Urteil vom Niedersächsisches Finanzgericht (5. Senat) - 5 K 97/14

Tatbestand

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Der Kläger ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein, der Jugendherbergen und andere jugendgemäße Unterkünfte baut, unterhält und bewirtschaftet.

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Hinsichtlich seiner Aufgaben und seines Zweckes bestimmt § 2 der Satzung des Klägers:

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„Der Landesverband H. baut, unterhält und bewirtschaftet Jugendherbergen und andere jugendgemäße Unterkünfte, die allen Mitgliedern des Deutschen Jugendherbergswerkes und der International Youth Hostel Federation (IYHF) unabhängig von ihrer Nationalität, Rasse, Religion oder Weltanschauung offen stehen. Jugendherbergen sind Stätten des sozialen Lernens. Sie dienen vornehmlich der Begegnung der Jugend des In- und Auslandes, der Durchführung von Schulklassenfahrten, Studien und Schullandheimaufenthalten, sonstiger schulischer Veranstaltungen, Freizeit und Erholungsmaßnahme, Seminaren und Tagungen überwiegend von Jugendgruppen, Jugendverbänden und Familien.“

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Der Kläger beherbergte im Streitjahr 2008 neben Jugendgruppen, Schulklassen auch erwachsene Einzelreisende (älter als 27 Jahre). Im Jahre 2008 betrug die Anzahl der Gesamtübernachtungen 456.744. Hiervon entfielen auf allein reisende Erwachsene 24.165 Übernachtungen. Der Anteil der Übernachtungen allein reisender Erwachsener machte also rund 5,3 % der gesamten Übernachtungen aus. Der Kläger bot den allein reisenden erwachsenen Gästen nur die Leistungen an, die auch von den übrigen Gästen wie Jugendgruppen, Schulklassen und Familien in Anspruch genommen werden konnten. Allerdings erhob der Kläger für Übernachtungen bei allein reisenden Erwachsenen einen Zuschlag von 3 € pro Nacht. Auch für zusätzlich angebotene Leistungen, wie Hobbyprogramme, Wanderungen in Harz und Heide, Radwanderring Heide und Radwanderring Weser hatten allein reisende Erwachsene für gleiche Leistungen höhere Preise zu zahlen als die anderen Gäste.

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Der Kläger behandelte die Umsätze aus der Beherbergung von allein reisenden Erwachsenen in seiner im Jahre 2009 abgegebenen Umsatzsteuer-Erklärung als Umsätze zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG). Diese Erklärung stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

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Das beklagte Finanzamt (FA) führte beim Kläger im Jahre 2013 eine Außenprüfung durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Leistungen des Klägers an allein reisende Erwachsene nicht dem Zweckbetrieb zuzuordnen seien. Die Einnahmen aus den Übernachtungen, der Bettwäschegestellung und der Verpflegung seien vielmehr einen vom Zweckbetrieb getrennt geführten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers zuzuordnen. Diese Leistungen seien von den übrigen Leistungen des Klägers abgrenzbar. Aus den Preislisten der Jugendherbergen ergebe sich, dass allein reisende Erwachsene einen Zuschlag von 3 € im Streitjahr zu zahlen gehabt hätten. Auch in den Aufzeichnungen des Klägers seien die Übernachtungen allein reisende Erwachsene gesondert unter dem Gästeschlüssel 11 erfasst worden. Durch die Art der Reservierung und den abweichenden Beherbergungsentgelte seien die Leistungen des Klägers an allein reisende Erwachsene von den übrigen Leistungen unterscheidbar.

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Der Prüfer ermittelte die Umsätze an allein reisenden Erwachsenen mit x €

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Er erhöhte die Umsätze zum regulären Steuersatz um y € (Nettobetrag aus x €. Die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz verminderte er um z € (Nettobetrag aus x €).

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In Auswertung dieser Prüfungsfeststellungen erteilte das FA am 03.04.2013 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid.

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Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA vertrat im Einspruchsbescheid die Auffassung, dass die Leistungen an allein reisende Erwachsene von den übrigen Leistungen des Klägers abgrenzbar seien. Für diese Leistungen komme der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ermäßige sich die Steuer für Umsätze der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgten. Die Steuerermäßigung gelte nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt würden. Die Leistungen des Klägers an allein reisende Erwachsene seien im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes erbracht worden. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass sich die tatsächlichen Leistungen, die der Kläger an allein reisende Erwachsene erbracht habe, inhaltlich nicht von seinen übrigen Leistungen an andere Gäste unterschieden.

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Der Kläger hat Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt:

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Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.01.1995 (V R 139 - 142/92) ergebe sich, dass die steuerrechtliche Beurteilung der Leistungen an allein reisende Erwachsene davon abhänge, ob sich diese von den satzungsgemäßen Leistungen tatsächlich unterschieden. Dies sei dahingehend zu verstehen, dass nach dem Urteil des BFH die Besteuerung nach dem regulären Steuersatz nur in Betracht komme, wenn sich die Leistungen an allein reisenden Erwachsenen inhaltlich von den Leistungen unterschieden, die der Kläger gegenüber anderen Gästen erbringe. Es komme somit auf die Leistung selbst an. Der Beklagte verkenne diese Entscheidung des BFH wenn er darauf abstelle, dass für die Unterscheidbarkeit der Leistungen die unterschiedliche Preisgestaltung und die gesonderte buchmäßige Erfassung dieser Leistungen ausreichen.

