Urteil vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 K 191/14

Tenor

Abweichend von dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vom ... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... wird die Körperschaftsteuer für 2010 auf ... € herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Änderung des Körperschaftsteuerbescheides für 2010 wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).

2

Bei der Klägerin handelt es sich um eine      gegründete GmbH, deren Geschäftsgegenstand die Herstellung, der Vertrieb und die Montage von ……. ist. Gesellschafter der Klägerin sind Herr ………. und Herr ………., sie halten die Gesellschaftsanteile je zur Hälfte, beide sind jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer.

3

Mit Mietvertrag vom .......... vermietete die ….. & ….. GbR, bestehend aus den beiden Gesellschaftern … und ...(im Folgenden: GbR), der Klägerin das Grundstück „X-Str.“ in …. zur Ausübung des Gewerbebetriebes im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Vermietet wurden neben Büroflächen, Nebenräumen, Hallen- und Außenflächen „1 Photovoltaikanlage auf dem Dach“. Die Nettokaltmiete betrug für das Betriebsgrundstück monatlich ….€, für die Photovoltaikanlage ….€, zzgl. Umsatzsteuer …. €, insgesamt ……€.Der Mietvertrag wurde zur Dauerbeleg-Akte des Beklagten genommen.

4

Mit Mietvertrag vom .......... und 3 weiteren Mietverträgen vom ........... überließ die … der Klägerin 4 weitere Photovoltaikanlagen auf Wohnblock-Grundstücken der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft in der …….-Straße, der ……-Str., der ….. Str. .. – .. und dem ….. -Ring .., alle belegen in …. Die Klägerin war berechtigt, die Photovoltaikanlagen zu nutzen und die Einspeisevergütung zu vereinnahmen. Die vereinbarte Jahresmiete aller Photovoltaikanlagen im Jahr 2010 betrug……. €. Die 4 Mietverträge aus dem Jahr 2009 wurden dem Beklagten zunächst nicht zur Kenntnis gebracht.

5

Am .......... reichte die Klägerin die Körperschaftsteuererklärung für 2010 bei dem Beklagten einschließlich ihres Jahresabschluss zum 31.12.2010 ein. Bei der Anfertigung der Erklärung und des Jahresabschlusses hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Steuerberater …. & Partner mitgewirkt. Erträge aus dem Betrieb der Photovoltaikanlagen waren in der Steuererklärung nicht ausdrücklich gekennzeichnet oder ausgewiesen. Im Kontennachweis zur Gewinn- und Verlustrechnung (Konto 4210) fand sich die Bezeichnung „Miete unbewegl. Wirtschaftsgüter …… €“ (Konto 4961) sowie, als größte Aufwandsposition der Gewinn- und Verlustrechnung, die Angabe „Miete PV-Anlage/andere bewegl. WG …… €“. Für das Vorjahr (2009) waren zu dieser Position …..€ verzeichnet.

6

Außerdem ergab sich aus dem Kontennachweis zur GuV-Rechnung für das Konto 8300, dass die Klägerin Erlöse zu einem Umsatzsteuersatz von 7 % i. H. v. ….. € vereinnahmt hatte.

7

Der Beklagte veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß und setzte die Körperschaftsteuer für 2010 mit Körperschaftsteuerbescheid vom ........... i. H. v. ……. € fest. Einen Vorbehalt der Nachprüfung ordnete der Beklagte nicht an.

8

Vom ........... bis zum ........... fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, deren Gegenstand u.a. die Körperschaftsteuer 2010 war. Dabei stellte der Beklagte nach Vorlage der Mietverträge über die Photovoltaikanlagen sowie im Zuge der Ermittlung der im Zusammenhang mit der Anschaffung der Anlagen angefallenen Kosten (Anschaffungs- und Herstellungskosten, Abschreibungen, Dachflächenmieten, Berücksichtigung von Investitionszulagen) fest, dass die für die Photovoltaikanlagen vereinbarte Miete unangemessen hoch sei. Die vereinbarte Miete für die Anlagen orientiere sich an den Einspeisevergütungen. Vergleichsmieten gebe es zwar nicht. Eine angemessene Jahresmiete müsse sich dann jedoch an den Kosten der Anlagen orientieren und betrage unter Berücksichtigung insbesondere der linearen Abschreibung, der Kapitalbeschaffungskosten und den von der Vermieterin getragenen Dachmieten nach den Grundsätzen der Entscheidung des FG München vom 15.02.1992, EFG 1993,172 nur ……..€. Auf diesen Betrag habe man sich als angemessene Miete in der Schlussbesprechung geeinigt. In Höhe von ……. € liege insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vor.

