Urteil vom Finanzgericht Münster - 5 K 1363/19 U
Tenor
Der Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 12.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2019 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf -18.004,67 € festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, in welcher Höhe der Kläger in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter der L GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) aus seiner Rechnung an die Schuldnerin über seine als Konkursverwalter erbrachte Leistung den Vorsteuerabzug geltend machen kann.
3Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts E vom xx.yy.2001 zum Konkursverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden, nachdem er zuvor seit 1998 Vergleichsverwalter über das Vermögen der Schuldnerin gewesen war. Gegenstand des Unternehmens der Schuldnerin war satzungsgemäß die Ausführung von Hoch-, Tief- und Stahlbetonbau sowie der Erwerb von Grundstücken und die Beteiligung an Unternehmen sowie die Verwaltung von Vermögenswerten. Bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens hat die Schuldnerin ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erbracht. Mit Datum vom 00.11.2013 erstattete der Kläger für die Schuldnerin seinen Schlussbericht (Gerichtsakte Bl. 56 ff.).
4Der Kläger nahm im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung 2014, welche er in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter der Schuldnerin einreichte, aus dem von ihm für seine Leistung der Schuldnerin in Rechnung gestellten Betrag über 94.761,41 € zzgl. 18.004,67 € Umsatzsteuer den Vorsteuerabzug i.H. des ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrages in Anspruch. Es handelte sich dabei um den einzigen umsatzsteuerlichen Vorgang, der vom Kläger erklärt wurde.
5Der Beklagte führte bei der Schuldnerin mit Beginn am 05.03.2015 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der Prüfer kam dabei zu der Feststellung, dass die Vorsteuer aus der Rechnung des Klägers über seine Leistung an die Schuldnerin nur anteilig im Umfang von 49,24% (8.865,50 €) abzugsfähig sei, da die Leistung des Klägers teilweise für vorsteuerschädliche steuerfreie Umsätze der Schuldnerin verwendet worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 15.01.2016 (Gerichtsakte Bl. 49 ff.) Bezug genommen.
6Der Beklagte folgte der Feststellung des Prüfers und erließ mit Datum vom 12.04.2016 einen Umsatzsteuerbescheid 2014, mit dem er die Umsatzsteuer auf - 8.865,50 € festsetzte (Gerichtsakte Bl. 9). Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er den ungekürzten Vorsteuerabzug aus seiner Rechnung an die Schuldnerin begehrte.
7Der Beklagte wies den Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 27.03.2019 als unbegründet zurück. Für den Vorsteuerabzug sei nicht allein die frühere unternehmerische Tätigkeit der Schuldnerin maßgeblich, da der Kläger während des Konkursverfahrens die unternehmerische Tätigkeit der Schuldnerin zumindest teilweise fortgeführt habe. So habe der Kläger Objekte der Schuldnerin weiter und teilweise auch neu vermietet. Der Fall des Klägers sei mit dem Sachverhalt, über den der BFH in seinem vom Kläger angeführten Urteil vom 02.12.2015 (V R 15/15) zu entscheiden hatte, nicht vergleichbar. Im Urteilsfall sei die unternehmerische Tätigkeit der dortigen Schuldnerin bereits längere Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt gewesen. Nach der Eröffnung sei nur noch das vorhandene Vermögen verwertet worden. Die dabei erzielten Umsätze seien jeweils steuerpflichtig gewesen. Die Frage, wie im Fall einer Fortführung des Unternehmens zu entscheiden gewesen wäre, habe der BFH in seinem Urteil vom 02.12.2015 ausdrücklich offen gelassen. Die Frage sei jedoch dahingehend zu beantworten, dass der Vorsteuerabzug zu kürzen sei, sollten im Rahmen der Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit der Schuldnerin teilweise Umsätze ausgeführt werden, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 5 ff.).
8Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der am 29.04.2019 erhobenen Klage weiter.
9Er trägt vor, dass der Beklagte zu Unrecht einen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen Anteil des geltend gemachten Vorsteuerbetrags nach dem Verhältnis der ausgeführten umsatzsteuerfreien zu den ausgeführten umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen während des Konkursverfahrens ermittelt habe. Der Vorsteuerabzug sei in ungekürzter Höhe zu gewähren.
