Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 K 1589/10
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Streitig ist die Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer bei Zusammentreffen eines negativen verbleibenden zu versteuernden Einkommens (zvE) nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG 2008 mit Einkünften, die dem negativen Progressionsvorbehalt des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 EStG 2008 unterliegen.
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Der 1950 geborene Kläger – Bankkaufmann – wird für das Streitjahr 2008 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung hat er letztlich einen Betrag von 3.374,00 € als im Streitjahr 2008 an die Arbeitsverwaltung zurückgezahltes Arbeitslosengeld geltend gemacht. Seine frühere Arbeitgeberin – eine Bank – hatte in der Lohnsteuerbescheinigung 2008 die Dauer des klägerischen Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Juli 2008 sowie einen ermäßigt besteuerten Arbeitslohn des Klägers von 260.000,00 € angegeben. Entsprechend der klägerischen Darlegung und den Feststellungen des Finanzamts handelte es sich bei der ausgewiesenen Lohnzahlung um eine nach §§ 24 Nr. 1 a, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigte Abfindungsleistung. Mit Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 24. Februar 2010 (Bl. 82, im Folgenden jeweils: ESt-Akte) setzte das Finanzamt entsprechend seinem Schreiben vom 22. Dezember 2009 (Bl. 38) bei den klägerischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 256.751,00 € und einem nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG ermittelten „verbleibenden zu versteuernden Einkommen“ von ./. 7.872,00 € unter Ansatz eines zu versteuernden Einkommens von 248.879,00 € und einer tariflichen Einkommensteuer von 62.480,00 € nach Abzug einer Steuerermäßigung nach § 35 a EStG die Einkommensteuer mit 62.180,00 € fest.
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Mit Entscheidung vom 8. April 2010 wies es den Einspruch des Klägers, der unter Vorlage einer anderweitigen Berechnung (Bl. 25 und 26) die tarifliche Einkommensteuer mit 41.565,00 €, später – nach DATEV: 59.045,00 € (Bl. 51 und 52) -, errechnet hatte, als unbegründet zurück (Bl. 133).
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Bei ihren Berechnungen hatten sowohl das Finanzamt als auch – unter Berücksichtigung der DATEV- Rechnung – der Kläger die nach der Grundtabelle bemessene Einkommensteuer auf das um das zurückgezahlte Arbeitslosengeld von 3.374,00 € verminderte Fünftel des zu versteuernden Einkommens (1/5 von 248.879,00 € = 49.775,00 €; 49.775,00 € ./. 3.374,00 € = 46.401,00 €) mit 11.649,00 € ermittelt. Während aber das Finanzamt unter Gegenüberstellung der Steuer von 11.649,00 € zu 46.401,00 € den durchschnittlichen Steuersatz mit 25,1050 % errechnete, diesen Satz auf das um das Arbeitslosengeld unverminderte Fünftel des zu versteuernden Einkommens (1/5 von 248.879,00 €) von 49.775,00 € anlegte, das Ergebnis (12.496,00 €) mit dem Faktor 5 multiplizierte und zu einer tariflichen Einkommensteuer von 62.480,00 € gelangte, errechnete der Kläger unter Vervielfältigung des Betrages von 11.649,00 € zunächst eine Steuer von 58.245,00 €, die er dem um das Arbeitslosengeld von 3.374,00 € verminderten zu versteuernden Einkommen von 248.879,00 € (= 245.505,00 €) gegenüberstellte. Den auf diese Weise errechneten Steuersatz von 23,7245 legte er dem um das Arbeitslosengeld geminderten (tatsächlichen) zu versteuernden Einkommen von 248.879,00 € zu Grunde und gelangte zu einer Steuer von 59.045,00 € (Differenz zur finanzamtlichen Ermittlung: ./. 3.435,00 €).
