Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (1. Senat) - 1 K 104/00

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin der Körperschaftsteuer(KSt)-Pflicht unterliegt.

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Die Klägerin ist durch notariellen Vertrag vom 30. September 1997 gegründet worden. Das Stammkapital wird zu 90 % von der Stiftung für ... (im Folgenden abgekürzt X), sowie in Höhe von 10 % von der Stiftung für ... (im Folgenden abgekürzt Y), gehalten. Die X ist eine heilpädagogische christlich-soziale Facheinrichtung für heilende Erziehung und Behandlung von verhaltensgestörten, behinderten Kindern und Jugendlichen in therapeutisch eingerichteten Kinderfamilien mit Anschlussmaßnahmen zur beruflichen Eingliederung und Ausbildung von entwicklungsverzögerten, behinderten Jugendlichen und Heranwachsenden in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften mit Ausbildungsplätzen.

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Die Y betätigt sich u.a. in der heilpädagogischen und christlichen Betreuung und Förderung junger Menschen mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen.

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Sowohl die X wie auch die Y sind als gemeinnützig anerkannt.

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Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin sind gem. § 2 des Gesellschaftsvertrages vom 30. September 1997

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“Heilpädagogische Dienstleistungen zur ergänzenden und begleitenden Betreuung von entwicklungsgestörten und behinderten Menschen, insbesondere die abendliche und nächtliche Betreuung, die therapeutische Förderung und Freizeitlenkung dieser Menschen sowie die pflegerische Betreuung von Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Einschränkungen und Behinderungen.”

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In § 2 Tz. 2 des Gesellschaftsvertrages heißt es weiterhin, dass die Klägerin Sorge dafür trägt, dass bei der Führung der Geschäfte sinngemäß die Grundsätze der X und Y dem Gesellschaftszweck entsprechend beachtet werden. Gem. § 3 des Gesellschaftsvertrages verfolgt die Klägerin ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, wohltätige Zwecke im Sinne des Abschnitts “steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung (AO), insbesondere die in § 2 genannten Zwecke. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag Bezug genommen.

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Die Klägerin ist Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands - Landesverband Schleswig-Holstein.

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Die Klägerin hat entsprechend ihrem Gesellschaftszweck in dem Zeitraum vom 1. bis 31. Dezember 1997 (Rumpfwirtschaftsjahr) mit bei ihr angestellten Betreuern und Honorarkräften entwicklungsgestörte und behinderte Jugendliche, die in den beiden Stiftungen untergebracht waren in Abend- und Nachtdiensten betreut und therapeutisch gefördert und auch Fördermaßnahmen gegenüber anderen Jugendlichen erbracht. Die Abend- und Nachtdienste waren, bis zur Gründung der Klägerin von der X und der Y erbracht worden; seitdem sind diese Dienste auf die Klägerin verlagert worden. Der Tages- und Frühdienst wird nach wie vor von der X und der Y erbracht. Durch ihre Dienste stellt die Klägerin lückenlose Betreuung und Beaufsichtigung der behinderten Jugendlichen sicher. Grund für die Ausgliederung waren einmal Haftungsgründe und zum anderen das Bestreben, die Mitarbeiterzahl für die einzelnen Unternehmen so zu senken, dass die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nicht eingriffen; ohne die Ausgliederung hätte Personal für die vollzeitliche Betriebsratstätigkeit freigestellt werden müssen (vgl. im Übrigen Top 8 der Sitzung des Heilpädagogiums vom 13. September 1997).

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Das Verhältnis zwischen der X und Y einerseits und der Klägerin andererseits stellt sich (unstreitig) wie folgt dar: Die X und Y erteilen der Klägerin den Auftrag zur Durchführung von Abend- und Nachtdiensten in den Betreuungsgruppen der Stiftungen; unter Beachtung der organisatorischen Rahmenbedingungen der Stiftungen werden die Aufträge in Eigenverantwortung der Klägerin durchgeführt. In ihren Händen liegt die gesamte Personalplanung und -disposition sowie insbesondere die Auswahl und Fortbildung der Mitarbeiter. Die erforderlichen fachlichen Dienst- und Arbeitsanweisungen werden ebenfalls von der Klägerin erteilt; ihre Einhaltung wird durch ihre Leitung bzw. leitende Mitarbeiter überwacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Juni 2003 eingereichte Leistungsbeschreibung Bezug genommen.

