Urteil vom Finanzgericht Münster - 7 K 896/19 F
Tenor
Die Bescheide für 2011, 2012 und 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, jeweils vom 16.10.2017, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.02.2019 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob die K1-K2-B Tierhaltung KG (im Folgenden „KG“) negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt hat. Das hängt davon ab, ob die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Tierhaltung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes – EStG – i.V.m. § 51a des Bewertungsgesetzes – BewG – erfüllt sind und ob die KG mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat.
3Der Kläger zu 2. (K2) und seine Ehefrau K2 gründeten im Jahr 1999 die K2-Energie GmbH & Co. KG. Die Ehegatten waren zu jeweils 50 % als Kommanditisten beteiligt. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war der Kläger zu 2. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 16.08.1999 Bezug genommen (Bl. 84 ff. der Gerichtsakte). Die Biogasanlage erzielt eine elektrische Leistung von ca. 500 kW (vgl. Anlage 2 zum Bp-Bericht vom 26.01.2017). In den Jahresabschlüssen der K2-Energie GmbH & Co. KG war Personalaufwand für Aushilfskräfte in Höhe von xxx EUR (30.06.2011), yyy EUR (30.06.2012), yxy EUR (30.06.2013) und xyx EUR (30.06.2014) ausgewiesen (Bl. 141 der Gerichtsakte).
4An der mit Gesellschaftsvertrag vom 30.06.2004 (Bl. 66 ff der Gerichtsakte) gegründeten K1-K2 GbR (im Folgenden „GbR“) waren zunächst der Kläger zu 1. (K1) zu 40 %, seine Mutter N. zu 10 % und der Kläger zu 2. zu 50 % beteiligt. Gesellschaftszweck war der gemeinschaftliche Betrieb eines landwirtschaftlichen Betriebes nebst Tiermast und Handel mit landwirtschaftlichen Produkten aller Art (§ 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). N. und der Kläger zu 2. übertrugen ihre landwirtschaftlichen Betriebe (Maschinen, Feldinventar, Vieh und Vorräte) auf die GbR. Zudem brachte der Kläger zu 2. seine vollständige Arbeitskraft und die Hälfte einer weiteren Arbeitskraft in die GbR ein. Der Kläger zu 1. brachte ausschließlich seine gesamte Arbeitskraft ein (§ 5 Abs. 3 sowie die Anlage des Gesellschaftsvertrages). N. und der Kläger zu 2. verpachteten die in ihrem Eigentum stehenden Flächen an die GbR (vgl. Bl. 7 und 82 der Gerichtsakte sowie Tz. 2.2 des Bp-Berichts).
5Zum 01.07.2011 kündigte N. ihre Gesellschafterstellung und der Kläger zu 1. stockte seinen Anteil an der GbR auf 50 % auf (Bl. 83 der Gerichtsakte). Ihre Flächen verpachtete N. weiterhin an die GbR.
6Die GbR bewirtschaftete in den Streitjahren ca. 200 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Sie war im Bereich der Milchviehhaltung (120 Milchkühe) und der Putenmast (20.000 Putenmastplätze) tätig (vgl. Bl. 108 der Gerichtsakte) und erzielte daraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Sämtliche Flächen waren von N, dem Kläger zu 2. und Dritten gepachtet.
7Zum 01.11.2011 wurde die KG gegründet. An ihr waren die GbR als Komplementärin mit 99 % und der Beigeladene als Kommanditist mit 1 % beteiligt. Die GbR brachte 150 Vieheinheiten und der Beigeladene 280 Vieheinheiten in die KG ein (§ 2 des Gesellschaftsvertrag, vgl. Vertragsakte). Die KG hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.07. bis 30.06. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich.
8Mit Vertrag vom 28.12.2011 vermietete N. dem Kläger zu 1. eine Fläche von etwa 1.800 qm zur Bebauung mit einem Schweinemaststall. Der Vertrag begann am 01.01.2012 und war unbefristet (vgl. Bl. 194 der Gerichtsakte). Der Kläger zu 1. errichtete auf dieser Fläche einen Schweinemaststall mit einer Nutzfläche von 768 qm und 990 Mastplätzen. Die – bis zum 30.06.2012 entstandene – Herstellungskosten betrugen für die Halle xxx EUR und für die Betriebsvorrichtungen yyy EUR. Zur Finanzierung nahm der Kläger zu 1. einen Kredit in Höhe von zunächst zzz EUR auf (vgl. Sonderbilanz zum 30.06.2012).
9Mit Mietvertrag vom 01.03.2012 vermietete der Kläger zu 1. den Schweinemaststall an die KG. Der Mietvertrag war bis zum 28.02.2022 befristet.
10Die KG reichte Feststellungserklärungen bei dem Beklagten ein und räumte dem hiesigen Prozessbevollmächtigten Empfangsvollmacht ein. Die Feststellungserklärung für das Jahr 2011 war von den Klägern unterschrieben.
11Die Jahresabschlüsse der KG wiesen gesamthänderische Verluste in Höhe von yyy EUR (30.06.2012), xxx EUR (30.06.2013), zzz EUR (30.06.2014), www EUR (30.06.2015) und vvv EUR (30.06.2016) aus. Für das – aus dem Schweinemaststall bestehende – Sonderbetriebsvermögen des Klägers zu 1. ergaben sich Verluste in Höhe von xx EUR (30.06.2012), yy EUR (30.06.2013), zz EUR (30.06.2014), ww EUR (30.06.2015) und vv EUR (30.06.2016).
12Der Beklagte stellte – zunächst erklärungsgemäß – Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von -yxy EUR (Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 06.05.2015), -xyx EUR (Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 03.06.2015) und -zzz EUR (Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 23.09.2015) fest. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
13In 2016 beschlossen die Kläger die Auflösung der GbR, wobei der Kläger zu 1. die Komplementärbeteiligung an der KG im Wege der Realteilung erhielt. Der Beigeladene übertrug seine Kommanditbeteiligung auf den Kläger zu 1., wodurch das Gesellschaftsvermögen der KG im Wege der Anwachsung auf den Kläger zu 1. überging (Bl. 131 f. der Gerichtsakte). Der Beklagte wurde über diese Vorgänge im Jahr 2016 in Kenntnis gesetzt (Bl. 133 der Gerichtsakte). Die Eintragung im Handelsregister erfolgte im Februar 2019.
14Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E-Stadt führte eine Betriebsprüfung bei der KG durch. Der Prüfer gelangte zu der Ansicht, dass die KG keine Einkünfte nach § 13 EStG, sondern Einkünfte aus § 15 EStG erziele und dass für die Verluste das Ausgleichs- und Abzugsverbot nach § 15 Abs. 4 EStG gelte. Die KG könne nicht als Tierhaltungsgesellschaft nach § 51a BewG anerkannt werden, weil die Voraussetzungen nach § 51a Abs. 1 Nr. 1 BewG nicht erfüllt seien (Tz. 2.3). Die Kläger bewirtschafteten nicht in eigener Person einen eigenen land- und fortwirtschaftlichen Betrieb, da der Kläger zu 1. nicht Eigentümer eines eigenen Betriebes sei und der Kläger zu 2. seinen Betrieb an die GbR verpachtet habe (§ 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BewG). Zudem sei der Kläger zu 2. nicht hauptberuflich als Land- und Forstwirt tätig (§ 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BewG), da er ca. 70 % seiner Einkünfte aus dem Betrieb der gewerblichen Biogasanlage erziele (vgl. Anlage 1 zum Bp-Bericht vom 26.01.2017) und – nach dem Gutachten des Amtlichen Landwirtschaftlichen Sachverständigten vom 24.11.2015 (Anlage 2 zum Bp-Bericht vom 26.01.2017) – mehr als 50 % seiner Arbeitskraft für die Biogasanlage aufwende. Hierfür sprächen statistische Erhebungen, nach welchen bei dem Betrieb einer Biogasanlage mit einer Leistung von 500 kW von einem Arbeitszeitbedarf für eine volle Arbeitskraft von 3,95 Stunden pro Tag (0,79 pro 100 kW Leistung, nach Betreiberdatenbank der Landwirtschaftskammer NRW) bis 7,24 Stunden pro Tag (nach Faustzahlen für die Biogasanlage, 14. Auflage KTBL) auszugehen sei. Jährlich ergebe sich so ein Arbeitszeitbedarf von 1.442 Stunden bis 2.641 Stunden. Im Vergleich dazu betrage die Gesamtarbeitszeit bei einer 40 Stundenwoche 1.700 Stunden pro Jahr.
15Unter Tz. 2.6 des Prüfungsberichts kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Verluste auch dem Grunde nach nicht anzuerkennen seien, da die KG keine Gewinnerzielungsabsicht habe. In den ersten drei Jahren seien Verluste in Höhe von insgesamt xyzwv,- EUR angefallen. Angesichts dieser Verluste könne innerhalb des zehnjährigen Pachtzeitraums kein Totalgewinn erwirtschaftet werden. Die statistischen Gewinne im Mastschweinbereich hätten sich in den Folgejahren stark verringert. Der Verkehrswert des Maststalls liege weit unter seinen Anschaffungskosten, da angesichts fehlender Deckungsbeiträge ein Marktinteresse an Schweinemastställen nicht vorhanden sei. Zudem seien bei den Tieren Krankheiten festgestellt worden, was auf die vorhandene Stalltechnik zurückzuführen sein könnte. Die KG habe keine Gewinnprognoserechnung, sondern lediglich eine wenig aussagekräftige Liquiditätsrechnung vorgelegt. Zu beachten sei auch, dass die KG durch den Ausweis eines zu geringen Umsatzsteuersatzes auf Umsatz und Gewinn verzichtet habe. Anfangsverluste seien nicht gegeben, da von Anfang an kein Gewinn habe entstehen können. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 26.01.2017 samt Anlagen Bezug genommen.
16Der Beklagte erließ auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen Änderungsbescheide, welche er gegenüber dem hiesigen Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigten für den Kläger zu 2. als gesetzlicher Vertreter der KG bekannt gab. Die Bescheide enthielten den Hinweis, dass sie mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergehen. Der Beklagte stellte für die Streitjahre 2011, 2012 und 2013 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von jeweils Null EUR fest und führte in den Erläuterungen aus, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren seien und dass auf die Verluste aus gewerblicher Tierhaltung das Ausgleichs- und Abzugsverbot nach § 15 Abs. 4 EStG Anwendung finde. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung handele es sich jedoch von Beginn an um einen Liebhabereibetrieb, so dass keine Berücksichtigung der Verluste erfolgen könne. (Bescheide für 2011, 2012 und 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, jeweils vom 16.10.2017).
17Der Prozessbevollmächtigte legte im Namen der KG gegen die Änderungsbescheide jeweils Einspruch ein und machte geltend, dass auch Personengesellschaften an einer Tierhaltungskooperation im Sinne des § 51a BewG beteiligt sein könnten und dass § 51a BewG auch dann anwendbar sei, wenn die Personengesellschaft ihren Betrieb auf Pachtflächen führe. Das Gesetz setze nicht voraus, dass die Gesellschafter der Personengesellschaft in eigener Person Inhaber eines eigenständigen selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebes sein müssten. Das Merkmal der Hauptberuflichkeit im Sinne des § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BewG sei erfüllt, da der Kläger zu 2. täglich nur etwa 1 bis 1,5 Stunden für die Biogasanlage tätig sei und diese Tätigkeit im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb stehe. Zudem seien auch seine Ehefrau sowie Auszubildende des landwirtschaftlichen Betriebes für die Biogasanlage tätig. Auch liege kein Liebhabereibetrieb vor. Die Anfangsverluste seien auf produktionstechnische Probleme zurückzuführen, um deren kontinuierliche Verbesserung sich die Gesellschafter bemüht hätten. Einer Tätigkeit aus privaten Motiven stehe entgegen, dass eine umfangreiche Tierhaltung (ca. 1.200 Mastplätze) vorliege und der Kläger zu 1. für den neuen Stall hohe Kredite aufgenommen habe. Wegen der anhaltenden Verluste sei die KG bereits am im Jahr 2016 beendet worden.
