Urteil vom Finanzgericht München - 7 K 2547/17

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist die Ausübung des so genannten Blockwahlrechts i.S.d. § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 n.F.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war der Betrieb von Lebensversicherung in allen ihren Arten im In- und Ausland, der Betrieb der Rückversicherung in der Lebensversicherung sowie die Vermittlung von Versicherungen aller Art, Bausparverträgen und anderen Verträgen, die mit dem Betrieb der Lebensversicherung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Durch Verschmelzungsvertrag vom 19. Juni 2002 ist sie auf die … Versicherung AG verschmolzen worden.

Die Körperschaftsteuer für das Jahr 2001 wurde zunächst mit Bescheid vom 2. Mai 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Mit Schreiben vom 21. Juni 2004, das beim Finanzamt am 23. Juni 2004 eingegangen ist, stellte die Klägerin einen Antrag auf Ausübung des sogenannten Blockwahlrechts nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 n.F. Entsprechend der am 13. Juli 2005 eingereichten geänderten Körperschaftsteuererklärung wurde die Körperschaftsteuer 2001 mit Bescheid vom 1. August 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren (Einspruch vom 16. August 2005) wurde – neben anderen streitigen Punkten – auch ein Antrag auf Neuausübung des so genannten Blockwahlrechtes gestellt.

Mit Prüfungsanordnung vom 1. Dezember 2004 ordnete das Finanzamt für die Jahre 1999 bis 2001 eine steuerliche Außenprüfung nach § 193 Abgabenordnung (AO) an (Prüfungsbericht vom 10. November 2010) und erließ am 10. März 2011 einen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2001. Außerdem hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Aufgrund einer Änderung des Betriebsprüfungsberichts (geänderter Bericht vom 15. September 2015) erließ das Finanzamt am 9. Februar 2016 einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem im vorliegenden Verfahren nicht streitigen Einwendungen der Klägerin (im Zusammenhang mit der rückwirkenden Änderung des § 40a Kapitalanlagegesellschaftengesetz (KAGG) durch das so genannte Korb II-Gesetz) Rechnung getragen wurde. Hinsichtlich des von der Klägerin begehrten Erlass eines geänderten Körperschaftsteuerbescheids unter Außerachtlassung des ursprünglich in Anspruch genommenen Blockwahlrechts wies das Finanzamt den Einspruch mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 14. September 2017 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen gerichteten Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Da nur für das Jahr 2001 eine eigene Steuersubjektfähigkeit der Vereinten Leben als Rechtsvorgängerin bestanden habe, habe die Klägerin das im Gesetz für drei Veranlagungszeiträume vorgesehene so genannte Blockwahlrecht gar nicht ausüben können. Bei der am Ende des Jahres 2003 in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG eingeführten Vorschrift handle es sich um eine komplexe Regelung, die durch die Zusammenfassung von drei Jahren und die Einschränkung der Verlustverrechnung zusätzliche Kriterien enthalte, die eine Entscheidung der Unternehmen erschwert habe. Zur Entscheidung, ob das Blockwahlrecht ausgeübt werden solle, habe es mehr als einen reinen Rechenvorgang erfordert.

Um das Wahlrecht ausüben zu können, hätten die Unternehmer eine Günstigkeitsberechnung in zwei Schritten durchführen müssen. In einem ersten Schritt sei ein rein rechnerischer Vergleich angestellt worden, welche Gesetzesanwendung zu einer geringeren Steuerlast führen würde. Für den Fall, dass das Korb-II-Gesetz insoweit eine geringere Steuerlast aufzeigte, sei in Schritt 2 das Wahlrecht ausgeübt worden, ob dieser Vorteil mit der Ausübung vorhandener Nachteile überwiege. Da das Überwiegen der steuerlichen Vorteile für die Klägerin bejaht worden sei, habe man die Erklärung vom 21. Juni 2004 abgegeben. Der rechnerische Günstigkeitsvergleich zweier unterschiedlicher Rechtsanordnungen setze jedoch ihre unveränderte Geltung voraus. Aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Januar 2009 in der Streitsache Steko Industriemontage (Rs. C-377/07, BStBl II 2011, 95), dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 zur teilweisen Nichtigkeit des § 43 Abs. 18 KAGG wegen der Verletzung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots (BvL 5/08, BGBl I 2014, 255) sowie der Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Oktober 2009 (I R 27/08, BStBl II 2011, 229) und vom 25. Juni 2014 (I R 33/09, BStBl II 2016, 699) seien Wertminderungen aus Aktien nunmehr entgegen der früheren Gesetzeslage steuerlich abziehbar. Die Ausübung des sogenannten Blockwahlrechts stelle sich aus heutiger Sicht daher als ungünstig heraus.

