Beschluss vom Niedersächsisches Finanzgericht (3. Senat) - 3 K 5/21

Tatbestand

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Streitig ist die Auslegung des § 15 Abs. 2 Satz 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zum danach maßgeblichen „entferntest Berechtigten“ für die Bestimmung der Steuerklasse und des Freibetrages im Falle der Errichtung einer Familienstiftung.

2

Die Klägerin (A) errichtete zusammen mit ihrem Ehemann (B) eine Familienstiftung als Stiftung bürgerlichen Rechts unter dem Namen „U Familienstiftung“, die später von der zuständigen Stiftungsaufsicht genehmigt worden ist. Die Stifter verpflichteten sich im Stiftungsgeschäft, die Stiftung mit folgendem Vermögen auszustatten:

3

„1. Erbbaurecht am Grundstück in X (Amtsgericht X), …str. 00, bebaut mit einem Mehrfamilienhaus und eingetragen im Erbbau-Grundbuch von X Blatt 0000 mit einem Wert am 30.04.2019 von Euro 300.000,00.
2. Barbetrag von A in Höhe von Euro 150.000,00 (in Worten Einhundertfünfzigtausend Euro).“

4

Sie gaben den Stiftungszweck wie folgt an:

5

„- Die angemessene Versorgung der beiden Stifter A und B.
- Die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter C, geb. am ...
- Die finanzielle Unterstützung nachfolgender Abkömmlinge der Familie A & B soll erst nach Wegfall der Vorgeneration erfolgen.“

6

A und B hatten zu diesem Zeitpunkt die namentlich erwähnte Tochter C und noch keine Enkelkinder. In der Satzung der U Familienstiftung legten die Stifter den Zweck – nahezu wortidentisch – wie folgt fest:

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§ 3 Stiftungszweck
Die Stiftung hat folgende Zwecke:
a) Die angemessene Versorgung der beiden Stifter A und B,
b) die angemessene finanzielle Unterstützung der Tochter C, geb. am …,
c) die angemessene finanzielle Unterstützung weiterer Abkömmlinge des Stammes von A & B, jedoch erst nach Wegfall der vorherigen Generation.“

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Im Falle der Auflösung der Stiftung sollte das Vermögen unter den Begünstigten analog § 3 a) und b) der Satzung aufgeteilt oder vom Vorstand einem anderen gemeinnützigen Zweck zugewandt werden können.

9

Die Klägerin war bis dahin Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses auf einem vorgenannten Erbbaugrundstück in X (…straße 00). Durch notariellen Vertrag übertrug die Klägerin – wie vorgesehen – die vorgenannte Immobilie mit Wirkung zum 1. Januar 2020 als Vermögen auf die zuvor errichtete Familienstiftung. Die Stifterin (Klägerin) verpflichtete sich zugleich, die anfallende Schenkungsteuer zu tragen. In der Eröffnungsbilanz der Stiftung zum 3. Juni 2019 wies diese das Erbbaurecht und mit 300.000 € und 150.000 € Bankguthaben als Vermögenswerte aus.

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Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes des Erbbaurechts ergab einen Wert von 413.416 € (statt des von den Stiftern angenommenen Wertes von 300.000 €). Das FA ermittelte unter Berücksichtigung der weiteren Ausstattung mit Bankguthaben und unter Abzug der Belastungen des Erbbaurechts einen – unstreitigen – Steuerwert der Bereicherung in Höhe von 443.051 €.

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Im Schenkungsteuerbescheid des FA vom 17. März 2020 ordnete das FA den Vorgang der Steuerklasse I („Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder“) gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zu und ließ gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG für die „übrigen Personen der Steuerklasse I“ einen Freibetrag von 100.000 € zum Abzug zu. Als „entferntest Berechtigten“ im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG sah das FA die weiteren Abkömmlinge nach § 3 c) der Satzung an. Begünstigt sein könnten später auch Enkel und Urenkel der Stifter, auch wenn diese zurzeit noch nicht geboren seien. Das FA setzte zuletzt (Änderungsbescheid vom 11. Juni 2020) eine Schenkungsteuer in Höhe von 59.175 € gegen die Klägerin fest. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

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Die Klägerin ist der Ansicht, die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ sei unzutreffend erfolgt. Es handele sich immer nur um einen Anfall zwischen Eltern und ihren Kindern. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass zurzeit nur eine Tochter tatsächlich existiere. Deshalb müsse gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ein Freibetrag in Höhe von 400.000 € bei der Festsetzung der Schenkungsteuer in Abzug gebracht werden.