18Der Beklagte wies die Einsprüche gegenüber der KG als unbegründet zurück und führte zur Begründung an, der Kläger zu 1. erfülle nicht die persönlichen Voraussetzungen nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG. Er sei weder Eigentümer noch Pächter landwirtschaftlicher Nutzflächen. Er bewirtschafte selber keine landwirtschaftlichen Flächen und habe der GbR und der KG keine Flächen zur Nutzung überlassen. Für Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung existiere ein gesonderter Verlustverrechnungskreis (§ 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG). Daher dürfte sich in diesen Fällen eine Liebhabereiprüfung erübrigen (Einspruchsentscheidung vom 22.02.2019).
19Die KG hat Klage erhoben. Die für das Klageverfahren ausgestellte Prozessvollmacht ist von den Klägern unterschrieben (vgl. Bl. 136 der Gerichtsakte). In der Sache verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Nach ihrer Auffassung ist es unschädlich, dass der Kläger zu 2. keinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb habe. Ausreichend sei, dass er in der landwirtschaftlich tätigen GbR als Mitunternehmer beteiligt sei.
20Die Kläger beantragen,
21die Bescheide für 2011, 2012 und 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen jeweils vom 16.10.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.02.2019 aufzuheben.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen,
24hilfsweise,
25die Revision zuzulassen.
26Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen des § 51a BewG nicht erfüllt, da der Kläger zu 1. nicht Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei und nicht über Vieheinheiten verfüge, welche er der KG habe überlassen können. Der Streitfall sei anders gelagert als der Sachverhalt, welcher dem Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 27.11.2019 II R 43/16, BStBl II 2020, 739 zugrunde liege. Insbesondere habe der BFH unter Rz. 30 des vorgenannten Urteils darauf abgestellt, dass alle Gesellschafter Grundstücke in die dortige GbR eingebracht oder an diese überlassen hätten.
27Das Gericht hat den Beigeladenen mit Beschluss vom 21.12.2021 zum Verfahren beigeladen (Bl. 148 der Gerichtsakte).
28Am 18.11.2021 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Senat hat die Sache am 26.01.2022 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe
30Die Klage ist zulässig (dazu I.) und begründet. Die Bescheide für 2011, 2012 und 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen jeweils vom 16.10.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.02.2019 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Für die KG sind negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festzustellen. Die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Tierhaltung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a BewG liegen vor und die KG hat mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt (dazu II.).
31I. Die Klage ist zulässig. Die Kläger sind nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugt, da die Klagebefugnis der KG mit ihrer Vollbeendigung erloschen ist.
321. Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid betrifft. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO), ist mit deren Vollbeendigung erloschen. Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf (BFH-Urteil vom 22.01.2015 IV R 62/11, BFH/NV 2015, 995).
33Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Klage der Gesellschaft dahingehend ausgelegt bzw. umgedeutet werden, dass sie von den einzelnen Gesellschaftern erhoben worden ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 28.03.2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074; vom 01.07.2004 IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162; vom 23.04.2009 IV R 87/05, BFH/NV 2009, 1650; vom 11.04.2013 IV R 20/10, BStBl II 2013, 705). Nach der sog. Spiegelbildbetrachtung kommt eine Umdeutung insbesondere dann in Betracht, wenn das Rubrum der Klageschrift spiegelbildlich dem – unzutreffenden – Rubrum der Einspruchsentscheidung entspricht, das die Gesellschaft fehlerhaft als Inhaltsadressatin aufführt, obwohl dem Finanzamt bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung die Vollbeendigung der Personengesellschaft bekannt gewesen sein muss (BFH-Urteil vom 28.11.2019 IV R 54/16, BFH/NV 2020, 420). Bedeutsam kann auch sein, ob die dem Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht von einem der ehemaligen Gesellschafter erteilt worden ist (FG Münster, Urteil vom 14.08.2019 13 K 2320/15 F, EFG 2019, 1676). Ist die Prozessvollmacht nicht von allen Feststellungsbeteiligten ausgestellt, so ist die Klage regelmäßig dahin auszulegen, dass sie namens der die Vollmacht unterzeichnenden Gesellschafter erhoben worden ist. Die anderen Feststellungsbeteiligten sind notwendig beizuladen (BFH-Urteil vom 23.04.2009 IV R 87/05, BFH/NV 2009, 1650).
342. Nach diesen Grundsätzen ist die Klage rechtsschutzgewährend dahin umzudeuten, dass sie durch die Kläger zu 1. und 2. erhoben wurde.
35Eine im Namen der KG erhobene Klage wäre unzulässig, da die KG seit dem Jahr 2016 und damit bei Klageerhebung bereits vollbeendet war. Nichts anderes folgt daraus, dass die Handelsregistereintragung erst im Februar 2019 erfolgt ist. Denn die Eintragung wirkt lediglich deklaratorisch (Lüke in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, Rz. 9.38; Schäfer in Staub, § 131 HGB Rn. 53).
36Eine Umdeutung ist möglich, da der Beklagte die Einspruchsentscheidung an die KG gerichtet hat, obwohl er bereits seit dem Jahr 2016 von der Vollbeendigung Kenntnis hatte (sog. Spiegelbildbetrachtung). Zudem haben die Kläger die Prozessvollmacht unterschrieben.
37II. Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide, mit welchen der Beklagte positive Feststellungen – unter anderem zur Qualifikation der Einkünfte – getroffen hat (dazu 1.), sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Für die KG sind negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festzustellen. Die Feststellungsbescheide, welche der Beklagte trotz der bereits eingetretenen Vollbeendigung der KG wirksam bekannt gegeben hat (dazu 2.), sind aufzuheben, da der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Tierhaltung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a BewG nicht vorliegen (dazu 3.) und die KG keine Gewinnerzielungsabsicht hatte (dazu 4.).
381. Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden positive Feststellungen getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass er unter Hinweis auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht Einkünfte in Höhe von 0 EUR festgestellt hat.
39a) Werden Besteuerungsgrundlagen tatsächlich festgestellt, liegt ein positiver Feststellungsbescheid vor. Sind die Voraussetzungen für eine beantragte gesonderte und einheitliche Feststellung – beispielsweise mangels Gewinnerzielungsabsicht – nicht erfüllt, ist ein negativer Feststellungsbescheid zu erlassen (Ablehnungsbescheid i.S. des § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 AO; vgl. BFH-Urteile vom 11.11.2014 VIII R 37/11, juris und vom 20.04.2021 IV R 20/17, BFH/NV 2021, 1191).