10Maßgeblich seien die bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens von der Schuldnerin erbrachten Ausgangsumsätze. Diese seien im Fall der Schuldnerin ausschließlich umsatzsteuerpflichtig gewesen. Der BFH habe mit Urteil vom 02.12.2015 (V R 15/15) entschieden, dass es sich bei der Leistung eines Insolvenzverwalters um eine einheitliche Leistung an den Insolvenzschuldner handele und der Vorsteuerabzug aus dieser Leistung nicht ganz oder anteilig wegen der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigten Verwertungsumsätze zu kürzen sei.
11Der Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass der Kläger den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin fortgeführt habe. Der Kläger habe im Rahmen des Konkursverfahrens keine werbende Tätigkeit ausgeübt, sondern ausschließlich Liquidationshandlungen vorgenommen. Er habe vorhandene Immobilien verkauft und begründete Mietforderungen zur Konkursmasse gezogen. Eine gleiche Tätigkeit habe auch der Insolvenzverwalter in dem vom BFH am 02.12.2015 (V R 15/15) entschiedenen Fall ausgeübt. Zwar seien während des Konkursverfahrens der Schuldnerin Vermietungsumsätze ausgeführt worden, da die im Vermögen der Schuldnerin vorhandenen Grundstücke vermietet gewesen seien. Dabei sei es auch – in einem sehr begrenzten Rahmen – zum Abschluss neuer Mietverträge gekommen. Diese Handlungen seien jedoch im Hinblick auf den Vorsteuerabzug unschädlich, da sie im Fall der Schuldnerin nur dazu gedient hätten, die sich in der Konkursmasse befindlichen Immobilien bestmöglich zu veräußern. Sie hätten allein der Liquidation des Geschäftsbetriebs gedient. Diese Handlungen seien nicht als eine Fortführung des Unternehmens zu werten. Eine Fortführung sei auch nie das Ziel des Konkursverfahrens gewesen. Es sei bereits bei Eröffnung des Konkursverfahrens seitens der Gläubiger beabsichtigt gewesen, das Unternehmen der Schuldnerin zu liquidieren. Die Mieterlöse seien wie die späteren Veräußerungserlöse insgesamt der Masse zugeflossen. Die Weitervermietung sei nur aus dem Grund erforderlich gewesen, dass die Immobilien nicht kurzfristig hätten veräußert werden können.
12Selbst wenn der Kläger das Unternehmen der Schuldnerin fortgeführt hätte, sei für den Vorsteuerabzug weiterhin maßgeblich, ob und inwieweit die Schuldnerin bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Eine Trennung infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens würde dem Grundsatz der Totalbesteuerung des Unternehmens unterlaufen, da die Besteuerung auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens weiterhin die Schuldnerin und damit die identische Rechtspersönlichkeit betreffen würde.
13Der Kläger beantragt,
14den Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 12.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf -18.004,67 € festgesetzt wird.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen,
17hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
18Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Neu- und Weitervermietung der Grundstücke, die im Eigentum der Schuldnerin gestanden hätten, eine teilweise Fortführung des Unternehmens gewesen sei, da diese Tätigkeit von der Schuldnerin auch schon vor Eröffnung des Konkursverfahrens ausgeübt worden sei. Die Erzielung von Vermietungsumsätzen und erfolgreiche Neuvermietung von Objekten der Schuldnerin ergebe sich auch aus dem Schlussbericht des Klägers vom 00.11.2013 im Hinblick auf die Immobilie C-Straße.
19Die Sache ist am 20.01.2022 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21I. Die Klage hat Erfolg.
22Der Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 12.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Klägers ist in ungekürzter Höhe zu gewähren.
231. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG für den Vorsteuerabzug vor, ist der Unternehmer jedoch gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die er zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
24Unionsrechtlich beruhen die Regelungen auf den Art. 167 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist ein Steuerpflichtiger berechtigt, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für eine Leistung abzuziehen, soweit er zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs als solcher handelt und den Gegenstand für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet (vgl. jeweils m.w.N. EuGH, Urteile vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo, UR 2018, 687, Rz. 34; vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda, UR 2015, 910, Rz. 19).
