Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 8 Ta 562/20
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 29. September 2020 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 16. September 2020 – 1 Ca 471/20 – abgeändert. Der Verfahrens- und Vergleichswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
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G r ü n d e :
2Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Wertfestsetzung für ein durch Vergleich erledigtes, das Umschulungsverhältnis der Parteien betreffendes Bestandsschutzverfahren.
3I.
4Der Kläger und der Beklagte, der mit seinem inhabergeführten Institut regional als Bildungsträger tätig ist, begründeten mit Wirkung zum 11. Februar 2019 einen auf den 10. Februar 2021 befristeten Umschulungsvertrag im Berufsbild einer Fachkraft für Lagerlogistik. Der Kläger erhielt vereinbarungsgemäß keine Vergütung, sondern bezog im fraglichen Zeitraum Leistungen nach dem SGB III. Eine Übernahme der Lehrgangskosten in Höhe von insgesamt 13.041,00 € hatte die Agentur für Arbeit dem Beklagten nach § 83 Abs. 2 SGB III unmittelbar zugesagt. Die Förderung wurde mit Wirkung zum 29. Februar 2020 eingestellt. Mit Schreiben vom 3. März 2020 kündigte der Beklagte das Umschulungsverhältnis außerordentlich-fristlos unter Bezugnahme auf sein Kündigungsrecht bei grobem Verstoß bzw. schwerem Fehlverhalten des Teilnehmers. Gegen diese Kündigung des Umschulungsverhältnisses wandte sich der anwaltlich vertretene Kläger mit am 10. März 2020 beim Arbeitsgericht Herne anhängig gemachter Feststellungsklage. Im Gütetermin vom 6. Juli 2020 schlossen die Parteien einen Prozessvergleich. Hinsichtlich der Einzelheiten insoweit wird auf die über den Termin errichtete Sitzungsniederschrift (Bl. 93/94 d. A.) Bezug genommen.
5Mit Beschluss vom 16. September 2020 setzte das Arbeitsgericht den Verfahrens- und Vergleichswert nach „§ 23 Abs. 3 RVG“ auf 1.630,13 € fest. Zur Begründung bezog es sich darauf, dass das Bestandsschutzinteresse hier entsprechend § 42 Abs. 2 S. 1 GKG nicht nach dem Vierteljahresverdienst des Klägers, sondern mangels Zahlung einer Vergütung nach dem auf einen entsprechenden Zeitraum entfallenden Teilbetrag der Lehrgangskosten zu bemessen sei (13.041,00 € : 24 Monate x 3 Monate).
6Gegen diese Festsetzung wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit seiner am 29. September 2020 bei Gericht eingegangenen, aus eigenem Recht aufgerufenen Beschwerde. Er macht geltend, dass sich das Interesse an der Aufrechterhaltung des Umschulungsverhältnisses vorliegend nach der gesamten maßnahmebezogenen Fördersumme bestimme, zumal der Kläger den Lehrgang im Falle des Obsiegens nochmals vollständig hätte durchlaufen müssen.
7Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
8II.
9Die nach § 32 Abs. 2 RVG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 S. 1 GKG an sich statthafte, rechtzeitig erhobene und im Übrigen zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 16. September 2020 hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.
