Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (1. Senat) - 1 K 213/14

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die verfahrensrechtliche Befugnis der Beklagten zur Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung an den Kläger im Zeitraum November 1999 bis Dezember 2004.

2

Der Kläger ist seit Mai 1995 als Lehrkraft beim Land Schleswig-Holstein beschäftigt. Er war zunächst zeitlich befristet im Angestelltenverhältnis tätig und wurde mit Wirkung zum 1. November 1999 verbeamtet. Der Kläger ist verheiratet und Vater der am 1. Februar 1996 ehelich geborenen Tochter … (nachfolgend A). Am 14./19. Februar 1996 beantragte er bei der Familienkasse des Arbeitsamtes Kindergeld für A. Die Ehefrau und Kindesmutter stimmte der Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger zu. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Kopie des Antrages verwiesen. Die Familienkasse des Arbeitsamtes bewilligte antragsgemäß Kindergeld. Dabei ging sie aufgrund einer telefonischen Mitteilung der Gattin des Klägers, welche in einem Vermerk vom 22. Februar 1996 niedergelegt ist, davon aus, dass der Zeitvertrag des Klägers mit dem Land Schleswig-Holstein zum 31. März 1996 auslaufen würde. Tatsächlich wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers jedoch verlängert. Im Anschluss an seine Verbeamtung wurde ihm auch vom Landesbesoldungsamt (jetzt: Finanzverwaltungsamt) Kindergeld für A gezahlt. Die Zahlung erfolgte nach Aktenlage ohne Antrag des Klägers und ohne formelle Kindergeldfestsetzung. Sie wurde in den jeweiligen Gehaltsbescheinigungen aufgeführt. Auf den Inhalt der Erstbescheinigung vom 16. November 1999 wird verwiesen. Eine vom Kläger am 7. November 2000 beim Landesbesoldungsamt eingereichte Erklärung zum Familienzuschlag enthält unter der Rubrik Kinder folgende Angaben:

3

Vorname:

A       

Kindschaftsverhältnis:

ehel. 

Familienstand des  Kindes:

ledig 

Geburtsdatum:

01.02.1996

Kindergeld wird gezahlt an:

… [Kläger]

4

Die Familienkasse des Arbeitsamtes erlangte nach Aktenlage keine Kenntnis von der dauerhaften Anstellung und Verbeamtung des Klägers beim Land Schleswig-Holstein. Sie zahlte zunächst weiterhin Kindergeld für A, so dass der Kläger dieses ab November 1999 zweifach vereinnahmte. Durch eine Prüfung des Bundesrechnungshofes und einen von diesem initiierten Datenabgleich wurde die Doppelzahlung aufgedeckt und im August 2008 sowohl der Familienkasse des öffentlichen Dienstes als auch der Familienkasse der Arbeitsagentur zur Kenntnis gebracht. Die Familienkasse der Arbeitsagentur stellte daraufhin ihre Kindergeldzahlungen ab September 2008 bis zur weiteren Klärung des Sachverhalts ein. Mit Bescheid vom 15. August 2008 forderte die Familienkasse des öffentlichen Dienstes den Kläger zur Rückerstattung des überzahlten Kindergeldes auf. Hiergegen gewährte das erkennende Gericht auf Antrag des Klägers durch Beschluss vom 8. September 2009 1 V 47/09 Aussetzung der Vollziehung. Auf den Inhalt der Beschlussgründe wird Bezug genommen. Als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss ging die Familienkasse des öffentlichen Dienstes von ihrer sachlichen Unzuständigkeit aus und nahm den ergangenen Bescheid zurück. Das Aufhebungs- und Rückforderungsverfahren wurde sodann von der Familienkasse der Arbeitsagentur betrieben. Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2009 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A gemäß § 70 Abs. 2 EStG für den Zeitraum von November 1999 bis August 2008 auf und forderte die Rückerstattung überzahlten Kindergeldes in Höhe von 15.888,84 €. Der Bescheid enthält u.a. folgende Begründung:

5

„Sie haben nicht angezeigt, dass Ihr Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis geändert wurde und damit die Zuständigkeit für die Kindergeldgewährung zur Familienkasse des öffentlichen Dienstes gewechselt hat. Die dortige Familienkasse hat die Kindergeldzahlung ab November 1999 aufgenommen, so dass das Kindergeld von November 1999 bis August 2008 doppelt gezahlt wurde. Unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse und der Dauer der Doppelzahlung ist davon auszugehen, dass die Unterlassung der Mitwirkung bewusst erfolgte. Somit liegt eine Steuerhinterziehung vor. In diesem Fall beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre“.