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Es sei nicht zulässig, noch nicht einmal geborene Enkelkinder und Urenkel zum Nachteil der Klägerin quasi fiktiv bei der Bemessung des Freibetrages zu berücksichtigen. Außerdem sei nach der Satzung ausdrücklich vorgesehen, dass eine nachfolgende Generation erst nach dem Wegfall der Vorgeneration begünstigt sein werde. Die Begünstigung bestehe damit nach der Satzung zeitlich gestaffelt jeweils immer nur zwischen Eltern und nachfolgend ihren eigenen Kindern, nicht aber auch im Verhältnis zu den Enkeln oder Urenkeln. Die Enkel (und weitere Abkömmlinge) seien nach der Satzung niemals unmittelbar berechtigt. Das FA verstoße mit seiner Rechtsansicht zugleich gegen die Verwaltungsvorschriften in den Erbschaftsteuerrichtlinien.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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den Schenkungsteuerbescheid vom 17. März 2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. Juni 2020 und des Einspruchsbescheides vom 4. Dezember 2020 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der festzusetzenden Schenkungsteuer sowohl bei dem Hinzurechnungsbetrag für die Steuerübernahme als auch bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs jeweils ein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG in Höhe von 400.000 € zum Abzug zugelassen wird und die festzusetzende Schenkungsteuer auf 3.220 € herabgesetzt wird.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das FA hält daran fest, dass der „entferntest Berechtigte“ derjenige sei, der nach der Satzung der Familienstiftung in Zukunft Vermögensvorteile erlangen könne. Dies entspreche bereits der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes zu einer gleichlautenden Vorschrift im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz aus dem Jahr 1922 (Urteil vom 13. Dezember 1926 V A 141/25, RStBl. I 1927, 101). Dazu zählten nach der Satzung auch weitere Abkömmlinge der Tochter der Stifter, mithin etwa Urenkel der Stifter. Deshalb sei im Streitfall die Steuerklasse I (Abkömmlinge gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), aber nur ein Freibetrag in Höhe von 100.000 € gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (übrige Personen der Steuerklasse I) für die Festsetzung der Schenkungsteuer zu berücksichtigen. Es reiche aus, dass solche Folgegenerationen nach der Satzung in der Zukunft begünstigt sein könnten. Nicht entscheidend sei, ob diese Personen bei der Errichtung der Stiftung tatsächlich schon geboren seien.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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1. Das FA hat die Schenkungsteuer zutreffend unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 100.000 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) nach der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und einem Prozentsatz von 15% (§ 19 Abs. 1 ErbStG) mit 59.175 € festgesetzt.

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Bei der hier streitigen Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ hat das FA zutreffend auf die nach § 3 a) der Satzung potentiell ebenfalls begünstigten Urenkel der Stifter sowie deren Abkömmlinge abgestellt. Die Stiftung hat nach § 3 c) der Satzung ausdrücklich auch den Zweck in der Zukunft, wann auch immer diese weiteren Abkömmlinge des Stammes der Stifter geboren werden, diese weiteren Generationen ebenfalls zu begünstigen. Der Stiftungszweck endet gerade nicht mit der Begünstigung der im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung gerade einmal 22-jährigen Tochter der Stifter.

22

a) Bereits seit 1922 existierte eine nahezu wortidentische Vorschrift in § 9 Abs. 2 des Erbschaftssteuergesetzes (ErbschStG 1922 in der Fassung vom 22. Juli 1922, RGBl. I 1922, 610 und der Neubekanntmachung vom 7. August 1922, RGBl. I 1922, 695 ff.):

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ErbschStG 1922

        

Aktuelles ErbStG

§ 9     

        

§ 15 Steuerklassen

(2) … im Falle des § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 7 ist der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des Erblassers oder Schenkers zu dem nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien gemacht ist.

        

(2) In den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 ist der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Erblasser oder Schenker zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet ist.