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Der Kläger beantragt,

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den Umsatzsteuerbescheid vom 03.04.2013 unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 01.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf abc € festgesetzt wird.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hält an seiner in Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest. Er vertritt die Auffassung, dass sich auch aus dem Urteil des BFH vom 19.05.2005 (V R 32/03) herleiten lasse, dass die unterschiedliche Preisgestaltung ein hinreichendes Kriterium für die Unterscheidbarkeit dieser Leistungen von den übrigen Leistungen sein könne.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Die Leistungen des Klägers sind, soweit sie seinen Satzungszwecken nach § 4 Nr. 24 UStG unmittelbar dienen, umsatzsteuerfrei. Leistungen des Klägers an allein reisende Erwachsene fallen nicht darunter, denn sie dienen nicht unmittelbar dem Satzungszweck des Klägers (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.1995 V R 139/92, BStBl II 1995, 446). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

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Diese Leistungen unterliegen allerdings nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 Prozent für Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt dies nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden.

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Jugendherbergen sind nach § 68 Nr. 2 Buchst. b AO unabhängig davon, ob die Voraussetzungen nach § 65 AO vorliegen, ein Zweckbetrieb. Soweit sie aber Umsätze außerhalb ihres Satzungszweckes erbringen, können sie neben diesem Zweckbetrieb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, wenn sich diese Leistungen von den satzungsgemäßen Leistungen abgrenzen lassen (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1995, 446 und BFH-Urteil vom 19.05.2005 V R 32/03, BStBl II 2005,900).

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Nach den eben zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs kann die Höhe des Entgelts ein Kriterium sein, wonach die Leistungen an Jugendliche und Familien im Rahmen des Satzungszwecks von Leistungen an allein reisende Erwachsene abzugrenzen sind. Aufgrund des höheren Entgelts, das der Kläger von den allein reisenden Erwachsenen für die Übernachtung und für andere Leistungen berechnet, wären nach dieser Auffassung die letzteren Leistungen nicht im Rahmen eines Zweckbetriebes, sondern im Rahmen eines davon zu trennenden allgemeinen Geschäftsbetriebs erbracht worden.

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Der erkennende Senat ist demgegenüber der Auffassung, dass der Kläger mit seinen Leistungen an Jugendliche und Familien einerseits und allein reisenden Erwachsenen andererseits gleichartige Leistungen erbracht hat, die sich ihrem Wesen nach nicht unterschieden. Die allein reisenden Erwachsenen logierten in gleichen Zimmern wie die Jugendlichen und erhielten die gleiche Verpflegung. Dies gilt auch für die angebotenen Sonderleistungen, die sich inhaltlich nicht unterschieden, wenn sie von Jugendlichen, Familien oder allein reisenden erwachsenen Personen in Anspruch genommen wurden. Wie der Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, konnten allein reisende Erwachsene ihre Zimmer auch nicht bevorzugt gegenüber den anderen Gästen buchen oder reservieren lassen. Jeder Gast konnte die Zimmer im Internet mittels einer Eingabemaske buchen. Bei der Buchung wurde allerdings auch das Alter des Reisenden abgefragt. Dies allerdings nur zu Abrechnungszwecken. Nach Auffassung des Senats kann die Gegenleistung allein für die Bestimmung der Leistung und ihrer Zuordnung zum Zweckbetrieb oder allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht entscheidend sein.

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Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist auch nicht durch § 12 Abs.2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alt.1 UStG ausgeschlossen. Leistungen mit denen der Kläger nicht seinen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht unterliegen nur dann dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Zweckbetrieb insgesamt nicht in erster Linie der Erzielung von Einnahmen dient. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Umsätze, die der Kläger zur Erreichung seines gemeinnützigen Zwecks erzielte, beliefen sich im Streitjahr auf 12.000.000 €; die nicht dem gemeinnützigen Zweck dienenden Umsätze machten dagegen nur 700.000 € aus.

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Nach Auffassung des Senats sind die Leistungen des Klägers an allein reisende Erwachsene nicht von den satzungsgemäßen Leistungen abzugrenzen. Fehlt es an der Möglichkeit der Abgrenzung sind die Leistungen entweder insgesamt mit dem Regelsteuersatz oder den ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Nach Auffassung des BFH (vgl. BFH in BStBl II 1995, 446) ist der begünstigte Steuersatz anzuwenden, wenn die Umsätze außerhalb des satzungsmäßigen Zwecks nur von untergeordneter Bedeutung sind. Dies ist der Fall, wenn sie nicht mehr als 10 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Im Streitfall überschreiten die nicht satzungsgemäßen Leistungen diese Grenze, bemessen nach der Höhe der Umsätze oder der Anzahl der Übernachtungen offensichtlich nicht.

26

Der Senat hat dem Finanzamt die Berechnung der Steuer übertragen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs.3, 155 FGO in Verbindung mit § 710 Nr. 11, 711 ZPO.

28

Der Senat hat, da er mit dieser Entscheidung von den BFH Urteilen V R 139/92 und V R 32/02 abweicht, die Revision gemäß § 115 Abs.2 Nr.2 FGO zugelassen.

 


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