9

Außerdem stellte der Beklagte für 2010 die Erhöhung einer Umsatzsteuerverbindlichkeit aus dem Betrieb eines Kaffeeautomaten i. H. v. ….. € sowie eine entsprechende ertragsteuerliche Gewinnminderung fest. Die Klägerin hatte Umsätze aus dem Betrieb eines Kaffeeautomaten als Umsätze zu 7 % statt zu 19 % verbucht.

10

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erhöhte mit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vom ...........die Einkünfte der Klägerin um eine vGA i. H. v. ……..€. Um …… € verringerte er die Einnahmen aus den Umsätzen aus dem Betrieb des Kaffeeautomaten. Die Körperschaftsteuer wurde auf ……. € festgesetzt.

11

Die Klägerin legte gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2010 am …….. Einspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass der ursprüngliche Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vorbehaltlos erlassen worden sei, insbesondere sei die Nebenbestimmung des § 164 AO nicht gesetzt worden. Unter Hinweis auf Loose in Tipke/Kruse, AO, § 173 Tz. 63 führte sie aus, dass sich die Finanzbehörde die endgültige Klärung eines Steuerfalles nicht einfach einer späteren Außenprüfung vorbehalten dürfe, wenn sie die Steuer nach den Angaben des Steuerpflichtigen vorbehaltlos festgesetzt habe, um so die Unterlassung der gebotenen Nachprüfung und Beanstandungen durch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auszugleichen. Das widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben.

12

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom ........... zurück. Zur Begründung führte er aus, dass unter Würdigung der Gesamtumstände zunächst kein Anlass bestanden habe, der Gewinnermittlung der Klägerin, die durch eine Steuerberatungsgesellschaft erstellt worden sei, mit Misstrauen zu begegnen. Ein treuwidriges Verhalten der Finanzbehörde liege erst dann vor, wenn sie Ermittlungsmöglichkeiten nicht genutzt habe, die sich ihr bei Beachtung des § 88 AO und der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten aufdrängen müssen. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Der Steuerpflichtige könne sich nicht auf eine Nachlässigkeit des FA bei der Ermittlung der für die Besteuerung wesentlichen Tatsachen berufen, wenn er dem FA die steuerlich relevanten Sachverhalte nicht richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung unterbreitet habe. Vorliegend hätten sich die relevanten Tatsachen nicht aus den Jahresabschlüssen, sondern aus den bei der Veranlagung nicht vorliegenden betrieblichen Unterlagen ergeben, so dass hier nachträglich bekannt gewordene Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gegeben seien.

13

Die Klägerin hat am ........... Klage erhoben.

14

Sie hält daran fest, dass der Beklagte den Körperschaftsteuerbescheid für 2010 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hätte ändern dürfen. Falls der Beklagte den der Besteuerung zugrundeliegenden Sachverhalt später hätte prüfen wollen, hätte der den ursprünglichen Bescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO stellen können. Außerdem handele es sich bei der Feststellung der Angemessenheit oder Unangemessenheit der Miethöhe nicht um eine Tatsache, sondern um eine Schlussfolgerung bzw. um eine steuerliche Würdigung. Eine unangemessene Miethöhe liege auch nicht vor. Eine Rendite von 15 % sei angemessen.