24

Schon nach der Rechtsprechung des Reichfinanzhofes (RFH) ist für die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ allein entscheidend, welche Personen nach der Satzung Vermögensvorteile (aller Art) aus der Stiftung erlangen können (Urteil vom 13. Dezember 1926 V e A 141/25, RStBl. 1927, 101, RFHE 20, 173). Der RFH zog als allein maßgebend die Stiftungsurkunde heran. Im damaligen Streitfall war der Vorstand „in geeigneten Fällen“ befugt aber nicht verpflichtet, auch mit dem Stifter nur verschwägerten Personen (etwa Ehegatten von Abkömmlingen oder Vorfahren der Enkelkinder) verzinsliche, zinslose oder nicht rückzahlbare Darlehen zu gewähren. Es reichte für die damalige Klageabweisung aus, dass diese verschwägerten Personen der damaligen Steuerklasse V ohne Rechtsanspruch später durch den Stiftungsvorstand begünstigt werden könnten. Ebenso kam es für den RFH nicht darauf an, ob nach der Satzung auch die direkten Ankömmlinge (damals ausschließlich zur Steuerklasse II gehörend) nach der Satzung einen klagbaren Anspruch oder nur nach Maßgabe der freien Entschließung des Vorstandes ohne Rechtsanspruch begünstigt werden. Als entscheidend bezeichnete der RFH, „an wen im steuerlich ungünstigsten Sinne Bezüge aus der Stiftung satzungsgemäß gelangen können“. Deshalb war die Errichtung der Stiftung nach dem Steuersatz der Steuerklasse V zu versteuern. Diese Rechtsprechung des RFH hat der BFH entsprechend für die Auslegung des Gesetzes im Falle der Auflösung einer Stiftung herangezogen (BFH-Urteil vom 23. April 1954 III 211 - 214/52 S, BFHE 58, 701, BStBl III 1954, 178) und damit mittelbar bestätigt. Die kürzlich erwartete ausdrückliche höchstrichterliche Klärung dieser Auslegungsfrage zu § 15 Abs. 2 ErbStG durch den BFH im Verfahren II R 32/17 blieb aus, da sich das Verfahren auf andere Weise erledigte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2020, BFHE 269, 413, BStBl II 2021, 25 vorgehend FG Münster, Urteil vom 18. Mai 2017 3 K 3247/17 Erb; vgl. NRWE-Rechtsprechungsdatenbank).

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Begünstigt sind in diesem Sinne im Streitfall zukünftig auch Urenkel der Stifter, denen aber nur ein Freibetrag in Höhe von 100.000 € zusteht (skeptisch zur Anwendung des höheren Freibetrages für Kinder bei Urenkeln mit vorverstorbenen Eltern und Großeltern: BFH-Beschluss vom 20. Juli 2020 II B 39/20 (AdV), BFHE 270, 376, BStBl II 2021, 28). Das FA hat den zutreffenden Freibetrag bei der Festsetzung der Schenkungsteuer berücksichtigt.

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b) Ein Teil der Literatur folgt dieser RFH-Rechtsprechung und der darauf basierenden Verwaltungsauffassung und berücksichtigt als „berechtigt“ alle Personen, die entweder bezugs- oder anfallsberechtigt sind (etwa: Pauli in Stumpf/ Suerbaum/ Schulte/ Pauli, Stiftungsrecht, 3. Aufl. 2018, § 15 ErbStG Rn. 3; Hannes/ Holtz in Meinicke/ Hannes/ Holtz, 17. Aufl. 2018, § 15 ErbStG Rn. 21; Milatz in Burandt/ Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 15 ErbStG Rn. 9; ebenso: Holm in Winheller/ Geibel/ Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 15 ErbStG Rn. 4).

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c) Jüngst fordert Söffing für die Besteuerung der Errichtung einer Stiftung eine Unterscheidung nach den Bezugsberechtigten (für laufende Zuwendungen) und den Anfallsberechtigten (für die Verteilung im Falle der Auflösung einer Stiftung) vorzunehmen. In § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG seien nur die Bezugsberechtigten zu subsumieren (Söffing, Das Steuerklassenprivileg bei der Errichtung einer Familienstiftung, ErbStB 2020, 107 (110)). Zugleich hält der Autor im Nachgang zur Entscheidung des FG Münster eine höchstrichterliche Entscheidung zur Auslegung des Steuerklassenprivilegs bei Familienstiftungen und dabei der Frage der Einbeziehung noch nicht geborener potentieller Destinatäre für erforderlich (aaO., S. 111).

