Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 K 2100/15


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbständig tätig. Seinen hieraus erzielten Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 EStG.

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In der Zeit von 2008 bis 2011 hatte er ein spanisches Unternehmen, die Firma B S.L. (im Folgenden: B), in zivilrechtlichen Streitigkeiten vertreten. Hierfür hatte er seiner Mandantschaft unter dem 11. September 2008 sowie dem 10. März 2011 Rechnungen über 55.412,80 € bzw. 19.445,15 €, 43.708,23 € und 2.829,35 € gestellt. Im Rahmen des dieses Mandat betreffenden zivilrechtlichen Klageverfahrens wurde am 27. Januar 2011 ein Vergleich dahin geschlossen, dass B eine (weitere) Zahlung ihres Kontrahenten in Höhe von 290.000,00 € nebst Zinsen erhalten sollte. Dieser Betrag wurde unmittelbar danach auf ein Konto des Klägers überwiesen, über das er sowohl betriebliche als auch private Zahlungsvorgänge abwickelte. Hiervon leitete er 240.000,00 € an B weiter. Den Differenzbetrag von 50.000,00 € behielt er mit der Begründung ein, ihm stünden Honorarforderungen in dieser Höhe zu, mit denen er aufrechne. Hiermit zeigte sich B nicht einverstanden und forderte im April 2011 die Auszahlung des Einbehaltes zurück. Im Zuge des sich im Anschluss an die Weigerung des Klägers angestrengten zivilrechtlichen Klageverfahrens hielt dieser an seinen o.g. Kostennoten nicht mehr fest. Sie seien, da in Form von Emails und ohne Unterschrift verfasst, lediglich als Entwürfe zu verstehen. Zugleich erteilte er neue zur Aufrechnung gestellte Abrechnungen über insgesamt 76.754,60 €.

3

Laut der in 2014 durch das OLG bestätigten Entscheidung des Landgerichtes vom 13. September 2012 hatten dem Kläger lediglich Vergütungsansprüche von 25.272,82 € zugestanden, die in Höhe von 20.480,00 € bereits durch Erfüllung erloschen waren, so dass nur noch eine aufrechenbare Forderung von 4.802,82 € bestanden hatte. In Höhe des Differenzbetrages zu 50.000,00 €, mithin von 45.197,18 €, wurde er zur Auszahlung an B verurteilt.

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Mit Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 hatte der Kläger angegeben, einen Gewinn in Höhe von 23.164,00 € erzielt zu haben.

5

Dem war das Finanzamt mit ursprünglichem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 2011 vom 5. Juni 2013 zunächst gefolgt.

6

Eine in der Folgezeit für 2011 durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung traf folgende Feststellungen:

7

Der Kläger verfügte über zwei Bankkonten bei zwei Banken, die er sowohl für private Buchungen als auch für das Unternehmen verwendete. Für Zwecke seiner Gewinnermittlung erfasste er nicht sämtliche betrieblichen Zahlungseingänge, sondern teilte die eingehenden Gelder sogleich auf den Kontoauszügen in „Einnahmen“ bzw. „Fremdgelder“ auf. Nur die als Honorare/Einnahmen gekennzeichneten Beträge fanden Eingang in seine Einnahmen-Überschussrechnung. Dabei seien ihm – so die Prüferin - jedoch Fehler unterlaufen. So seien Honorarbeträge in falscher Höhe oder gar nicht erfasst worden oder es seien Beträge, auf die er Umsatzsteuer berechnet habe, als durchlaufende Posten behandelt worden. Insgesamt sei ein Bruttomehrumsatz von 64.341,00 € zu verzeichnen. Unter anderem seien Geldeingänge, die im Zusammenhang mit dem o.g. Zivilrechtsstreit der B gegen einen Dritten stünden, nicht als Betriebseinnahmen erfasst. Dabei handele es sich um den o.g. unstreitig nicht an B weitergeleiteten Betrag von 50.000,00 € sowie um Zahlungen von 7.199,45 € (von der Staatskasse erstattete Gerichtskosten) und in Höhe von 746,77 € (weitere Überweisung des Gegners der B), deren Weiterleitung ebenfalls nicht habe festgestellt werden können. Aus diesem Vorgang hätten lediglich 10.000,00 € Eingang in die Gewinnermittlung des Klägers gefunden, so dass sich Mehrbetriebseinnahmen von 54.341,00 € ergäben.