15

Die Klägerin beantragt,
den Körperschaftsteuerbescheid vom  …........  in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ………zu ändern und die Körperschaftsteuer für 2010 auf …… € herabzusetzen
und
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

16

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

17

Er trägt vor, dass ihm die Mietverträge aus dem Jahr 2009 bei der Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer 2010 nicht vorgelegen hätten. Die vertraglichen Beziehungen aus der Anmietung der Photovoltaikanlagen und die Erzielung von Erlösen aus Stromeinspeisungen hätten sich aus dem Jahresabschluss nicht ergeben. Er habe keine Kenntnis von der Leistungsfähigkeit der Anlagen und den damit zu erzielenden Erlösen gehabt. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Aufwand der Klägerin und den tatsächlichen Mietkosten habe er nicht erkennen können. Der bei der erstmaligen Veranlagung allein vorliegende Vertrag vom ………. sei sogar geeignet gewesen, Argwohn für spätere Projekte gar nicht erst entstehen zu lassen, da in jenem Fall das Missverhältnis zwischen Aufwand und Kosten nur 10 % betragen habe, bei den Verträgen aus dem Jahr 2009 betrage es jedoch bis zu 63 %.

18

Dem Senat lagen 1 Band Körperschaftsteuerakte, 1 Band Rechtsbehelfsakte, 1 Band Dauerbelegakte, 1 Band Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnungsakte, 1 Band Betriebsprüfungsakte und 2 Bände Betriebsprüfungshandakten vor.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist begründet.

20

Der geänderte Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vom ........... in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ........... ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Demgemäß hat der Senat den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid für 2010 geändert und den von der Klägerin begehrten ursprünglichen Betrag i. H. v. ……. € Körperschaftsteuer wieder festgesetzt (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO).

21

Der Beklagte war nicht gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) befugt, den ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vom ........... aufgrund der während der Außenprüfung ermittelten Umstände zu ändern.

22

Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Im Streitfall führte die Angemessenheitsprüfung des Beklagten hinsichtlich der für die Photovoltaikanlagen vereinbarten Mieten mit Mieten, die sich für den Mieter an den Kosten einer fremd finanzierten Eigeninvestition orientierten, zu der Erkenntnis, dass die vereinbarten Mieten, die sich an den erzielbaren Einspeisevergütungen orientierten, unangemessen hoch waren. Die Angemessenheitsprüfung setzte die Ermittlung verschiedener Tatsachen und Beweismittel voraus, die dem Beklagten bei der Veranlagung der Klägerin noch nicht bekannt waren. Das gilt für die Mietverträge des Jahres 2009, d.h. Urkunden als Beweismittel, die dem Beklagten bei der ursprünglichen Veranlagung zur Körperschaftsteuer für 2010 noch nicht vorlagen, sowie der sich daraus ergebenden Tatsachen der Mietzeit von 20 Jahren je Anlage und der konkreten Miethöhe der einzelnen Anlagen. Nach Aktenlage hat der Beklagte erst im Laufe der Außenprüfung die Höhe der einzelnen Investitionszulagen für die Anlagen und die von der Vermieterin an Wohnungsbaugesellschaften gezahlten Dachmieten in Erfahrung gebracht, ebenso wie die Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie der Abschreibungssätze. Alle diese Umstände fanden jeweils Berücksichtigung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung und waren damit als „Tatsachen“ für die Besteuerung „rechtserheblich“ (vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. § 173 Tz. 71). Danach sind dem Beklagten folglich mehrere Tatsachen und Beweismittel, die aufgrund der Berücksichtigung in der Angemessenheitsprüfung zu einer höheren Steuer führen würden, nachträglich, d.h. nach der ursprünglichen Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer, bekannt geworden.

