Beschluss vom Niedersächsisches Finanzgericht (5. Senat) - 5 KO 5/16

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Senats den Ansatz einer Verfahrensgebühr mit dem 1,6-fachen Satz anstelle des 1,3-fachen Satzes.

2

Die Erinnerungsführerin hatte als Antragstellerin am 05.02.2015 die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung geänderter Umsatzsteuerbescheide für … beantragt. Das Verfahren 5 V 79/15 hatte dadurch seine Erledigung gefunden, dass der Erinnerungsgegner als Antragsgegner die beantragte Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide bewilligte und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Der seinerzeitige Berichterstatter hat durch Beschluss vom 02.07.2015 dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 19.04.2016 hatte die Antragstellerin Kostenfestsetzung u. a. unter Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe des 1,6-fachen beantragt.

3

Der Urkundsbeamte des Senats hat durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.07.2016 die erstattungsfähigen Kosten unter Ansatz einer Verfahrensgebühr mit dem 1,3-fachen Satz auf … € festgesetzt. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Verfahrensgebühr nach einer Entscheidung des 6. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts 27.04.2005 in dem Verfahren 6 KO 3/05 (EFG 2005, 1803), nur mit dem 1,3-fachen Satz anzusetzen sei.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kostenfestsetzungsbeschluss (Bl. 134 und 135 der Gerichtsakte - GA -) Bezug genommen.

5

Gegen den Festsetzungsbeschluss hat die Erinnerungsführerin am 01.08.2016 Erinnerung mit dem Begehren eingelegt, anstelle der angesetzten Verfahrensgebühr eine Verfahrensgebühr mit dem 1,6-fachen Satz gem. § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Nr. 3200 VV RVG festzusetzen. Entgegen der vom 6. Senat in seinem Beschluss vom 27.04.2004 Az. 6 KO 3/05 vertretenen Auffassung sei Nr. 3100 VV RVG im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar. Insofern werde auf die Beschlüsse des FG Brandenburg vom 30.05.2006 Az. 1 KO 541/06 (EFG 2006, 1704) und des FG Düsseldorf vom 29.10.2008 Az. 6 KO 768/08 (EFG 2009, 217) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung insofern wird auf die Erinnerungsschrift vom 01.08.2016 (Bl. 143 - 146 GA) Bezug genommen.

6

Die Erinnerungsführerin beantragt,

7

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.07.2015 dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung der erstattungsfähigen Kosten anstelle der angesetzten Verfahrensgebühr mit dem 1,3-fachen Satz eine Verfahrensgebühr mit dem 1,6-fachen Satz gem. § 13 RVG, Nr. 3200 VV RVG angesetzt werde.

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Der Erinnerungsgegner beantragt,

9

die Erinnerung zurückzuweisen.

10

Der Erinnerungsgegner hält den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss für rechtmäßig. Darin sei insbesondere zu Recht eine Verfahrensgebühr mit dem 1,3-fachen Satz angesetzt worden. Beispielweise werde auf eine nichtveröffentlichte und nicht namentlich bezeichnete Kostenentscheidung des 5. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts aus dem Jahr 2012 Bezug genommen.

II.

11

Die Erinnerung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

12

In einem Finanzgerichtsverfahren, das die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden vor dem Finanzgericht zum Gegenstand hat, fällt gemäß 3.2.1. Nr. 1 VV RVG in Verbindung mit Nr. 3200 VV RVG eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,6 an.

13

Der zweite Abschnitt des VV RVG befasst sich mit den Gebühren für Verfahren vor dem Berufungs- oder Revisionsgericht sowie vor dem Finanzgericht und für bestimmte Beschwerden.

14

Nach Nr. 3200 VV RVG fällt in diesen Verfahren grundsätzlich eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,6 und nicht nach Nr. 3100 VV RVG (Abschnitt 1 des dritten Teils der VV) mit dem Satz von 1,3 an.

