Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamburg (8. Kammer) - 8 TaBV 4/15
Tenor
1) Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24.02.2015 (19 BV 16/14) wird zurückgewiesen.
2) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird in entsprechender Anwendung von § 69 II ArbGG auf die Feststellungen unter A im Beschluss des Arbeitsgerichts (Bl. 174 – 180 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Anfechtung für begründet gehalten. Der Wahlvorstand habe seine Pflicht zur unverzüglichen Beanstandung i.S.v. § 7 II 2 WO verletzt, indem er es unterließ, den Listenvertreter der Liste „M. i. F.“ auf die Bedenken gegen die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften hinzuweisen, die sich aus der wiederholten Heftung von Wahlvorschlag und Stützunterschriften ergaben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe unter B des Beschlusses (Bl. 180 – 189 d.A.) Bezug genommen.
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Gegen den am 24.02.2015 verkündeten und dem Antragsgegner am 23.03.2015 zugestellten Beschluss hat dieser am 07.04.2015 Beschwerde eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 26.06.2015 – an diesem Tag begründet.
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Der Betriebsrat meint, das Arbeitsgericht habe die Anfechtung zu Unrecht für begründet gehalten. Von den 80 Stützunterschriften für die Liste „M. i. F.“, die am 28.02.2014 eingereicht worden seien, hätten sich die meisten auf Blättern befunden, die keinen Hinweis auf eine bestimmte Liste enthielten. Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Prüfpflicht des Wahlvorstands gemäß § 7 II WO verkannt, indem es den Wahlvorstand für verpflichtet gehalten habe, allein aus der wiederholten Heftung von Wahlvorschlag und Stützunterschriften auf einen nicht ordnungsgemäßen Wahlvorschlag zu schließen. Der Wahlvorstand habe seine Verpflichtung insoweit durch seine Nachfrage vom 04.03.2014 erfüllt, mit deren Beantwortung er sich zunächst zufrieden gegeben habe. Erst nachdem am 07. und am 10.03.2014 Mitarbeiter angezeigt hätten, ihnen habe bei Abgabe der Stützunterschrift kein Wahlvorschlag vorgelegen, habe sich die Einschätzung des Wahlvorstands verändert. Da die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen bereits am 03.03.2014 abgelaufen gewesen sei, sei der Wahlvorstand nicht verpflichtet gewesen, den Wahlvorschlag sogleich zurückzuweisen. Dies gelte unabhängig von der gemäß § 8 II Nr. 3 WO gesetzten Nachfrist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung der Beschwerde nebst Anlagen (Bl. 253 – 274 d.A.) Bezug genommen.
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Der Betriebsrat beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24.02.2015 (19 BV 16/14) aufzuheben und die Anträge zurückzuweisen.
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Die Beteiligten zu 1 – 4 beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Auf die Beschwerdeerwiderung vom 30.09.2015 (Bl. 284 – 287 d.A.) wird Bezug genommen.
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II. Die Beschwerde ist gemäß § 87 I ArbGG statthaft. Sie ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (S. 9 – 18 des Beschlusses) an. Ergänzend ist lediglich auf das Vorbringen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz einzugehen.
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1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Wahlvorstand gemäß § 7 II WO verpflichtet ist, eingehende Wahlvorschläge unverzüglich zu prüfen und die Listenführer auf etwaige Mängel hinzuweisen. Dies gilt auch für nicht heilbare Mängel, sofern die fristgemäße Einreichung eines neuen Wahlvorschlags noch möglich ist. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Wahlvorschlag die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften hat, ist eine physikalisch feste Verbindung mehrerer Blätter nicht zwingend erforderlich. Ein Vorschlag ist jedoch zurückzuweisen, wenn bereits bei oberflächlicher Betrachtung deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass Vorschlag und Stützunterschriften nicht in der gebotenen Weise miteinander verbunden waren.