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(Wegen der Einzelheiten vgl. den Sonderprüfungsbericht vom 9. Dezember 2013, Bl. 15 ff. PA).)

9

Mit nach § 164 Abs. 2 AO unter dem 14. März 2014 geändertem Einkommensteuerbescheid 2011 kam – der Sonderprüfung folgend – ein Gewinn aus selbständiger Arbeit von 77.505,00 € (= 23.164,00 € erklärter Gewinn zzgl. Betriebseinnahmen von 54.341,00 €) zum Ansatz.

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Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch wendete der Kläger ein, mit Rechtskraft des Urteils des Landgerichtes habe festgestanden, dass der Einbehalt in Höhe von 45.197,18 € unwirksam gewesen sei. Die B habe einen entsprechend hohen Anspruch aus dem Geschäftsbesorgungsvertragsverhältnis gehabt. Bei dem für B auf dem Konto des Klägers eingegangenen Betrag habe es sich um Treugut gehandelt, das gem. § 39 Abs. 2 Satz 2 AO auch steuerlich der B zuzurechnen gewesen sei. Hieran habe auch der Einbehalt nichts geändert, da die Aufrechnung unwirksam gewesen sei. Da der Einbehalt objektiv unwirksam, die Aufrechnung nichtig gewesen sei, habe dies auch nicht zu einem Zufluss an Betriebseinnahmen führen können. Allein dadurch, dass ein Geschäftsbesorger eigenmächtig rechtsirrtümlich ihm zugeflossenes Treugut für sich selbst durch Aufrechnung vereinnahme, werde dieses nicht zur Betriebseinnahme. Dies gelte vor allem dann, wenn – wie hier – der Treugeber sich alsbald gegen diese Vereinnahmung wehre.

11

Hier habe in der Höhe, in der die Aufrechnung nicht wirksam gewesen sei, ein sog. durchlaufender Posten vorgelegen, denn der Kläger habe auch den Betrag von 50.000,00 € zur Weiterleitung an die B erhalten. Dabei habe es sich um Fremdgeld gehandelt. Gehe, wie vorliegend, die Aufrechnung ins Leere, bleibe der Charakter als Fremdgeld davon unberührt. Der Anspruch auf Herausgabe als empfangenes Fremdgeld bleibe weiter bestehen. Die Entscheidungen der Zivilgerichte hätten keinen rechtsgestaltenden Charakter, die den Zufluss von Betriebseinnahmen wieder hätten rückgängig machen können, sondern lediglich rechtsfeststellenden. Auch habe B die Aufrechnung nicht etwa zunächst hingenommen und erst später deren Unwirksamkeit geltend gemacht, sondern sich sogleich hiergegen gewendet. Daher könne auch die Vorschrift des § 41 AO nicht greifen.

12

Das Finanzamt vermochte sich dem nicht anzuschließen. Mit auf den 21. September 2015 datierter Einspruchsentscheidung wies es den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, Betriebseinnahmen lägen bei Zugängen von Wirtschaftsgütern vor, die durch den Betrieb veranlasst seien. Diese seien im Zeitpunkt der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut zu besteuern. Das Behaltendürfen des Zugeflossenen sei nicht Merkmal des Zuflusses im Sinne des § 11 EStG, d.h. die Verfügungsmacht müsse nicht endgültig erlangt sein. Stelle sich später heraus, dass der Empfänger den ihm zunächst zugegangenen Wert nicht endgültig behalten dürfe, sondern in einem späteren Veranlagungszeitraum zurückgewähren müsse, so sei letzterer Vorgang einkommensteuerrechtlich erst im dem späteren Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen.

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Etwas anderes gelte bei einem sog. durchlaufenden Posten. Ein solcher dürfe weder als Betriebseinnahme noch als Betriebsausgabe behandelt werden. Entscheidend sei, dass bei einem durchlaufenden Posten die Einnahme und die Ausgabe zu einem einheitlichen Vorgang verklammert würden.