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Über die im Jahre 1997 (Dezember) erbrachten Betreuungsleistungen stellte sie der X und Y insgesamt 74.895 DM in Rechnung; hiermit sollten die bei ihr entstandenen Personalkosten einschließlich eines Organisationszuschlags abgegolten werden. Weiterhin erzielte sie aus sonstigen heilpädagogischen Leistungen, die sie im Auftrag der X für Sozialämter erbrachte (Arbeitstrainingsmaßnahmen) und diesen unmittelbar in Rechnung stellte, Einnahmen in Höhe von 4.954 DM. Insgesamt beliefen sich danach die Einnahmen des Jahres 1997 auf 79.849 DM. Im Streitjahr 1997 erzielte die Klägerin einen Gewinn von 4.117 DM. In den Folgejahren erzielte sie folgende Einnahmen bzw. Gewinne:

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1998

1999

2000

X - Jugendlichen – Betreuung

1.234.696 DM

1.305.477 DM

1.210.611 DM

Y – Jugendlichen – Betreuung

92.173 DM

257.526 DM

295.528 DM

Sprachheilpraxis

-

25.780 DM

63.544 DM

Ergotherapie

-

20.236 DM

104.637 DM

Beschäftigungstherapie

-

8.262 DM

3.349 DM

Sonstige heilpädagogische Leistungen

    25.849 DM

       5.353 DM

                   -

Insgesamt

1.352.718 DM

1.622.634 DM

1.677.669 DM

Gewinn

13.417 DM

./. 11437 DM

./. 23.542 DM

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Die Einnahmen aus den Ergotherapie-Maßnahmen, der Beschäftigungstherapie und Sprachheilpraxis wurden ohne Zwischenschaltung der X und der Y erzielt. Die übrigen Leistungen wurden auch in diesen Jahren im Auftrag der X und Y erbracht.

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Für das Streitjahr 1997 erklärte die Klägerin unter Hinweis darauf, dass ihre Tätigkeit als gemeinnützig und damit steuerfrei anzusehen sei, in ihrer KSt-Erklärung einen Gewinn von 0 DM. Darüber hinaus vertrat die Klägerin die Auffassung, dass ihre Betreuungsleistungen gem. § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. Abschnitt 103 Abs. 5 Satz 1 Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) umsatzsteuerfrei seien, weil die Leistungen an die X im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses erbracht worden seien und demnach keine steuerbare Leistung vorliege.

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Das beklagte Finanzamt (Finanzamt) folgte bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung der Auffassung der Klägerin. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin sah es demgegenüber die für die X und Y erbrachten Leistungen als Personalgestellung an; die Voraussetzungen der Steuervergünstigung i.S. der §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) und § 5 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) seien insoweit nicht erfüllt, weil es an der Unmittelbarkeit und Ausschließlichkeit i.S. der AO fehle. Hiervon ausgehend sah es die für die Überlassung von Personal gezahlten Entgelte als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an und unterwarf in dem Bescheid vom 11. August 1999 die Einkünfte der KSt.

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Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzamt seiner Entscheidung vom 24. Februar 2000 im Wesentlichen aus:

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Grundsätzlich müsse eine steuerbegünstigte Körperschaft gem. §§ 56, 57 AO ihre Satzungszwecke selbst, unmittelbar und ausschließlich verwirklichen. Im Streitfall fehle es an der Unmittelbarkeit. Zwar gehörten nach der Satzung entwicklungsgestörte und behinderte Menschen zum begünstigten Personenkreis. Empfänger der Leistungen der Klägerin (d.h. der Personalgestellung) seien jedoch nicht diese Personen, sondern die Einrichtungen, in denen diese Personen betreut würden. Wenn eine Körperschaft eigene Arbeitskräfte einer anderen Einrichtung für deren begünstigte Zwecke zur Verfügung stelle, mangele es an einer unmittelbaren (eigenen) Zweckverwirklichung. Dies gelte im Streitfall umso mehr, als die Klägerin in Bezug auf die Personalgestellung gegenüber den Stiftungen sogar ausdrücklich weisungsgebunden sei und keine eigenen Entscheidungen über Art und Umfang der Personalüberlassung treffen könne. Damit erbringe die Klägerin ihre Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S. der §§ 14, 64 AO. Die Steuerbefreiung sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG i.V.m. § 64 AO insoweit ausgeschlossen.

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Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb “Personalgestellung” stelle auch keinen Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO dar. Nach § 65 Nr. 1 AO müsse nämlich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamteinrichtung dazu dienen, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen. Dieses Erfordernis sei nicht gegeben, wenn der Betrieb nur mittelbar der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke diene. Die Personalgestellung diene demgegenüber nicht unmittelbar der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der Klägerin, sondern ermögliche lediglich den Stiftungen, mit Hilfe des von ihr zur Verfügung gestellten Personals deren satzungsmäßige Zwecke zu erfüllen. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des § 65 Nr. 3 AO für einen Zweckbetrieb nicht gegeben, weil die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten – Personalgestellung – auch von privaten Unternehmern erbracht werden könnten.