40Ein einen anteiligen Gewinn von 0 EUR feststellender Bescheid kann im Einzelfall ein positiver oder aber auch ein negativer Gewinnfeststellungsbescheid sein. Der Regelungsgehalt ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung maßgeblich, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Lässt der Tenor der Verwaltungsentscheidung Raum zu Zweifeln, so sind zum Zwecke der Auslegung auch die Gründe sowie die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung heranzuziehen (BFH-Urteil vom 11.11.2014 VIII R 37/11, juris).
41b) Nach diesen Grundsätzen sind die angefochtenen Bescheide dahin auszulegen, dass sie positive Feststellungen – unter anderem zur Qualifizierung der Einkünfte – enthalten.
42Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden ausdrücklich Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt und zur Begründung angeführt hat, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien aufgrund der Betriebsprüfung in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren.
43Eine Auslegung als negativer Feststellungsbescheid ist auch nicht deshalb angezeigt, weil der Beklagte Einkünfte in Höhe von 0 EUR festgestellt und dazu in den Erläuterungen auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hingewiesen hat. Auch wenn sich die Feststellungen zur Höhe der Einkünfte nur durch eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht erklären lassen, spricht gegen einen negativen Feststellungsbescheid, dass sich die angefochtenen Bescheide nicht in dieser Regelung erschöpfen und insbesondere auch eine positive Feststellung zur – zwischen den Beteiligten umstrittenen – Einkunftsart enthalten. Zudem hat der Beklagte in der Einspruchsentscheidung das Vorliegen eines Liebhabereibetriebes offengelassen und hat ausschließlich auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach § 51a BewG abgestellt.
442. Der Beklagte hat die angefochtenen Feststellungsbescheide wirksam bekannt gegeben.
45a) Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung – AO – sollen Feststellungsbeteiligte einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen, der ermächtigt ist, für sie alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang zu nehmen, die mit dem Feststellungsverfahren und dem anschließenden Verfahren über einen Einspruch zusammenhängen. Ist ein solcher Empfangsbevollmächtigter bestellt, können Feststellungsbescheide ihm gegenüber auch bei einer bereits vollbeendeten Gesellschaft bekannt gegeben werden, soweit und solange die Feststellungsbeteiligten oder der Empfangsbevollmächtigte nicht widersprochen haben. Der Widerruf der Vollmacht wird der Finanzbehörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht (§ 183 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO, vgl. auch BFH-Urteil vom 23.04.2009 IV R 87/05, BFH/NV 2009, 1650).
46b) Demnach sind die Bescheide gegenüber dem Prozessbevollmächtigten wirksam bekannt gegebenen worden, da dieser in der Feststellungserklärung für 2011 zum Empfangsbevollmächtigten bestellt worden ist. Die bereits im Jahr 2016 eingetretene Vollbeendigung der KG steht dem nicht entgegen, da einer solchen Bekanntgabe nicht widersprochen wurde.
473. Die KG erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Tierhaltung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a BewG sind erfüllt.
48a) Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung, wenn die Tierbestände die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelte Anzahl der Vieheinheiten bezogen auf die vom Inhaber des Betriebs regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht überschreiten. Damit können Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nur dann vorliegen, wenn der Betrieb eine ausreichende Ernährungsgrundlage für die Tiere bietet. Andernfalls liegt eine gewerbliche Tierzucht mit der Folge vor, dass Verluste nur nach Maßgabe des § 15 Abs. 4 EStG berücksichtigt werden können (Kulosa in Schmidt, EStG, § 13 Rn. 31).
49Die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung einer Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG auch dann zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Voraussetzungen des § 51a BewG erfüllt sind und andere Einkünfte der Gesellschafter aus dieser Gesellschaft zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören (BFH-Urteil vom 18.11.2020 VI R 39/18, BStBl II 2021, 532).
50Gemäß § 51a Absatz 1 Satz 1 BewG gehört zur landwirtschaftlichen Nutzung auch die Tierzucht und Tierhaltung von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind (§ 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG), wenn
51- 52
1. alle Gesellschafter
a) Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen sind,
54b) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hauptberuflich Land- und Forstwirte sind,
55c) Landwirte im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte – ALG – sind und dies durch eine Bescheinigung der landwirtschaftlichen Alterskasse bzw. – ab Veranlagungszeitraum 2013 – der zuständigen Alterskasse nachgewiesen wird und
56d) die sich nach § 51 Abs. 1a BewG für sie ergebende Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung in Vieheinheiten ganz oder teilweise auf die Gesellschaft übertragen haben;
57- 58
2. die Anzahl der von der Gesellschaft im Wirtschaftsjahr erzeugten oder gehaltenen Vieheinheiten keine der nachfolgenden Grenzen nachhaltig überschreitet:
a) die Summe der sich nach Nummer 1 Buchstabe d ergebenden Vieheinheiten und
60b) die Summe der Vieheinheiten, die sich nach § 51 Abs. 1a BewG auf der Grundlage der Summe der von den Gesellschaftern regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen ergibt;
61- 62
3. die Betriebe der Gesellschafter nicht mehr als 40 km von der Produktionsstätte der Gesellschaft entfernt liegen.
Zweck des § 51a BewG ist es, die bäuerliche Veredelungswirtschaft durch landwirtschaftliche Tierhaltungsgemeinschaften zu fördern, indem Zusammenschlüsse von Landwirten zur gemeinschaftlichen Tierhaltung unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Gewerbebetriebe, sondern als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft behandelt werden (BFH-Urteil vom 05.11.2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652). Dabei soll die Förderung auf aktive Landwirte begrenzt sein und berufsfremde Personen sowie bloße kapitalistische Beteiligungen ausgeschlossen werden (BFH-Urteil vom 05.11.2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652; Bruschke in Stenger/Loose, § 51a BewG Rn. 32; Paul in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 13 EStG Rn. 80; Wiegand in Rössler/Troll, § 51a BewG Rn. 1).
64Auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 EStG i.V.m. § 51a BewG können landwirtschaftliche Tierhaltungsgemeinschaften auch ohne eigene (Eigentums- oder Pacht-)Flächen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen. Ohne diese Sonderregelung wären derartige Gemeinschaften als gewerbliche Betriebe anzusehen, da sie mangels eigener Flächen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllen (vgl. Bruschke in Stenger/Loose, § 51a BewG Rn. 7).
