Urteil vom Finanzgericht Münster - 7 K 2261/20 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Thailand im Streitjahr 2018 als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 des Einkommensteuergesetzes, EStG) zu berücksichtigen sind.
2Der Kläger, geboren am xx.xx.1948, ist mit einem Grad in Höhe von 90 behindert. Das Merkzeichen „H“ ist bei ihm nicht festgesetzt worden. Im Streitjahr bezog der Kläger u.a. Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (Versorgungsbezüge bzw. Pensionsbezüge). Er leidet unter Bechterew im fortgeschrittenen Stadium. Sein Brustkorb ist stark deformiert, was zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führt. Zudem leidet er unter rheumatischen Beschwerden mit starken Schmerzattacken, die ihn zeitweise ans Bett binden. In diesen Zuständen ist er auf Hilfe angewiesen und kann sich nicht selbst versorgen. Gegen die rheumatischen Beschwerden nimmt der Kläger starke Schmerz- und Betäubungsmittel, die zu einer Belastung von Magen, Leber und Nieren führen. Weiterhin wurde bei ihm eine sog. Kälteallodynie diagnostiziert, wonach Nervenleitungen Kältereize falsch interpretieren und als Schmerz vom Kläger empfunden wird. Diese Erkrankung ist nach dem aktuellen Stand der Medizin weder therapier- noch heilbar.
3Laut einer amtsärztlichen Bescheinigung vom xx.10.2018 (Bl. 6 der Verwaltungsakte) wird bestätigt, dass ein Aufenthalt des Klägers „in den Wintermonaten in tropischem Klima aus gesundheitlichen Gründen“ erfolge. Die Vermeidung von Kälte und Feuchtigkeit einerseits wie auch eine vermehrte Sonnenbestrahlung in diesen Breitengraden führe zu einer Linderung der Beschwerden der progredienten Krankheitsbilder. Eine Besserung der Grunderkrankung sei auch in Zukunft nicht zu erwarten, sodass der Aufenthalt in den Wintermonaten auch in den kommenden Jahren als medizinisch sinnvoll erachtet werde. Auch an der Unterstützung durch eine Haushaltshilfe ändere der Aufenthalt in tropischen Regionen nichts. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Bescheinigung Bezug genommen.
4Nach einer weiteren Bescheinigung von Frau Professorin Dr. med. T. (Praxis für Neurologie, Psychotherapie und Spezielle Schmerztherapie) vom xx.11.2018 (Bl. 7 der Verwaltungsakte) liege beim Kläger eine Kälteallodynie vor. Gegenwärtig gebe es für diese Erkrankung weder adäquate Krankheitsmodelle noch wirksame Therapien. Aus diesem Grunde sei es medizinisch förderlich, dass der Kläger sich zumindest in den kühlen Monaten von Oktober bis Mai im heißen tropischen Klima aufhalte. Da die Einnahme von Tabletten keine wirksame Besserung erbringe, sei ein jährlich wiederkehrender Aufenthalt in den Tropen für die Therapie günstig. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Bescheinigung verwiesen.
5Gemäß einer weiteren fachärztlichen Bescheinigung vom xx.06.2019 von Herrn Dr. med. X. (Facharzt für Urologie; Bl. 8 der Verwaltungsakte) sprächen die bei dem Kläger vorhandenen Erkrankungen „besonders positiv“ auf ein warmes Klima an, sodass aus medizinischer Sicht der Aufenthalt während der kühlen Jahreszeit (von Oktober bis Mai) in wärmeren Regionen der Erde als positiv bewertet werden müsse. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Bescheinigung Bezug genommen.
6Im Streitjahr 2018 flog der Kläger am xx.10.2018 nach Thailand. Ihm sind im Streitjahr folgende Aufwendungen hierfür entstanden:
7Kosten für eine Haushaltshilfe in Höhe von umgerechnet xxx €
8Miete: xxx €
9Flug: xxx €
10Zug xxx €
11Insgesamt   ; xxxx €
12Im Bescheid für 2018 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 17.10.2019 berücksichtigte der Beklagte einen Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG in Höhe von 1.230,00 €. Eine Steuerermäßigung für außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG setzte der Beklagte für die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen betreffend seinen Thailandaufenthalt nicht an.
