Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 12 Ta 347/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin werden die Streitwertbeschlüsse des Arbeitsgerichts Siegburg vom 6. Oktober 2015 - 1 Ca 191/15 - aufgehoben.
Der Gebührenstreitwert wird für das Verfahren beim Arbeitsgericht Siegburg - 1 Ca 191/15 - auf insgesamt 138.815,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über die Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG.
4Die Klägerin erhob am 8. Januar 2015 - im Antrag unbegrenzt - Vollstreckungsabwehrklage mit einstweiligem Vollstreckungsschutzantrag gegen die Vollstreckung des Beklagten aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Dezember 2014. Es verurteilte sie zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 100.000,00 Euro brutto sowie zur Zahlung von Lohn in Höhe von 15.679,17 Euro brutto an den Beklagten. Am 18. Dezember 2014 rechnete sie 35.763,48 Euro netto auf den Titel ab, zahlte diesen Betrag aus und erklärte mit anderen Gegenforderungen (bereits gezahlter Lohn für die vier Monate nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses) am 15. Dezember 2014 die Aufrechnung in Höhe von ca. 22.150,00 Euro netto. Den titulierten Lohnanspruch in Höhe von 15.679,17 Euro brutto hatte sie bereits Ende April 2014 auf das arbeitsgerichtliche Urteil gezahlt.
5Am 23. Dezember 2014 beantragte der Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung des LAG-Urteils.
6Die Klägerin hat vorgetragen, die Ansprüche seien entweder bereits erfüllt oder durch Aufrechnung erloschen. Es habe keinerlei Anlass zur Zwangsvollstreckung gegeben.
7Der Beklagte hat sich gegen die Vollsteckungsabwehrklage damit verteidigt, dass eine Verrechnung oder Aufrechnung ausscheide.
8Das Arbeitsgericht hat durch rechtskräftiges Urteil vom 9. Juli 2015 die Zwangsvollstreckung in Höhe von 107.752,25 Euro für unzulässig erklärt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat der Klägerin 22 % der Kosten auferlegt. In den Gründen führte es aus, dass nicht die Gesamtforderung zwischen den Parteien streitig gewesen sei. Der Beklagte habe keine Zahlungen bestritten. Beim Tenor habe die Kammer zur besseren Verständlichkeit auf die Gesamtforderung abgestellt. Die Zwangsvollstreckung sei nur noch in Höhe von 7.926,92 Euro brutto nebst Zinsen zulässig. Der Beklagte könne für die Prozessbeschäftigung Vergütung verlangen. Insoweit gehe die Aufrechnung der Klägerin ins Leere. In Bezug auf die bereits gezahlten 15.679,17 Euro brutto sei die Vollstreckung ebenfalls nicht unzulässig. Den Urteilsstreitwert hat es auf 36.050,04 Euro festgesetzt.
9Den Gebührenstreitwert hat die Vorsitzende im Nachgang für den Hauptantrag auf 36.050,04 Euro festgesetzt und für den Antrag nach § 769 ZPO in einem gesonderten Beschluss auf 7.210,00 Euro. Der Beschwerde der Klägerin hat sie nicht abgeholfen.
10II.
11Die nach § 68 Abs. 1 GKG zulässige - insbesondere fristgemäß innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Hauptsache eingelegte - und statthafte Streitwertbeschwerde - der Beschwerdewert in Höhe von200,00 Euro ist bei der vorliegenden Streitwertdifferenz auch bei einer Kostenquote von 22 % überschritten (Anlage 2 GKG und die Gebührendifferenz des Anwalts vgl. Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann GKG ua. 3. Aufl. § 68 Rn. 6) - ist begründet.
121. Die getrennte Festsetzung von Gebührenstreitwerten nach abgrenzbaren Teilen in einem einheitlichen Verfahren kann zwar zulässig sein (Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann GKG ua. 3. Aufl. § 63 Rn. 12). Das Beschwerdegericht setzt den Streitwert hier allerdings einheitlich fest. Wenn in einem Verfahren Anträge nach § 767 und § 769 ZPO gemeinsam gestellt werden, können sie auch gemeinsam vom Gericht beschieden werden (§ 770 Satz 1 ZPO). Das gilt dann auch für den Streitwert.
132. Nach § 63 Abs. 1 GKG belief sich der Gebührenstreitwert auf die festgesetzte Summe von 138.815,00 Euro. Der Hauptantrag nach § 767 Abs. 1 ZPO war mit 115.679,17 Euro - wie vom Landesarbeitsgericht ohne Zinsen tituliert - und der Antrag nach § 769 ZPO mit einem Fünftel hieraus, also 23.135,83 Euro, der Gebührenstreitwert also insgesamt mit 138.815,00 Euro festzusetzen.