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1. Der Gebührenstreit ist vorliegend auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 RVG iVm. §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 GKG festzusetzen. Gem. § 48 Abs. 1 GKG bestimmt sich der Gebührenstreitwert einer vermögensrechtlichen Streitigkeit nach Maßgabe der für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts geltenden Vorschriften, §§ 3 ff ZPO, soweit nichts anderes bestimmt ist. Von einer vermögensrechtlichen Streitigkeit ist hier auszugehen, weil das Klageinteresse auf die Fortsetzung der Umschulung und damit letztlich auf die Eröffnung dem Berufsbild entsprechender Einkommensmöglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung zielt. Eine besondere Bemessungsvorschrift iSd. § 48 Abs. 1 GKG für die Wertbestimmung bei Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen von Arbeitsverhältnissen ist in § 42 Abs. 2 S. 1 GKG normiert. Danach ist der Gebührenstreitwert einer Bestandsstreitigkeit im Sinne der Norm auf den Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres insgesamt zu leistenden Arbeitsentgelts als dem insoweit – maximal und in Abhängigkeit vom jeweiligen Streitgegenstand – anzusetzenden Höchstbetrag begrenzt. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG weicht als Spezialvorschrift von § 9 ZPO ab und dient der Wert- und damit der Gebührenbegrenzung im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus sozialen Zwecken (Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Auflage 2020, § 42 GKG Rn 2 m. w. N.). Bezugsgröße ist dabei das Einkommen aus dem Rechtsverhältnis der Parteien.
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2. Für das Berufsausbildungsverhältnis und damit über § 1 Abs. 5 BBiG auch das privatrechtliche begründete Umschulungsverhältnis gelten nach § 10 Abs. 2 BBiG ergänzend die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze. Dementsprechend weisen §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 1 ArbGG Streitigkeiten über den Bestand des Berufsausbildungsverhältnisses der Arbeitsgerichtsbarkeit zu. Dies führt im Falle der Bestandsstreitigkeit über ein Berufsausbildungsverhältnis hinsichtlich der Gebührenfrage unmittelbar zur Anwendbarkeit des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG, wofür auch die vergleichbare Interessenlage und die mindestens ebenso begründete Schutzbedürftigkeit einer in laufender Berufsausbildung befindlichen Person spricht.
Der Gebührenstreitwert einer entsprechenden Bestandsstreitigkeit ist deshalb nach dem Vierteljahresverdienst aus dem Ausbildungsverhältnis zu bemessen. Fehlt es an einem solchen, etwa weil der Auszubildende bzw. Umschüler wie hier ausschließlich Sozialleistungen bezieht, ist ein der für das Vierteljahr fiktiv zu zahlenden Ausbildungsvergütung entsprechender Betrag anzusetzen, um die aus § 42 Abs. 1 S. 1 GKG ersichtliche gesetzliche Wertung und Anordnung gleichmäßig umzusetzen. Dieser beläuft sich vorliegend auf 3.000,00 €, wobei zur Bemessung auf den Hinweis der Beschwerdekammer vom 6. November 2020 Bezug genommen wird.
15Eine Wertbestimmung nach den auf das Vierteljahr entfallenden, drittfinanzierten Umschulungskosten scheidet hingegen gem. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG aus. Denn deren Höhe bestimmt sich nach einem Rechtsverhältnis außerhalb der privatrechtlichen Beziehung der Parteien und ist – je nach Art des Lehrgangs und der Höhe der zu seiner Durchführung veranlassten Kosten – als Bezugsgröße zur Bemessung des wirtschaftlichen Interesses der klagenden Partei am Bestand des Rechtsverhältnisses und mit Blick auf die Begrenzungsfunktion des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG ungeeignet. Dies gilt – gerade wegen der gesetzlich bewusst angeordneten Wert- und damit Gebührenbegrenzung – für eine Wertbestimmung nach den gesamten Lehrgangskosten erst recht.
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3. Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens und der Ausschluss der Kostenerstattung ergeben sich unmittelbar aus § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 68 Abs. 3 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
19Gegen diese Entscheidung ist nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG kein Rechtsmittel statthaft.
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Referenzen
- §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 S. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 3 ff ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren 1x
- ArbGG § 5 Begriff des Arbeitnehmers 1x
- §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen 1x
- § 42 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 83 Abs. 2 SGB III 1x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 2 S. 1 GKG 6x (nicht zugeordnet)
- RVG § 32 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren 4x
- § 48 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 5 BBiG 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 2 BBiG 1x (nicht zugeordnet)
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