Beschluss vom Finanzgericht Münster - 11 V 2680/21 AO
Tenor
Die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 08.10.2021 über die Entstehung von Säumniszuschlägen zur Körperschaftsteuer 2016 und 2017 sowie zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2016 und 2017 wird ab Fälligkeit bis einen Monat nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Erledigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Die Beschwerde wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Zu entscheiden ist, ob die Vollziehung eines Abrechnungsbescheides über die Entstehung von Säumniszuschlägen in voller Höhe auszusetzen ist. In der Sache streiten die Beteiligten über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der in einem Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge.
4Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in ....
5Am 18.08.2021 beantragte die Antragstellerin die Erteilung eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) im Hinblick auf die Säumniszuschläge, soweit sie seit dem 01.01.2010 entstanden seien. Sie trug zudem vor, dass sie bereits jetzt die Aussetzung der Vollziehung beantrage. Sie fügte den Beschuss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.06.2021 VII B 54/21 (AdV) bei.
6Der Antragsgegner lehnte den Erlass eines Abrechnungsbescheids mit Verfügung vom 21.09.2021 ab, da der Erlass eines Abrechnungsbescheids das Vorliegen von Streitigkeiten zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde voraussetze und solche Meinungsverschiedenheiten von der Antragstellerin nicht vorgebracht worden seien. Gegen diese Ablehnungsverfügung legte die Antragstellerin Einspruch ein und trug zur Begründung vor, die Säumniszuschläge würden als verfassungswidrig zu hoch angesehen, soweit sie die Zeiträume ab dem 01.01.2019 beträfen. Der Antragsgegner erließ daraufhin unter dem 08.10.2021 einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezogen auf die Säumniszuschläge ab dem 01.01.2019. Der Abrechnungsbescheid weist Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2016 in Höhe von 16,00 EUR, Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2017 in Höhe von 234,- EUR, Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2016 in Höhe von 9,00 EUR und Säumniszuschläge zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2017 in Höhe von 72,- EUR aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den Abrechnungsbescheid verwiesen.
7Der Antragsgegner lehnte die Aussetzung der Vollziehung mit Verfügung vom 14.10.2021 ab. In der BFH-Entscheidung in dem Verfahren VII B 54/21 sei die Aussetzung der Vollziehung in Höhe der hälftigen Säumniszuschläge im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) noch nicht entschiedene Rechtsfrage hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes gewährt worden. Aufgrund der nunmehr ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts komme in analoger Anwendung der Randziffer 242 der o.g. Entscheidung eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf Säumniszuschläge nicht in Betracht.
8Die Antragstellerin legte gegen den Abrechnungsbescheid vom 08.10.2021 am 19.10.2021 Einspruch ein.
9Die Antragstellerin hat am 26.10.2021 den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Sie verweise auf den BFH-Beschluss vom 31.08.2021 VII B 69/21, den sie beifüge. Danach seien Säumniszuschläge auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab dem 01.01.2019 von der Vollziehung auszusetzen. Da im dortigen Streitfall lediglich beantwortet worden sei, den Zinsanteil in den Säumniszuschlägen auszusetzen, sei auch nur ein entsprechender Aussetzungsbescheid ergangen. Im vorliegenden Fall werde die Aussetzung der Vollziehung der Säumniszuschläge in der vollen Höhe begehrt. Ist eine Norm verfassungsrechtlich zweifelhaft, sei insgesamt eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren; eine Beschränkung auf einen „angemessenen“ Anteil sei im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht möglich.
10Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
11die Vollziehung des Abrechnungsbescheides über Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2016 und 2017 sowie zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2016 und 2017 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, spätestens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller Höhe aufzuheben.