Im Übrigen habe die Klägerin die Erklärung vom 21. Juni 2004 wirksam angefochten. Auch im öffentlichen Recht seien die Vorschriften der §§ 119 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog anwendbar. Mangels spezialgesetzlicher Regelung im Steuerrecht sei ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 62 Verwaltungsverfahrensgesetz möglich, in der die entsprechende Geltung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet werde. Auch im Anwendungserlass zur Abgabenordnung werde in Abschnitt 8 vor § 172 AEAO unter Satz 2 ausdrücklich die Anfechtung nach §§ 119 ff BGB als rechtliche Möglichkeit genannt. Im Streitfall liege ein offener Kalkulationsirrtum als erweiterter Inhaltsirrtum vor, da der zum Stichtag 30. Juni 2004 vorgenommene rechnerische Günstigkeitsvergleich in Kenntnis der nachfolgenden Rechtsprechung zur Korb-II-Gesetzgebung anders ausgefallen wäre. Es sei verfassungsrechtlich nicht haltbar, gesetzlich die Unwiderruflichkeit eines Antrags zu erzwingen, wenn die Gesetzesbasis für diesen Antrag vom Gesetzgeber selbst rechtsunwirksam umgesetzt worden sei. Die verfassungsrechtlich gebotene Auslegung der gesetzlich niedergeschriebenen Unwiderruflichkeit des Antrags erfordere in diesem Fall, dass das Antragsrecht auf der Basis des gültigen Rechts ausgeübt werde.

Durch die strikte Terminierung der Ausübung oder Nichtausübung des Blockwahlrechts auf den 30. Juni 2004 habe der deutsche Gesetzgeber für einen Sachverhalt wie den vorliegenden die Nutzung der STEKO-Rechtsprechung unmöglich gemacht. Dies widerspreche EU-Recht und rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über Körperschaftsteuer für 2001 vom 1. August 2005 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 9. Februar 2016 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 14. September 2017 dahingehend zu ändern, dass das für das Veranlagungsjahr 2001 geltende Körperschaftsteuergesetz und das Gesetz über Kapitalanlagengesellschaften (KAGG) zur Anwendung kommen,

hilfsweise, das Blockwahlrecht des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Abs. 8 KStG neu ausüben zu dürfen,

hilfsweise das Finanzamt zu verpflichten, auf eine Durchsetzung von Steueransprüchen, die auf einer Nichtanwendung der STEKO-Rechtsprechung für 2001 beruhen, zu verzichten bzw. die entsprechend erhobenen Steuern zu erstatten.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Soweit die Klägerin vortrage, dass ein Antragswahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG aufgrund der Verschmelzung zum 31. Dezember 2001 überhaupt nicht bestanden habe, da aufgrund der fehlenden Steuersubjektfähigkeit für die Jahre 2002 und 2003 kein aus mehreren Jahren bestehender „Block“ zur Wahl gestanden habe, werde darauf hingewiesen, dass der Gesetzestext vom „Veranlagungszeitraum 2001 bis 2003“ spreche. Damit solle zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht die Möglichkeit bestanden habe, das Wahlrecht für jeden einzelnen Veranlagungszeitraum getrennt auszuüben, vielmehr sollte es einheitlich ausgeübt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2001 ist nicht zu beanstanden.

1. Mit Schreiben vom 21. Juni 2004, das beim Finanzamt am 23. Juni 2004 und damit innerhalb der gesetzlichen Frist eingegangen ist, hat die Klägerin das so genannte Blockwahlrecht i.S.d. § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 S. 1 KStG ausgeübt, das mit Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb II-Gesetz) vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) -KStG 2002 n.F.- zum 1. Januar 2004 eingeführt worden ist. Ab dem Veranlagungszeitraum 2002 wurde durch § 14 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz) vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3922, BStBl I 2002, 32) -KStG 1999 n.F.- bestimmt, dass

§ 14 Abs. 1 KStG auf Organgesellschaften, die Lebens- oder Krankenversicherungen sind, nicht mehr anzuwenden ist. Der Gesetzgeber räumte den Lebens- und Krankenversicherungen mit § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 S. 1 KStG die Möglichkeit ein, zeitlich befristet bis zum 30. Juni 2004 auf Antrag unwiderruflich und einheitlich für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 den § 8b Abs. 8 KStG in der in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. aufgeführten Fassung anzuwenden. Nach der insoweit in Bezug genommenen Fassung des § 8b Abs. 8 Sätze 1 und 6 KStG 2002 n.F. waren Bezüge, Gewinne und Gewinnminderungen zu 80% anzusetzen und negative Einkünfte der Organgesellschaft aus dem Rückwirkungszeitraum nicht durch Organschaft dem Organträger gemäß § 14 Abs. 1 KStG zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 2017 I R 86/15, BStBl II 2018, 138).