28

d) Andererseits wird hervorgehoben, dass es dem Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich fremd sei, aufschiebend bedingte Ereignisse bis zum tatsächlichen Bedingungseintritt zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 4 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) (Jülicher in Troll/ Gebel/ Jülicher/ Gottschalk, ErbStG, § 15 Rn. 106). Der Autor spricht sich deshalb im Ergebnis primär dafür aus, erst mit der Geburt der nächsten Generation potentiell Begünstigter diese nachträglich in die Besteuerung der Errichtung einer Familienstiftung einzubeziehen und einen solchen Bescheid sodann nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO mit dem Bekanntwerden einer solchen Geburt wegen dieses späteren Ereignisses mit Rückwirkung zu ändern. Jedenfalls müsse aber dann, wenn entgegen der Erwartung der Stifter eine solche nachfolgende Generation bis zur Auflösung der Stiftung tatsächlich nicht geboren wird, der Steuerbescheid, der die Errichtung der Stiftung erfasste, aufgrund der gleichen Vorschrift der AO mit Rückwirkung geändert werden (Jülicher, aaO.).

29

e) Der Senat schließt sich zur Auslegung des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG der Rechtsprechung des RFH an. Daher richten sich die Steuerklasse und der anzurechnende Freibetrag im Streitfall nach den für Urenkel und deren Abkömmlinge geltenden Vorschriften, denn dieser Personenkreis kann nach § 3 c) der Satzung in Zukunft zu den Begünstigten gehören. Ausreichend ist insoweit allein die Möglichkeit einer Begünstigung. Es kommt nach dem Sinn und Zweck der Regelung gerade nicht darauf an, ob diese (Folge-) Generation an Begünstigten bereits bei der Errichtung der Stiftung geboren sind. Es entspricht dem Wesen einer auf Generationen angelegten Familienstiftung, auch über Generationen Begünstigungen zu gewähren. Die gesetzliche Regelung nimmt genau darauf Rücksicht und bemisst die steuerlichen Folgen genau nach dieser von der Satzung vorgesehenen theoretischen Reichweite der zukünftigen Begünstigungen. Es handelt sich insoweit um eine pauschalisierende Regelung. Ohne eine solche Regelung stünden die Stiftung und die Familienmitglieder sich stets wie fremde Dritte gegenüber. Es wäre die Steuerklasse III und nur ein Freibetrag von zurzeit 20.000 € zu berücksichtigen. Diese Vorschrift soll nach Auffassung des Senats nicht die weitest gehende Begünstigung der Familienstiftungen (Steuerklasse I und pauschal einen Freibetrag von zurzeit 400.000 €) normieren, sondern auf die Satzung Rücksicht nehmen. Ansonsten hätte der Gesetzgeber die Steuerklasse und den anzuwendenden Freibetrag fest regeln können und müssen. Der Gesetzgeber hat sich hingegen für die Begünstigung nach den Verhältnissen zu dem „entferntest Berechtigten“ entschieden. Danach hat es die Stiftung selbst in der Hand, den Kreis der Begünstigten und damit die steuerliche Begünstigung zu bestimmen. Maßgebend ist die konkret gewählte steuerliche Gestaltung. Diese klare gesetzgeberische Entscheidung für eine pauschalierende Regelung kann durch Auslegung nicht verändert werden. Ein Steuerklassenprivileg und ein höherer Freibetrag als bei Schenkungen an Dritte bleiben bei entsprechender Gestaltung erhalten.

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Es besteht nach Auffassung des Senats nicht die Verpflichtung, den Kreis der Begünstigten danach zu bemessen, welche nach der Satzung vorgesehenen Begünstigten bei der Errichtung der Familienstiftung tatsächlich schon geboren sind (so Jülicher, aaO.). Diese von der Literatur vorgeschlagene Auslegung der Vorschrift hat zwar auf den ersten Blick ein höheres Maß an wirtschaftlicher Gerechtigkeit für sich, da fiktive Sachverhalte noch nicht einbezogen werden. Andererseits erweist sich diese Auslegung als gänzlich unpraktikabel. Die Stifter bzw. die Begünstigten sowie die Finanzverwaltung müssten die Familienstiftung über Jahrzehnte – jedenfalls bis zur Geburt der Urenkelgeneration mit der ungünstigsten erbschaftsteuerlichen Regelung – ständig im Auge behalten, um nach § 175 AO den Bescheid dann jeweils mit der Geburt (oder Adoption) einer Folgegeneration zum Nachteil der Stifter bzw. der Stiftung anpassen zu müssen. Das gilt umgekehrt auch für den Vorschlag, die Steuer später herabzusetzen, wenn eine nachfolgende Generation entgegen der Erwartung nicht geboren wird (Jülicher, aaO.). Das ist von der Finanzverwaltung kaum oder gar nicht zu leisten. Deshalb hat sich der Gesetzgeber für diese pauschalierende Regelung entschieden und entscheiden dürfen.