12Der Antragsgegner beantragt,
13den Antrag abzulehnen,
14hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
15Zur Begründung trägt er vor: Ausweislich der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28.10.2021 übermittelten Abschrift des BFH-Beschlusses vom 31.08.2021 VII B 69/21 (AdV) habe der BFH im Hinblick auf die Ausführungen des BVerfG in dessen Beschluss vom 08.07.2021 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934 ausgeführt, dass die neben der Norm des § 233a AO gegebenen Verzinsungstatbestände einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürften und eine solche Wertung im Hauptsacheverfahren erfolgen müsse. Das FG Münster habe im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG in seinen Beschlüssen vom 12.09.2021 12 V 16/21 AO, juris, und vom 12.10.2021 12 V 901/20 AO, EFG 2021, 2035, indes eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung abgelehnt, wobei es jeweils die Beschwerde nicht zugelassen hat. Zur Begründung betonte es die Erforderlichkeit einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Beurteilung der Norm des § 233a AO, obwohl es sich jeweils um Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handele. Die Ablehnung einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts nach den §§ 361 AO, 69 FGO könne jedoch auch dann in Betracht kommen, wenn die Auswirkungen des Gesetzesvollzugs im konkreten Einzelfall gering und die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte deutlich sein können (ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 21.11.2013 II B 46/13, BStBl II 2014, 263). Hinsichtlich des Zinssatzes des § 238 AO habe der BFH auch betont, dass die Zweifel an der Verfassungskonformität über das Maß hinausgingen, welches üblicherweise von der Rechtsprechung für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung für erforderlich angesehen werde (BFH-Beschluss vom 25.04.2018 IX B 21/18, BStBI II 2018, 415). Da die übrigen Verzinsungstatbestände einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürfen, dürften die verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf den Verzinsungsanteil bei den Säumniszuschlägen nach § 240 AO nicht mehr so schwerwiegend sein, wie es auch das FG Münster in seinen Beschlüssen vom 12.09.2021 12 V 16/21 AO, juris, und vom 12.10.2021 12 V 901/20 AO, EFG 2021, 2035, hervorgehoben hat. Höchstrichterliche Bedenken in Bezug auf die Verfassungskonformität des Verzinsungsanteils bei den Säumniszuschlägen dürften erstmals in dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.04.2020 VII B 53/19 angesprochen worden sein, weshalb bezüglich der Haushaltsführung außerdem zusätzlich ähnlich zu erwägen sein dürfte, wie es das FG Münster in seinen Beschlüssen vom 12.09.2021 12 V 16/21 AO, juris, und vom 12.10.2021 12 V 901/20 AO, EFG 2021, 2035, in Anbetracht der Fortgeltung der § 233a AO i.V.m. § 238 AO für Verzinsungszeiträume bis einschließlich dem 31.12.2018 getan hat. Die konkrete finanzielle Auswirkung im vorliegenden Einzelfall dürfte gering sein, zumal die Säumniszuschläge ausweislich der Feststellungen im Abrechnungsbescheid bereits getilgt seien.
16Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von dem Antragsgegner übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
17II.
18Der Antrag ist zulässig und begründet.
19Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag ausgesetzt oder aufgehoben werden, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
20Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622). Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 25.11.2005 V B 75/05, BFHE 212, 176, BStBl II 2006, 484). Wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens findet eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere auf die Akten der Finanzbehörde und auf die präsenten Beweismittel statt (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 21.07.1994 IV B 78/94, BFH/NV 1995, 116).
211. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Vollziehung des angefochtenen Abrechnungsbescheids vom 08.10.2021, der ab dem 01.01.2019 entstandene Säumniszuschläge ausweist, aufzuheben.
22Bei dem Abrechnungsbescheid vom 08.10.2021 handelt es sich um einen vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne von § 69 FGO, da darin die Säumniszuschläge erstmalig ausgewiesen werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 15.06.1999 VII R 3/97, BStBl II 2000, 46; Beschlüsse des Finanzgerichts Münster vom 11.01.2022 12 V 1805/21, EFG 2022, 297, und vom 16.12.2021 12 V 2684/21 AO, EFG 2022, 179; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 168. Lieferung 11.2021, § 218 AO Rz. 28 bis 30; Rüsken in: Klein, AO, 15. Auflage 2020, § 218 Rz. 44).
23Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Feststellung des Antragsgegners, dass die im Abrechnungsbescheid aufgeführten Säumniszuschläge in ausgewiesener Höhe nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO in Ansatz zu bringen sind. Dies beruht darauf, dass aus der Sicht des erkennenden Senats die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge zweifelhaft erscheint. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 12. Senats des Finanzgerichts Münster in seinen Beschlüssen vom 11.01.2022 12 V 1805/21, EFG 2022, 297, und vom 16.12.2021 12 V 2684/21 AO, EFG 2022, 179 an.
24Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf eines Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO).
25Säumniszuschläge sind ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung der festgesetzten und kraft Gesetzes sofort zu leistenden Steuerschuld anhalten soll, so dass sie insoweit eine Art Zwangsmittel darstellen (BFH-Urteil vom 26.01.1988, VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695). Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (BFH-Urteil vom 30.03.2006, V R 2/04, BStBl II 2006, 612; BFH, Beschluss vom 02.03.2017, II B 33/16, BStBl II 2017, 646; FG Münster, Beschluss vom 16.12.2021, 12 V 2684/21 AO, juris).
