Urteil vom Finanzgericht München - 7 K 2005/17

Tenor

1. Der Abrechnungsbescheid vom 26. Januar 2017 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2017 werden mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen neuen Abrechnungsbescheid zu erteilen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

I.

Streitig ist ein Abrechnungsbescheid über zurückgefordertes Kindergeld.

Die Beklagte hatte vom Kläger wegen Doppelzahlung Kindergeld in mehrfach geänderten Bescheiden zurückgefordert. Der Kläger leistete Rückzahlungen durch Ratenzahlung. Mit Schreiben vom 19.10.2015 teilte er der Beklagten mit, dass er mittlerweile knapp 19.000 € zurückbezahlt habe und nach seinen Berechnungen der Rückerstattungsanspruch erfüllt sei. Die Beklagte teilte mit einem als „Mahnung“ bezeichneten Schreiben vom 09.05.2016 mit, dass die Zahlung noch nicht vollständig eingegangen sei und Säumniszuschläge in Höhe von 5.056 € entstanden seien. Beigefügt war eine Aufstellung, dass vom Ursprungsbetrag in Höhe von 14.903 € laut Erstattungsbescheid vom 30.03.2009 für den Kindergeldzeitraum 01.01.1999 bis 28.02.2009 noch ein Restbetrag von 7.916,50 € offen sei und Säumniszuschläge vom 19.01.2011 bis 08.05.2016 in Höhe von 5.056 € entstanden seien. In einer „Mahnung“ vom 07.10.2016 teilte die Beklagte mit, dass vom Ursprungsbetrag in Höhe von 14.903 € noch ein Restbetrag von 6.671,50 € offen sei und Säumniszuschläge vom 19.01.2011 bis 08.05.2016 in Höhe von 5.056 € und vom 09.05.2016 bis 06.10.2016 in Höhe von 332,50 € entstanden seien.

Mit Schreiben vom 12.01.2017 beantragte der Kläger einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO, aus dem die erhobenen Forderungen, seine Rückzahlungen sowie die vorgenommenen Verrechnungen sowie die Erhebung der einzelnen Säumniszuschläge erkennbar seien, da die ihm in der Mahnung vom 09.05.2016 mitgeteilten Beträge nicht nachvollziehbar seien.

Mit Schreiben vom 26.01.2017 übersandte die Beklagte ein als „Abrechnungsbescheid“ bezeichnetes Schreiben, das sich jedoch in der Mitteilung erschöpfte, dass wegen verspäteter Überweisung des Kindergeldes laut Bescheid vom 30.03.2009 und vom 14.12.2010 bis zum 06.10.2016 Säumniszuschläge in Höhe von 5.388,50 € entstanden seien. Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 07.07.2017 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, die damit begründet wird, dass der Abrechnungsbescheid nicht den Anforderungen des § 119 AO an die erforderliche inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes entspreche, da nicht ersichtlich sei, welche Beträge der Kläger unter Berücksichtigung seiner Ratenzahlungen noch zu bezahlen habe. Insbesondere hätte der Abrechnungsbescheid konkret Auskunft geben müssen, zu welchem Zeitpunkt welche Forderung bestanden habe und in welcher Höhe die Forderung durch die Ratenzahlungen abgeschmolzen seien. Da die Rückzahlungsansprüche des Beklagten insgesamt 26.856 € betragen hätten und er mittlerweile 24.402 € zurückbezahlt habe, ergebe sich eine Restschuld per 11.08.2017 in Höhe von 2.454 €. Es werde begehrt, die Restverbindlichkeit auf diesen Betrag zu beschränken. Soweit Säumniszuschläge entstanden seien, spreche vieles dafür, dass diese tatsächlich nicht mehr ermittelt werden könnten, außerdem müsse geprüft werden, ob der Erhebung von Säumniszuschlägen Einwendungen entgegenstünden.

Der Kläger beantragt,

den Abrechnungsbescheid vom 26.01.2017 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 07.07.2017 aufzuheben und festzustellen, dass mit Wirkung zum 11.08.2017 eine Restverbindlichkeit gegenüber der Beklagten in Höhe von 2.454 bestehe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 26. Juli 2018 auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 FGO).

II.

Die Klage ist begründet.

