Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (3. Senat) - 3 K 154/16

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 07. Juli 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. September 2016 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Kindergeldanspruch der Klägerin für die Tochter A ab August 2016.

2

Mit Bescheid vom 07. Juli 2016 hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Tochter A ab dem Monat August 2016 mit der Begründung aufgehoben, dass die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorliegen würden.

3

Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass sie die für den Nachweis der Kindergeldberechtigung erforderlichen Unterlagen bereits mehrfach eingereicht habe. Ihre Tochter studiere seit dem Monat Mai 2016 Tierphysiotherapie am Institut C in G. Dieses Studium werde A voraussichtlich im Mai 2018 abschließen. Dies sei ein Fernstudium, bei dem jeweils an einem Wochenende im Monat Präsenzschulungen stattfinden würden, während die übrige Zeit auf das Selbststudium zu verwenden sei. Die Schule habe bescheinigt, dass mindestens 24 Wochenstunden erforderlich seien, um das Studium erfolgreich abschließen zu können. An den Präsenzwochenenden würden vereinzelt Lernkontrollen stattfinden, in denen der Stoff der zum Selbststudium zur Verfügung gestellten Unterlagen abgefragt werde. Eine Benotung dieser Lernkontrollen fände nicht statt.

4

Mit Entscheidung vom 20. September 2016 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder beim Kindergeld nicht erfülle. Zumindest seien die Voraussetzungen nicht durchgehend nachgewiesen worden. Als Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Einkommensteuergesetz -EStG- sei die Ausbildung für einen künftigen Beruf anzusehen, z.B. die Ausbildung für einen handwerklichen, kaufmännischen, technischen oder wissenschaftlichen Beruf. In Berufsausbildung befinde sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht habe, sich jedoch ernsthaft auf dieses Berufsziel vorbereite. Die vom Kind absolvierten Ausbildungsmaßnahmen müssten konkret berufsbezogen sein; dies sei insbesondere nicht der Fall, wenn die Vermittlung nur allgemein nützlicher Fertigkeiten oder allgemeiner Lebenserfahrung oder die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund stehe. Die Ausbildung müsse darüber hinaus in ihrer zeitlichen Gestaltung einem von vornherein festgelegten Plan entsprechen. Die freie Selbstausbildung - zu welchem Ausbildungsziel auch immer - sei keine Berufsausbildung. Dies gelte auch dann, wenn der Auszubildende sich zeitweise nach Plan ausbilden lasse, weil es für die Anerkennung als Berufsausbildung nicht auf Teilabschnitte, sondern auf die Gesamtausbildung ankomme. Die Ausbildung müsse ernsthaft betrieben werden, damit sie berücksichtigungsfähig sei. Sie müsse Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in Anspruch nehmen, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt werden könne und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit ausgeschlossen würden. Bei Ausbildungsgängen, die keine regelmäßige Präsenz an einer Ausbildungsstätte erfordern (z. B. Universitäts- und Fachhochschulstudiengänge einschließlich der als Fernstudium angebotenen, anderen Fernlehrgänge), solle die Ernsthaftigkeit durch Vorlage von Leistungsnachweisen (,,Scheine", Bescheinigungen des Betreuenden über Einreichung von Arbeiten zur Kontrolle), die Aufschluss über die Fortschritte des Lernenden geben, nachgewiesen werden. Im vorliegenden Fall besuche das Kind eine Maßnahme, bei der an einem Wochenende im Monat Unterricht in Form von Präsenzunterricht angeboten werde. Im Übrigen finde die Ausbildung als freie Selbstausbildung statt. Nachweise darüber, dass tatsächlich festgelegter Lernstoff existiere und dieser zu bestimmten Zeiten erarbeitet sein müsse, habe die Klägerin nicht eingereicht. Nach Aktenlage könne nicht festgestellt werden, ob sich das Kind tatsächlich ernsthaft auf das Erreichen seines Berufszieles vorbereite.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12. Oktober 2016 beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht erhobenen Klage. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente. Darüber hinaus trägt sie vor, dass ihre Tochter A in ihrem Hause wohne und eine Ausbildung zur Tierphysiotherapie an dem Institut C in G absolviere. Das Kind habe diese Ausbildung mit Wirkung zum 07. Mai 2016 aufgenommen.