26Das BVerfG hat mit Beschluss vom 08.07.2021 in den Verfahren 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934, entschieden, dass § 233a AO in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und daher verfassungswidrig ist, soweit er auf Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 zur Anwendung gelangt, und dass zwar eine Fortgeltung der genannten Regelung für Verzinsungszeiträume vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2018 geboten ist, dass es aber für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume bei der Unanwendbarkeit als Regelfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG bleibt.
27Im Weiteren hat das BVerfG in dem vorgenannten Beschluss vom 08.07.2021 (Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, DStR 2021, 1934) darauf hingewiesen, dass andere Verzinsungstatbestände nach der AO einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürfen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass Steuerpflichtige im Bereich der Teilverzinsungstatbestände – anders als bei der Vollverzinsung – grundsätzlich die Wahl hätten, ob sie den Zinstatbestand verwirklichen und den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz hinnehmen oder ob sie die Steuerschuld tilgen und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionen beschaffen.
28Im Hinblick auf Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO hat der BFH bereits mehrfach Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe geäußert (vgl. Urteil vom 30.06.2020 VII R 63/18, BStBl II 2021, 191 sowie Beschlüsse vom 14.04.2020 VII B 53/19, BFH/NV 2021, 177 und vom 31.08.2021 VII B 69/21).
29In der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des BFH vom 31.08.2021 VII B 69/21 führt dieser aus, dass die verfassungsrechtlichen Zweifel aus seiner Sicht jedenfalls insoweit gelten, als Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern die Funktion einer Gegenleistung oder eines Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern, mithin also eine zinsähnliche Funktion haben. Diese einschränkende Äußerung des BFH dürfte jedoch darauf beruhen, dass sich das Aussetzungsbegehren im dortigen Verfahren auf den in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinsanteil und damit auf die Hälfte der dortigen Säumniszuschläge beschränkt hat, so dass der BFH keine Entscheidung über eine darüber hinausgehende Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung zu treffen hatte.
30Zudem kann die einheitliche Regelung zur unteilbar gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein. Für eine Aussetzung der Vollziehung genügen dabei bereits die bestehenden und vom BFH aufgezeigten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm und die hieraus folgende unklare Rechtslage. Für das Eilverfahren muss die Verfassungswidrigkeit noch nicht abschließend festgestellt und vom BVerfG bestätigt worden sein.
31Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Beschlüssen des FG Münster vom 12.09.2021 12 V 16/21 AO, juris, und vom 12.10.2021 12 V 901/20 AO, EFG 2021, 2035, die anders als das vorliegende Verfahren nicht die ab dem 01.01.2019, sondern nur die bis zum 31.12.2018 entstandenen Säumniszuschläge zum Gegenstand hatten.
32Soweit der Antragsgegner mit dem Hinweis auf die Auswirkungen des Gesetzesvollzugs im konkreten Einzelfall und die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte darauf hinweisen möchte, dass im Streitfall ein (besonderes) Aussetzungsinteresse der Antragstellerin fehle, vermag der Senat den Ausführungen nicht zu folgen. Denn der BFH sieht ein solches besonderes Aussetzungsinteresse in Fällen als gegeben an, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, wenn das BVerfG eine ähnliche Vorschrift wie die streitbefangene Vorschrift für nichtig erklärt hatte (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 01.04.2010 II B 168/09, BStBl II 2010, 558; BFH-Beschluss vom 15.12.2000 IX B 128/99, BFHE 194, 157, BStBl II 2001, 411). Dies ist vorliegend der Fall, da das BVerfG für Zeiträume ab 2019 § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hat und es sich bei den Zinsen und den Säumniszuschlägen jeweils um steuerliche Nebenleistungen handelt und auch die Säumniszuschläge einen Zinsanteil enthalten.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
34Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Bei dem BFH sind auch bereits mehrere Beschwerdeverfahren anhängig, die die gleiche Rechtsfrage zum Gegenstand haben - vgl. BFH II B 3/22 (AdV) zum Beschluss des Finanzgerichts Münster vom 16.12.2021 12 V 2684/21 AO, EFG 2022, 179; Beschwerde BFH II B 4/22 (AdV) zum Beschluss des Finanzgerichts Münster vom 11.01.2022 12 V 1805/21, EFG 2022, 297-.
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