19

Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) berufen. Zwar habe der BFH in seinem Urteil vom 8. Juli 1971 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1972, 70) den Standpunkt vertreten, dass Leistungen auch dann unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen könnten, wenn sie an einen Empfänger bewirkt würden, der seinerseits ausschließlich gemeinnützige oder wohltätige Zwecke verfolge. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall habe die Körperschaft allerdings neben der Schwesterngestellung auch selbst unmittelbar eigennützige Zwecke verfolgt und daneben Schwestern zur Verfügung eines Studentenwohnheims abgestellt. Lediglich für diesen Fall habe der BFH unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 5 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) die Personalgestellung als steuerlich unschädlichen Nebenzweck angesehen. Hiermit sei der Streitfall nicht vergleichbar, weil die Klägerin im Streitjahr 1997 ausschließlich im Bereich der Personalgestellung tätig gewesen sei und damit ausschließlich lediglich mittelbar gemeinnützigen Zwecken gedient habe. In einem solchen Fall greife auch die Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO nicht ein. Durch diese Vorschrift werde den steuerbegünstigten Körperschaften trotz Verstoßes gegen das Gebot der unmittelbaren Zweckverfolgung der Erhalt der Steuerbegünstigung eröffnet. Die Vorschrift begründe jedoch weder einen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck noch eine Zwecknorm i.S. der §§ 65 ff AO (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1995, BStBl II 1997, 189).

20

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage, mit der sie – ähnlich wie teilweise im Vorverfahren – vorträgt:

21

Entgegen der Auffassung des Finanzamts verfolge sie mit ihren Betreuungsleistungen selbst unmittelbar eigene steuerbegünstigte satzungsmäßige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebes gem. § 66 AO. Sie erfülle ihre satzungsmäßigen Zwecke – heilpädagogische und pflegerische Betreuung entwicklungsgestörter und behinderter Menschen – dadurch, dass sie durch bei ihr angestellte Betreuer und Honorarkräfte (ausschließlich) hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche in unmittelbarem, persönlichem Kontakt selbst betreue und therapiere. Es gebe im Gemeinnützigkeitsrecht keine Vorschrift, die besage, dass eine tatsächlich unmittelbare Betreuungsleistung, durch die die eigenen satzungsgemäßen Zwecke erfüllt würden, nur dann begünstigt sei, wenn ihr auch eine entsprechende unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Betreuer und Betreutem zu Grunde liege. Vielmehr habe der BFH das Merkmal der “Unmittelbarkeit” leistungsbezogen definiert und dabei auf die konkrete Leistung selbst, nicht dagegen auf die zivilrechtliche Vertragsbeziehung abgestellt (Urteile vom 18. März 2004, BStBl II 2004, 798 und vom 07. November 1996, BStBl II 1997, 366). Eine unmittelbarere Leistungsbeziehung als die direkte persönliche betreuende Ansprache/Unterstützung zwischen Betreuer und Betreutem sei nicht vorstellbar. Da der Begriff der “Unmittelbarkeit” nur leistungsbezogen zu verstehen sei, während mit dem Begriff der “Personalgestellung” an die zu Grunde liegenden Rechtsbeziehungen angeknüpft werde, schlössen sich die “Unmittelbarkeit” und eine Personalgestellung nicht gegenseitig aus. Auch das Gesetz trage dem Rechnung. So stelle § 66 Abs. 3 S. 1 AO nicht auf das zivilrechtliche Verhältnis, sondern darauf ab, wem die Leistungen “zu Gute kommen”. Bei Krankenhäusern stelle der Gesetzestext darauf ab, “bei” welchen Patienten die Entgelte berechnet würden. Auf den Leistungsempfänger komme es deswegen nicht an. Entscheidend sei vielmehr die Wirkung des Betriebs: der Zweckbetrieb müsse direkt und unmittelbar der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke - hier der Betreuung der Kinder und Jugendlichen - dienen.