6

Zu dem Institut C, G, sei anzumerken, dass dies seit mehr als 15 Jahren als anerkannte Ausbildungsstätte an mehreren Seminarorten eine verbandszertifizierte Ausbildung anbiete, die eine umfassende Fachkompetenz vermittele. Das Institut C sei eine zertifizierte Ausbildungseinrichtung des BVFT (Bundesverband für Tierheilpraktiker, Tierphysiotherapeuten und Tierverhaltenstherapeuten). Der Tätigkeitsschwerpunkt der Ausbildung sowie der beabsichtigten beruflichen Tätigkeit der Tochter der Klägerin liege in der Behandlung von gesundheitlichen Problemen von Tieren, insbesondere von Pferden und Hunden, wie z.B. die Behandlung von Schmerzen im Rücken- und Nackenbereich, degenerative Skeletterkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates, neurologische Erkrankungen, Sehnen- und Bänderverletzungen, Muskelfaserrisse usw.. Das Institut C biete insofern eine umfassende und insbesondere auch bundesweit anerkannte Ausbildung an.

7

Die Ausbildung der Tochter der Klägerin erfolge zum einen in Gestalt einer theoretischen Schulung durch Fernstudium, darüber hinaus allerdings auch über regelmäßig stattfindende praktische Ausbildungstage. Zusätzlich habe das Institut C schriftlich bestätigt, dass an Seminarzeit sowie für Vor- und Nachbereitung der Lerninhalte mindestens 24 Wochenstunden aufgewendet werden müssten. Bei der Ausbildung, in der sich die Tochter der Klägerin befinde, handele es sich um eine äußerst anspruchsvolle und umfangreiche Ausbildung. Zwei Abschlusstests habe A auch bereits erfolgreich bestanden und habe dabei gute und sehr gute Ergebnisse erzielt. An der Ernsthaftigkeit des Kindes, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen, dürften damit keine Zweifel bestehen.

8

Es komme auch nicht darauf an, ob die von A wahrgenommene Ausbildung staatlich anerkannt sei oder nicht. Es komme nur darauf an, ob sie eine solide, qualifizierte Ausbildung wahrnehme. Wesentliche Grundlage für die Anerkennung als Tierphysiotherapeutin des Kindes sei, dass diese erfolgreich an den Seminaren des Instituts teilnehme. Es sei nahezu ausgeschlossen, dass die berufliche Ausbildung erfolgreich absolviert werden könne, wenn das Kind nicht an den vom Institut C angebotenen Seminaren erfolgreich teilnehme und die Vor- und Nachbereitung mit Hilfe der ausgehändigten Materialien nicht im Eigenstudium durchführe. Das Kind müsse mindestens 15 Stunden pro Woche begleitende Studienarbeit tätigen, um entsprechend erfolgreich zu sein.

9

Das Institut C, G habe die Ausbildungskosten für den Studienlehrgang Tierphysiotherapeut für die Studiendauer 01. Mai 2016 bis 30. April 2018 mit einem Betrag in Höhe von X.XXX,XX EUR in Rechnung gestellt, den die Tochter der Klägerin in monatlichen Raten begleiche.

10

Letztlich gäbe es keine gesetzlichen und gerichtlichen Vorgaben über eine tatsächliche Mindestunterrichts- und Ausbildungszeit. Diese habe der Bundesfinanzhof -BFH- nur für Au-Pair-Aufenthalte im Ausland festgelegt. A mache keine Sprachausbildung und befinde sich auch nicht im Ausland. Demgegenüber führe der BFH selbst aus, dass, anders als bei einem Sprachunterricht im Ausland, bei einer Schul-, Universitäts- oder sonstigen klassischen Ausbildung regelmäßig eine Abgrenzung zur reinen Freizeitgestaltung oder zum bloßen Müßiggang oder zu längeren Urlauben oder sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung, nicht erforderlich sei (BFH, Urteil vom 08. September 2016- III R  27/15; vgl. auch BFH, Urteil vom 28. April 2010- III R 93/08-. BFHE 229, 267, BStBI II 2010, 1060; BFH, Urteil vom 18. März 2009 - 111 R 26/06 -, BFHE 225, 331, BStBI 11 2010, 296).

11

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 07. Juli 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. September 2016 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung verweist sie zunächst auf den Inhalt ihrer Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt sie vor, dass eine Maßnahme zur Ausbildung zum Tierphysiotherapeuten kein staatlich geregelter Ausbildungsberuf sei. Die Berufsbezeichnung Tierphysiotherapeut sei auch nicht gesetzlich geschützt. Die Ausbildung selbst unterliege keinen staatlichen oder anzuerkennenden berufsständischen Regelungen. Sie bleibe dem Teilnehmer weitestgehend selbst überlassen. Die Teilnahme an den Wochenendseminaren sei nicht erkennbar verbindlich. Ob Zwischenprüfungen erfolgen würden oder andere Leistungsnachweise erbracht werden müssen, sei nicht nachgewiesen worden. Auch sehe das BBiG keine Trennung zwischen der Ausbildung und dem Ausbildungsberuf vor.

