gegenüber den Anrechnungsverfügungen vorrangigen - Abrechnungsbescheiden zu entscheiden (BFH, Urteil vom 15. Januar 2015, I R 68/12, BFH/NV [2015], 1037; BFH, Beschluss vom 12. Oktober 2015, VIII B 143/14, BFH/NV 2016, 40; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 36 EStG Rn. 20, jeweils m.w.N.). Erweisen sich die Anrechnungsverfügungen aufgrund der Abrechnungsbescheide im Ergebnis zu Lasten der Klägerin als rechtswidrig, können sie gemäß § 130 AO geändert werden (vgl. BFH, Urteil vom 26. Juni 2007, VII R 35/06, BStBl. II 2007, 742; Loschelder in Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 36 Rn. 30; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 36 EStG Rn. 20).

II.

55

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

56

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2001 und des Abrechnungsbescheides 2001 (§ 100 Abs. 2 FGO) und eine Verpflichtung zum Erlass von Abrechnungsbescheiden für 1999 und 2000 mit dem von der Klägerin begehrten Inhalt (§ 101 Satz 1 FGO) kann nicht erfolgen. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die geltend gemachte ausländische Körperschaftsteuer auf der Einnahmenseite nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF zuzurechnen und damit korrespondierend in den Abrechnungsbescheiden die streitgegenständliche ausländische Körperschaftsteuer anzurechnen.

57

1. Dies folgt schon daraus, dass eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer nur vorrangig auf der Ebene des XX, und nicht direkt auf der Ebene der Klägerin als Anteilscheininhaberin, erfolgen konnte.

58

a) Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 EStG a.F. in Verbindung mit § 49 Abs. 1 KStG aF wird die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG aF, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 KStG aF ("EK 01") als verwendet gilt, auf die Einkommensteuer angerechnet. Diese Anrechnungsvoraussetzungen sind infolge des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs auf Ausschüttungen nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschaften auszudehnen und insoweit dahingehend modifiziert, dass sich der im Rahmen des § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG aF zu berücksichtigende Anrechnungsbetrag unter Beachtung einer Anrechnungshöchstgrenze nach der tatsächlich im Sitzstaat der ausschüttenden Körperschaft festgesetzten ausländischen Körperschaftsteuer bemisst und diese dem vereinnahmten Beteiligungsertrag nach steuerlichen Grundsätzen ("Verwendungsfiktion") zuzuordnen ist (BFH, Urteil vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037; EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011, C-262/09 - Meilicke II -, DStR 2011, 1262; vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. September 2014, C-47/12 - Kronos -, IStR 2014, 724).

59

b) Das KAGG sah in den Streitjahren ein spezielles System der Körperschaftsteueranrechnung vor, das dem allgemeinen System nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF in Verbindung mit § 49 Abs. 1 KStG aF vorging (vgl. allgemein zum Vorrang des KAGG als lex specialis zum KStG und zum EStG Lübbehusen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, 1. Aufl. 2003, Vor § 37n ff. KAGG Rn. 16 ff.).

60

aa) Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 KAGG in der maßgeblichen Fassung 1999 und 2000, der nach § 43 KAGG in Verbindung mit § 52 Abs. 36 EStG, jeweils in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes 2000, unter anderem für Gewinnausschüttungen an das Sondervermögen im Jahr 2001 aus 2000 oder früher noch weiter galt (vgl. zum Anwendungszeitpunkt Harenberg, GStB 2001, 450, 458), wird die anrechenbare Körperschaftsteuer auf Antrag an die Depotbank vergütet, wenn zu einem Wertpapier-Sondervermögen Anteile an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehören. Die Vorschriften des EStG über die Vergütung von Körperschaftsteuer an unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Anteilseigner sind sinngemäß anzuwenden (§ 38 Abs. 2 Satz 2 KAGG). Für die Vergütung war gemäß § 36b Abs. 3 EStG aF das vormalige Bundesamt für Finanzen (jetzt BZSt) zuständig. Die Antragsfrist endet jeweils am 31. Dezember des Jahres, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Einnahmen zugeflossen sind. Diese Frist kann nicht verlängert werden (§ 36b Abs. 4 EStG aF). Das Wertpapier-Sondervermögen gilt gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 KAGG als Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und ist vorbehaltlich des § 38a KAGG von der Körperschaftsteuer befreit.