22

Dies sei gängige Praxis im gesamten Bundesgebiet. So erbrächten z. B. die Rotkreuzschwestern, die bei den Schwesternschaften des Deutschen Roten Kreuzes angestellt seien, Pflegeleistungen in Krankenhäusern aufgrund von zwischen den Schwesternschaften und den Krankenhäusern abgeschlossenen “Personalgestellungsverträgen”. Dieser in nahezu in allen OFD-Bezirken anzutreffende Sachverhalt werde bundeseinheitlich überall als umsatzsteuerbefreiter Zweckbetrieb behandelt und sei mit dem Streitfall identisch. Das Auseinanderfallen zwischen zivilrechtlichem Vertragsverhältnis und begünstigtem Leistungsempfänger gebe es im Übrigen zuhauf, wie z. B. wenn ein Wohlfahrtsverband Personal zur Führung eines Studentenwohnheims oder Schullandheims zur Verfügung stelle (vgl. BFH-Urteil vom 08. Juli 1971, aaO) oder wenn Wohlfahrtsverbände, die aus öffentlichen Kassen finanzierte Schuldner-, Schwangerschafts-, Eltern- und Drogenberatung übernähmen.

23

Auch wenn es nach den vorstehenden Ausführungen nicht darauf ankomme, sei klarstellend darauf hinzuweisen, das entgegen der Auffassung des Finanzamts keine Personalgestellung vorliege. Dies werde insbesondere durch die (o.a. dargestellten) Arbeitsabläufe deutlich.

24

Abgesehen davon sei die Steuervergünstigung auch nach der Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO zu gewähren. Wie sich aus den Umsatzerlösen der Jahre 1997 bis 2000 ergebe, sei seit dem Gründungsjahr der Gesellschaft der Betreuungsumfang gegenüber “eigenen” zu betreuenden Jugendlichen ständig ausgeweitet worden. Nach dem BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen -BFH/NV- 1999, 244) dürften bei einer im Aufbau befindlichen Gesellschaft aus den Umsatzverhältnissen während der Aufbauphase keine negativen Folgen für die Steuerbegünstigung abgeleitet werden.

25

Sie sei auch selbstlos im Sinne des § 55 AO tätig gewesen. Der Begriff der Selbstlosigkeit sei nach § 55 AO dahingehend definiert, dass vorrangig keine gewerblichen Zwecke, keine privatwirtschaftlichen Zwecke und keine unzulässige Vermögensbildung verfolgt werden dürften. Dies sei hier nicht der Fall. Selbstverständlich seien auch steuerbegünstigte Organisationen gehalten, Kosten zu mindern. Deswegen sei es unerheblich, dass sie mit dem vorrangigen Ziel gegründet worden sei, Betreuungsleistungen kostengünstiger zu erbringen.

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Schließlich sei auch nicht gegen den Grundsatz des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen worden, nach dem eine Körperschaft ihre Mittel zeitnah für ihre steuerbegünstigten Zwecke verwenden müsse. Der in dem Rumpfwirtschaftsjahr (1. bis 31. Dezember 1997) erzielte Jahresüberschuss von 4.117,62 DM habe gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 6 AO als Betriebsmittelrücklage gedient. Diese sei erforderlich, um die periodisch wiederkehrenden Leistungen - insbesondere die Personalkosten - zu finanzieren. Während die Personalkosten eine konstante Größe darstellten, handele es sich bei den Pflegeerlösen um unsichere Einnahmen. Die Betreuungsverträge könnten nämlich im Gegensatz zu den mit dem Personal abgeschlossenen Arbeits- und Dienstleistungsverträgen, bei denen Kündigungsfristen zu beachten seien, täglich gekündigt oder unterbrochen werden. Abgesehen davon sei der im Streitjahr erzielte Jahresüberschuss auch deswegen zu vernachlässigen, weil hiervon die Personalkosten für ein bis zwei Tage hätten finanziert werden können.

27

Die Klägerin beantragt, den KSt-Bescheid für 1997 vom 11. August 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2000 zu ändern und die KSt von 1.852 DM auf 0 DM herabzusetzen.

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Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

29

Zur Begründung wiederholt es im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt es vor:

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Die Tätigkeit der Klägerin sei deswegen nicht gemeinnützig, weil sie die in ihrer Satzung verankerten Zwecke überwiegend nicht unmittelbar selbst erfülle. Sie erbringe vielmehr in ihrem Kernbereich Leistungen gegenüber ihren Gesellschaftern, die ihrerseits wiederum zivilrechtlich und steuerrechtlich rechtsfähig seien. Eine unmittelbare Leistungsbeziehung bestehe bei dem überwiegenden Teil der im Streitjahr erbrachten Leistungen nur zwischen den Stiftungen und den betreuten Personen. Zwar habe das Personal der Klägerin direkten Kontakt zu den betreuten Personen. Dies sei jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der “Unmittelbarkeit” i.S. des § 57 AO. Entscheidungserheblich sei, dass die Klägerin nicht selbst und sozusagen auf “eigene Rechnung” Betreuungsleistungen erbringe, sondern durch die Personalgestellung gegenüber ihren Gesellschaftern diese lediglich in die Lage versetze, solche Betreuungsleistungen gegenüber Dritten zu erbringen.