23

Allerdings verstößt die Finanzbehörde gegen Treu und Glauben, wenn sie den Steuerbescheid aufhebt oder ändert, weil ihr nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind, die sie bei gehöriger Erfüllung der ihr nach § 88 AO obliegenden Ermittlungspflicht schon vor der Steuerfestsetzung hätte feststellen können. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige selbst seine Steuererklärungspflichten in vollem Umfang erfüllt hat (Loose in Tipke/Kruse, AO, § 173 Tz. 62 mit Nachweisen auf ständige BFH-Rechtsprechung). Die Finanzbehörde kann sich danach nicht auf ihre eigenen Ermittlungsfehler oder Organisationsmängel berufen und, wenn sie sich zur vorbehaltlosen Steuerfestsetzung entschlossen hat, darf sie die Steuer nicht einfach nach den Angaben des Steuerpflichtigen festsetzen und die endgültige Klärung einer späteren Außenprüfung vorbehalten, um so die Unterlassung der gebotenen Nachprüfung und Beanstandungen durch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auszugleichen (BFH-Urteil vom 13.11.1985 II R 208/82, BStBl II 1986,241). Andererseits braucht sie eindeutigen Steuererklärungen und vorgelegten Jahresabschlüssen nicht mit Misstrauen zu begegnen, sie kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen, ohne besondere Ermittlungen anstellen zu müssen; das gilt insbesondere bei einer unter Mitwirkung eines Steuerberaters angefertigten Steuererklärung (Loose, a.a.O., Tz. 65, wiederum mit Nachweisen auf einschlägige BFH-Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 09.07.2003 I B 183/02, BFH/NV 2004,87).

24

Zur Überzeugung des Senats lag im Streitfall keine „eindeutige Steuererklärung“, insbesondere kein „eindeutiger Jahresabschluss“ auf den 31.12.2010 vor.

25

Die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts ergibt sich, wie dargelegt, aus § 88 AO. Nach § 88 Abs. 1 AO ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen (Satz 1). Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen der Beteiligten ist sie nicht gebunden (Satz 2). Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (Satz 3). Die Intensität der Sachaufklärung muss sich am Kontroll- bzw. Aufklärungsbedürfnis orientieren. Die Umstände des Einzelfalles i. S. d. § 88 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 AO sind die Umstände, die für ein Kontrollbedürfnis sprechen – oder es erübrigen (Seer in Tipke/Kruse, AO, § 88 Tz. 12). Die Finanzbehörde verletzt danach ihre Sachaufklärungspflicht erst dann, wenn sie gegen das sog. Untermaßverbot verstößt. Diese Grenze beschreibt die von der Rechtsprechung verwendete Formel des Sich-Aufdrängens: Danach verletzt die Finanzbehörde ihre Aufklärungspflicht, wenn sie Zweifelsfragen nicht nachgeht, die sich ihr den Umständen nach ohne weiteres aufdrängen müssen (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Seer in Tipke/Kruse, AO, § 88 Tz. 13; u.a. BFH-Urteil vom 08.12.2011 VI R 49/09, NFH/NV 2012,692). Ob derartige Zweifelsfragen anzunehmen sind, ist eine Frage des Einzelfalles und muss ggfs. vom Gericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände entschieden werden.