Der Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

1. Nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO ist über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen betreffen, durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden. Sinn und Zweck dieses Bescheides bestehen darin, über eine Streitigkeit zwischen Schuldner und Gläubiger, die die Verwirklichung von Steueransprüchen betrifft, eine für die Beteiligten verbindliche Klärung zu schaffen. Der Bescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO enthält die für die Beteiligten verbindliche Feststellung, ob und inwieweit der festgesetzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verwirklicht (= erfüllt) oder noch zu verwirklichen ist; d.h. er entscheidet darüber, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung durch Zahlung, Aufrechnung, Verrechnung, Erlass, Eintritt der Zahlungsverjährung oder ob eine Schuld bereits vor der Begründung der Zahlungspflicht oder infolge von Vollstreckungsmaßnahmen erloschen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.08.1999, VII 92/98, BStBl II 1999, 751 m.w.N.). Die Anforderungen an die nach § 119 AO erforderliche inhaltliche Bestimmtheit des Verwaltungsakts sind demgemäß danach auszurichten, dass die Klärung der im Einzelfall bestehenden Streitigkeit erreicht wird. Nach allgemeiner Ansicht muss der Anspruch nach Art, Zeitraum und Betrag so genau aufgegliedert werden, dass nachprüfbar ist, welche Beträge die Finanzbehörde noch verlangt und wie diese sich errechnen. Dass diese Beträge den jeweiligen Festsetzungsbescheiden entnommen werden können, genügt nicht. Die erforderliche Bestimmtheit verlangt, dass die Beteiligten und ggf. das Gericht das Bestehen des Anspruchs und seine Erfüllung nachprüfen und beurteilen können. Handelt es sich um eine Streitigkeit über Zahlungen, die sich über mehrere Jahre hinwegziehen, muss zeitlich gesehen bis auf einen Betrag zurückgegangen werden, der nicht mehr strittig ist. Da im Abrechnungsbescheid über das Erlöschen von Zahlungsverpflichtungen zu entscheiden ist, muss in ihm oder jedenfalls in der Einspruchsentscheidung angegeben sein, ob und ggf. wodurch die streitige Zahlungsverpflichtung erloschen ist. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend. Bei Streitigkeiten über das Bestehen/Erlöschen von Säumniszuschlägen ist ein Abrechnungsbescheid immer zu erteilen, der – sofern streitig – Einwendungen gegen die Entstehung und das Erlöschen prüfen, darlegen und darüber entscheiden muss. Säumniszuschlägen müssen dem Anspruch zugeordnet werden können, durch dessen Nichtzahlung sie verwirklicht sind. Davon getrennt sind die auf die jeweilige Sollstellung anzurechnenden Zahlungen mit den Wertstellungen auszuweisen (vgl. dazu Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 218 Rz. 118 m.w.N.).

2. Diesen Anforderungen entspricht der streitige Abrechnungsbescheid nicht einmal im Ansatz. Obwohl der Kläger in seinem Antrag vom 12.01.2017 dargelegt hat, dass er weder den in der Mahnung genannten Rückforderungsbetrag noch die Säumniszuschläge in Höhe von 5.065 € nachvollziehen könne, hat die Beklagte einen Abrechnungsbescheid erlassen, der nicht einmal die Höhe des noch offenen Rückforderungsbetrags benennt, geschweige denn eine Aufstellung enthält, in der die streitbefangenen Ansprüche nach Art, Höhe und Zeitraum nachvollziehbar dargelegt sind und diesen gegenübergestellt wird, in welcher Höhe sie erfüllt worden sind.

Dieser Abrechnungsbescheid ist daher nicht hinreichend bestimmt, um eine Klärung des Streites herbeizuführen; er verschafft nicht die gebotene abschließende Klarheit, ob und in welcher Höhe Ansprüche gegen die Kläger noch bestehen. Das Gericht kann die von dem Beklagten versäumte stimmige Abrechnung nicht selbst erstellen und hat daher den Abrechnungsbescheid aufzuheben und den Beklagten analog § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO anzuweisen, einen neuen Abrechnungsbescheid zu erteilen (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, § 218 Rz. 32; FG Saarland, Urteil vom 06.07.1995, 2 K 192/93, EFG 1996, 46; FG Hamburg, Urteil vom 22.04.2005 VI 24/04, juris).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. § 711 Nr. 10, 708 ZPO.

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