13Mit seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch (Eingang beim Beklagten am 14.11.2019) begehrt der Kläger die Berücksichtigung der Aufwendungen für seinen Aufenthalt in Thailand als außergewöhnliche Belastungen. Gerade die Kälteallodynie sei für ihn im Winter eine Folter. Der Beklagte deute die von ihm vorgelegten Atteste als Kurbescheinigung, obwohl in den Attesten selbst davon keine Rede sei. Es handele sich bei seinem Thailandaufenthalt aber nicht um eine Kur. Ein auf wenige Wochen beschränkter Aufenthalt löse nämlich sein Problem nicht, da bei Rückkehr in das kalte Winterklima auch die gesundheitlichen Probleme sofort wieder verstärkt aufträten. Deshalb werde sowohl vom Amtsarzt als auch von Professor Dr. T. keine Kur empfohlen, sondern ein Daueraufenthalt in den Tropen für die kalten Monate von Oktober bis Mai. Es handele sich daher bei dem von ihm geltend gemachten Aufwendungen um Krankheitskosten im Allgemeinen und nicht um Kurkosten im Besonderen. Im Übrigen sei die Notwendigkeit einer Überwinterung im heißen, tropischem Klima amts28;rztlich bestätigt worden. Es sei nicht Aufgabe des Beklagten, die Bescheinigungen zu hinterfragen oder im Sinne des Beklagten zu interpretieren. Insbesondere seien die Kosten der Haushaltshilfe kein Ausfluss des Auslandsaufenthaltes. Laut Feststellung des Amtsarztes sei die Hilfe aufgrund der Erkrankungen im In- und Ausland erforderlich. In der Zeit, in der er sich in Deutschland aufhalte, werde er unentgeltlich von einer Freundin unterstützt. Insoweit fielen in dieser Zeit keine Kosten an, die § 35a EStG zugeordnet werden könnten. Darüber hinaus verweise diese Vorschrift auf den Vorrang des Abzugs als außergewöhnliche Belastung. Das bedeute, wenn die Aufwendungen durch Krankheit verursacht worden seien, gälten die Voraussetzungen des § 33 EStG. Dies werde vom Beklagten verkannt. Er benötige die Haushaltshilfe aufgrund seiner Erkrankung. Dass dieser Umstand nur im Ausland, aber nicht im Inland Kosten verursache, sei unbedeutend.
14Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 17.07.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er an, dass weder die Voraussetzungen des § 33 EStG noch des § 35a EStG erfüllt seien. Aufwendungen für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe könnten nur gemäß § 35a EStG (Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen) geltend gemacht werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien nicht erfüllt. Die Dienstleistung sei nicht in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum gelegenen Haushalt ausgeübt oder erbracht worden. Eine Steuerermäßigung für außergewöhnliche Belastungen sei nach Einführung des § 35a EStG nicht (mehr) möglich.
15Mit seiner Klage (Eingang am 10.08.2020) verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung bekräftigt er, dass § 35a EStG die Anwendung des § 33 EStG auch hinsichtlich der Aufwendungen für eine Haushaltshilfe nicht ausschließe und insoweit auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen in Betracht komme. Das Gesundheitsamt Q-Stadt habe die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe festgestellt, die auf seinen konkreten körperlichen Einschränkungen beruhten. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen Krankheit, Schwerbehinderung und Hilfe bei den Verrichtungen des alltäglichen Lebens bis hin zum Toilettengang. Daraus sei zu folgern, dass es sich bei den Kosten für die Haushaltshilfe um Krankheitskosten handele, die als außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 EStG zu berücksichtigen seien. Dieser Abzug sei nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG vorrangig. § 35a EStG sei vom deutschen Gesetzgeber erlassen worden, um die Schwarzarbeit in Deutschland zu reduzieren. Daher bestehe eine Bindung an die Sozialversicherungspflicht des Beschäftigten bzw. die unbare Bezahlung des Auftragnehmers. In Thailand gebe es aber weder eine Sozialversicherung noch hätten die „kleinen Leute“ ein Bankkonto. Auch sei es nicht möglich, eine thailändische Haushaltshilfe, die in Thailand ihre Dienstleistung erbringt, in Deutschland bei der Sozialversicherung anzumelden. Deshalb sei die Anwendung des Gesetzes auf den europäischen Raum beschränkt.