25Der Unternehmer ist danach zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt. Das in Art. 167, 168 MwStSystRL vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug entsteht nur, wenn die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen direkt und unmittelbar mit Ausgangsumsätzen, die das Recht zum Vorsteuerabzug eröffnen, zusammenhängen (EuGH, Urteile vom 29.10.2009 – C-29/08, SKF, BFH/NV 2009, 2099; vom 27.09.2001 – C-16/00, Cibo Participations, UR 2001, 500; vom 08.06.2000 – C-98/98, Midland Bank, UR 2000, 342; BFH, Urteil vom 15.10.2009 – XI R 82/07, BStBl. II 2010, 247; Heidner, in: Bunjes, UStG, § 15 Rdn. 368).
262. Dem Kläger steht als Insolvenzverwalter der Schuldnerin nach den vorgenannten Grundsätzen für seine an die Schuldnerin erbrachte Konkursverwalterleistung das Recht zum Vorsteuerabzug dem Grunde nach zu. Die Schuldnerin hat die Leistung des Klägers für ihr Unternehmen und damit für ihre wirtschaftliche Tätigkeit bezogen.
27a) Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang besteht zwischen der einheitlichen Leistung des Klägers und den im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen der Konkursgläubiger.
28aa) Nach der Rechtsprechung des BFH erbringt der Insolvenzverwalter eine einheitliche Leistung, die mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners der Befriedigung der Insolvenzgläubiger als Hauptziel des Insolvenzverfahrens dient (BFH, Urteil vom 15.04.2015 – V R 44/14, BStBl. II 2015, 679, Rz. 16). Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang besteht dabei zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger. Auf die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt es nach Auffassung des BFH in diesem Fall nicht an (BFH, a.a.O., Rz. 17; BFH, Urteil vom 02.12.2015 – V R 15/15, BStBl. II 2016, 486, Rz. 17). Dasselbe muss auch für den Konkursverwalter gelten.
29bb) Nach diesen Grundsätzen steht die vom Kläger als Konkursverwalter an die Schuldnerin erbrachte einheitliche Leistung des Klägers in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen der Konkursgläubiger. Der Kläger hat als Konkursverwalter die Konkursmasse der Schuldnerin verwaltet, verwertet und verteilt. Sein Handeln diente der Befriedigung der Konkursgläubiger. Der Kläger hat im Rahmen des Konkursverfahrens das gesamte Vermögen der Schuldnerin verwertet (vgl. hierzu auch Schlussbericht vom 08.11.2013, Bl. 55 der Gerichtsakte). Die vorhandenen Immobilien wurden veräußert und offene Forderungen wurden zur Masse eingezogen. Die im Rahmen der stillen Zwangsverwaltung erzielten Einnahmen wurden ebenso zur Masse gezogen wie die Mieten aus den bestehenden Mietverträgen über die später veräußerten Immobilien. Gleiches gilt für die erzielten Zinserträge. Der über die Konkursverwaltervergütung und die Gerichts- und Abwicklungskosten hinausgehende Massebestand stand zur Befriedigung der Konkursgläubiger zur Verfügung.
30cc) Die einheitliche Leistung des Klägers steht hingegen nicht mit den nach Eröffnung des Konkursverfahrens durchgeführten (Verwertungs-)Handlungen des Klägers in einem für den Vorsteuerabzug maßgeblichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang.
31(1) Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Konkurs-/Insolvenzverwalters und der nach Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens ausgeübten Tätigkeit bzw. den dabei ausgeführten Umsätzen kann insbesondere dann bestehen, wenn das Unternehmen des Schuldners vom Verwalter fortgeführt wird. So hat der BFH offen gelassen, ob es auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen auch dann ankommt, wenn der Insolvenzverwalter - anders als in den von ihm entschiedenen Fällen - das Unternehmen fortführt oder ob es im Falle einer Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter zu einer Vorsteueraufteilung nach Maßgabe der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit unter Vernachlässigung – einer nur teilweisen unternehmerischen Begründung – von Insolvenzforderungen kommen könnte (BFH, Urteile vom 15.04.2015 – V R 44/14, BStBl. II 2015, 679, Rz. 20; vom 02.12.2015 – V R 15/15, BStBl. II 2016, 486, Rz. 18).
32Eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter, bei der die Leistung des Insolvenzverwalters nicht mit den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, sondern mit der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht, kommt allerdings nur in Betracht, wenn die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters nicht der Befriedigung der Insolvenzgläubiger als Hauptziel des Insolvenzverfahrens mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners dient (vgl. z.B. FG Münster, Gerichtsbescheid vom 04.05.2020 – 5 K 546/17, EFG 202, 1361), sondern vorrangig darauf abzielt, das Unternehmen des Insolvenzschuldners zu erhalten (vgl. z.B. FG Münster, Urteil vom 15.09.2020 – 15 K 827/18, EFG 2020, 1806). Dies ist z.B. der Fall, wenn das Insolvenzverfahren nicht darauf abzielt, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird, sondern in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (vgl. § 1 Abs. 1 InsO).