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Nach einer in der Einspruchsentscheidung angestellten Vergleichsrechnung beträgt die tarifliche Einkommensteuer ohne Tarifermäßigung und ohne Progressionsvorbehalt: 96.615,00 € (mehr, jeweils gegenüber dem Einkommensteuerbescheid 2008: 34.135,00 €), ohne Tarifermäßigung, aber mit Progressionsvorbehalt: 96.506,00 € (mehr: 34.026,00 €), mit Tarifermäßigung und ohne Progressionsvorbehalt: 65.020,00 € (mehr: 2.540,00 €), mit Tarifermäßigung und ohne Progressionsvorbehalt, aber mit zusätzlichen negativen Einkünften (Arbeitslosengeld) von 3.374,00 €: 63.700,00 € (mehr: 1.220,00 €). Die vom Kläger bei der DATEV-Rechnung angesetzte Steuer von 59.045,00 € - so das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung – würde die tarifliche Einkommensteuer mit Tarifermäßigung (ohne Progressionsvorbehalt) von 65.020,00 € um 5.975,00 € unterschreiten, obwohl der gesamte Rückzahlungsbetrag nur 3.374,00 € betragen habe. Bei vollem Abzug des Rückzahlungsbetrages als negative Einkünfte würde die tarifliche Einkommensteuer um 1.220,00 € höher sein, als vom Finanzamt ermittelt (62.480,00 €).
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Mit seiner Klage führt der Kläger zunächst aus, dass die Arbeitsverwaltung das für die Zeit vom 1. November 2003 bis 3. April 2004 gezahlte Arbeitslosengeld von 8.538,04 € mit Schreiben vom 2. Juli 2008 zurückgefordert habe. Den Leistungsbetrag habe die Arbeitgeberin in Ansehung der klägerischen Entgeltsansprüche in 2008 hinterlegt und letztlich an die Arbeitsverwaltung ausgekehrt. Der Kläger habe im Streitjahr für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 5. September 2006 Arbeitslosengeld im Gesamtbetrag von 5.164,60 € bezogen. Er habe den Rückzahlungsbetrag mit diesen Leistungen saldiert und sei so auf den Negativbetrag von 3.774,00 € gelangt.
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Die Einkommensteuer sei mit 41.565,00 € festzusetzen (klägerische Berechnung, Bl. 37 und 38 PA). Der bei Gegenüberstellung des um das zurückgezahlte Arbeitslosengeld von 3.774,00 € verminderte zvE von 245.105,00 € zu den außerordentlichen Einkünften von 260.000,00 € resultierende Negativbetrag von 14.895,00 € ergebe eine Steuer von 0,00 €. Addiere man diesen Negativbetrag zu 1/5 des außerordentlichen Einkommens, nämlich 52.000,00 €, hinzu, ergebe sich auf die Summe von 37.105,00 € eine Einkommensteuer von 8.187,00 €. Die Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte betrage demnach 40.935,00 € (8.187,00 € x 5). Hieraus folge ein Steuersatz von 16,7010 % (40.935,00 € zu 245.105,00 €). Diesen angelegt auf das zvE von 248.879,00 € ergebe eine tarifliche Einkommensteuer von 41.565,00 € und unter Abzug der von Finanzamt zuerkannten Ermäßigung von Handwerkerleistungen eine festzusetzende Einkommensteuer von 41.265,00 €.
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Im vorbenannten Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 24. Februar 2010 hatte das Finanzamt von den vom Kläger geltend gemachten, im Jahr 2008 bezahlten Handwerkerleistungen von 5.313,- € nicht – wie begehrt – 20 % (= 1.063,-€), sondern unter Zugrundelegung des Höchstbetrags von 600,- € gem. § 35a Abs. 2 S. 2 EStG 2008 antragsgemäß beim Kläger sowie bei dessen getrennt zur Einkommensteuer veranlagten Ehefrau jeweils 300,-€ berücksichtigt. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2010 hat der Kläger unter Berufung auf das im Anschluss an das finanzgerichtliche Urteil – 3 K 2002/09 vom 26. Januar 2010 vom BFH unter VI R 65/10 zugelassene Revisionsverfahren (Geltung des § 35a Abs. 3 EStG 2009 auch für 2008?) wegen dieses Teilbereichs das Ruhen des Verfahrens beantragt. Daraufhin hat das Finanzamt mit Bescheid vom 25. November 2010 die Einkommensteuerfestsetzung hinsichtlich dieses Punktes gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO für vorläufig erklärt (Bl.67 Proz.-Akte).