31

Die Klägerin erbringe auch keine eigenen Leistungen an die zu betreuenden Personen durch bzw. über ihre Gesellschafter als “Hilfspersonen” i.S. des § 57 Abs. 1 Satz 2 AO. Denn diese seien in ihrem Handeln im Hinblick auf den Einsatz des Personals gegenüber den zu betreuenden Personen, auf den in diesem Zusammenhang abzustellen sei, völlig selbständig und nicht etwa an Weisungen der Klägerin gebunden. Eine unmittelbare Einflussmöglichkeit der Klägerin auf das Verhalten ihrer Gesellschafter bestehe in dieser Hinsicht nicht. Vielmehr sei es so, dass die Klägerin bezüglich des Personaleinsatzes gegenüber den Gesellschaftern weisungsgebunden sei.

32

Die Klägerin könne sich zur Begründung ihrer Rechtsauffassung nicht auf das BFH-Urteil vom 7. November 1996 (BStBl II 1997, 366) berufen. Zwar habe der BFH in diesem Urteil den Standpunkt vertreten, dass das Merkmal der Unmittelbarkeit in § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG leistungsbezogen sei. Die Klägerin verkenne jedoch, dass § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a UStG als unternehmensbezogene Voraussetzung ausdrücklich fordere, dass der Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken diene. Insoweit sei auf § 57 AO zurückzugreifen. Ob die Klägerin die leistungsbezogene Voraussetzung des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b UStG erfülle, könne dahinstehen, da sie bereits die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a UStG nicht erfülle. Die Rechtsauffassung des Finanzamts werde durch das BFH-Urteil vom 18. März 2004 (aaO) bestätigt. Aus diesem Urteil sei zu entnehmen, dass eine unmittelbare Verwendung nur dann vorliege, wenn die jeweilige Leistung gegenüber den in § 53 AO bezeichneten Personen eingesetzt werde. Dagegen reiche es nicht aus, dass die Leistung lediglich als Eingangsleistung in eine vom Leistungsempfänger erst an die nach § 53 AO bezeichneten Personen zu erbringende Leistung eingehe. Bezogen auf den Streitfall reiche es ebenfalls nicht aus, dass die Leistung der Klägerin (Gestellung von Personal) die von ihren Gesellschaftern gegenüber den Heimbewohnern geschuldete Betreuungsleistung lediglich ermögliche. Unmittelbar sei die Klägerin nur ihren Gesellschaftern gegenüber zu den streitigen Leistungen zivilrechtlich verpflichtet gewesen. Abgesehen davon seien die im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts bestehenden ertrags- und umsatzsteuerrechtlichen Regelungen nicht aufeinander abgestimmt. Auch wenn in Bezug auf die von einer Körperschaft erbrachte Leistung umsatzsteuerlich die leistungsbezogene Unmittelbarkeit bejaht werde, folge hieraus nicht zwingend die Bejahung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 AO. Aus diesem Grund könne dahinstehen, ob in Bezug auf die Personalüberlassung an die Gesellschafter aufgrund der unmittelbaren Arbeit des Personals am Patienten eine leistungsbezogene Unmittelbarkeit im Sinne des § 4 Nr. 18 b UStG zu bejahen wäre. Im Bereich der Beurteilung der Frage der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG komme es (u. a.) auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bejahung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 AO an. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall aus den genannten Gründen nicht vor.

33

Da das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit nicht erfüllt sei, scheide die Annahme eines Zweckbetriebs im Sinne des § 66 Abs. 1 und 3 AO aus, weil die Tätigkeit der Klägerin unmittelbar nur ihren Gesellschaftern und nicht dem in § 53 AO genannten Personenkreis zugute gekommen sei. Die Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO enthalte zwar eine Ausnahme von dem Erfordernis der unmittelbaren Zweckerfüllung, jedoch greife sie in den Regelungszusammenhang der §§ 64, 65 AO nicht ein (BFH-Urteil vom 30. November 1997, BStBl II 1997, 189). Daraus folge, dass die entgeltliche Personalgestellung i.S. des § 58 Nr. 3 AO einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstelle (vgl. auch Dötsch/Evers-berg/Jost/ Witt, Komm. zum KStG nF, Tz. 133ff zu § 5 Abs. 9 KStG). Die Tätigkeit der Klägerin wäre demnach nur dann ein Zweckbetrieb, wenn sie den Voraussetzungen des § 65 AO entsprechen würde. Dies sei aus den genannten Gründen nicht der Fall.