61

bb) Im Fall der Weiterausschüttung oder Thesaurierung zu Gunsten inländischer unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilscheininhaber hatte das Sondervermögen seinerseits die 30-prozentige Ausschüttungsbelastung inländischer Dividenden herzustellen (sogenannte Ausgleichsteuer; vgl. Harenberg, GStB 2001, 450). Nach § 38a KAGG ist für den Teil der Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen, der nach § 39a Abs. 1 KAGG zur Anrechnung oder Vergütung von Körperschaftsteuer berechtigt, die Ausschüttungsbelastung mit Körperschaftsteuer nach § 27 KStG in der maßgeblichen Fassung herzustellen. Die Körperschaftsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ausschüttungen den Anteilscheininhabern zufließen. Die Kapitalanlagegesellschaft hat die Steuer zu entrichten und eine Steuererklärung abzugeben (§ 38a Abs. 1 Satz 2, 4, 5 KAGG). Das Wertpapier-Sondervermögen ist Steuerschuldnerin (vgl. § 38 Abs. 1 KAGG, Lübbehusen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, 1. Aufl. 2003, § 38 KAGG Exk I Rn. 27).

62

cc) § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAGG bestimmt, dass für Ausschüttungen auf Anteilscheine (nach § 39 Abs. 2 KAGG gilt dies für Thesaurierungen entsprechend) an einem Wertpapier-Sondervermögen die Körperschaftsteuer nur angerechnet oder vergütet wird, soweit darin Erträge des Sondervermögens enthalten sind, die nach § 38 Abs. 2 KAGG zur Vergütung von Körperschaftsteuer an die Depotbank berechtigen. Für die Ermittlung des Teils der Ausschüttung, der zur Anrechnung oder Vergütung von Körperschaftsteuer berechtigt, ist gemäß § 39a Abs. 1 Satz 2 KAGG die nach § 38a KAGG zu entrichtende Körperschaftsteuer von dem in § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAGG bezeichnetem Betrag abzuziehen. § 45 KStG aF gilt entsprechend (§ 39a Abs. 1 Satz 3 KAGG). In der danach zu erteilenden Bescheinigung der Depotbank ist der zur Anrechnung oder Vergütung berechtigende Teil der Ausschüttung gemäß § 39a Abs. 1 Satz 4 KAGG gesondert anzugeben (vgl. dazu Lübbehusen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, 1. Aufl. 2003, § 38 KAGG Exk I Rn. 89).

63

dd) Die dargestellten Regelungen des KAGG sollten eine Gleichbehandlung der Investmentanlage mit der Direktanlage sicherstellen. Sowohl Direktanleger als auch Investmentanleger konnten die Körperschaftsteuer (und die Kapitalertragsteuer) auf ihre individuelle Einkommen- oder Körperschaftsteuer anrechnen lassen (vgl. BT-Drucks. 7/4803, 22; Harenberg, GStB 2001, 450). Für den Investmentanleger war allerdings die Ebene des Fondsvermögens zwischengeschaltet, bevor er auf seiner Ebene eine Anrechnung bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer erreichen konnte. Diese Lösung wurde vom Gesetzgeber anstelle einer direkten Anrechnung der Körperschaftsteuer beim Anteilsscheininhaber des Sondervermögens gewählt, weil eine Lösung, wonach die auf den empfangenen Dividenden lastende Körperschaftsteuer dem Sondervermögen nicht vergütet wird, mit der Bemessung des Ausgabepreises und des Rücknahmepreises nach dem Börsenkurs der Aktien nicht vereinbar sei (vgl. BT-Drucks. 7/4803, 23). Zudem sollte mit dieser Lösung neben einer Verwaltungsvereinfachung erreicht werden, dass zur Sicherheit des Steueraufkommens bei den Anteilsscheininhabern nicht mehr Körperschaftsteuer angerechnet wird, als von der ausschüttenden Gesellschaft geschuldet wird (vgl. BT-Drucks. 7/4803, 23).

64

Eine Vergütung und Anrechnung sahen § 38 Abs. 2 und § 39a KAGG nur für Ausschüttungen von unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften vor. Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder eines Drittstaats werden - wie auch von § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF - nicht erfasst.