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich, den Einkommensteueränderungsbescheid 2008 vom 25. November 2010 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 41.265,00 € festgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung, an der er festhält. Die nunmehr vorgelegte Berechnung des Klägers sei fehlerhaft und gesetzlich nicht vorgesehen. Die im klägerischen Schriftsatz vom 20. August 2010 aufgeführten Rückforderungs-/Zahlungsbeträge seien weder belegt noch aus den Akten ersichtlich. Der Kläger habe während des Verwaltungsverfahrens den Rückzahlungsbetrag mit 3.374,00 € beziffert.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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Das beantragte Ruhen des Verfahrens wegen des Teilbereichs „Handwerkerleistungen“ war abgesehen davon, dass die nach §§ 155 FGO, 251 ZPO insoweit erforderliche Zustimmung des Finanzamts fehlt, deshalb nicht anzuordnen, weil die Rechte des Klägers insoweit durch entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk im Änderungsbescheid vom 25. November 2010 gewahrt sind. Da die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte die vorliegende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 90 a Abs. 2 FGO).
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Einkommensteuer des Klägers für das Streitjahr 2008 ist nicht zu hoch festgesetzt; seine Rechte sind daher nicht verletzt.
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Unter Berücksichtigung des ursprünglichen klägerischen Vortrags, er habe im Jahr 2008 Arbeitslosengeld in Höhe von 3.374,00 € zurückgezahlt, ist die Höhe der finanzamtlichen Steuerfestsetzung ebenso wenig zu beanstanden, wie unter Zugrundelegung seines jetzigen – durch Unterlagen belegten - Vortrages, sein Arbeitgeber habe den bei ihm in Ansehung der klägerischen Ansprüche „hinterlegten“ Leitungsbetrag der Arbeitsverwaltung von 8.538,04 € für den Zeitraum 1. November 2003 bis 3. April 2004 im Streitjahr zurückgezahlt, während dem Kläger in 2008 Arbeitslosengeld von 5.164,60 € für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 5. September 2009 zugeflossen und er deshalb nur den Saldo von 3.774,00 € als Rückfluss erklärt gehabt habe.
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Für die erstgenannte Variante ergibt sich folgendes: Die Rückzahlung des Arbeitslosengeldes von 3.774,00 € unterliegt dem negativen Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 2008. Da der frühere Bezug des Arbeitslosengelds nach § 3 Nr. 2 EStG zwar steuerbefreit war, aber nach der vorgenannten Regelung bei Ermittlung des Steuersatzes steuererhöhende Rechtsfolgen für das zur Zeit des Leistungsbezugs bei Ansatz steuerpflichtiger Einkünfte zu ermittelnde zvE zeitigte, sind – parallel hierzu – bei späterem Rückfluss zwar keine Negativeinkünfte anzusetzen, ist jedoch eine Steuersatzminderung hinsichtlich des zurückgezahlten Betrages zu ermitteln, die sich auf das (tatsächliche) zvE und damit mindernd auf die Steuer auswirkt. Die Auswirkung dieser Steuerminderung kann jedoch nicht höher sein, als wenn der Rückzahlungsbetrag in voller Höhe als negative Einkünfte angesetzt würde.
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Im Streitfall tritt zum vorgenannten negativen Progressionsvorbehalt die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 24 Nr. 1 a, 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wegen der vom Arbeitgeber gezahlten Abfindung von 260.000,00 € hinzu. Denn offensichtlich hatte die Arbeitgeberin – wie sich aus den als Werbungskosten geltend gemachten Anwalts- und Bewerbungskosten ergibt (vgl. Bl. 3 ESt-Akte) – das Arbeitsverhältnis gekündigt und in einvernehmlicher Beendigung des wohl für den Kläger günstigen Ausgangs des sich anschließenden Arbeitsgerichtsverfahrens die Abfindungszahlung geleistet; diese ist – wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig – nach § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt (vgl. auch hierzu: BFH-Urteil vom 20. Oktober 1978 – VI R 107/77, BStBl II 1979, 176, m.w.N.).