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Darüber hinaus bestünden erhebliche Zweifel daran, ob das Handeln der Klägerin als selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 AO anzusehen sei. Da ihre Gründung nach ihrem eigenen Vorbringen mit dem vorrangigen Ziel erfolgt sei, ihre Gesellschafter in die Lage zu versetzen, Betreuungsleistungen kostengünstiger, flexibler und wettbewerbsfähiger zu erbringen, diene ihre Tätigkeit in erster Linie eigenwirtschaftlichen Zwecken der Gesellschafter.

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Gegen ein selbstloses Handeln spreche auch, dass die Klägerin im Streitjahr und im darauf folgenden Jahr Überschüsse erzielt habe. Die Bildung einer Betriebsmittelrücklage in pauschalierter Form sei unzulässig. Zwar dürften für einen angemessenen Zeitraum Mittel angesammelt werden, um periodisch wiederkehrende Ausgaben zu bezahlen. Wenn aber - wie im Streitfall - fast ausschließlich sichere Einnahmen erzielt würden, sei dies bei der Höhe der Betriebsmittelrücklage entsprechend zu berücksichtigen. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass überhaupt und aus welchem Grund sie habe damit rechnen müssen, dass ihre periodisch wiederkehrenden Ausgaben durch ihre laufenden Einnahmen nicht gedeckt sein würden.

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Beigezogen und Gegenstand des Verfahrens waren die Steuerakten der Klägerin.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Das Finanzamt hat den angegriffenen Körperschaftsteuerbescheid zu Unrecht erlassen, weil die Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit ist.

39

Nach dieser Vorschrift sind Körperschaften von der Körperschaftsteuer befreit, die nach ihrer Satzung oder sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 - 68 AO). Die Steuerbefreiung ist indessen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 KStG i.V.m. § 64 AO jedoch ausgeschlossen, sofern ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO unterhalten wird, der keinen Zweckbetrieb im Sinne von §§ 65 - 68 AO darstellt.

40

Die Klägerin unterhält im Streitfall zwar einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb; dies schließt aber die Steuerbegünstigung nicht aus, weil sie einen Zweckbetrieb im Sinne des § 66 AO betreibt. Nach dieser Vorschrift ist als Zweckbetrieb insbesondere eine “Einrichtung” der Wohlfahrtspflege anzusehen, die in besonderem Maße den in § 53 AO genannten Personen dient.

41

Gemäß § 2 ihrer Satzung ist Gegenstand der Betätigung der Klägerin die Erbringung heilpädagogischer Dienstleistungen und die begleitende Betreuung von entwicklungsgestörten bzw. behinderten Jugendlichen. Diese Tätigkeit  gehört zu den in § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO (beispielhaft) aufgezählten förderungswürdigen Zwecken (Jugendhilfe und Wohlfahrtswesen). Zugleich verfolgt die Klägerin mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 AO, weil ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Klägerin Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist. Der Senat hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht der Verwirklichung der Satzungszwecke gedient hat; auch von dem Finanzamt wird dies nicht bestritten.

42

Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts hat die Klägerin ihre Satzungszwecke unmittelbar verfolgt.

43

Nach § 57 Satz 1 AO ist eine unmittelbare Verfolgung der Satzungszwecke dann anzunehmen, wenn die Körperschaft die Zwecke selbst verwirklicht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann dies auch durch Hilfspersonen erfolgen, wenn nach den Umständen des Falls, insbesondere nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen, die zwischen der Körperschaft und der Hilfsperson bestehen, das Wirken der Hilfsperson wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist. Nach Tz. 2 des Anwendungserlasses zu § 57 AO ist dabei von Bedeutung, ob die Hilfsperson nach den Weisungen der Körperschaft zu verfahren hat, den Inhalt und Umfang der Tätigkeit der Hilfsperson bestimmen kann und die Hilfsperson überwacht. Hilfsperson kann auch eine juristische Person sein.