Die Regelung § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 S. 1 KStG sieht somit ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen vor (vgl. Blümich/Rengers 140. Auflage 2018, KStG § 8b Rdn., 481). Sie enthält jedoch – anders als die Klägerin meint - keinen Günstigkeitsvergleich, der beispielsweise beim Familienleistungsausgleich (§ 31 Einkommensteuergesetz -EStG) oder bei Vorsorgeaufwendungen und bei der Vorsorgepauschale (§ 10 Abs. 4a und § 10c Abs. 5 EStG) von Amts wegen bzw. bei der Besteuerung der Kapitalerträge (§ 32d Abs. 6 EStG) auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgt.

2. Bei der Wahrnehmung des in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 n.F enthaltenen sog. Blockwahlrechts handelt es sich um die Abgabe einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung, die in entsprechender Anwendung des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit dem Zugang beim Finanzamt wirksam wird (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Januar 1995 IX R 37/91, BStBl II 1995, 410 m.w.N.). Ob öffentlich-rechtliche Willenserklärungen, die materiell-rechtliche Rechtsfolgen auslösen, berichtigt, ergänzt oder widerrufen werden können, bestimmt sich ausschließlich nach dem öffentlichen Recht. Eine Anfechtung entsprechend der Vorschrift des § 119 BGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da die Regeln über die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen grundsätzlich durch die spezielleren Normen des Verfahrensrechts überformt werden. Nur für den Fall, dass ein gestellter Antrag nicht dem wirklichen Willen des Steuerpflichtigen entsprochen hat, dieser also eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und diese – nachdem der Irrtum erkannt worden ist – unverzüglich zurückgenommen hat, wurde vom BFH die Rücknahme einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung als zulässig angesehen (BFH-Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BStBl II 1975, 616).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen jedoch nicht vor. Bei Ausübung des Blockwahlrechts am 23. Juni 2004 hat sich die Klägerin nicht in einem Erklärungsirrtum befunden, da sie genau die Erklärung abgegeben hat, die sie auch abgeben wollte. Vielmehr handelt es sich vorliegend um einen (unbeachtlichen) Motivirrtum.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass der zum Stichtag 30. Juni 2004 vorgenommene rechnerischen Günstigkeitsvergleich in Kenntnis der nachfolgenden Rechtsprechung zur Korb-II-Gesetzgebung anders ausgefallen wäre und sie daher einem offenen Kalkulationsirrtum als erweiterten Inhaltsirrtum unterlegen ist, kann sie damit keinen Erfolg haben. Denn auch nach den Grundsätzen des Zivilrechts ist die Anfechtung wegen eines offenen Kalkulationsirrtums ausgeschlossen, da sich der Irrtum nicht auf die Bedeutung des Erklärten oder die verwendeten Erklärungszeichen, sondern auf die „Realität“ bezieht (vgl. Staudinger/Singer Stand 2017 BGB § 119 Rz. 51, 52 zur zivilrechtlichen Anfechtung wegen Kalkulationsirrtums n.w.N.). Insofern bleibt es bei der Einordnung als (unbeachtlicher) Motivirrtum.

Im Übrigen ist bei der Ausübung öffentlich-rechtlicher Willenserklärung hinsichtlich der Formvorschriften und etwaigen Fristen das jeweils einschlägige materielle Recht maßgebend (Heuermann in: Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, 246. Lieferung 02.2018, Vorbemerkungen zu §§ 149–153 Rz 7). Der Steuerpflichtige kann sie unter Umständen bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides, in den sie eingeflossen sind, widerrufen und damit sein Wahl- oder antragsrecht anderweitig ausüben. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Widerruf gesetzlich ausgeschlossen ist oder der Gesetzgeber das Recht befristet oder anderweitig reglementiert hat (Schindler in Gosch, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 137. Lieferung, § 149 AO Rz. 10). Wie der BFH im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wegfall der Nutzungswertbesteuerung entschieden hat, der vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 52 Abs. 21 Satz 3 EStG a.F. ebenfalls unwiderruflich ausgestaltet worden ist, kommt eine Auslegung entgegen den Wortlaut dahingehend, dass der wirksam gestellte Antrag noch bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung widerrufen werden kann, grundsätzlich nicht in Betracht (BFH – Urteil in BStBl II 1995, 410).

Die Auslegung eines Gesetzes gegen den Wortlaut ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur ausnahmsweise möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70, BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12, und vom 2. August 1983 VIII R 190/80, BFHE 139, 123, BStBl II 1984, 4). Dies hat der Bundesfinanzhof beispielsweise angenommen, wenn der Gesetzeswortlaut den wirklichen Willen des Gesetzgebers nicht zum Ausdruck bringt und insbesondere die Auslegung nach dem Wortlaut zu einem offenbar unrichtigen Ergebnis führen würde (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1975, 12 m.w.N. und Beispielen aus der BFH-Rechtsprechung) oder die wörtliche Auslegung zu einem jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis führen würde (BFH-Urteil vom 30. April 1952 IV 10/52 U, BStBl III 1952, 164).