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Treffen hiernach Tarifermäßigung mit negativem Progressionsvorbehalt zusammen, hat der BFH in gefestigter Rechtsprechung unter Ablehnung der hier bei der DATEV- Rechnung des Klägers angewandten sog. additiven Methode – wie auch das Finanzamt im Streitfall – eine integrierte Steuerberechnung nach dem Günstigkeitsprinzip in der Weise vorgenommen, dass die ermäßigt besteuerten außerordentlichen Einkünfte bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Sinne des § 32 b Abs. 2 EStG einbezogen werden (BFH-Urteile vom 22. September 2009 – IX R 93/07, BFH/NV 2010, 296 und Anmerkung Pfützenreuter sowie Bode in JurisPR-SteuerR 6/2010 bzw. FR 2010, 338; 1. April 2009 – IX R 87/07, BFH/NV 2009, 1787; 17. Januar 2008 – VI R 44/07, BFH/NV 2008, 666; 15. November 2007 – VI R 66/03, BStBl II 2008, 375). Aus dem systematischen Zusammenhang des § 34 Abs. 1 EStG zu § 32 b EStG folge – so der BFH -, dass sich die im Rahmen der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 EStG durchzuführende Fünftelung nur auf die außerordentliche Einkünfte und das zvE beziehe, nicht aber auf die den Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 32 b EStG. Diese seien erst bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 EStG maßgebenden Einkommensteuerbeträge zu berücksichtigen.
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Für den Streitfall ergibt sich:
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Da mit dem (positiven) Progressionsvorbehalt eine Steuerentlastung verhindert werden soll, die sich ergibt, weil auf Grund des progressiven Tarifverlaufs auf das zu versteuernde Einkommen in Folge der Steuerfreiheit der Progressionseinkünfte (§ 3 Nr. 2 EStG) ein niedrigerer Steuersatz anzuwenden wäre als bei einer Steuerpflicht dieser Einkünfte, werden diese nur bei der Ermittlung des für das (tatsächliche) zu versteuernde Einkommen maßgeblichen Steuersatzes, nicht aber in das zu versteuernde Einkommen selbst einbezogen. Folglich sind – umgekehrt – bei Rückzahlung der Progressionseinkünfte diese auch nur zur Ermittlung des entsprechenden niedrigeren Steuersatzes einzubeziehen. Dabei darf die Berechnung der Einkommensteuer bei Anwendung sowohl der Tarifermäßigung als auch des (negativen) Progressionsvorbehaltes nicht dazu führen, dass eine höhere Belastung entsteht als bei ausschließlicher Anwendung der Tarifermäßigung bzw. des negativen Progressionsvorbehaltes; beide Vergünstigungen müssen zur Anwendung kommen, wobei allerdings die Steuerentlastung nur den Tarif betrifft und der Entlastungsbetrag maximal auf den Betrag der Rückzahlung zu beschränken ist. Zu Recht hat daher das Finanzamt in Anlehnung an Beispiel 4 in H.34.2 des amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2009 zunächst ein negatives verbleibendes Einkommen von ./. 7.872,00 € ermittelt und die Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG angewandt, wobei es zu Gunsten des Klägers vom Fünftel-Betrag (= 49.775,00 €) die negativen Progressionseinkünfte von 3.374,00 € in voller Höhe abgezogen, eine darauf entfallende Steuer von 11.649,00 € und einen Steuersatz von 25,1050 errechnet hat. Diesen Steuersatz angelegt auf das (vollbegünstigte) zu versteuernde Einkommen von 248.879,00 € ergibt eine Steuer von 62.481,07 € (das Finanzamt: 62.480,00 €).