44

Hiervon ausgehend trifft es zwar zu, dass die Mitarbeiter der Klägerin auf Grund von mit der X und der Y abgeschlossenen Verträgen die Betreuungsleistungen in deren Auftrag erbracht haben und ihre Dienstleistungen von den beiden vorgenannten Unternehmen bezahlt worden sind. Auch mussten wegen der organisatorischen Einbindung in die beiden Stiftungen Absprachen, insbesondere bei Dienstbeginn und Dienstende, getroffen werden. Die “Unmittelbarkeit” ist aber dennoch gewahrt, weil die Aufträge von der Klägerin eigenverantwortlich ausgeführt worden sind. Wie sich aus der Leistungsbeschreibung der Klägerin ergibt, ist sie für die Auswahl, den Einsatz und die Überwachung des von ihr gestellten Personals bis hin zur Erteilung der erforderlichen fachlichen Anweisungen verantwortlich gewesen. Diese Darstellung erscheint plausibel; sie ist von dem Finanzamt auf ausdrückliche Nachfrage des Berichterstatters nicht bestritten worden. Damit hat die Klägerin die eigenen Satzungszwecke unmittelbar verwirklicht. Dass zugleich die steuerbegünstigten Zwecke der beiden Stiftungen verfolgt worden sind, schließt nicht aus, auch bei der Klägerin die unmittelbare Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke anzunehmen, wenn diese - wie im Streitfall - innerhalb der gemeinnützigen Tätigkeit erfolgen (Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Auflage Anm. 128 unter § 6).

45

Für die Einordnung als Zweckbetrieb ist entscheidend, ob die Tätigkeit als solche (und nicht die Entgelterhebung) für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke erbracht wird (BFH-Urteil vom 6. April 2005, 545ff unter Tz. 4). Dies ist hier der Fall, weil die Betreuungsleistungen den betreuten Personen unmittelbar zugute gekommen sind.

46

Aus dem Gesetzeszusammenhang ist zwar zu entnehmen, dass eine Personalgestellung im Regelfall keine unmittelbare Zweckverfolgung darstellt. Denn sonst hätte es der Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO nicht bedurft, nach der die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass eine Körperschaft ihre Arbeitskräfte anderen Personen, Unternehmen oder Einrichtungen für steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellt. Nach Ansicht des Senats handelt es sich indessen von vornherein nicht um eine (grundsätzlich steuerschädliche) Personalgestellung, wenn - wie im Streitfall - die Personalverantwortung bei dem Unternehmen verbleibt, das das Personal “zur Verfügung stellt”.

47

Selbst wenn man dies als Personalgestellung ansehen würde, wären die Voraussetzungen des § 58 Nr. 3 AO erfüllt, weil die Mitarbeiter der Klägerin in den Stiftungen für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt worden sind. Im Gegensatz zu der Vorschrift des § 58 Nr. 2 AO, nach der eine Körperschaft die Steuervergünstigung nicht verliert, wenn sie ihre Mittel “teilweise” einer anderen Körperschaft für steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellt, enthält die Vorschrift des § 58 Nr. 3 AO keine vergleichbare Einschränkung. Die Steuerbegünstigung entfällt also selbst für den Fall nicht, dass sich die Tätigkeit ausschließlich auf die Personalgestellung beschränkt hat (ebenso Müller in Pump, Leibner, Kommentar zur AO, Anm. 29 zu § 58 AO; Fischer in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur AO, Anm. 24 zu § 58 AO in der Kommentierung 1996, anders Kommentierung 2003 Anm. 49 zu § 58 AO). Dass die Steuerbegünstigung des § 58 Nr. 3 AO nur eingreifen soll, wenn die Personalgestellung nur eine Nebenbetätigung darstellt und eine steuerbegünstigte Haupttätigkeit ausgeübt werden muss (so Urteil des FG Baden-Württemberg vom 31. Juli 1997, EFG 1997, 1341, Fischer, a.a.O. Anm. 49;, vgl. auch Tipke-Kruse, Kommentar zur AO, Anm. 1 zu § 58 AO), erscheint angesichts des Gesetzeswortlauts und vor allem deswegen nicht überzeugend, weil gemäß §§ 57 Abs. 2, 58 Nr. 1 AO bei Spitzenverbänden und Fördervereinen auch bei einer ausschließlich mittelbar gemeinnützigen Tätigkeit die Steuervergünstigungen nicht entfallen.

48

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, die im Dezember des Streitjahres ihre Tätigkeit aufgenommen hat, lediglich in diesem Jahr ausschließlich Einnahmen aus der Überlassung von Arbeitskräften erzielt hat. In den Folgejahren wurden Einnahmen aus Betreuungsleistungen außerhalb der Personalgestellung erzielt. Nach dem BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 (a.a.O.) ist es steuerlich unschädlich, wenn eine Körperschaft in einzelnen Veranlagungszeiträumen ausschließlich anderen, ebenfalls steuerbegünstigten Körperschaften Mittel zuwendet, in anderen Veranlagungszeiträumen auch selbst ihre steuerbegünstigten Zwecke verfolgt.