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Hinsichtlich des strittigen Betrages von 50.000,00 € fehle es aber an einer inneren Verbindung. Der Kläger habe diesen Betrag einbehalten, um ihn mit den von ihm für zutreffend erachteten Honorarforderungen, die er mit den o.g. Kostennoten in Rechnung gestellt habe, zu verrechnen. Durch den Einbehalt und die Stellung weiterer Rechnungen in 2011 habe er seinen Fremdbesitzerwillen für den Betrag von 50.000,00 € aufgegeben. Damit habe er die innere Verbindung zwischen der Einnahme und der Ausgabe durchbrochen.

15

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger trägt – über sein außergerichtlich erfolgtes Vorbringen hinaus – vor, die Eigenschaft  des für die B auf das Konto des Klägers überwiesenen Betrages als durchlaufender Posten habe nur durch wirksame Aufrechnung beendet werden können. Dies sei jedoch lediglich in Höhe von 4.802,82 € der Fall gewesen. Im Übrigen sei hier das Urteil des BFH vom 16. Dezember 2014, VIII R 19/12, einschlägig. Dort sei über die steuerliche Behandlung von durch einen Rechtsanwalt veruntreuten Fremdgeldern befunden worden. Der BFH habe erkannt, dass diese Fremdgelder auch dann durchlaufende Posten blieben, wenn sie vom Rechtsanwalt nicht als solche behandelt würden, sondern er mit ihnen so verfahre, als wären es Betriebseinnahmen. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige – wie in dem vom BFH entschiedenen Fall – von der Natur als Fremdgeld wisse, während der Kläger vorliegend irrtümlich von seiner Berechtigung zum Einbehalt ausgegangen sei. Auch in dem zitierten BFH-Urteil habe der Steuerpflichtige die innere Verbindung zwischen Einnahme und ordnungsgemäßer Ausgabe durchbrochen, indem er Fremdgeld widerrechtlich für eigene Zwecke verwendet habe. Dass der Kläger objektiv in unzutreffender Weise und unwirksam die Aufrechnung erklärt habe, habe den Auskehrungsanspruch der B und dessen innere Verbindung mit dem Zufluss beim Kläger nicht tangiert. Das Fremdgeld sei vielmehr Fremdgeld geblieben.

16

Der Kläger beantragt,
den Einkommensteueränderungsbescheid 2011 vom 14. März 2014 in der Fassung der auf den 21. September 2015 datierten Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit um 45.197,00 € reduziert werden.

17

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18

Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, das vom Kläger zitierte Urteil des BFH sei nicht einschlägig. Der dortige Kläger habe Fremdgelder veruntreut, seinen Fremdbesitzerwillen aber zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Vorliegend habe der Kläger den strittigen Betrag nicht veruntreut, sondern die Aufrechnung mit ihm vermeintlich zustehenden Honorarforderungen erklärt und hierdurch die innere Verbindung zwischen Einnahme und Ausgabe durchbrochen.

19

Dem hält der Kläger entgegen, die Interpretierung des von ihm in Bezug genommenen BFH-Urteils durch das Finanzamt sei nicht nachvollziehbar. Wer Fremdgelder veruntreue, mache sich zum Herrn über das anvertraute, ihm wirtschaftlich nicht zustehende Vermögen und gebe den Willen auf, es für den wahren Berechtigten innezuhaben. Es mache keinen Unterschied, ob dies vorsätzlich rechtswidrig erfolge oder – wie hier – durch Aufrechnung mit vermeintlichen Honoraransprüchen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

21

In Anlehnung an das in den §§ 4 Abs. 4 und 8 Abs. 1 EStG verankerte Veranlassungsprinzip sind nach ständiger Rechtsprechung unter Betriebseinnahmen alle Zugänge in Geld oder Geldeswert zu verstehen, die objektiv wirtschaftlich durch den Betrieb veranlasst (und keine Einlage) sind. Unter Betriebseinnahmen sind demnach sowohl alle laufenden als auch alle einmaligen/außerordentlichen Erlöse aus betrieblichen Tätigkeiten und Geschäften zu verstehen, einschließlich der Nebentätigkeiten und sog. Hilfsgeschäfte.

22

Das Behaltendürfen des dergestalt Zugeflossenen ist nicht Merkmal einer Betriebseinnahme bzw. des Zuflusses (allgemeine Meinung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 1. Oktober 1993, III R 32/92, BStBl II 1994, 179, m.w.N.).