6

Der Kläger zahlte auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch für den Zeitraum Januar 2005 bis August 2008 insgesamt 6.776 €. Wegen der Kindergeldaufhebung und Rückforderung im Restzeitraum November 1999 bis Dezember 2004 erhob er am 27. November 2009 Einspruch, in dem er u.a. Verjährung einwandte: Im Streitfall gelte die 4-jährige Regelfrist der Verjährung. Die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder gar Steuerhinterziehung seien bereits in objektiver Hinsicht nicht gegeben. Die Beklagte habe zu Unrecht die Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Sinne des § 68 EStG zugrunde gelegt. Die Anzeigeverpflichtung gemäß § 68 EStG sei hier jedoch nicht einschlägig, weil es dabei lediglich um nachträgliche Veränderungen gehe, die für die Kindergeldleistung als solche erheblich seien. Hierzu gehöre z.B. ein Haushaltswechsel des Kindes, nicht aber eine Verlagerung der sachlichen Behördenzuständigkeit.

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Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 zurück. Darin stützte es die Kindergeldaufhebung verfahrensrechtlich auf § 174 Abs. 2 i. V. m. § 174 Abs. 1 Satz 1 AO und ging zudem von einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung durch den Kläger aus, so dass hier die 10-jährige Verjährungsfrist einschlägig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung verwiesen.

8

Am 29. September 2010 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen 1 K 226/10 Klage erhoben. Auf den parallelen Aussetzungsantrag vom 12. Oktober 2010 gewährte der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. Februar 2011 1 V 245/10 für den Zeitraum November 1999 bis Dezember 2003 Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung stellte der Senat maßgeblich auf unterschiedliche Rechtsprechung der Finanzgerichte zu den verfahrensrechtlichen Grenzen der Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung ab. Auf die näheren Beschlussgründe wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 5. September 2012 hat das Gericht das Ruhen des Hauptsacheverfahrens bis zum Abschluss der beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionssache XI R 42/11 angeordnet. Nach Ergehen des Revisionsurteils hat das Gericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2014 die Fortsetzung des Verfahrens unter dem Aktenzeichen 1 K 213/14 angeordnet.

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Der Kläger macht zuletzt im Wesentlichen geltend: Auch unter Zugrundelegung des BFH-Urteils XI R 42/11 vom 11. Dezember 2013 mangele es an einer Aufhebungsbefugnis der Familienkasse. Sie lasse sich insbesondere nicht auf § 174 Abs. 2 Satz 1 AO stützen. Im Streitfall mangele es bereits an einer doppelten Kindergeldfestsetzung. Unabhängig davon habe der Kläger auch keinen Antrag bzw. keine Erklärung abgegeben, die zur gesonderten Auszahlung des Kindergeldes geführt habe. Der BFH habe zudem ausdrücklich offen gelassen, ob sich eine Aufhebungsbefugnis in Fällen der vorliegenden Art (auch) auf § 70 Abs. 2 EStG stützen lasse.

10

Der Kläger beantragt,
den Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 aufzuheben, soweit er den Zeitraum November 1999 bis Dezember 2004 betrifft.

11

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Die Gründe der Einspruchsentscheidung seien nicht entkräftet. Der Kläger habe die doppelte Kindergeldfestsetzung überwiegend dadurch verursacht, dass er seinen Mitwirkungspflichten nach § 68 EStG nicht nachgekommen sei, indem er den leistungserheblichen Umstand seiner Verbeamtung nicht mitgeteilt habe. Darüber hinaus seien unter den vorliegenden Umständen auch die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG erfüllt.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2015 verwiesen. Die Kindergeldvorgänge und die Besoldungsvorgänge des Finanzverwaltungsamtes sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die durch die Familienkasse der Agentur für Arbeit 1996 erfolgte (unbefristete) Festsetzung des Kindergeldes ist mit Wegfall der sachlichen Zuständigkeit rechtswidrig geworden (1.). Der rechtswidrig gewordene Festsetzungsbescheid konnte rückwirkend gemäß § 70 Abs. 2 EStG korrigiert werden (2.). Einer rückwirkenden Korrektur der Festsetzung stand nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen (3.).