15

Der 6. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat sich in seinem Beschluss vom 27. April 2005 (Aktenzeichen 6 KO 3/05 a. a. O.) auf die Regelung in der Vorbemerkung 3.2 Absatz 2 des zweiten Abschnitts des dritten Teils des VV bezogen; nach dieser Vorbemerkung seien in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in denen das Berufungsgericht das Gericht der Hauptsache ist, die Gebühren nach den Gebühren des Abschnitts 3.1 zu berechnen. Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG vollziehe lediglich den Schritt der gebührenrechtlichen Gleichstellung der Finanzgerichte mit den übrigen Obergerichten. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung sei jedoch nicht beabsichtigt, auch das Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz im Verfahren vor dem Finanzgericht höher zu vergüten, als bei anderen Gerichten höherer Instanz. Entsprechend berechne sich daher die Gebühr für das Aussetzungsverfahren vor dem Finanzgericht gemäß Vorbemerkung 3.2 Abs. 2 VV nach den Gebühren des Abschnitts 3.1 VV.

16

Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat nicht. Für die entsprechende Anwendung des Abschnitts 3.1 des VV auf die Verfahrensgebühr im Aussetzungsverfahren fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Es liegt auch keine Regelungslücke vor, die eine entsprechende Anwendung des Abschnitts 3.1 des VV gebieten würde.

17

Der Vorbemerkung 3.2 Abs. 2 des Abschnitts 2 des dritten Teils des VV geht deren Abs. 1 voraus. Dieser bestimmt, dass Abschnitt 2 des dritten Teils des VV „auch in Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht über die Zulassung des Rechtsmittels anzuwenden" ist. Der nachfolgende Abs. 2 lautet: „Wenn im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung das Berufungsgericht als Gericht der Hauptsache anzusehen ist (§ 943 ZPO), bestimmen sich die Gebühren nach Abschnitt 1. Dies gilt entsprechend im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Satz 1 gilt ferner entsprechend in Verfahren über einen Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 118 Abs. 1 Satz 3 oder nach § 121 GWB."

18

Bereits aus Abs. 1 der Vorbemerkung 3.2 des Abschnitts 2 des dritten Teils des VV ergibt sich, dass der in Abs. 2 enthaltene Verweis auf die Anwendbarkeit des Abschnitts 1 nicht für Verfahren vor dem Finanzgericht gilt, denn das Finanzgericht ist kein Rechtsmittelgericht. Abs. 2 Satz 1 dieser Vorbemerkung betrifft nicht Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung, sondern andere (einstweilige) Verfahren. Abs. 2 Satz 2 der Vorbemerkung gilt u.a. für Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung und zwar ausdrücklich für Verfahren „vor den Gerichten der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit" und für die weiteren dort aufgeführten Verfahren. Angesichts dieser detaillierten, eindeutigen Regelung und der Bestimmung in Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 1 zu Unterabschnitt 1, dass dieser „in Verfahren vor dem Finanzgericht" anzuwenden ist - ohne dass dabei zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unterschieden wird -, liegen weder ein gesetzlicher Verweis noch eine Regelungslücke vor, die die entsprechende Anwendung des Abschnitts 1 des dritten Teils des VV rechtfertigen.

19

Der Senat schließt sich der vom Finanzgericht Brandenburg vertretenen Auffassung an, dass „aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts" die Verfahrensgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren  einheitlich mit dem Satz von 1,6 anzusetzen ist (Beschluss vom 30. Mai 2006, 1 KO 541/06, EFG 2006, 1704; ebenso Beschlüsse Finanzgericht Düsseldorf, vom 29. Oktober 2008 6 KO 768/08 KF, EFG 2009, 217; und FG Niedersachsen vom 18.01.2010 7 KO 10/09, EFG 2010, 749).

20

Die zu erstattenden Kosten berechnen sich wie folgt:

21

 

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 des Gerichtskostengesetzes.

 


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