3. Im Streitfall hat die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juni 2004, das dem Finanzamt am 23. Juni 2004 zugegangen ist, die Ausübung des sogenannten Blockwahlrechts nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG 2002 n.F. beantragt. Anders als in der Regelung des § 19 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz, die einen Verzicht auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung vorsieht, ist die Ausübung des Blockwahlrechts vom Gesetzgeber unwiderruflich geregelt worden.

Nach den vorgenannten Grundsätzen kommen ein Widerruf bzw. eine Anfechtung daher nicht in Betracht. Darüber hinaus liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Auslegung entgegen dem gesetzlichen Wortlaut ausnahmsweise dahingehend erfolgen kann, dass der wirksam gestellte Antrag noch bis zur Bestandskraft der Steuerfestsetzung widerrufen werden kann (BFH – Urteil in BStBl II 1995, 410). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Unwiderruflichkeit des Antrags dem tatsächlichen Willen des Gesetzgebers widerspricht bzw. zu offenbar unrichtigen Ergebnis führen würde.

Die Klägerin kann auch nicht zu ihren Gunsten einwenden, dass sie aufgrund der gesetzlichen Regelung, nach der das Wahlrecht „einheitlich“ für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 ausgeübt werden musste, nicht an die vorgenommene Wahl gebunden sei, da aufgrund der Verschmelzung mit der Rechtsvorgängerin die Vorschrift des § 8b Abs. 8 KStG in der in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. aufgeführten Fassung nur für den Veranlagungszeitraum 2001 angewendet werden konnte. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sollte die einheitliche Ausübung des Blockwahlrechts gewährleisten, dass der Steuerpflichtige in den Jahren 2001 bis 2003 nicht zwischen den unterschiedlichen Rechtslagen zu § 8b KStG wechselt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 2017 I R 86/15, BStBl II 2018, 138). Eine weitergehende Aussage dahingehend, dass das Blockwahlrecht nur für einen Veranlagungszeitraum überhaupt nicht ausgeübt werden kann, ist der Vorschrift nach Ansicht des Senats nicht zu entnehmen.

4. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie ihre Entscheidung im Jahr 2004 aufgrund der späteren Rechtsprechung des EuGHs, des BVerfG und des BFH anders getroffen hätte und die vom Gesetzgeber normierte Unwiderruflichkeit des bis zum 30. Juni 2004 abzugebenden Antrags gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoße.

Der BFH hat zwar entschieden, dass der Steuerpflichtige -außerhalb des Anwendungsbereichs des § 176 AO- nach dem Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch auf Vertrauensschutz haben kann, wenn sich die Rechtsprechung des BFH verschärft und der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage Dispositionen getroffen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405, m.w.N.; BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865, m.w.N.). Schließlich hat der BFH auch festgestellt, dass es bei der Änderung einer langjährigen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung das Rechtsstaatsprinzip gebieten kann, dass die Gerichte aus Vertrauensschutzgründen typisierende Übergangsregelungen treffen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608). Einen generellen Schutz vor belastenden Rechtsprechungsänderungen gibt es jedoch nicht. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkennt einen aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitbaren Anspruch auf eine künftig gleichbleibende Rechtslage grundsätzlich nicht an (z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, BFH/NV 2009, 1382).

Die Erwartung, dass geltendes Recht unverändert fortbesteht, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt.

Soweit wie im Streitfall gesetzliche Neuregelungen noch nicht durch die Rechtsprechung geklärt sind, kann sich der Steuerpflichtige daher nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Juli 2009 VIII R 10/07, BFH/NV 2009, 1815; vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, jeweils m.w.N.). Aus § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO und der hierzu ergangenen Judikatur folgt, dass diese Vorschrift das Vertrauen des Steuerpflichtigen in eine ihm günstige Rechtsprechung als solches nicht schützt. Geschützt wird allein das Vertrauen in die Bestandskraft eines Bescheids, soweit dieser auf einer günstigen Rechtsprechung beruht (vgl. BFH-Urteile vom 2. April 2012 III B 189/10, BFH/NV 2012, 1101, vom 11. Oktober 1988 VIII R 419/83, BFHE 155, 298, BStBl II 1989, 284; vom 28. Mai 2002 IX R 86/00, BFHE 199, 1, BStBl II 2002, 840).

5. Soweit die Klägerin hilfsweise die Verpflichtung des Finanzamts begehrt, auf die Durchsetzung von Steueransprüchen zu verzichten bzw. bereits eingezogene Steuern zu erstatten, bleibt es ihr unbenommen, beim Finanzamt einen Antrag auf Erlass nach § 163 AO zu stellen. Der im vorliegenden Verfahren gestellte Antrag ist mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig, § 44 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

7. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

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