14a) Mangels besonderer Vorschriften im GKG zum Verfahren nach § 767 und § 769 ZPO richtet sich die Wertfestsetzung nach den Vorgaben der ZPO, dort insbesondere nach § 3 ZPO. Der Wert einer Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich dann nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung (BGH 20. September 1995 - XII ZR 220/94 -). In diesem Umfang entscheidet der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs einschließlich etwaiger Rückstände ohne Zinsen und ohne Kosten des Vorprozesses (BGH 18. März 1981 - IVb ZR 585/80 -; Zöller/Herget ZPO 31. Aufl. § 3 Rn. 16 Vollstreckungsabwehrklage). Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen. Da der Streitgegenstand ausschließlich vom Kläger der Vollstreckungsgegenklage bestimmt wird, kommt es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig wird. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Klagebegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll; dann ist dieser Betrag zugrunde zu legen (BGH 17. September 2014- XII ZB 284/13 -; 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 -).
15b) Aus den Anträgen der Klägerin und der Klagebegründung ergibt sich nicht, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden sollte.
16aa) Anders als das Ausgangsgericht meint, ergibt sich eine solche Begrenzung weder aus der Klagebegründung noch aus den Anträgen. Zwar mag das Schreiben des Klägervertreters vom 15. Dezember 2014 Anlass für die Annahme geboten haben, in welchem Umfang die Parteien später im Kern streiten würden - nämlich über die Anrechnung der Vergütung für die erzwungene Beschäftigung in der Zeit nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings konnte weder die Klägerin nach ihrer Begründung bei der Antragstellung noch das Gericht davon ausgehen, dass nur dieser Teil in Streit stehen würde. Denn die Anträge waren unbegrenzt und sind es auch geblieben. Die Klägerin führte auch den Aspekt der Erfüllung durch zwei unterschiedliche Zahlungen als zentralen und relevanten Einwand im Wege der Vollstreckungsabwehrklage von Anfang an in das Verfahren ein. Für den vollen Angriff spricht ebenfalls, dass die Klägerin in ihrer Klageschrift den Streitwert in voller Höhe der titulierten Forderungen angesetzt hat.
17bb) Der Begründung der Klage lässt sich ebenso wenig eine Begrenzung auf einen bestimmten Teil der titulierten Forderungen entnehmen. In der Klageschrift bezog sich die Klägerin darauf, der Beklagte habe sich nach Erhalt ihres Schreibens und nach den Zahlungen nicht erklärt, sondern vielmehr eine Ausfertigung des Urteils zur Vollstreckung beantragt. Mit der nur wenige Tage später eingereichten Vollstreckungsgegenklage wollte sich die Klägerin erkennbar umfassend gegen eine drohende Zwangsvollstreckung wehren. Da der Streitgegenstand aber ausschließlich von der Klägerin bestimmt wird, kommt es - wie gesehen - auch nicht darauf an, ob eine Teil-Erfüllung der titulierten Forderung im Verlauf des Verfahrens unstreitig geworden ist. Die spätere Hinnahme der Erfüllung im Verfahren durch den Beklagten ist damit unerheblich.
18c) Die Abwehr der Zinsforderungen ist nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 1 GKG.
19d) Der Antrag nach § 769 ZPO ist aufgrund § 3 ZPO mit einem Fünftel des Hauptsachewerts anzusetzen (23.135,83 Euro). Dies überschreitet regelmäßig die Grenzen des Ermessens nicht (vgl. BGH 28. Mai 1991- IX ZR 181/90 -; Zöller/Herget ZPO 31. Aufl. § 3 Rn. 16 Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung).
204. Da die Beschwerde nach § 68 Abs. 3 GKG gebühren- und kostenerstattungsfrei ist, bedarf es keiner Kostenentscheidung.
215. Für die Zulassung einer weiteren Beschwerde bestand kein Anlass, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG. Die Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung.
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Referenzen
- § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 68 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- XII ZR 220/94 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ca 191/15 2x (nicht zugeordnet)
- § 68 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 770 Einstweilige Anordnungen im Urteil 1x
- § 43 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 767 Vollstreckungsabwehrklage 1x
- § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- IX ZB 310/04 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 769 Einstweilige Anordnungen 4x
- IX ZR 181/90 1x (nicht zugeordnet)
- XII ZB 284/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 63 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 2x