16Im Übrigen sei ihm der Aufenthalt nach den vorliegenden (amts-)ärztlichen Bescheinigungen ärztlicherseits nahegelegt worden. Die ihm aufgrund dessen entstandenen Kosten seien auch zwangsläufig i.S.v. § 33 EStG. Denn wie aus dem „Gutachten“ von Frau Prof. T. hervorgehe, gebe es für die Kälteallodynie weder eine Therapie noch spezielle Medikamente. Dies bedeute, dass er – der Kläger – in den Monaten Oktober bis Mai seine Wohnung nicht verlassen könne und/oder auf die ständige Einnahme von Betäubungsmitteln (wie Morphin) angewiesen sei. Ersteres sei unrealistisch und letzteres mache abhängig. Um seine Erkrankung erträglich zu machen, müsse er in den kühleren Monaten das Land verlassen. Eine Einsparung von Medikamenten sei überdies dringend erforderlich, um weitere (organische) Schäden zu vermeiden. Dies sei aber ausschließlich bei tropischen Temperaturen möglich.
17Der Kläger beantragt,
18den Bescheid für 2018 über Einkommensteuer vom 17.10.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.07.2020 dahingehend zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt xxxx € berücksichtigt werden.
19Der Beklagte beantragt,
="absatzRechts">20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung führt er aus, dass die Daueraufenthalte in tropischem Klima von verschiedenen Ärzten als „medizinisch sinnvoll“ erachtet bzw. als „medizinisch förderlich“ beschrieben worden seien. Die Bescheinigung über den als medizinisch sinnvoll erachteten Aufenthalt des Amtsarztes datiere auf den xx.10.2018. In dem Klageverfahren des Klägers zu Az. 7 K 2754/15 E wegen Einkommensteuer 2013 habe das Finanzgericht bereits begründet, dass für die Abzugsfähigkeit der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für eine Klimakur durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen sei. Der Nachweis müsse vor der Kur ausgestellt worden sein (vgl. § 64 Abs. 1 Nr. 2a S. 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV)). Es müssten Kurort und Dauer der Kur bescheinigt sein. Die im Streitfall vorgelegten Bescheinigungen erfüllten diese Anforderungen nicht. Es seien weder Kurort noch voraussichtliche Kurdauer bescheinigt. Der Kläger habe bislang zudem weder nachgewiesen, ob und in welcher Höhe von Beihilfe und Krankenversicherungskosten erstattet worden seien bzw. warum keine Kostenübernahme erfolgt sei noch, ob auf ein Pflegegrad festgestellt worden sei. Im Ausland erfolge keine weitere ärztliche Behandlung, keine Unterbringung in einem Krankenhaus oder in einer Klinik. Allein der Wechsel des Klimas bringe dem Kläger Linderung. „Wohnen“ sei gemäß § 12 Nr. 1 EStG aber nicht abzugsfähig. Die Aufwendungen für eine Hilfe im Haushalt seien nicht mehr begünstigt. Im Übrigen bezieht er sich auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
"absatzRechts">22>Der Senat hat in dieser Sache am 23.02.2022 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
23A. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid für 2018 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 17.10.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.07.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
24Die Aufwendungen des Klägers für den Aufenthalt in Thailand in Höhe von insgesamt xxxx € können mangels eines hinreichenden Nachweises gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a), Satz 2 EStDV nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.
25I. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29.09.1989 III R 129/86, BStBl II 1990, 418).