65b) Im Streitfall waren alle Gesellschafter Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs mit selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen (§ 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG).
66(1) Bei der Beurteilung der persönlichen Voraussetzungen nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG ist auf die an der Tierhaltungsgesellschaft beteiligten natürlichen Personen abzustellen. Ist eine Personengesellschaft an der Tierhaltungsgesellschaft beteiligt, so ist von einer landwirtschaftlichen Nutzung auszugehen, wenn alle Gesellschafter der – ertragsteuerlich transparenten – Personengesellschaft den Anforderungen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG genügen (BFH-Urteil vom 27.11.2019 II R 43/16, BStBl II 2020, 739).
67Nach § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG müssen alle Gesellschafter Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft sein. Unternehmer einer Landwirtschaft ist derjenige, auf dessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt wird. Ist eine GbR landwirtschaftlich tätig, ist sie aus ertragsteuerrechtlicher Sicht Inhaberin des Betriebs. Aufgrund des ertragsteuerlichen Transparenzprinzips sind allerdings auch die Gesellschafter der GbR (Mit-)Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i.S. von § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG (BFH-Urteile vom 27.11.2019 II R 43/16, BStBl II 2020, 739 und vom 18.11.2020 VI R 39/18, BStBl II 2021, 532). Ihnen wird der land- und forstwirtschaftliche Betrieb ihrer GbR ertragsteuerlich anteilig zugerechnet.
68Die Gesellschafter müssen regelmäßig landwirtschaftlich genutzte Flächen selbst bewirtschaften. Mit dieser Voraussetzungen soll sichergestellt werden, dass an einer Tierhaltungsgesellschaft nur „aktive“ Land- und Forstwirte beteiligt sind (Bruschke in Stenger/Loose, § 51a BewG Rn. 32). Dabei kann ein „aktiver“ Betrieb nicht nur bei Eigentums-, sondern auch bei Pachtbetrieben vorliegen. Verpächter landwirtschaftlicher Betriebe sind dagegen grundsätzlich von der Beteiligung an einer Tierhaltungsgemeinschaft ausgeschlossen (Kreckl in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kapitel 7 Rz. 11; Paul in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 13 EStG Rn. 80; Nacke in Brandis/Heuermann, § 13 EStG Rn. 103). Auch im Rahmen der § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und § 51 Abs. 1a BewG ist anerkannt, dass zu den regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen sowohl Eigentumsflächen als auch gepachtete Flächen gehören können (R 13.2 Abs. 3 Satz 1 EStR; Bruschke in Stenger/Loose, § 51 BewG Rn. 33).
69Wird der land- und forstwirtschaftliche Betrieb von einer Personengesellschaft betrieben, so müssen alle Mitunternehmer der Tierhaltungsgemeinschaft beitreten oder gemeinsam einen Anteil übernehmen. Denn die auf die Tierhaltungsgemeinschaft zu übertragenden Vieheinheiten stehen nicht dem einzelnen Gesellschafter, sondern der Gesellschaft zu (BFH-Urteil vom 18.11.2020 VI R 39/18, BStBl II 2021, 532).
70(2) Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger zu 1. Inhaber eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft mit selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen.
71Seine Betriebsinhaberschaft ergibt sich daraus, dass die GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb führt und dieser Betrieb dem Kläger zu 1. als Mitunternehmer zuzurechnen ist. Die GbR erzielt – unstreitig – Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, da sie mit der von ihr betriebenen Milchviehhaltung und Putenzucht die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 EStG erfüllt.
72Der Betrieb der GbR wird auch auf selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen geführt, da die GbR auf ihren Flächen Milchviehhaltung und Putenmast betreibt und damit einen „aktiv“ landwirtschaftlichen Betrieb unterhält. Dabei ist es nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen unerheblich, dass die GbR ihren Betrieb nicht auf Eigentums-, sondern auf Pachtflächen führt. Aufgrund des Transparenzprinzips sind auch die Flächen der GbR dem Kläger zu 1. zuzurechnen.
73Schließlich haben die Kläger gemeinsam einen Anteil an der Tierhaltungsgesellschaft übernommen, da sich die Kommanditbeteiligung an der KG im Gesamthandsvermögen der GbR befindet.
74Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es unschädlich, dass der Kläger zu 1. keine eigenen Flächen und keinen eigenen Betrieb in die GbR eingebracht oder ihr zu Nutzung überlassen hat.
75Das ertragsteuerliche Transparenzprinzip führt dazu, dass dem Kläger zu 1. sowohl der landwirtschaftliche Betrieb der GbR als auch ihre Flächen (anteilig) zuzurechnen sind. Vor diesem Hintergrund trifft es nicht zu, dass der Kläger zu 1. keine Vieheinheiten generieren konnte. Gesellschafter einer Personengesellschaft können Vieheinheiten nicht nur durch eigene Flächen, sondern auch durch Flächen der Personengesellschaft generieren. Andernfalls wäre es nicht verständlich, dass Personengesellschaften – wie beispielsweise die hiesige GbR – aufgrund eigener Flächen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfüllen können (vgl. Nacke in Brandis/Heuermann, § 13 EStG Rn. 93 und 101). Auch aus § 51a Abs. 3 EStG folgt, dass Flächen der Personengesellschaft ihren Gesellschaftern zuzurechnen sind.
76Soweit der Beklagte einwendet, der Kläger zu 1. habe sich ohne die Zwischenschaltung der GbR nicht an einer Tierhaltungsgesellschaft im Sinne des § 51a BewG beteiligen können, so mag dies zutreffen. Übersehen wird dabei aber, dass der Kläger zu 1. gerade aufgrund seiner Beteiligung an der GbR landwirtschaftlich tätig wird und damit die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG erfüllt. Eine Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen ist damit nicht verbunden.