49

Da die Klägerin ihre steuerbegünstigten Zwecke bereits aus den vorgenannten Gründen unmittelbar verfolgt hat, kann es dahingestellt bleiben, ob der Klägerin darin gefolgt werden kann, dass der Begriff der Unmittelbarkeit in § 57 AO ebenso wie im Umsatzsteuerrecht leistungsbezogen auszulegen ist.

50

Aus den vorgenannten Gründen folgt zugleich, dass auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 AO erfüllt sind: Nach dieser Vorschrift dient eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege dann “in besonderem Maße” (vgl. Abs. § 66 Abs. 1 AO) den in § 53 genannten Personen, wenn, wenn diesen mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen zugute kommen. Im Streitfall sind die Leistungen dem begünstigten Personenkreis sogar ausschließlich zugute gekommen.

51

Da die Klägerin eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege gemäß § 66 AO darstellt, ist es unerheblich, ob die für die Anerkennung von Zweckbetrieben im Regelfall erforderlichen Voraussetzungen des § 65 Nr. 1 - 3 AO, nach denen u.a. der Zweckbetrieb nicht in Wettbewerb zu anderen nicht begünstigten Betrieben treten darf, erfüllt sind. Denn die Vorschrift des § 66 AO geht als sog. “lex specialis” der Generalnorm des § 65 AO vor.

52

Die Tätigkeit der Klägerin ist auch selbstlos erfolgt.

53

Gemäß § 55 AO geschieht eine Förderung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden. Dazu ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO erforderlich, dass die Mittel grundsätzlich zeitnah für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden; nach Satz 3 dieser Vorschrift ist eine zeitnahe Mittelverwendung gegeben, wenn sie spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Jahr für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Das Erfordernis einer zeitnahen Mittelverwendung wird durch § 58 Nr. 6 AO eingeschränkt: Danach wird die Steuervergünstigung nicht ausgeschlossen, wenn die Körperschaft ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführt, so weit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten Zwecke nachhaltig erfüllen zu können. Letzteres ist hier der Fall. Die Klägerin hat hierzu überzeugend dargelegt, dass die Betriebsmittelrücklage erforderlich ist, um angesichts der schwankenden Erlöse ihre Mitarbeiter fristgerecht bezahlen zu können. Angesichts des hohen Personalaufwands, der sich im Jahr 1998 auf ca. 1 Million DM belief, ist die Rücklage in Höhe von rd. 4.000 DM auch nach Auffassung des Senats von marginaler Bedeutung und in kürzester Zeit verbraucht worden. Aus dem gleichen Grund ist es unerheblich, dass auch im darauf folgenden Jahr ein Gewinn (13.417 DM) erzielt worden ist, zumal die in den Jahren 1999 und 2000 erzielten Verluste die Gewinne der beiden Vorjahre übersteigen.

54

Abgesehen davon kann das Finanzamt gemäß § 63 Abs. 4 Satz 1 AO eine Frist setzen, wenn seiner Auffassung nach die Voraussetzungen des § 58 Nr. 6 AO für eine Rücklage nicht erfüllt sind. Hierbei handelt es sich zwar um eine Ermessensentscheidung. Im Regelfall ist aber davon auszugehen, dass das Finanzamt eine Frist setzen muss (Tipke-Kruse, a.a.O., Anm. 4 zu § 64 AO). Im Streitfall ist dies nicht geschehen. Angesichts der verhältnismäßig geringen Überschüsse/Rücklagen wäre dies aber erforderlich gewesen, wenn das Finanzamt die Steuervergünstigung (auch) im Hinblick auf eine (angeblich) nicht zeitgerechte Mittelverwendung hätte versagen wollen.

55

Dem Gebot der Selbstlosigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin mit der organisatorischen Umgestaltung den Zweck verfolgt hat, ihre Betreuungsleistungen kostengünstiger zu erbringen. Dies stellt im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts nicht die Verfolgung von eigenwirtschaftlichen Zwecken dar. Denn wie die Klägerin zutreffend ausführt, müssen auch steuerbegünstigte Organisationen mit den ihnen von öffentlichen Kassen zur Verfügung gestellten Mitteln sparsam umgehen.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

57

Im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendungsbefugnis folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

58

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 FGO die Revision zugelassen.


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