33(2) Danach hat der Kläger das Unternehmen der Schuldnerin entgegen der Ansicht des Beklagten nicht fortgeführt. Sämtliche Handlungen zielten darauf ab, das vorhandene Vermögen der Schuldnerin zu verwerten und den Erlös (nach Abzug der Kosten) zur gemeinschaftlichen Befriedigung an die Gläubiger zu verteilen. Die Leistung des Klägers zielte nicht darauf ab, das Unternehmen der Schuldnerin fortzuführen, um es zu erhalten. Die laufende Vermietung sowie die vereinzelten Neuvermietungen dienten allein dazu, bis zum Verkauf der Immobilie weitere Erlöse für die spätere Verteilung des durch die Verwertung des vorhandenen Schuldnervermögens erzielten Massevermögens zu generieren.
34b) Die Schuldnerin hat die im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen der Konkursgläubiger für ihr Unternehmen und damit für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet.
35aa) Soweit es sich um ein Insolvenzverfahren einer unternehmerisch tätigen natürlichen Person handelt, ist ein Vorsteuerabzug nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten (die jeweils als Insolvenzforderungen angemeldet worden sind) möglich (BFH, Urteil vom 15.04.2015 – V R 44/14, BStBl. II 2015, 679, Rz. 12). Im Falle der Insolvenz einer Kommanditgesellschaft (KG) sind demgegenüber alle geltend gemachten Insolvenzforderungen regelmäßig aufgrund der Unternehmenstätigkeit der KG entstanden, so dass in diesem Fall die Leistung des Insolvenzverwalters von der Insolvenzschuldnerin ausschließlich für ihre unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit verwendet wurde (vgl. BFH, Urteil vom 02.12.2015 – V R 15/15, BStBl. II 2016, 486, Rz. 18).
36bb) Im Streitfall hat die Schuldnerin, bei der es sich wie im Urteilsfall vom 02.12.2015 (V R 15/15) um eine KG handelt, die Leistung des Klägers ausschließlich für ihre unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit verwendet. Die angemeldeten Forderungen sind ausschließlich im Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit der Schuldnerin entstanden. Davon gehen beide Beteiligte auch übereinstimmend aus.
37c) Soweit der Beklagte meint, für den Vorsteuerabzug eines Insolvenz- oder Konkursschuldners aus der Rechnung eines Insolvenz- oder Konkursverwalters sei stets auf die Tätigkeit des Insolvenz- oder Konkursschuldners und den von ihm ausgeführten Umsätzen nach Eröffnung des Insolvenz- oder Konkursverfahrens abzustellen, ist dem aus den vorgenannten Gründen nicht zuzustimmen. Der Beklagte geht danach (konkludent) davon aus, dass die Leistung des Insolvenz- oder Konkursverwalters nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Insolvenz- oder Konkursschuldners, welche dieser bei Entstehung der zur Tabelle angemeldeten Forderung ausgeübt hat, steht, sondern die Leistung von einem Insolvenz- oder Konkursschuldner zur Ausführung von Verwertungsumsätzen bezogen wird und daher mit der Tätigkeit des Insolvenz- oder Konkursschuldners und dessen Ausgangsumsätzen nach der Insolvenz- oder Konkurseröffnung in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht. Dabei würdigt der Beklagte nach Senatsauffassung nicht in ausreichendem Maße, dass ein Insolvenz- oder Konkursschuldner im gesetzlichen Regelfall die Leistung des Insolvenz- oder Konkursverwalters nicht bezieht, damit dieser wie ein (selbständiger) Fremdgeschäftsführer im Namen des Insolvenz- oder Konkursschuldners Ausgangsumsätze ausführt bzw. das Unternehmen des Insolvenz- oder Konkursschuldners bis zur Beendigung fortführt. Die (gesetzlich geregelte) Leistung des Insolvenz- oder Konkursverwalters an den Insolvenz- oder Konkursschuldners besteht vorrangig in der Befriedigung der (Alt-)Gläubiger. Der Leistungsbezug des Insolvenz- oder Konkursschuldners dient damit der vor Eröffnung des Insolvenz- oder Konkursverfahrens ausgeübten Tätigkeit.