23

Stellt sich bspw. später heraus, dass der Empfänger den ihm zugegangenen Wert wieder zurückzuerstatten hat, so ist dieser Rückzahlungsvorgang einkommensteuerlich erst in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem die Rückzahlung stattfindet. Gleiches gilt sogar dann, wenn die Rückzahlungsverpflichtung von vornherein feststeht (vgl. BFH, Urteil vom 29. April 1982, IV R 95/79, BStBl II 1982, 593), da ein tatsächlicher Zufluss nicht rückwirkend beseitigt werden kann.

24

Daher stellen auch sog. „durchlaufende Posten“, d.h. Positionen, bei denen eine Weiterleitungsverpflichtung von vornherein besteht, Betriebseinnahmen/Betriebs-ausgaben dar.

25

Hiervon geht ohne weiteres die in § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG enthaltene Definition des „durchlaufenden Postens“ als im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmte Betriebseinnahmen bzw. verausgabte Betriebsausgaben aus. Nach dieser Vorschrift scheiden durchlaufende Posten als Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben aus. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass sie wegen der Verpflichtung des Empfängers zur Weiterleitung nicht wirtschaftlich in das Betriebsvermögen des Empfängers gelangen. Sie beeinflussen das Betriebsergebnis nicht.

26

Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Vereinnahmung und die Verausgabung innerlich dergestalt zu einem einheitlichen Vorgang verklammert sind, dass beide Geldbewegungen in fremdem Namen und für fremde Rechnung erfolgen (Bode in Kirchhof, EStG, 15. Aufl. 2016, § 4 Rdnr. 142). Einen geradezu klassischen Fall der durchlaufenden Posten stellen Fremdgelder dar, die ein Rechtsanwalt für einen Mandanten verwaltet, d.h. Gelder, die von einem Dritten auf ein Konto des Rechtsanwaltes zur Weiterleitung an den Mandanten überwiesen werden.

27

Über eine Fallkonstellation, wie sie im vorliegenden Klageverfahren zu beurteilen ist, wurde – soweit ersichtlich – bisher lediglich mit rechtskräftigem Urteil des Finanzgerichtes Köln vom 5. Juni 2014, 15 K 2605/12, EFG 2014, 1768, entschieden. Dort hatte ein Rechtsanwalt von im Namen eines Mandanten vereinnahmten Geldern nach Erstellung einer Abrechnung einen Teil als Honorar einbehalten, als Betriebseinnahme verbucht und auf ein betriebliches Festgeldkonto transferiert. Der Mandant hatte die Honorarabrechnung angefochten. Im Rahmen der sich anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung wurde ein Vergleich geschlossen. Das Finanzgericht Köln war der Auffassung, die innere Verbindung zwischen Einnahme und Ausgabe sei durchbrochen worden. Spätestens mit Rechnungsstellung und Einbehalt eines Teils des verwahrten Geldes habe der Anwalt seinen Fremdbesitzerwillen aufgegeben und das Geld für eigene Zwecke verwendet. Damit habe er allein im eigenbetrieblichen Interesse gehandelt und das Geld nicht mehr im fremden Namen und auf fremde Rechnung verwahrt, sondern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vereinnahmt. Diese Betriebseinnahme habe sich auch während des Zivilrechtsstreites nicht in einen durchlaufenden Posten zurückgewandelt, denn es habe an einem einheitlichen ununterbrochenen, also durchgängigen Fremdbesitzerwillen von der Vereinnahmung bis zur Verausgabung gefehlt.

28

Der Fall veruntreuter Fremdgelder war dagegen Gegenstand mehrerer neuerer Klageverfahren. Laut einem Teil des Schrifttums (vgl. bspw. Blümich/Wied, Stand September 2016, § 4 EStG Rz. 188) kann die o.g. Verklammerung insbesondere im Fall der Veruntreuung von Fremdgeldern durchbrochen werden, so dass ggfs. in Höhe des veruntreuten Betrages Betriebseinnahmen des Veruntreuenden zum Ansatz kommen.

29

Auch das Finanzgericht des Saarlandes hat mit Urteil vom 29. Februar 2012, 1 K 1342/09, EFG 2012, 1328, entschieden, dass die Verklammerung von Vereinnahmung und Verausgabung nicht mehr gegeben ist, wenn ein Rechtsanwalt von einem Schuldner vereinnahmte Mandantengelder veruntreut, indem er sie bei Fälligkeit abredewidrig und wissentlich nicht an seinen Mandanten weiterleitet.