65

ee) Die Klägerin kann sich somit nicht auf eine unmittelbare Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG aF unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs berufen. Rechtgrundlage einer Anrechnung ist vielmehr § 39a Abs. 1 KAGG in Verbindung mit § 38 Abs. 2 KAGG (vgl. Harenberg, GStB 2001, 450 f.) und § 36 ff. EStG aF. Für welche Erträge dem Grunde nach Körperschaftsteuer angerechnet oder vergütet wird, richtet sich nach der Fondseingangsstufe. Die Bemessungsgrundlage bestimmt die Fondsausgangsseite (vgl. Harenberg, GStB 2001, 450 f.; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, 1. Aufl. 2003, § 38 ExK I Rn. 68, 72). Die Kapitalanlagegesellschaft hat eine Steuerbescheinigung auszustellen, die nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG aF Voraussetzung für die Erfassung und Anrechnung ist (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 1994, I R 59/93, BStBl II 1995, 91; Lübbehusen in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, 1. Aufl. 2003, § 38 KAGG Exk I Rn. 89). In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob die Beschränkung der Anrechnung auf inländische Dividenden gegen das Unionsrecht verstößt (a.A. und für einen grundsätzlichen Dualismus der Verfahren Lindemann, BB 2005, 1931).

66

Aufgrund der Einbettung in das vorrangige Anrechnungssystem der § 38 Abs. 2 KAGG (Vergütung der Körperschaftsteuer gegenüber der Depotbank), Ausgleichssteuer (§ 38a KAGG) und Anrechnung beim Anteilseigner (§ 39a KAGG) ist zunächst zu klären, ob Erträge des Sondervermögens vorliegen, die nach § 38 Abs. 2 KAGG zur Vergütung von Körperschaftsteuer an die Depotbank berechtigen. Dazu ist nach § 38 Abs. 2 KAGG in Verbindung mit § 36b Abs. 3 EStG aF ein Antrag an das vormalige Bundesamt für Finanzen/BZSt vorgesehen. Bei abschlägiger Bescheidung eines solchen Antrags kann von der Depotbank der Rechtsweg beschritten werden, um in diesem Rahmen die Unionsrechtswidrigkeit von § 38 Abs. 2 KAGG zu klären. Auch der Anteilseigner kann einen abschlägigen Bescheid anfechten (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 18. Aufl. 1999, § 36d Rn. 15). Ein solcher Antrag ist von der Depotbank des XX, der K AG, ausweislich der von der Klägerin eingereichten Stellungnahme des BStZ vom 15. März 2019 auch gestellt worden. Im vorliegenden Verfahren ist vor diesem Hintergrund über die Unionsrechtswidrigkeit von § 38 Abs. 2 KAGG nicht zu befinden.

67

Soweit sich die Klägerin die Stellungnahme des BZSt vom 15. März 2019 auf den Vergütungsantrag der Depotbank vom 20. Dezember 2005 zu eigen macht, folgt der Senat dem nicht. Das BZSt führt in dieser Stellungnahme im Kern aus, dass eine Vergütung der ausländischen Körperschaftsteuer überschießend und damit nicht erstattungsfähig sei, und beruft sich dabei auf die Körperschaftsteuerbefreiung des Sondervermögens nach § 38 Abs. 1 Satz 2 KAGG. Diese Befreiung gilt aber nur vorbehaltlich der von der Depotbank anzumeldenden und zu entrichtenden Ausgleichsteuer nach § 38a KAGG. Bei einer Unionsrechtswidrigkeit von § 38 Abs. 2 KAGG müssten die übrigen für die Anrechnung der Körperschaftsteuer vorgesehenen Vorschriften des KAGG ebenfalls unionsrechtskonform ausgelegt und angewendet werden, so dass die Depotbank die nach § 39a Abs. 1 KAGG für die Anrechnung erforderliche Ausgleichsteuer in Form der ausländischen Körperschaftsteuer anzumelden und zu entrichten hätte. Erst auf der Grundlage einer dementsprechend ausgestellten Bescheinigung der Bank nach § 45 KStG könnte dann eine Anrechnung auf der Anteilsscheininhaberebene erfolgen. Solche Bescheinigungen liegen hier nicht vor.

68

Eine solche Auslegung ließe sich auch mit dem Wortlaut von § 38a Abs. 1 Satz 1 KAGG vereinbaren, der auf die nach § 39a Abs. 1 KAGG zur Anrechnung oder Vergütung berechtigende Körperschaftsteuer abstellt. Nur die Höhe der Ausgleichsteuer müsste sich bei unionsrechtskonformer Auslegung der Vorschrift nach der tatsächlichen Körperschaftsteuerbelastung der ausländischen Dividende richten.