38Der Senat übersieht dabei nicht, dass die Leistung des Konkursverwalters auch mit den Ausgangsumsätzen, insbesondere mit den Verwertungsumsätzen, in einem (Veranlassungs-)Zusammenhang steht. Es handelt sich dabei jedoch nicht – wie ausgeführt – über die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Ausgangsumsätze des Konkursschuldners.
39Die Gewährung des Vorsteuerabzugs für einen Insolvenz- oder Konkursschuldner für den Bezug der Leistung des Insolvenz- oder Konkursverwalters führt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zu einer den Insolvenz- oder Konkursschuldner begünstigende Ungleichbehandlung im Vergleich zu Unternehmern, die ihr Unternehmen außerhalb eine Insolvenz- oder Konkursverfahrens liquidieren. Soweit diese Leistungen in Anspruch nehmen, die mit in der Vergangenheit liegenden steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang stehen, steht ihnen der Vorsteuerabzug grundsätzlich ebenfalls zu.
403. Der Vorsteuerabzug ist in voller Höhe zu gewähren. Eine Minderung um einen nicht abzugsfähigen Teil des Vorsteuerbetrages ist nicht vorzunehmen.
41a) Beabsichtigt der Unternehmer eine von ihm bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen, als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Beabsichtigt der Unternehmer daher eine teilweise Verwendung für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (EuGH, Urteile vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta, BStBl. II 2008, 727; BFH, Urteil vom 03.03.2011 – V R 23/10, BStBl. II 2012, 74). Bei der dann erforderlichen Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden (BFH, Urteil vom 02.12.2015 – V R 15/15, BStBl. II 2016, 486, Rz. 16).
42Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (vgl. insgesamt BFH, Urteil vom 11.11.2020 – XI R 7/20, BFH/NV 2021, 518, Rz. 10 m.w.N.).
43b) Eine Aufteilung des vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbetrages in einen abzugsfähigen und einen nicht abzugsfähigen Teil ist nicht vorzunehmen.
44Zum einen wurde die abgerechnete einheitliche Leistung des Klägers ausschließlich für das Unternehmen und damit für die wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin verwendet, da die angemeldeten Forderungen, zu denen die Leistung des Klägers in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht (vgl. oben unter 2. a), im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin entstanden sind. Soweit es sich um Darlehensforderungen handelt, wurden die finanziellen Mittel für die Tätigkeiten der Schuldnerin im Bereich der Ausführung von Hoch-, Tief und Stahlbetonbau sowie den Erwerb von Grundstücken verwendet. Gleiches gilt für die übrigen Forderungen, welche aus dieser geschäftlichen Tätigkeit der Schuldnerin resultierten.
45Zum anderen stehen die Forderungen ausschließlich mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen im Zusammenhang. Die Schuldnerin führte bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich steuerpflichtige Ausgangsumsätze aus. Die angemeldeten Forderungen stehen danach nicht mit einer Verwendung für steuerfreie Umsätze im Zusammenhang.
46Auf die Frage, ob und inwieweit die vom Kläger nach Insolvenzeröffnung ausgeführten (Verwertungs-) Umsätze steuerpflichtig oder steuerfrei waren, kommt es für den Vorsteuerabzug hinsichtlich der Leistung des Klägers nicht an, da die einheitliche Leistung des Klägers mit diesen (Verwertungs-)Umsätzen nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. oben unter 2. a) cc).
47II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
48Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts hinsichtlich des Vorliegens und der Behandlung von durch den Insolvenz- oder Konkursverwalter bewirkten Verwertungsumsätzen zugelassen. Es ist insbesondere höchstrichterlich bislang nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Fortführung des Unternehmens des Insolvenz- oder Konkursschuldners durch den Insolvenz- oder Konkursverwalter anzunehmen ist.
49Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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Referenzen
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- 15 K 827/18 1x (nicht zugeordnet)
- V R 44/14 3x (nicht zugeordnet)
- 5 K 546/17 1x (nicht zugeordnet)
- V R 15/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- XI R 82/07 1x (nicht zugeordnet)
- V R 15/15 7x (nicht zugeordnet)
- V R 23/10 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 135 1x