16

1. Die Familienkasse der Agentur für Arbeit war in dem streitigen Zeitraum ab November 1999 sachlich für die Festsetzung von Kindergeld nicht mehr zuständig (§ 72 Abs. 1 EStG). Fehlt die sachliche Zuständigkeit zum Erlass eines Bescheides, so ist dieser rechtswidrig. Anders als in Fällen der fehlenden örtlichen Zuständigkeit gibt es weder Möglichkeiten einer Heilung, noch sieht das Gesetz vor, dass ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit unbeachtlich sein kann. Dementsprechend regelt § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) AO, dass ein Steuerbescheid aufgehoben werden darf, soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist.

17

Dies gilt entsprechend, wenn bei einem Verwaltungsakt mit Bindungswirkung für die Zukunft – hierzu gehört die Festsetzung von Kindergeld (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 13) – ab einem bestimmten Zeitpunkt die sachliche Zuständigkeit entfällt. Mit dem Entfallen der sachlichen Zuständigkeit wird der Verwaltungsakt rechtswidrig.

18

Soweit die Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - vorsah, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers die bisherige Kindergeldfestsetzung nicht berührt werde (DA 72.3.1 DA-FamEStG), kann dahinstehen, ob und unter welchen Umständen eine derartige „Übernahme“ des Regelungsgehaltes eines Festsetzungsbescheides durch die nunmehr sachlich zuständige Behörde denkbar ist. Denn in jedem Fall setzte eine solche "Übernahme" voraus, dass die sachlich zuständige Behörde von dem Vorhandensein des Bescheides Kenntnis hat und sich den Regelungsinhalt des Bescheides zumindest konkludent zu Eigen macht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, BFHE 244, 302, BStBl II 2014, 840; vgl. auch Bundeszentralamt für Steuern, BStBl I 2011, 734). Daran fehlt es hier. Nach Aktenlage hatte die Familienkasse des öffentlichen Dienstes keine Kenntnis davon, dass eine nicht aufgehobene Kindergeldfestsetzung der Familienkasse der Agentur für Arbeit vorlag. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass die Familienkasse des öffentlichen Dienstes die Absicht hatte, den aus der Festsetzung der Familienkasse der Agentur für Arbeit resultierenden Anspruch auf Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes zu erfüllen.

19

Soweit sich der Kläger im Schriftsatz vom 30. März 2015 (erneut) auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Oktober 2009 (12 K 113/09) beruft, hat der erkennende Senat bereits im Beschluss vom 4. Februar 2011 im Verfahren 1 V 245/10 deutlich gemacht, dass er die seinerzeit von einigen Finanzgerichten vertretene Auffassung, die Festsetzung der zunächst sachlich zuständigen Familienkasse werde Grundlage für die Auszahlung der später sachlich zuständigen Familienkasse, nicht teilte. Auch der BFH ist dieser Rechtsprechung nicht gefolgt (Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, a.a.O).

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2. Die Beklagte war auch verfahrensrechtlich befugt, ihre Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab November 1999 aufzuheben und Kindergeld für den Streitzeitraum November 1999 bis Dezember 2004 zurückzufordern. Allerdings bestehen Zweifel an einer Aufhebungsbefugnis gemäß § 174 Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013, BFH/NV 2014, 954). Dies insbesondere deshalb, weil hier keine zweifache Kindergeldfestsetzung erfolgte und sich auch nicht feststellen ließ, dass der Kläger bereits ab November 1999 Kindergeld (auch) gegenüber der Familienkasse des öffentlichen Dienstes beantragte.