69

Auch das Unionsrecht gebietet keine direkte Anrechnung auf der Ebene der Klägerin. Die Verfahrensmodalitäten sind nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung. Sie dürften nur nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011, C-262/09 - Meilicke II -, DStR 2011, 1262; vom 19. September 2006, C-392/04 und C 422/04 - i-21 Germany Arcor -, DVBl 2006, 1441; vom 7. Januar 2004, C-201/02 - Wells -, DVBl 2004, 370).

70

Eine Benachteiligung von grenzüberschreitenden Sachverhalten liegt durch das oben dargestellte System der gestuften Körperschaftsteueranrechnung mit den dort vorgesehenen Verfahrensschritten nicht vor. Auch der Umstand, dass § 38 Abs. 2 Satz 3 KAGG in Verbindung mit § 36b Abs. 3 und 4 EStG aF eine Ausschlussfrist für die Beantragung der Körperschaftsteuervergütung vorsieht, verletzt den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht. Diese Frist dient der Rechtsicherheit und gilt für jeden Vergütungsantrag. Der EuGH hat schon mehrfach entschieden, dass solche Fristen mit dem Unionsrecht vereinbar sind (vgl. EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011, C-262/09 - Meilicke II -, DStR 2011, 1262; vom 17. November 1998, C-228/96 - Aprile -, HFR 1999, 125). Vor diesem Hintergrund ist es auch unerheblich, ob die Depotbank des XX, die K AG, den Vergütungsantrag tatsächlich zurückgenommen hat.

71

2. Für alle Streitjahre scheitert eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer schließlich daran, dass die von der Klägerin eingereichten Steuerbescheinigungen und sonstigen Unterlagen nicht hinreichend deutlich erkennen lassen, ob und in welcher Höhe die streitgegenständlichen Dividenden tatsächlich mit ausländischer Körperschaftsteuer belastet waren.

72

a) Der EuGH hat in seinen Entscheidungen zum deutschen Anrechnungsverfahren ausdrücklich an seiner Rechtsprechung in der Rechtssache Manninen festgehalten, derzufolge bei der Berechnung des Anrechnungsbetrages ("Steuergutschrift") die von der im Sitzmitgliedstaat der ausschüttenden Gesellschaft tatsächlich entrichtete Steuer berücksichtigt werden muss, wie sie sich aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen anwendbaren allgemeinen Regeln und aus dem Satz der Körperschaftsteuer im Sitzmitgliedstaat ergibt (EuGH, Urteile vom 6. März 2007, C-292/04 - Meilicke I -, DStR 2007, 485; vom 7. September 2004, C-319/02 - Manninen - , IStR 2004, 680; vgl. auch EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011, C-262/09 - Meilicke II -, DStR 2011, 1262; BFH vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037; ebenso z.B. Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl. 2021, § 36 Rn. 11). Es kommt daher von vornherein nicht in Betracht, den Anrechnungsbetrag lediglich rein rechnerisch über die Anwendung des im Ausland anzuwendenden nominellen Steuersatzes auf den bezogenen Beteiligungsertrag zu ermitteln. Die Maßgeblichkeit der tatsächlich im Ausland angefallenen Körperschaftsteuer ist Ausfluss der unionsrechtlichen Vorgabe, eine gleichwertige und möglichst weitgehende Übertragung des Anrechnungssystems auf die grenzüberschreitenden Fälle vorzunehmen, ohne eine gegenüber dem Inlandsfall günstigere Behandlung herbeizuführen (BFH, Urteil vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037).