31

Bei der Gründung von Familienstiftungen handelt es sich um eine zulässige steuerliche Gestaltung, die darauf zielt, nachfolgende Generationen am Familienvermögen zu beteiligen. Diese Gestaltung beinhaltet im Einzelfall Chancen aber auch Risiken. Bei jeder steuerlichen Gestaltung wird der Steuerpflichtige sich entscheiden müssen, ob die Übertragung des Vermögens durch normale Erbfälle in allen nachfolgenden Generationen mit den dann jeweils geltenden Steuerklassen und steuerlichen Freibeträgen pro Erben sich für ihn in der Prognose als günstiger darstellt als die Errichtung einer Familienstiftung. Es handelt sich um eine reine Gestaltungsentscheidung. Bei einer Familienstiftung mit einer Begünstigung nur der nachfolgenden direkten Abkömmlinge – wie im Streitfall – musste die Klägerin nach der RFH-Rechtsprechung und der darauf basierenden Auffassung der Finanzverwaltung damit rechnen, dass das FA die Schenkungsteuer – wie geschehen – nach der Steuerklasse I, aber nur mit einem Freibetrag von 100.000 € festsetzen würde. Eine andere Entscheidung war gerade nach dem Bekanntwerden des Urteils des FG Münster aus dem Jahr 2017 nicht realistisch zu erwarten. Trotzdem haben sich die Stifter für diese Ausgestaltung der Familienstiftung entschieden.

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Die Klägerin verkennt, dass zwar nach der Satzung die Begünstigung immer von einer Generation auf die nächste wechselt – also immer von dem begünstigten Elternteil auf die Kinder –, es aber nach dem Wortlaut des Gesetzes („das Verwandtschaftsverhältnis des Erblassers oder Schenkers zu dem nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten“) nicht auf die verwandtschaftliche Beziehung beim Wechsel der Begünstigung, sondern stets auf das Verwandtschaftsverhältnis zu den Stiftern ankommt. Mit jeder weiteren begünstigten Generation wirkt die Begünstigung auf ein entfernteres Verwandtschaftsverhältnis zu den Stiftern. Dies will der Steuergesetzgeber berücksichtigt wissen. Außerhalb einer Familienstiftung kommt es jeweils auf das konkrete Verwandtschaftsverhältnis vom Schenker oder Erblasser zum Begünstigten an, so dass (auch mehrere) Kinder oder Enkelkinder etwa (jeweils) einen (oder mehrfach einen) höheren Freibetrag beanspruchen können. Dies konnte die Klägerin bei der Entscheidung für eine Familienstiftung in einer Prognoseberechnung rechnerisch abwägen und in ihre Gestaltungsentscheidung einfließen lassen.

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2. Dahinstehen bleiben kann, ob im Streitfall wegen der Regelung in § 6 Abs. 3 2. Alt. der Satzung im Falle der späteren Auflösung der Stiftung zugelassenen Übergangs des Vermögens durch Vorstandsbeschluss auf einen anderen Rechtsträger, der gemeinnützige Zwecke nach der Abgabenordnung verfolgt (statt des Fiskus des Landes als Ersatzerben nach § 88 Abs. 2 BGB), eine solche gemeinnützige Vermögensmasse (als Anfallsberechtigten) bereits bei der Bestimmung der Steuerklasse und des Steuersatzes zu berücksichtigen gewesen wäre (vgl. dazu Reich, Gemeinnützige Stiftungen als Anfallsberechtigte in Familienstiftungen, DStR 2019, 1341 m.w.N.). Die Stifter haben hier möglicherweise durch die Satzung eine Verteilung unter den Destinatären durch Auflösungsbeschluss nur für den Kreis der Begünstigten nach § 3 a) und b) der Satzung und nicht für weitere Abkömmlinge und Generationen (§ 3 c) der Satzung zugelassen. Ab der Enkelgeneration muss das Vermögen im Falle der Auflösung der Stiftung möglicherweise zwingend einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden. Dann wäre im Streitfall evtl. bereits bei der Errichtung der Stiftung ein Freibetrag von nur 20.000 €, die Steuerklasse III und ein Steuersatz von 30% anzuwenden gewesen (abweichend wohl Söffing, aaO.). Insoweit ist die Klägerin aber durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert.

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3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Bisher fehlt – auch nach dem Urteil des FG Münster vom 18. Mai 2017 (aaO.) – eine höchstrichterliche Entscheidung zur Auslegung der Bestimmung des Steuerklassenprivilegs nach § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG bei Familienstiftungen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 


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