77Nichts anderes folgt aus den Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 27.11.2019 II R 43/16, BStBl II 2020, 739 (dort Rz. 30), wonach alle Gesellschafter (mittelbar) Grundstücke in die GbR eingebracht oder an diese überlassen haben. Nach Auffassung des erkennenden Senats kann diesen Ausführungen nicht entnommen werden, dass § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG eine solche Einbringung oder Überlassung zwingend voraussetzt. Nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen ist allein entscheidend, dass alle Gesellschafter Inhaber eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft mit selbstbewirtschafteten regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Flächen sind. Diese Voraussetzungen erfüllen Mitunternehmer einer landwirtschaftlich tätigen GbR bereits aufgrund ihrer Mitunternehmerstellung. Da der Betrieb und die Flächen der GbR ihren Gesellschaftern zuzurechnen sind, kann es nicht darauf ankommen, wer die Grundstücke in die GbR eingebracht oder ihr zur Nutzung überlassen hat. Dies folgt auch aus dem Regelungszweck, der darin besteht, aktive Landwirte zu fördern und berufsfremde Personen sowie kapitalistische Beteiligungen von der Privilegierung auszunehmen. Der Kläger zu 1. ist – unstreitig – ein aktiver Landwirt, da er seine gesamte Arbeitskraft in die GbR einbringt.
78Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass einerseits Einzelbetriebe, welche auf der Grundlage gepachteter Flächen geführt werden, von § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BewG erfasst werden, und andererseits eine landwirtschaftlich tätige GbR, welche ihren Betrieb ebenfalls auf von Dritten gepachteten Flächen führt, der Anwendung dieser Vorschrift entgegenstehen soll.
79(3) Auch der Kläger zu 2. erfüllt die Voraussetzungen nach § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BewG. Auch ihm sind der landwirtschaftliche Betrieb sowie die Flächen der GbR anteilig zuzurechnen.
80Dabei ist unschädlich, dass er seinen gesamten Betrieb in die GbR eingebracht bzw. verpachtet hat. Zwar können sich nach den allgemeinen Grundsätzen nur aktive Landwirte an einer Tierhaltungsgesellschaft beteiligen, wohingegen Verpachtungsbetriebe von der Begünstigung ausgeschlossen sind. Dies gilt allerdings nicht bei der Überlassung eines Betriebes von einem Gesellschafter an eine Personengesellschaft, da der überlassende Gesellschafter aufgrund seiner Mitunternehmerstellung „aktiv“ als Mitunternehmer tätig bleibt („unschädliche Gesamteinbringung“, vgl. Gossert in Korn, § 13b EStG Rn. 30; a.A. OFD Niedersachsen vom 29.08.2016 – S 3121 – 8 – St 286).
81(4) Auch der Beigeladene erfüllt die Voraussetzungen nach § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BewG. Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.
82c) Die Kläger sowie der Beigeladene sind nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hauptberuflich Landwirte (§ 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BewG).
83(1) Nach § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BewG müssen alle Gesellschafter nach dem Gesamtbild der Verhältnisse hauptberuflich Land- und Forstwirte sein. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Gesellschafter muss im Bereich der Land- und Forstwirtschaft liegen (Kreckl in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kapitel 7 Rz. 12). Übt der Gesellschafter weitere „außerlandwirtschaftliche“ Tätigkeiten aus, so sind die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BewG erfüllt, wenn er mindestens 50 % seiner Arbeitskraft in seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einsetzt (OFD Niedersachsen vom 29.08.2016 – S 3121 – 8 – St 286; Kreckl in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kapitel 7 Rz. 12; Wiegand in Rössler/Troll, § 51a BewG Rn. 6). Teilweise wird der Einsatz von mehr als 50 % der Arbeitskraft gefordert (Bruschke in Stenger/Loose, § 51a BewG Rn. 35). Der Bereich der Land- und Forstwirtschaft umfasst dabei sowohl die Tätigkeit im eigenen Betrieb als auch die Tätigkeit in der Tierhaltungsgemeinschaft (OFD Niedersachsen vom 29.08.2016 – S 3121 – 8 – St 286). Teilweise wird vertreten, dass neben dem zeitlichen Aufwand auch die Höhe der Einkünfte aus den verschiedenen Tätigkeiten als ergänzendes Abgrenzungskriterium herangezogen werden kann (Gossert in Korn, § 13b EStG Rn. 34; Kreckl in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kapitel 7 Rz. 11; Wiegand in Rössler/Troll, § 51a BewG Rn. 6; a.A. Nacke in Brandis/Heuermann, § 13 EStG Rn. 104).
84(2) Vorliegend ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass der Kläger zu 2. seine Arbeitskraft ganz überwiegend – also zu weit über 50 % – für den landwirtschaftlichen Betrieb der GbR eingesetzt hat. Die auf die gewerbliche Biogasanlage entfallende Arbeitszeit war deutlich geringer.
85Nach der glaubhaften Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung dauerten seine Arbeitstage regelmäßig ca. von 06:00 Uhr bis ca. 19:00 Uhr bzw. 19:30 Uhr. Nach Abzug der Pausen (30 Minuten Frühstückspause, 60 Minuten Mittagspause, 15 Minuten Kaffeepause) ergibt eine tägliche Arbeitszeit von ca. 11,5 Stunden. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Zweifel gezogen.
86Die Einlassung des Klägers zu 2. in der mündlichen Verhandlung, die Einlassung des Klägers zu 1. in dem Erörterungstermin sowie die im Rahmen der Betriebsprüfung erstellte Stundenaufstellung sprechen dafür, dass der Kläger zu 2. täglich höchstens 2 Stunden für die Biogasanlage tätig war. Auch unter Berücksichtigung von nicht täglich zu verrichtender Tätigkeiten (z.B. 30 Minuten für Ölwechsel alle 28 Tage) und der Unwägbarkeiten, die sich daraus ergeben, dass die Kläger eine konkrete Stundenaufzeichnung nicht haben vorlegen können, ergibt sich jedenfalls ein Arbeitszeitanteil für die Biogasanlage von weit unter 50 %.
87Da der zeitliche Aufwand für die landwirtschaftliche Tätigkeit bereits im Vergleich zur tatsächlichen Gesamtarbeitszeit (ca. 11,5 Stunden) deutlich über 50 % liegt, kann der Senat offenlassen, ob die tatsächliche Gesamtarbeitszeit oder vielmehr ein durchschnittlicher Arbeitstag eines Arbeitnehmers (ca. 8 Stunden) als Bezugsgröße für das Merkmal der Hauptberuflichkeit heranzuziehen ist.