14

Einzelne Lehrgänge für Tierphysiotherapeuten seien zwar über die staatliche Zentralstelle für Fernunterricht staatlich zugelassen. Eine staatliche Zulassung sei aber nicht gleichbedeutend mit einer staatlichen Anerkennung. Zwar seien nach der Dienstanweisung der Beklagten auch die Vervollkommnung und Abrundung von Fähigkeiten und Kenntnissen dienende Maßnahmen einzubeziehen, die außerhalb eines geregelten Bildungsganges ergriffen werden und damit über das vorgeschriebene Maß hinausgehen. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme einem im BBiG geregelten fest umrissenen Bildungsgang entspreche, sie in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sei, auf ein deutsches Studium angerechnet werde oder dem Erwerb von Kenntnissen oder Fähigkeiten diene, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig seien. Die freie Selbstausbildung erfülle aber – unabhängig vom Ausbildungsziel – nicht den Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG. Außerdem genüge der Zeitaufwand von umgerechnet 3,5 Wochenstunden als Ausbildungsaufwand nicht. Ein detaillierter Ausbildungsplan wurde ebenfalls nicht vorgelegt. Die Beklagte könne nicht erkennen, dass die Tochter der Klägerin die Ausbildung ernsthaft betreibe.

Entscheidungsgründe

I.

15

Die zulässige Klage ist begründet.

16

Der Aufhebungsbescheid vom 07. Juli 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. September 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung für das Kind A zu Unrecht ab August 2016 aufgehoben. Denn das Kind befand sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, im Streitzeitraum in Berufsausbildung und hatte eine erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen.

1.

17

Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG ist ein Kind kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, das für einen Beruf ausgebildet wird.

a)

18

Nach der Übernahme des Kindergeldrechts in das EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) hat der BFH den Begriff der Berufsausbildung neu bestimmt und erweiternd ausgelegt (vgl. Grundsatzurteil des BFH vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Danach umfasst dieser Begriff jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. Zur Berufsausbildung gehört z. B. auch die Schulausbildung (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 34/98, BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 705). In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03 in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294, m.w.N.). Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind (BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848). Sie müssen nicht zwingend in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sein, auch muss die Ausbildungsmaßnahme nicht überwiegend Zeit und Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701).

b)

19

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Schulausbildung nicht nur dann anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht. Auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff der Schulausbildung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes a.F. (BSG-Urteile vom 7. September 1988 10 RKg 6/87, juris, und vom 22. November 1994 10 RKg 3/93, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 1995, 234), kann nur eingeschränkt zurückgegriffen werden, da seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung im Kindergeldrecht gilt und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist. Bei der Auslegung ist insbesondere der Zweck des Kindergelds zu berücksichtigen, das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen (vgl. § 31 Satz 1 EStG), weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert wird (vgl. Grundsatzurteil des BFH vom 09. Juni 1999 VI R 33/98 in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, m.w.N.).

2.

20

Nach diesen Grundsätzen stellt das von der Tochter der Klägerin absolvierte (Fern-)Studium eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG dar.

a)

21

Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert die Annahme einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG nicht an dem geringen Umfang von durchschnittlich 3,5 Semesterwochenstunden, die blockweise an einigen Wochenenden während des Semesters durchgeführt wurden.

22

Das Tatbestandsmerkmal der Berufsausbildung enthält kein einschränkendes Erfordernis eines zeitlichen Mindestumfangs von Ausbildungsmaßnahmen. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um Ausbildungsmaßnahmen handelt, die als Grundlage für den angestrebten Beruf geeignet sind. Daher können die konkreten beruflichen Pläne eines Kindes die Würdigung von Tätigkeiten beeinflussen, deren Ausbildungscharakter zweifelhaft ist (BFH-Urteil vom 8. Mai 2014 III R 41/13, BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717). Darüber hinaus kann die Beurteilung als Berufsausbildung entfallen, wenn eine ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf das Erreichen eines bestimmten Berufsziels unterbleibt. Auch die Art der Ausbildungsmaßnahme kann ein Abgrenzungskriterium sein. So kann bei einem Sprachunterricht im Ausland im Hinblick auf die dann erforderliche Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten von einer Berufsausbildung regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn das Kind an einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden teilnimmt (BFH-Urteil vom 09. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Ist hingegen der Auslandaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorgeschrieben oder dient er dazu, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) zu erlangen, kann ein Sprachaufenthalt auch dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht weniger als zehn Wochenstunden umfasst (BFH-Urteil vom 08. Mai 2014 III R 41/13, BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717).