73

b) Ungeachtet der Frage, ob es der EuGH - die Mechanismen des inländischen Anrechnungssystems vor Augen - aus unionsrechtlichen Gründen für gleichwertig gehalten hat, auf die im Ausland "tatsächlich entrichtete" Körperschaftsteuer abzustellen, ist im grenzüberschreitenden Fall die tatsächliche Zahlung als solche nicht Anrechnungsvoraussetzung. Dem steht der Wortlaut von § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 3 EStG aF entgegen, der ein solches Zahlungserfordernis nicht aufstellt (vgl. BFH, Urteile vom 5. Mai 2010, I R 105/08, BFH/NV 2010, 2043; vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037). Allerdings ist aus der Rechtsprechung des EuGH zu folgern, dass die Körperschaftsteuer gegenüber der ausschüttenden Kapitalgesellschaft festgesetzt oder anderweitig behördlich erfasst worden ist (etwa durch eine Steueranmeldung). Nur so kann festgestellt werden, dass eine "tatsächlich" zu entrichtende Körperschaftsteuer entstanden ist (so wohl auch BFH, Urteil vom 15. Januar 20[15], I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037, Rn. 34). Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass zum Nachweis der ausländischen Körperschaftsteuer der Steuerbescheid oder etwa eine Steueranmeldung vorgelegt wird. Diesbezüglich bestehen bei den betroffenen Körperschaften womöglich datenschutzrechtliche Bedenken, wie auch das vorliegende Verfahren zeigt. Ein solches Erfordernis würde die Nachweismöglichkeit für den Steuerpflichtigen unverhältnismäßig erschweren. Zum Nachweis des tatsächlichen "Entstehens" der ausländischen Körperschaftsteuer ist aber jedenfalls erforderlich, dass nachprüfbare Angaben zum Entstehungsgrund der Steuer gemacht werden, also etwa Bescheid- oder Anmeldedaten. Anhand solcher Daten kann erforderlichenfalls im Einzelfell überprüft werden, ob die Angaben zutreffend sind.

74

Es kann von den Anteilseignern ausländischer Kapitalgesellschaften zudem nicht verlangt werden, eine Zuordnung der zivilrechtlich als ausgeschüttet anzusehenden Gewinne zum Zeitraum ihrer Erwirtschaftung vorzunehmen, um die zur Anrechnung berechtigende Steuerbelastung zu ermitteln. Der von einem Anteilseigner vereinnahmte Beteiligungsertrag ist vielmehr auch in grenzüberschreitenden Fällen nach den Grundsätzen einer "Verwendungsfiktion" zuzuordnen (BFH, [Urteil] vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037).

75

c) Dem Anteilseigner obliegt es allerdings nachzuweisen, dass und in welcher Höhe die grenzüberschreitenden Beteiligungserträge angefallen sind. Die Steuerbehörden eines Mitgliedstaates können dafür vom Steuerpflichtigen alle erforderlichen Belege verlangen, anhand derer sie eindeutig und genau überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift vorliegen. Eine Schätzung ist dabei nicht zulässig. Dies gilt ungeachtet der praktischen Probleme, die erforderlichen Informationen von den ausschüttenden Gesellschaften zu erlangen. Die Behörden des Mitgliedstaates sind insbesondere nicht verpflichtet, vom unionsrechtlichen Amtshilfeverfahren Gebrauch zu machen (EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011, C-262/09 - Meilicke II -, DStR 2011, 1262; BFH, Urteil vom 15. Januar 20[15], I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037).

76

d) Es bestehen keine Bedenken dagegen, den Anrechnungsbetrag ausgehend vom letzten maßgeblichen Wirtschaftsjahr ("retrograd") zu berechnen, und zwar unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Beweismittel. Eine nur "formelle" Bescheinigung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft reicht zum Nachweis der tatsächlich im Ausland angefallenen Körperschaftsteuer nicht aus. Vielmehr ist das normative Umfeld auf Seiten der ausschüttenden Gesellschaft zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 15. Januar 2015, I R 69/12, BFH/NV 2015, 1037).

77

e) Auf der Grundlage dieser Maßstäbe kann das Gericht nicht feststellen, dass und in welcher Höhe die streitgegenständlichen Dividenden mit ausländischer Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Dies geht zu Lasten der Klägerin.

78

Aus den von der Klägerin vorgelegten "Steuerbescheinigungen" der ausschüttenden Gesellschaften geht zwar hervor, welche Gewinne aus welchen Wirtschaftsjahren für die Ausschüttungen jeweils verwendet wurden. Es erfolgte jeweils eine - zulässige - retrograde Ermittlung. Die Berechnung der anteiligen Körperschaftsteuerbelastung ist aber dergestalt vereinfacht, dass die effektive Steuerquote anhand des prozentualen Anteils der jeweiligen Körperschaftsteuer am Jahresüberschuss laut Bilanz des Jahres der Erwirtschaftung des ausgeschütteten Gewinns ermittelt wird. Das normative Umfeld im jeweiligen Sitzland der Kapitalgesellschaft wird nicht dargestellt und mit Daten unterlegt. Es fehlt schon deshalb an einer eindeutigen Überprüfbarkeit der geltend gemachten Körperschaftsteuer. So ist anhand der Bescheinigungen nicht erkennbar, ob für ausgeschüttete Gewinne ein abweichender Steuersatz oder sogar (ganz oder teilweise) eine Steuerfreiheit (etwa, weil sie aus Eigenkapital stammen) besteht. Auch fehlen Ausführungen dazu, ob und in welcher Höhe steuerfreie Beteiligungserlöse im Jahresüberschuss enthalten sind, wie es oftmals der Fall ist (vgl. FG Köln, Urteil vom 27. August 2012, 2 K 2241/02, EFG 2012, 2300) und ausweislich der Veranlagungsverfügungen 1999 und 2000 der Kantonalen Steuerverwaltung E sowie des Kantonalen Steueramtes G für 2000, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Februar 2001 eingereicht hat, gemäß Art. 69 des Bundesgesetzes über die Direkten Bundessteuer (DBG) der Schweiz eine Steuerermäßigung bei der D AG und offenbar auch bei der F bewirkt haben.