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2. Von solchem einen offensichtlichen Mangel ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Die Beschwerde weist selbst darauf hin, dass die Blätter nicht nur mehrfach geheftete worden waren, sondern dass sich die Unterschriften 21 bis 80 auf Blättern befanden, die auch im Text keinen Bezug zu einer bestimmten Kandidatenliste enthielten. Diese Umstände allein hätten den Wahlvorstand veranlassen müssen, den Listenführer noch vor Ablauf der Einreichungsfrist auf den unheilbaren Mangel hinzuweisen. Eine Nachfrage nach Ablauf der Einreichungsfrist war nicht ausreichend. Auf die Frage, ob der Wahlvorstand seine Bedenken nach Beantwortung der Nachfrage zunächst zurückstellen durfte, kommt es nicht an.
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3. Die Beschwerde weist selbst zu Recht darauf hin, dass es sich beim Fehlen der erforderlichen Anzahl an Stützunterschriften um einen nicht behebbaren Mangel i.S.v. § 8 I Nr. 3 WO handelt. Der Wahlvorstand ist in solchen Fällen gemäß § 7 II 2 WO verpflichtet, den Listenvertreter unverzüglich auf diesen Umstand hinzuweisen. Er darf hierbei die Frist von 2 Werktagen nicht ausschöpfen, wenn dadurch dem Listenführer die Möglichkeit genommen wird, innerhalb der Einreichungsfrist einen gültigen Vorschlag einzureichen, sofern dem Wahlvorstand eine zügigere Bearbeitung möglich ist.
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Im vorliegenden Fall war der Vorschlag bereits am Freitag, dem 28.02.2014 beim Wahlvorstand eingegangen. Ausweislich der noch am gleichen Tag erfolgten Beanstandung eines offensichtlichen Schreibfehlers hat der Wahlvorstand auch noch am 28.02.2014 den Wahlvorschlag geprüft. Weshalb zu diesem Zeitpunkt die mehrfache Heftung nicht angesprochen wurde, ist nicht nachvollziehbar, weil insoweit bis zum 04.03.2014 keine neuen Erkenntnisse vorlagen. Durch die Nachfrage vom 04.03.2014 hat der Wahlvorstand seine Pflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, weil sie erst nach Ablauf der Einreichungsfrist erfolgte, obwohl ein nicht behebbarer Mangel nahe lag.
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4. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann das Fehlverhalten des Wahlvorstands für den Ausgang der Wahl relevant gewesen sein, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschwerdeführer bei rechtzeitiger Beanstandung am 28.02. oder spätestens am 03.03.2014 noch in der Lage gewesen wären, innerhalb der Einreichungsfrist einen ordnungsgemäßen Wahlvorschlag einzureichen.
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5. Ob der Wahlvorstand mit seiner Entscheidung bis zum 10.03.2014 zuwarten durfte oder gehalten war, auf das erste Schreiben eines Mitarbeiters zu reagieren, der Mängel bei der Sammlung der Stützunterschriften bekundete, kann dahinstehen. Da beide Schreiben nach Ablauf der Ausschreibungsfrist eingingen, wäre ein evtl. danach eingereichter neuer Vorschlag ohnehin nach § 8 I Nr. 1 WO zurückzuweisen gewesen. Daran ändert auch die vom Wahlvorstand gesetzte Nachfrist nichts, da diese nur der Behebung eines heilbaren Mangels diente. Soweit die Kammer im Rahmen der Anhörung der Beteiligten erwogen hat, eine andere Rechtsauffassung zu vertreten, wird daran nicht festgehalten.
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III. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (vgl. BAG v. 02.10.2007 – 1 ABR 59/06 – NZA 08, 372, Tz 11; Matthes/Spinner in Germelmann u. a. ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 84 Tz 31).
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IV. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Die Beschwerdekammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die rechtlichen Erwägungen, auf denen die Entscheidung beruht, haben keine grundsätzliche Bedeutung i. S. v. §§ 92 I i. V. m. 72 II Nr. 1 ArbGG.
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