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Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn die Berechtigung zur Aufhebung des rechtswidrig gewordenen Bescheides folgt, soweit sie sich nicht unmittelbar aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) AO ergeben sollte, jedenfalls aus § 70 Abs. 2 EStG. Nach dieser Norm ist, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Der Wegfall der sachlichen Zuständigkeit der das Kindergeld festsetzenden Stelle ist ein für den Anspruch auf Kindergeld erheblicher Umstand. Denn anders als bei der örtlichen Zuständigkeit geht es bei der Frage der sachlichen Zuständigkeit darum, gegen welchen Rechtsträger ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei der Frage, wem ein Anspruch auf Kindergeld zusteht, um einen für den Anspruch auf Kindergeld wesentlichen Umstand.

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3. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf Festsetzungsverjährung berufen. Im Streitzeitraum war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, weil unter den vorliegenden Umständen die für Steuerhinterziehung geltende Zehnjahresfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. AO eingreift. Nach Aktenlage bestehen zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine der beteiligten Familienkassen aktiv getäuscht oder sonst auf eine Doppelzahlung hingewirkt hat. Er muss sich jedoch zurechnen lassen, die Beklagte pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG haben Personen, die Kindergeld beantragen, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen. Diese Verpflichtung hat der Kläger verletzt, indem er der Beklagten nichts vom leistungserheblichen Umstand seiner Verbeamtung und der Aufnahme von Kindergeldzahlungen durch die Familienkasse des öffentlichen Dienstes mitteilte, § 68 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. EStG. Hieraus resultiert zugleich eine Verletzung der Verpflichtung aus § 68 Abs. 1 Satz 1,  2. Alt. EStG: In dem vom Kläger unterzeichneten Vordruck des Arbeitsamtes ist unter Ziffer 8 ausdrücklich auch die Frage nach anderweitig erhaltenem Kindergeld gestellt. Diese Frage hatte er bei Ausfüllung des Vordrucks am 14. Februar 1996 zwar zu Recht verneint. Die Verhältnisse haben sich in diesem ausdrücklich nachgefragten und erklärten Punkt jedoch nachträglich, rechtserheblich geändert, so dass er verpflichtet war, die Änderung mitzuteilen.

23

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere der langen Dauer der Doppelzahlungen ist der Senat auch davon überzeugt, dass der Kläger die Änderungsmitteilung vorsätzlich unterließ und damit den Tatbestand einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung verwirklicht hat. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, er habe zwar die Besoldungsmitteilungen zur Kenntnis genommen, in welchen das Kindergeld betragsmäßig ausgewiesen sei, er habe jedoch gedacht, dass es sich bei dem ausgewiesenen Betrag um das von der Familienkasse der Agentur für Arbeit festgesetzte und ausgezahlte Kindergeld gehandelt habe, vermochte dieser Vortrag den Senat nicht zu überzeugen, zumal sich durch einfachste Rechenoperationen feststellen ließ, dass das ausgewiesene Kindergeld in dem Gesamtbetrag enthalten und nicht lediglich nachrichtlich in die Besoldungsmitteilungen aufgenommen worden war.

24

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen hätte die Klage auch im Falle einer lediglich leichtfertigen Steuerverkürzung keinen Erfolg. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war hier gehemmt, da auch die Verfolgung einer vom Kläger begangenen Steuerordnungswidrigkeit noch nicht verjährt gewesen wäre. Nach § 171 Abs. 7 i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung leichtfertiger Steuerverkürzungen verjährt in fünf Jahren (§ 384 AO). Sie beginnt, sobald die Handlung beendet ist; tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 31 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten -OWiG-). "Handlung" war im Streitfall das Unterlassen der Mitteilung an die Familienkasse über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen (vgl. § 8 OWiG), das für die Weitergewährung des Kindergeldes bis zur letztmaligen Zahlung im August 2008 kausal war. Der Erfolg der Handlung i.S. von § 31 Abs. 3 Satz 2 OWiG trat erst mit der letzten Auszahlung ein (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 III R 21/13 BFHE 247, 102; Urteil vom 18. Dezember 2014 III R 13/14, BFH/NV 2015, 948).

25

Die Festsetzungsfrist war somit bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 12. November 2009 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt abgelaufen. Aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldbewilligung war die Beklagte gemäß § 37 Abs. 2 AO auch zur Rückforderung des rechtsgrundlos gezahlten Kindergeldes berechtigt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, BFH/NV 2014, 954).

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat erachtet es für sachgerecht, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 2 EStG auf Fälle der vorliegenden Art noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.


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