79

Ferner liegen nur für die beiden oben genannten Schweizer Gesellschaften Bescheide oder Bescheinigungen der Steuerbehörden des jeweiligen Sitzstaates vor, aus denen sich die festgesetzte oder angemeldete, jedenfalls die tatsächlich im Sitzland angefallene Körperschaftsteuer ergibt. Aus diesen Unterlagen ergeben sich die jeweiligen Staats- und Gemeindesteuern und die Direkten Bundesteuern. Aber auch anhand dieser Belege, die bei der F zudem in Bezug auf die Bemessungsgrundlagen der Steuern geschwärzt sind, lässt sich in Verbindung mit den Steuerbescheinigungen der Kapitalgesellschaften die angefallene Körperschaftsteuer nicht ermitteln. Der auf die Dividenden angefallene Steueranteil wird darin nicht gesondert ausgewiesen. Hinzu kommt, dass die in den Veranlagungsverfügungen ausgewiesenen Steuern von denen der Steuerbescheinigungen der Kapitalgesellschaften abweichen.

80

So wird für die F eine Gesamtsteuerbelastung in 2000 von ... CHF ausgewiesen, während in der Steuerbescheinigung der Gesellschaft für 2000 ein weitaus höherer Betrag von ... CHF angeführt wird. Die D AG bescheinigt der Klägern für 1999 Körperschaftsteuern von ... CHF und für 2000 von ... CHF. Die Veranlagungsverfügungen weisen demgegenüber für 1999 Direkte Bundessteuer in Höhe von ... CHF sowie Staats- und Gemeindesteuern von ... CHF und für 2000 Direkte Bundessteuer von ... CHF und Staats- und Gemeindesteuern von ... CHF aus. Dieses Zahlen passen nicht zusammen und sind von der Klägerin nicht nachvollziehbar erläutert worden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die F nur unsubstantiiert vorgetragen, dass in der Bescheinigung der Gesellschaft auch Steuern aus den Vorjahren im Jahresüberschuss enthalten seien.

81

Bescheiddaten oder Angaben zu sonstigen Entstehungsgründen der geltend gemachten anderen ausländischen Körperschaftsteuern fehlen, so dass die vorgelegten Unterlagen nach dem oben Dargelegten auch insoweit unzureichend sind. Die per Mail übermittelten Daten für die J sind im Übrigen nicht mit den Angaben in der Steuerbescheinigung der Gesellschaft in Einklang zu bringen. In der Mail wird eine Körperschaftsteuer von ... DKK angegeben, während in der Bescheinigung eine Steuer von ... DKK ausgewiesen wird. Die Klägerin hat diese Differenz nicht erläutert.

82

3) Für das Streitjahr 2001 kommt eine Anrechnung der geltend gemachten ausländischen Körperschaftsteuer im Übrigen auch deshalb nicht in Betracht, weil die streitgegenständlichen ausländischen Erträge nicht - wie es § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF fordert - als Einnahme bei der Veranlagung "erfasst" worden sind. Diese Erträge sind vielmehr als nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei behandelt worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin erfordert § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG aF, dass die Einnahmen tatsächlich und steuerpflichtig erfasst werden. Dem Sinn und Zweck des Anrechnungsverfahrens, eine zweimalige volle Belastung mit Körperschaftsteuer der ausschüttenden Körperschaft und mit Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer bei den Anteilseignern zu vermeiden, wird nur dann entsprochen, wenn eine steuerpflichtige Erfassung der Einnahmen bei der Veranlagung erfolgt (BFH, Urteil vom 27. März 1996, I R 87/95, BStBl. II 1996, 473).

III.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

84

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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