30

Der BFH hat (in teilweiser Abkehr von seinem in derselben Sache ergangenen AdV-Beschluss vom 17. Oktober 2012, VIII S 16/12, BFH/NV 2013, 32) dieses Urteil mit der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 16. Dezember 2014, VIII R 19/12, BStBl II 2015, 643, aufgehoben und hierzu ausgeführt, auch im Falle der Veruntreuung von Fremdgeldern werde die Verklammerung nicht unterbrochen, denn der Veruntreuende bleibe schuldrechtlich verpflichtet, den Gegenwert herauszugeben. Die widerrechtliche Verwendung der Fremdgelder führe auch nicht für sich betrachtet zu steuerbaren Einkünften. Die veruntreuten Fremdgelder seien nicht im Rahmen der Einkünfteerzielung (als Rechtsanwalt), sondern außerhalb des Tatbestandes der Einkünfteerzielung durch privat veranlasste Straftaten erlangt worden. Die veruntreuten Gelder stellten keine Gegenleistung für eine Leistung des Klägers im Rahmen seines Betriebes/seiner freiberuflichen Tätigkeit dar.

31

Diese Rechtsprechung wird insbesondere von Kanzler (vgl. dessen Anmerkung in FR 2015, 802 sowie in Herrmann/Heuer/Raupach, Stand Juni 2016, § 4 EStG Anm. 613) kritisch gesehen. Er weist darauf hin, dass die betriebliche Veranlassung auf das Grundgeschäft zurückzuführen sei, mithin auf die Einziehung der Forderung des Mandanten gegenüber dem Dritten. Erst mit der Betriebsausgabe durch Weiterleitung der entsprechenden Beträge an den Berechtigten werde der Vorgang zu einem durchlaufenden Posten, der die Rechtsfolge der Eliminierung dieser Betriebseinnahmen aus der Einnahmenüberschussrechnung auslöse. Es sei erst dann von einem durchlaufenden Posten auszugehen, wenn beide Geldbewegungen, die Vereinnahmung sowie die Verausgabung, in fremdem Namen und für fremde Rechnung erfolgten. Werde diese Verklammerung jedoch aufgelöst oder komme es mit andern Worten zu einer „Unterbrechung des Durchlaufes“, so könne die Rechtsfolge des Ausscheidens dieser Beträge aus der Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht eintreten. Der Vorgang der Einnahme stelle – dies sei stets zu beachten – für sich allein noch keinen durchlaufenden Posten dar. Erst der einheitliche Vorgang von Einnahme und Ausgabe (wobei die Reihenfolge irrelevant sei) erfülle den Begriff des durchlaufenden Postens.

32

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob bei Vereinnahmung der Fremdgelder auf dem Konto des Klägers eine innere Verklammerung im o.g. Sinne bestand, mithin der Zufluss von Betriebseinnahmen bereits zu diesem Zeitpunkt zu verzeichnen war, oder ob eine solche Verklammerung von vornherein zu verneinen war.

33

Jedenfalls führte die spätere Aufrechnung für sich betrachtet zu Betriebseinnahmen aus selbständiger Arbeit des Klägers. Mit der Aufrechnung hat sich der Kläger des streitbefangenen Geldbetrages nach außen hin offen und eindeutig als Honorar bemächtigt und damit den wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt selbst hergestellt. Der Umstand, dass er dies (der Höhe nach) rechtsirrtümlich tat, ändert nichts am wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang.

34

Das führt zwar zu dem auf den ersten Blick verwunderlichen Ergebnis, dass ein Straftäter (bspw. derjenige, der Geldbeträge veruntreut) einkommensteuerlich gegenüber demjenigen besser steht, der eine vermeintliche Forderung geltend macht und sogleich im Wege der Aufrechnung einzieht, indem ersterem keine Betriebseinnahmen zugerechnet werden, während letzterer Betriebseinnahmen in Höhe des Einbehaltes zu versteuern hat und sich eine Rückzahlung erst in späterer Zeit auswirkt. Dies ist jedoch die Konsequenz aus dem allgemeinen Grundsatz, dass strafbare Handlungen nur in Ausnahmefällen einen Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklichen, nämlich dann, wenn die Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung lagen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhten (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Juli 1994, I B  11/94, BFH/NV 1995, 198).

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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