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Demgegenüber findet die Berechnung des Klägers im Schriftsatz vom 20. August 2010 im Gesetz keine Stütze. Denn ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen (= tatsächliches zu versteuernde Einkommen ./. tarifbegünstigte Einkünfte) – wie im Streitfall - negativ, so ist zur Ermittlung der Steuer ausschließlich § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden, wobei im Rahmen der Steuerberechnung die dem Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG unterliegenden Einkünfte nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sich nach einer Verrechnung mit dem negativen verbleibenden zu versteuernden Einkommen ein positiver Differenzbetrag ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 2009 in BFH/NV 2009, 1787). Dementsprechend muss ein negativer Progressionsvorbehalt einen Abzug bei der Ermittlung der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG bewirken. Dies ist durch das Finanzamt geschehen.
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Im Übrigen zeigt die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Belastungsvergleichsrechnung, dass die finanzamtliche Ermittlung unter Berücksichtigung der Tarifermäßigung und Einbezug des negativen Progressionsvorbehalts zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis führt.
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Unter Berücksichtigung des im Klageverfahren erstmalig behaupteten und belegten Vorgangs, der Arbeitgeber habe im Streitjahr bei ihm „hinterlegtes“ Arbeitslosengeld von 8.538,04 € zurückgezahlt, während der Kläger im selben Jahr Leistungen der Arbeitsverwaltung von 5.164,60 € bezog, führte zu einer höheren und nicht – wie begehrt – geringeren Steuer. Denn die Rückführung beruhte offensichtlich auf § 115 SGB X, wonach Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt auf die Arbeitsverwaltung übergehen, soweit diese Leistungen an den Arbeitnehmer erbringt. Der Rückführungsbetrag ist – da abgekürzter Zahlungsweg – als Arbeitslohn des Klägers nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen, wobei die gleichzeitige Rückzahlung des Arbeitslosengeldes dem (negativen) Progressionsvorbehalt des § 32 b EStG unterfällt (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 2007 in BStBl II 2008, 375). Des Weiteren unterliegt das in 2008 bezogene Arbeitslosengeld von 5.164,60 € dem (positiven) Progressionsvorbehalt.
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Hiernach erhöht sich das zu versteuernde Einkommen um den von der Arbeitgeberin geleisteten Arbeitslohn (8.538,04 €) auf 257.417,00 €, so dass unter Abzug von 256.751,00 € (tarifbegünstigtes zu versteuerndes Einkommen) sich ein verbleibendes (positives) zu versteuerndes Einkommen von 666,00 € ergibt (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dieses erhöht um das bezogene Arbeitslosengeld von 5.164,60 € und vermindert um das zurückgezahlte Arbeitslosengeld von 8.538,04 € ergibt sich ein für die Berechnung des Steuersatzes gem. § 32 b Abs. 2 EStG verbleibendes zu versteuerndes Einkommen von ./. 2.707,00 € und eine Steuer von 0,00 €.
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Wird nunmehr gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG das verbleibende zu versteuernde Einkommen von 666,00 € um 1/5 der tarifbegünstigten Einkünfte von 256.751,00 € (= 51.350,00 €) auf 52.016,00 € erhöht, ergibt sich unter Hinzunahme des bezogenen Arbeitslosengeldes von 5.164,60 € und unter Minderung des zurückgezahlten Arbeitslosengeldes von 8.538,00 € ein für die Berechnung des Steuersatzes gem. § 32 b Abs. 2 EStG maßgebendes zu versteuerndes Einkommen von 48.642,00 €. Die Steuer nach der Grundtabelle beträgt ca. 12.545,00 €, der durchschnittliche Steuersatz somit 25,7904 %. Bezogen auf 1/5 der tarifbegünstigten Einkünfte (51.350,00 €, vermindert um 2.707,00 € auf 48.643,00 €) beträgt die Steuer 13.415,00 €, multipliziert mit Faktor 5 ergibt sich eine Steuer von 67.075,00 € (Finanzamt: 62.480,00 €).
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Nach alledem ist die Steuerberechnung des Finanzamts nicht zu beanstanden.
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Für die Zulassung der Revision sieht der Senat keine Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO; die Revision war daher nicht zuzulassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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