88Da die Arbeitszeit für die landwirtschaftliche Tätigkeit die Arbeitszeit für die Biogasanlage deutlich übersteigt, fällt nach Auffassung des Senats nicht ins Gewicht, dass der Kläger zu 2. in den Streitjahren ca. 70 % seiner Einkünfte aus dem Betrieb der gewerblichen Biogasanlage erzielt hat. Vor dem Hintergrund, dass § 51a BewG der Förderung von aktiven Landwirten dient, kann dem Kriterium der Einkunftshöhe allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zukommen.
89Schließlich ergibt sich aus der gutachtlichen Stellungnahme des Amtlichen Landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 24.11.2015 keine abweichende Beurteilung. Der von ihm zugrunde gelegte Arbeitszeitbedarf ergibt sich lediglich aus statistischen Erhebungen. Für die steuerliche Würdigung können aber nur die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich sein, wobei statistische Erhebungen allenfalls zur Verifikation der Einlassung des Steuerpflichtigen herangezogen werden können.
90Vorliegend ergeben die Erhebungen keinen Anlass, an der Richtigkeit der Einlassung der Kläger zu zweifeln. Die Erhebungen weisen ihrerseits – was in der gutachterlichen Stellungnahme auch eingeräumt wird – eine große Spannbreite auf (3,95 bis 7,24 Stunden pro Tag; entspricht 1.442 bis 2.641 Stunden pro Jahr) und nach Auskunft der Landwirtschaftskammer ist davon auszugehen, dass der Arbeitszeitbedarf bei den ausgewerteten Biogasanlagen stark variiert. Zudem ist der in der Stellungnahme angestellte Vergleich insofern nicht konsequent, als der Sachverständige bei dem Arbeitszeitbedarf für eine Biogasanlage von 365 Arbeitstagen pro Jahr ausgeht, bei der jährlichen Gesamtarbeitszeit von 1.700 Stunden aber von nur 42,5 Arbeitswochen und dabei von fünf Arbeitstagen pro Woche (40 Stundenwoche bei 8 Stunden pro Tag) ausgeht.
91(3) Der Kläger zu 1. und der Beigeladene erfüllen unstreitig die Voraussetzungen des § 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BewG. Der Senat sieht insofern von weiteren Ausführungen ab.
92d) Die Kläger und der Beigeladene sind Landwirte im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG und haben dies durch eine Bescheinigung der landwirtschaftlichen Alterskasse nachgewiesen (§ 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BewG).
93e) Die Kläger und der Beigeladene haben die sich nach § 51 Abs. 1a BewG für sie ergebende Möglichkeit zur landwirtschaftlichen Tiererzeugung oder Tierhaltung in Vieheinheiten ganz oder teilweise auf die KG übertragen (§ 51a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d BewG).
94Zwar stehen die von einer Personengesellschaft übertragenden Vieheinheiten nicht dem einzelnen Gesellschafter, sondern der Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) zu (BFH-Urteil vom 18.11.2020 VI R 39/18, BStBl II 2021, 532). Aufgrund des ertragsteuerlichen Transparenzprinzips ist die Übertragung durch die Personengesellschaft aber ihren Gesellschaftern zuzurechnen (BFH-Urteil vom 27.11.2019 II R 43/16, BStBl II 2020, 739). Aus den unter II. 3. b) dargestellten Gründen erfolgt die Zurechnung unabhängig davon, ob die Gesellschafter Flächen in die Personengesellschaft eingebracht oder ihr zur Nutzung überlassen haben.
95f) Auch die sachlichen Voraussetzungen nach § 51a Abs. 1 Nr. 2 und 3 BewG sind erfüllt.
96Die Anzahl der von der KG gehaltenen Vieheinheiten überschreiten – ausweislich der hierzu geführten Verzeichnisse (vgl. Feststellungsakte 2011 sowie Bl. 101 f. der Gerichtsakte) – die in § 51a Abs. 1 Nr. 2 BewG genannten Grenzen nicht (vgl. auch Bp-Bericht vom 26.01.2017 Tz. 2.2).
97Zudem liegen die Betriebe der Kläger und des Beigeladenen nicht mehr als 40 km von der Produktionsstätte der KG entfernt (§ 51a Abs. 1 Nr. 3 BewG). Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
98g) Ebenso sind die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 5 HS. 2 EStG erfüllt. Die Gesellschafter erzielen aus der KG keine Einkünfte, welche nicht den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen wären.
994. Die angefochtenen Bescheide sind auch hinsichtlich der festgestellten Einkunftshöhe (0 EUR) rechtswidrig. Da der Beklagte das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht zu Unrecht verneint hat, kann offen bleiben, ob er in den positiven Feststellungsbescheiden überhaupt auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht hätte abstellen dürfen oder vielmehr negative Feststellungsbescheide hätte erlassen müssen.
100a) Gewinnerzielungsabsicht ist das Bestreben, das Betriebsvermögen zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen. Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis in der Regel zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung. An dieser Absicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen. Einzelne Umstände können dabei einen Anscheinsbeweis liefern. Der zeitliche Maßstab für die Beurteilung des Totalerfolgs ergibt sich im Regelfall aus der Gesamtdauer der Betätigung. Feste zeitliche Vorgaben gibt es dabei nicht. Der Zeitraum, innerhalb dessen ein positives Ergebnis erzielt sein muss, ist stets, wie auch die anderen Kriterien, einzelfallbezogen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 11.19.2007 IV R 15/05, BStBl II 2008, 465).
101Bei landwirtschaftlichen Betrieben ist zwischen Pachtbetrieben und Eigentumsbetrieben zu unterscheiden. Das wesentliche Betriebsvermögen des Pächters eines landwirtschaftlichen Betriebes besteht vor allem aus dem lebenden und toten Inventar, während maßgebliche Grundlage der sog. Eigentumsbetriebe der eigene Grund und Boden ist. Wird ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht auf Eigentumsflächen ausgeübt, sondern erfolgt die Bewirtschaftung auf Grund eines Nutzungsverhältnisses, so ist das Ende des für die Frage nach dem Totalgewinnerfolg maßgebenden Beurteilungszeitraums regelmäßig bereits durch das vertraglich vereinbarte Ende des Nutzungsverhältnisses bestimmt (BFH-Urteil vom 11.19.2007 IV R 15/05, BStBl II 2008, 465; zur großzügigeren Beurteilung bei Forstbetrieben vgl. BFH-Urteil vom 07.04.2016 IV R 38/13, BStBl II 2016, 765).