26In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z. B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteil vom 17.07.1981 VI R 77/78, BStBl II 1981, 711).
27Aufwendungen für eine der Behandlung einer Krankheit dienenden Reise (=Kur) sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH als aus tatsächlichen Gründen zwangsläufige außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG nur dann zu berücksichtigen, wenn die Reise zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend ist (z.B. BFH-Urteile vom 23.10.1987 III R 64/85, BFH/NV 1988, 149 und vom 11.12.1987 III R 95/85, BStBl II 1988, 275). Bei sog. Klimakuren, d.h. bei Reisen, für deren Heilerfolg allein der Klimawechsel entscheidend ist, wird auf eine ständige ärztliche Überwachung am Kurort verzichtet (z.B. BFH-Urteil vom 23.10.1987 III R 64/85, BFH/NV 1988, 149).
28Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 01.02.2001 III R 22/00, BStBl II 2001, 543 und vom 03.12.1998 III R 5/98, BStBl II 1999, 227 m. w. Nachw.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil vom 01.02.2001 III R 22/00, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.1997 III R 84/96, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.
29Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr.201;2, Satz 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 Fünftes Sozialgesetzbuch). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist auch bei Klimakuren nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV erforderlich. Nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a), 2. HS EStDV ist zudem erforderlich, dass der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Kurdauer bescheinigt werden.
30Da § 64 EStDV Nachweiserfordernisse aufstellt, die zwingend in der jeweils vorgeschriebenen Form erbracht werden müssen, können Aufwendungen dann nicht berücksichtigt werden, wenn der Nachweis hiernach fehlt (BFH-Urteil vom 06.02.2014 VI R 61/12, BStBl II 2014, 458: § 64 EStDV ist abschließend; vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 33 Rn 76).
31Nach der Rechtsprechung des BFH begegnet diese strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Sie erscheint grundsätzlich nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes sei dieses Nachweisverfahren im steuerlichen Masseverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 des Grundgesetzes gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten (BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2021, 577). Auch verfassungsrechtlich bestehen insoweit keine Bedenken (vgl. Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 10.07.1970 I BvR 434/70, HFR 1970, 454).
32II. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger den Nachweis als eine im Rahmen von § 33 Abs. 1, 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV anzuerkennende Klimakur anhand der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht in hinreichender Weise geführt.
331. Bei der vom Kläger im Streitjahr durchgeführte Reise handelt es sich um eine Klimakur i.S.v. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV.
34Der Senat stellt nicht in Abrede, dass der Kläger schwerwiegend erkrankt ist. Eine Linderung der bei ihm bestehenden Erkrankungen (insbesondere der Kälteallodynie) lässt sich – mangels anderweitiger Behandlungsmethoden – ausweislich der vorliegenden amtsärztlichen Bescheinigung vom xx.10.2018 sowie der fachärztlichen Bescheinigungen vom xx.11.2018 von Frau Prof. T. und vom xx.06.2019 des Herrn X. durch einen Aufenthalt im tropischen Klima erreichen. Der Aufenthalt des Klägers im Streitjahr in Thailand diente dazu, seine Schmerzen und Krankheitssymptome aushaltbar zu machen, mithin zu lindern. Eine ärztliche Überwachung in Thailand musste vor dem Hintergrund der Einordnung als Klimakur nicht erfolgen, weil sich die Linderung der klägerischen Krankheitssymptome bereits alleine durch den Aufenthalt in Thailand einstellte.
352. Der vom Kläger eingereichte amtsärztliche Nachweis entspricht indes nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV.