23

Die Grundsätze, die der BFH für die Anerkennung eines Sprachschulunterrichts im Rahmen eines Au-pair-Aufenthalts als Berufsausbildung aufgestellt hat, führen aber zu keiner Mindestgrenze für eine im Inland absolvierte Schul- oder Universitätsausbildung (BFH-Urteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296, Rz 13). Denn anders als bei einem Sprachunterricht im Ausland, ist bei einer Schul-, Universitätsausbildung oder einer sonstigen "klassischen" Ausbildung regelmäßig eine Abgrenzung zur "reinen Freizeitgestaltung oder zum bloßen Müßiggang" (BFH-Urteil vom 08. September 2016 III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl. II 2017, 278; FG München, Urteil vom 18. August 2010 10 K 2169/09, juris) oder zu "längeren Urlauben oder sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung" (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2012 VI R 102/10, BFH/NV 2013, 366) nicht erforderlich. Dementsprechend hat der Senat einen Mindestumfang für die Ausbildungsmaßnahmen beispielsweise für die Vorbereitung auf ein Abitur für Nichtschüler nicht als notwendig angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 02. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).

24

Darüber hinaus sollen nach dem Wegfall des Grenzbetrags in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. zusätzlich Ausbildungsgänge (zum Beispiel Abendschulen, Fernstudium), die neben einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit ohne eine vorhergehende Berufsausbildung durchgeführt werden, begünstigt werden (Gesetzesbegründung zu der ab 1. Januar 2012 geltenden Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG -Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, BGBl I 2011, 2131, BStBl I 2011, 986-, BTDrucks 17/5125, S. 1, 41).

bb)

25

Soweit allerdings Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, indem etwa nur eine "Pro-forma-Immatrikulation" besteht, dürfte eine Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG regelmäßig ausgeschlossen sein. Eine strenge Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Ausbildungsbemühungen trägt dazu bei, Missbrauch zu vermeiden (BFH-Urteil vom 03. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32), erfordert aber auch insoweit keine feste Mindestgrenze im Hinblick auf den zeitlichen Umfang einer Ausbildungsmaßnahme.

b)

26

Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen u. ä. vor, sind an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl. II 2010, 296; BFH-Beschluss vom 09. November 2012 III B 98/12, BFH/NV 2013, 192 f.). Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten.

27

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht das Gericht davon aus, dass sich die Tochter der Klägerin über den Monat August 2016 hinaus (noch) in Ausbildung befand. Im Streitfall ist das Gericht davon überzeugt, dass die Tochter der Klägerin ihr Studium nachhaltig und ernsthaft betrieben hat. Der Umstand, dass das Institut C keine staatlich anerkannte Hochschule ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Dieses Institut ist unstreitig von der staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht zum Abhalten von Lehrgängen zugelassen. Die IHK zertifiziert einzelne Lehrgänge, u. a. auch den Lehrgang der Tochter der Klägerin zum Tierphysiotherapeuten.

28

Darüber hinaus ist ein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Betreibens der Ausbildung durch die Tochter der Klägerin auch der Umstand, dass diese eine nicht unerhebliche Studiengebühr bezahlt, um überhaupt an den Lehrgängen teilnehmen zu können. Dass die Tochter der Klägerin einen Betrag in Höhe von X.XXX,XX € für die Freizeitgestaltung zahlt, hält das Gericht für abwegig.

29

Es ist auch schwer vorstellbar, dass das Kind aus reinem Freizeitvergnügen den Skelett-aufbau von Pferden und Hunden gelernt hat, um sich dann einer Lernkontrolle zu unterziehen.

30

Es mag zwar sein, dass der Beruf „Tierphysiotherapeut“ kein staatlich anerkannter Beruf ist und die Berufsbezeichnung auch nicht besonders geschützt wird. Dennoch ist gerichtsbekannt, dass dieses Berufsfeld existiert und die Tochter der Klägerin nach entsprechendem Abschluss also als Tierphysiotherapeutin arbeiten kann.

31

Die Ausbildung beinhaltet nach dem Akteninhalt zumindest die Physis von Pferden und Hunden. Auf diese Kenntnisse aus diesem Fernstudium kann sich auch ein Studium der Tiermedizin an einer Hochschule bzw. Universität anschließen und darauf aufbauen. Die Tochter der Klägerin erfüllt die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen. Sie hat ihre Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen. Da nach der ständigen Rechtsprechung des BFH alle Maßnahmen mit einzubeziehen sind, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind, geht das Gericht im Streitfall davon aus, dass sich die Tochter der Klägerin in einer Berufsausbildung befindet, da sie ihre Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03 in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294, m.w.N.).

II.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III.

33

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben (§ 115 Abs. 2 FGO).

IV.

34

Die Entscheidung ergeht gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung und gem. § 79 a Abs. 3, 4 FGO durch die Berichterstatterin anstelle des Senats.


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