26

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte gegen seine Sachaufklärungspflicht anlässlich der ursprünglichen Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für 2010 mit Körperschaftsteuerbescheid vom .......... dadurch verstoßen, dass er insbesondere die Umstände der Anmietung der Photovoltaikanlagen durch die Klägerin und dann auch das Zustandekommen der Miethöhe nicht schon bei der ursprünglichen Veranlagung ermittelt oder zumindest einen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO gesetzt hat. Er durfte der von dem Steuerberater der Klägerin erstellten Körperschaftsteuererklärung unter Berücksichtigung des beigefügten Jahresabschlusses nicht ohne weitere Ermittlungen anzustellen oder die Veranlagung über § 164 Abs. 1 AO offen zu halten, folgen. Soweit ersichtlich war zwar die Körperschaftsteuererklärung für 2010 auf den dafür vorgesehenen Erklärungsvordrucken für sich genommen vollständig eingereicht worden. Widersprüche gab es nicht und verwickelte und schwierige Sachverhalte ergaben sich aus der Erklärung ebenfalls nicht. Die Klägerin ist ihrer Mitwirkungspflicht bei der Abgabe der Steuererklärung insoweit nachgekommen, sie hat alle von dem Vordruck für die Körperschaftsteuererklärung 2010 und den dazugehörigen Anlagen (hier: die Anlagen A, WA und St zur Körperschaftssteuererklärung) geforderten Angaben vollständig und richtig gemacht. Auch der eingereichte Jahresabschluss auf den 31.12.2010 war in Bezug auf Tatsachenangaben vollständig und richtig. Erhebliche Zweifelsfragen hätten sich allerdings bei der Prüfung des Jahresabschlusses aufdrängen müssen, denen der Beklagte entweder sogleich hätte nachgehen müssen oder aber es hätte ein Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO gesetzt werden müssen. Denn § 164 AO will als Ermessensvorschrift der Finanzbehörde die Möglichkeit geben, die Steuer zunächst ohne besondere Prüfung allein aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung oder aufgrund einer kursorischen oder punktuellen, aber eben nicht abschließenden Prüfung festzusetzen und eine abschließende Prüfung des Falles bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung nachzuholen. Mindestens die Setzung eines Vorbehalts der Nachprüfung war hier geboten, weil sich die in der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin verzeichnete gewinnmindernde Aufwandsposition „Miete PV-Anlagen/andere bewegl. WG“ (Konto …..) von ……. € aus dem Vorjahr 2009 im Streitjahr auf ……. € vervielfacht hatte, ohne dass aus den Angaben der GuV bzw. des übrigen Jahresabschlusses eindeutig ersichtlich war, worauf diese Aufwandssteigerung beruhte. Allein der deutlich vervielfachte Mietaufwand für die Aufwandsposition „Miete PV-Anlage/andere bewegl. WG“ stellt einen hinreichenden Anlass dar, diese gewinnmindernde Position einer steuerrechtlichen Prüfung zu unterziehen, um festzustellen, wofür die vervielfachte Miete eigentlich verausgabt wird. Die Kennzeichnung „Miete PV-Anlagen/andere bewegl. WG“ lässt nämlich offen, ob hier Miete für „PV-Anlagen“ angefallen ist, und zwar viel mehr als im Vorjahr, oder ob es sich um Miete für noch ganz andere Wirtschaftsgüter handelt („andere bewegl. WG“) als „PV-Anlagen“, die noch gar nicht näher bezeichnet worden waren. Ein sorgfältiger Veranlagungssachbearbeiter durfte insoweit nicht davon ausgehen, dass diese GuV-Position eindeutig war und keiner weiteren Aufklärung bedurft hätte. Erweist sich eine Position im Jahresabschluss aber zweifelhaft im Tatsächlichen, als immerhin größte Aufwandsposition der GuV mithin „sich aufdrängend“ aufklärungsbedürftig, darf die Veranlagung darüber nicht ohne weiteres hinweggehen und eine vorbehaltlose Erstveranlagung vornehmen. Die Position hätte deshalb entweder schon anlässlich der Erstveranlagung aufgeklärt werden müssen, oder aber es hätte der Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO gesetzt werden müssen, um verfahrensrechtlich rechtsfehlerfrei eine erforderliche Aufklärung später vornehmen zu können. Dieser Befund verdichtet sich unter Berücksichtigung weiterer Umstände. Ausweislich der Dauerbelegakte der Klägerin, die bei der Erstveranlagung der Klägerin für das Jahr 2010 entweder der Stelle für die Veranlagung zur Körperschaftsteuer vorlag oder aber hätte vorliegen können, war dem Beklagten seit Dezember 2008 bekannt, dass zwischen der Klägerin und der GbR eine