36a. Gerade in den Fällen der Klimakur fordert der Gesetzgeber in § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen, dass ein bestimmter medizinisch angezeigter Kurort und die voraussichtliche Kurdauer durch ein amtsärztliches Gutachten, welches vor Beginn der Heilmaßnahme vorliegen muss, bescheinigt werden. Um eine Abgrenzung zu reinen Erholungsreisen gewährleisten zu können und einen Missbrauch entgegen zu wirken, ist es erforderlich, dass entsprechend hohe Anforderungen an die nach § 64 EStDV jeweils vorzulegende Bescheinigung gestellt werden.
bsatzRechts">37b. Das vom Kläger vorgelegte amtsärztliche Attest datiert auf den xx.10.2018 und wurde damit einen Tag vor Antritt seiner Reise nach Thailand ausgestellt. Ferner ist das in § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV enthaltene Erfordernis eines vor Beginn der Klimakur ausgestelltes amtsärztliches Attest erfüllt. Auch ist nach Auffassung des Senats die voraussichtliche Kurdauer mit „in den Wintermonaten“ ausreichend konkret bezeichnet. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV lässt insoweit ausdrücklich die Angabe einer lediglich „voraussichtlichen Kurdauer“ zu. Dieser Formulierung wohnt eine Ungewissheit in der Weise inne, dass die Kurdauer an sich variieren und insoweit ärztlicherseits nicht immer mit einer konkreten Angabe angegeben werden kann.
38c. Allerdings enthält das amtsärztliche Attest nach Auffassung des Senats keine hinreichend konkrete Angabe zum Kurort im Sinne von § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV.
39(1) Der BFH hat an die Konkretisierung und die Anforderungen des Inhalts eines amtsärztlichen Zeugnisses gefordert, dass sich aus diesem die Notwendigkeit, die Dauer der Reise sowie das (konkrete) Reiseziel ergeben (z.B. BFH-Urteil vom 14.02.1980 VI R 218/77, BStBl II 1980, 295). Es muss sich aus den Bescheinigungen ergeben, dass der Steuerpflichtige krank und der Aufenthalt an einem bestimmten Kurort für einen gewissen Zeitraum medizinisch angezeigt ist (BFH-Urteile vom 02.04.1998 III R 67/97, BStBl II 1998, 613 und vom 29.10.1992 III R 232/90, BFH/NV 1993, 231).
40(2) Zu dieser von der Rechtsprechung geforderten konkreten Angabe des Kurortes verhält sich das vorgelegte Attest des Amtsarztes vom xx.10.2018 nicht in hinreichendem Maße. Der Begriff „Kurort“ impliziert zunächst einen räumlich abgrenzbaren Bereich. Die Angabe eines ganz konkreten Ortes oder einer Heileinrichtung fordert die EStDV nach Auffassung des Senats nicht. Jedoch reicht die Angabe „in tropischem Klima“ jedenfalls nicht aus, um einen Kurort im Sinne von § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV zu bestimmen. Auch im tropischen Klima gibt es verschiedene Ausgestaltungen an vorherrschenden Klimabedingungen. Die Einordnung, wo konkret aufgrund der bei den jeweils betroffenen Steuerpflichtigen bestehenden Erkrankungen, eine Klimakur medizinisch indiziert ist, muss der Amtsarzt in seiner Stellungnahme konkretisieren. Nach verständiger Würdigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 14.02.1980 VI R 218/77, BStBl II 1980, 295; vom 02.04.1998 III R 67/97, BStBl II 1998, 613 und vom 29.10.1992 III R 232/90, BFH/NV 1993, 231) geht der Senat davon aus, dass die pauschale Benennung einer Region der Erde jedenfalls nicht ausreichend ist, um den Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund der Eindämmung eines möglichen Missbrauchs der steuerlichen Anerkennung von Klimakuren erscheint diese strenge Handhabe unabdingbar. Diese – aus Sicht des Senats notwendige Konkretisierung – stellt überdies keine überhöhten unverhältnismäßigen Anforderungen an einen Nachweis i.S.v. § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a) EStDV.
41III. Da die amtsärztliche Bescheinigung inhaltlich nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 a EStDV entspricht, sind sämtliche Aufwendungen des Klägers, die im Streitjahr im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Thailand entstanden sind nach § 33 EStG nicht berücksichtigungsfähig. Dies gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen fü;r die in Thailand benötigte Haushaltshilfe.
421. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass der in § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG normierte Anwendungsvorrangs des § 33 EStG gegenüber § 35a EStG dafür spricht, Kosten einer Haushaltshilfe –bei Vorliegen der Voraussetzungen- nach § 33 EStG berücksichtigen zu können. Im Ergebnis kann der Senat die Frage der Anwendbarkeit von § 33 EStG bzw. einer Sperrwirkung des § 35a EStG bei Kosten für eine Haushaltshilfe offen lassen (ablehnend und für eine ausschließliche Abziehbarkeit unter den Vorraussetzungen des § 35a EStG: Niedersächsische Finanzgericht, Urteil vom 23.04.2013 15 K 181/12, EFG 2013, 1341 ff. mit kritischer Anm. von Rosenke). Da die Kosten für die Haushaltshilfe im Streitfall im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Thailandaufenthalt angefallen sind und zudem im Inland nicht angefallen wären, teilen auch diese Kosten das rechtliche Schicksal der übrigen durch den Thailandaufenthalt verursachten Kosten. Sie wären nur dann ersatzfähig, wenn die Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a EStG erfüllt sind, da nur dann von einer medizinischen Indikation des Aufenthalts in Thailand und der dadurch veranlassten Kosten ausgegangen werden könnte, was vorliegend nicht der Fall ist (siehe hierzu unter A. II.).
432. Die Kosten für die Haushaltshilfe können auch nicht nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d) EStDV als Kosten für die Notwendigkeit einer Betreuung des Klägers durch eine Begleitperson eingeordnet werden.
44a. Eine Begleitperson in diesem Sinne ist gegeben, wenn aufgrund einer beim Steuerpflichtigen vorherrschenden Erkrankung dieser bei Reisen oder im Alltag in erheblichem Umfang dauernd fremder Hilfe bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.1997 III R 35/97, BStBl II 1998, 298). Zudem ist die Berücksichtigung von Kosten einer Begleitperson nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2d) EStDV während einer medizinisch indizierten Kur als außergewöhnliche Belastung davon abhängig, dass deren Notwendigkeit durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wird.
45b. Weder stellt die vom Kläger in Thailand in Anspruch genommene Haushaltshilfe eine Begleitperson in diesem Sinne dar noch ist deren Notwendigkeit durch das amtsärztliche Zeugnis vom xx.10.2018 nachgewiesen. Der Amtsarzt spricht ausdrücklich von Haushaltshilfe und nicht davon, dass der Kläger eine Begleitperson auf seiner Reise benötige. Darüber hinaus hat der Kläger offenkundig keiner Hilfe bedurft, sondern war in der Lage die Reise nach Thailand selbstständig anzutreten und durchzuführen.
463. Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 35a EStG im Streitfall nicht gegeben. Zwar können haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG – und damit auch Kosten, die der Steuerpflichtige für eine Haushaltshilfe aufgewendet hat – berücksichtigt werden. Allerdings kann die nach dieser Vorschrift zu gewährende Steuerermäßigung nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Dienstleistung in einem der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht wird (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG). Dies ist bei einer in Thailand in Anspruch genommenen Haushaltshilfe nicht der Fall. Thailand liegt sowohl außerhalb der Europäischen Union als auch des Europäischen Wirtschaftsraums.
47Überdies ist nach § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG erforderlich, dass der Steuerpflichtige für eine haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 2 EStG eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. Zwar hat der Kläger Rechnungen des in Thailand in Anspruch genommenen „Maid Service“ eingereicht. Die Zahlungen erfolgten insoweit allerdings jeweils in bar, so dass zudem die Voraussetzungen des § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG nicht gegeben sind.
48B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
49C. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO vorlag. Insbesondere weicht der Senat mit seinen die Entscheidung tragenden Gründen nicht von der Rechtsprechung des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urteil vom 23.04.2013 15 K 181/12, EFG 2013, 1341 ff.) zur Anwendbarkeit von § 33 EStG bei Kosten für eine Haushaltshilfe ab.
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