102Für landwirtschaftliche Betriebe gilt der Beweis des ersten Anscheins für die Absicht der Gewinnerzielung jedenfalls dann nicht, wenn fachfremde Steuerpflichtige einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen, dabei auf fremde Arbeitskräfte angewiesen sind oder das angestrebte Leben auf dem Lande ein wesentliches Motiv ist (BFH-Beschluss vom 25.06.1996 IV B 82/95, BFH/NV 1997, 21). Der Beweis, dass ein über Jahre hin mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, der Steuerpflichtige vielmehr aus nicht wirtschaftlichen, persönlichen Gründen diese ständige finanzielle Belastung trägt, kann in der Regel dann als erbracht gelten, wenn feststeht, dass der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann. Diese Grundsätze gelten in der Regel nicht für die Anlaufzeit eines erworbenen Betriebs; vor allem dann nicht, wenn dieser Betrieb neu aufgebaut werden muss. Bei hohen Investitionen kann eine Anlaufzeit von bis zu 10 Jahren anzunehmen sein (BFH-Urteil vom 22.07.1982 IV R 74/79, BStBl II 1983, 2). Verluste der Anlaufzeit sind nur dann steuerlich nicht anzuerkennen, wenn auf Grund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen (BFH-Entscheidungen vom 27.05.2005 IV B 97/03, BFH/NV 2005, 2176 und vom 20.09.2007 IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532).
103Eine Personengesellschaft verfolgt eine Tätigkeit in Gewinnerzielungsabsicht, wenn sie auf eine Mehrung des Betriebsvermögens der Gesellschaft, einschließlich des Sonderbetriebsvermögens der Gesellschaft, in Gestalt eines Totalgewinns gerichtet ist (BFH-Urteil vom 25.06.1996 VIII R 28/94, BStBl II 1997, 202).
104b) Nach diesen Grundsätzen ist die KG mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden.
105Hierfür spricht bereits, dass bei den Klägern und bei dem Beigeladenen keine persönlichen Motive für den Betrieb einer gemeinschaftlichen Tierhaltung durch die KG ersichtlich sind. Vielmehr handelt es sich bei allen Gesellschaftern um hauptberufliche Landwirte.
106Auch kann – auch unter Berücksichtigung der Verluste in den Jahren von 2011 bis 2016 – nicht festgestellt werden, dass der Betrieb der KG nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten konnte. Der Betrieb der KG wurde ohne Fremdpersonal geführt. Auch ist nicht davon auszugehen, dass ein Schweinemaststall mit 990 Mastplätzen nicht rentabel geführt werden kann. Vielmehr wird in der landwirtschaftlichen Fachliteratur davon ausgegangen, dass Mastställe ab 800 Plätzen finanziell attraktiv werden können (vgl. top agrar 10/2008, Seite 20, vgl. Bp-Handakte). Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden wäre. Der Umstand, dass vor dem Bau der Halle eine Liquiditätsrechnung erstellt worden ist und eine Bank die Halle fremdfinanziert hat, spricht vielmehr dafür, dass jedenfalls im Grundsatz kaufmännische Grundsätze beachtet worden sind. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sich die Gewinnerwartungen der Schweinemäster in den Folgejahren weiter verschlechtert haben. Denn aus einer wirtschaftlich angespannten Lage folgt nicht ohne weiteres, dass ein Betrieb nach seiner Wesensart nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann. Gleiches gilt für etwaige Mängel in der Stalltechnik. Derartige Probleme können in jedem Betrieb auftauchen und stehen einer Gewinnerzielungsabsicht nicht grundsätzlich entgegen.
107Jedenfalls sind die in den Streitjahren angefallenen Verluste als Anlaufverluste einzuordnen, da die KG erst im Jahr 2011 gegründet und die von dem Kläger zu 1. gepachtete Halle neu errichtet worden ist. Der Anerkennung als Anlaufverluste steht nicht entgegen, dass der Betrieb der KG von vornherein nicht in der Lage gewesen wäre, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Wie bereits ausgeführt, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Erzielung von Gewinnen nach der Wesensart des Betriebes nicht ausgeschlossen war.
108Soweit der Beklagte davon ausgeht, dass der Gewinnprognose ein lediglich zehnjähriger Prognosezeitraum zugrunde zu legen wäre, so verkennt er, dass die KG die Schweinemasthalle zwar für zunächst nur zehn Jahre gepachtet hat, die Schweinemasthalle dabei aber im Eigentum des Klägers zu 1. steht und bei ihm als Sonderbetriebsvermögen zu erfassen ist. Da die Halle damit steuerliches Eigenkapital darstellt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betrieb nur zehn Jahre lang geführt werden wird.
109III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, Abs. 3, 139 Abs. 4 FGO.
110Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
111Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 2007 IV R 15/05 2x (nicht zugeordnet)
- 2005 IV B 97/03 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 131 1x
- 2020 VI R 39/18 4x (nicht zugeordnet)
- FGO § 48 1x
- 2019 IV R 54/16 1x (nicht zugeordnet)
- 2019 II R 43/16 5x (nicht zugeordnet)
- § 13b EStG 1x (nicht zugeordnet)
- 2007 IV R 20/05 1x (nicht zugeordnet)
- ALG § 1 Versicherte kraft Gesetzes 1x
- 2015 IV R 62/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 IV R 87/05 3x (nicht zugeordnet)
- 2009 IV R 13/07 2x (nicht zugeordnet)
- 2016 IV R 38/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1996 VIII R 28/94 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 13 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 3x
- 13 K 2320/15 1x (nicht zugeordnet)
- BewG § 51a Gemeinschaftliche Tierhaltung 7x
- 1996 IV B 82/95 1x (nicht zugeordnet)
- 2000 VIII R 6/99 1x (nicht zugeordnet)
- 1982 IV R 74/79 1x (nicht zugeordnet)
- 2014 VIII R 37/11 2x (nicht zugeordnet)
- 2021 IV R 20/17 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 IV R 20/10 1x (nicht zugeordnet)
- BewG § 97 Betriebsvermögen von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen 1x
- 2004 IV R 4/03 1x (nicht zugeordnet)
- BewG § 51 Tierbestände 3x
- § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1x (nicht zugeordnet)