Betriebsaufspaltung bestand, bei der für die Klägerin und auf Seiten der GbR dieselben Personen als Gesellschafter handelten, nämlich die Herren ……. und…… . Ebenso war dem Beklagten aus der Dauerbelegakte bekannt, dass die GbR im Rahmen der Betriebsaufspaltung das Betriebsgrundstück und verschiedene Wirtschaftsgüter an die Klägerin vermietete, und zwar einschließlich einer Photovoltaikanlage, für die ein Mietvertrag aus dem Jahr ….. mit einer Monatsmiete von ……€ zzgl. USt zur Akte gegeben worden war. Insoweit lag es nahe, die GuV-Position „Miete PV-Anlage“ dieser seit dem Jahr …. vermieteten Photovoltaikanlage zuzuordnen. Weitere Mietverträge zu Photovoltaikanlagen waren dem Beklagten bei der Erstveranlagung zur Körperschaftsteuer 2010 indessen nicht bekannt. Der Betrieb weiterer Photovoltaikanlagen war auch nicht selbstverständlich, weil dies vom Unternehmensgegenstand der Klägerin, der Herstellung und der Montage von ………., nicht gedeckt war. Auch unter diesem Aspekt stellte sich die Frage, welche Wirtschaftsgüter hier eigentlich zu welchem Preis gemietet wurden und welche Funktion sie in dem Unternehmen der Klägerin erfüllten, zumal aus den vorgelegten Unterlagen (Körperschaftsteuererklärung und Jahresabschluss) nicht ersichtlich war, ob und welche Einnahmen von der Klägerin mit den angemieteten Wirtschaftsgütern erzielt wurden. Die auf die Photovoltaikanlagen entfallenden Erträge waren in der GuV nicht gesondert ausgewiesen. Insofern hätte sich deshalb dem Veranlagungssachbearbeiter schon bei der Erstveranlagung aufdrängen müssen, zur Klärung des erhöhten Mietaufwandes die dem Mietaufwand zugrundeliegenden Mietverträge anzufordern, also weitere Aufklärungsarbeit zu leisten, und zwar, wie dargelegt, entweder im Rahmen der Erstveranlagung oder jedenfalls später auf der Grundlage eines Vorbehalts der Nachprüfung. Dies auch vor dem Hintergrund der dem Beklagten bekannten Existenz einer Betriebsaufspaltung, die tendenziell das Risiko beinhaltet, dass Mietverträge zwischen denselben Personen oder nahe stehenden Personen die Gefahr begründen, dass steuerrechtlich angemessene Mieten, wie sie fremde Dritte unter den Bedingungen eines marktkonformen Ausgleichs widerstreitender Interessen untereinander vereinbaren würden, zu Lasten des Beklagten tatsächlich nicht vereinbart werden. Zweifelsfragen und die Erkenntnis der Erforderlichkeit weiterer Sachverhaltsaufklärung mussten sich unter diesen Umständen um so stärker aufdrängen. Daher durfte der Beklagte auch nicht „in besonderem Maße“ auf die Steuererklärung der Klägerin vertrauen, die unter Mitwirkung eines steuerlichen Beraters erstellt worden war. Die vorbehaltlose Erstveranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer 2010 war danach ermessensfehlerhaft. Dadurch hat der Beklagte die ihm nach § 88 AO obliegende Ermittlungspflicht mit der Folge verletzt, dass er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert ist, den Körperschaftsteuerbescheid für 2010 vom ........... aufgrund der erst während der Außenprüfung bekannt gewordenen Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zuungunsten der Klägerin zu ändern (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO, § 88 Tz. 4).

27

Die im Übrigen zugunsten der Klägerin außerdem vorgenommene Gewinnminderung um …. € in dem angefochtenen Änderungsbescheid vom .………. ist zwar unstreitig. Da die Änderungsbefugnis des Beklagten nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu Lasten der Klägerin jedoch nicht gegeben war, entfällt insoweit auch die Möglichkeit einer Berichtigung materieller Fehler nach § 177 Abs. 1 AO im Wege der Saldierung zugunsten der Klägerin, hier im Umfang einer Gewinnminderung i.H.v. ….. €. Die Berücksichtigung der Gewinnminderung um ….. € hat die Klägerin allerdings auch nicht beantragt, denn sie begehrt die Herabsetzung der Körperschaftsteuer für 2010 auf den ursprünglichen Körperschaftsteuerbetrag i.H.v. ……. €, in welchem die Gewinnminderung von ….. € nicht enthalten ist. Ohnehin darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151,155 FGO i.V.m. der entsprechenden Anwendung von §§ 708 Nr. 10,711 Zivilprozessordnung (ZPO).

30

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe i. S. d. § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

31

Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

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