Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 8 Sa 904/20
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.09.2020 – 20 Ca 6385/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über Leistungen aus einer Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan.
3Die Beklagte ist eine große Fluggesellschaft. Sie hatte sich dazu entschlossen, den Stationierungsort D für das Kabinenpersonal zum 30.03.2019 zu schließen. Hierzu hat sie mit der Gruppenvertretung Kabine, welche betriebsverfassungsrechtlich gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit dem Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) zuständig ist, mit Datum vom 19.07.2018 eine „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes D (DUS) für das Kabinenpersonal“ (im Folgenden: BV IASP) abgeschlossen. In dem ersten Abschnitt der Betriebsvereinbarung – Interessenausgleich – werden im Wesentlichen Ziele und Maßnahmen der Betriebsänderung beschrieben. Im zweiten Abschnitt – Sozialplan – werden Ansprüche der Mitarbeiter zur Abmilderung der sozialen Folgen der Betriebsänderung geregelt. Die BV IASP wird in Bezug genommen. In § 9 der BV IASP ist unter anderem Folgendes geregelt:
4Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen wählen:
5I. Leistung bei einer Versetzung nach F oder M
6II. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung
7Unter I. – Leistungen bei einer Versetzung nach F oder M ist unter anderem Folgendes geregelt:
81. Aufwandspauschale für alle Mitarbeiter
9Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes erhält Ihr Mitarbeiter - ungeachtet des Beschäftigungsquotienten - eine Pauschale in Höhe von 6.000,00 € Brutto.
102. Mobilitätsleistungen:
11Varianten zur Abmilderung möglicher individueller Folgen der Versetzung in Abhängigkeit vom Beschäftigungsquotienten
12Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit, zwischen nachfolgend aufgeführten Leistungen zu wählen, die der Höhe nach vom individuellen Beschäftigungsquotienten abhängig sind.
13Die Wahl erfolgt verbindlich im Rahmen der Mitarbeiterbefragung für die gesamte Laufzeit der Varianten und kann nicht widerrufen oder verändert werden.
14Varianten:
15...
16Hotelunterbringung am neuen Stationierungsort für drei Jahre.
17Der Mitarbeiter kann bei allen vorangehend aufgeführten Varianten eine Hotelunterbringung am neuen Stationierungsort für die Dauer von drei Jahren unter Reduzierung der Auslagenpauschale um insgesamt 4.800,00 € wählen. Bei Teilzeit wird dieser Betrag entsprechend der im vorgenannten Absatz genannten Prinzipien gekürzt.
18Im Nachgang zu der BV IASP schloss die Beklagte mit der Gruppenvertretung Kabine noch eine Protokollnotiz ab, in welcher es in Ziffer 5 wie folgt heißt:
19L bucht bezüglich der Option "Hotelunterbringung am neuen Stationierungsort für drei Jahre" entsprechende Hotelkontingente. Mitarbeiter, welche die Option Hotelunterbringung gewählt haben, rufen die benötigte Hotelunterbringung über einen Ansprechpartner bei L ab. Das konkrete Verfahren zur Buchung dieser Hotelunterbringung wird dem Mitarbeiter frühzeitig mitgeteilt. L stellt sicher, dass ausreichend Hotelkontingente zur Verfügung stehen. Sollte das Kontingent im Ausnahmefall erschöpft sein, organisiert L dem Mitarbeiter im jeden Fall ein Hotelzimmer. Der Mitarbeiter muss hierfür nicht in Vorkasse treten.
20Die Beklagte gab außerdem in Abstimmung mit der Gruppenvertretung Kabine „FAQ“ mit einem Stand vom 31.08.2018 heraus. Dort heißt es in Ziffer 22:
21Wie viele Hotelübernachtungen können pro Monat/pro Jahr in Anspruch genommen werden?
22Die Anzahl ist grundsätzlich unbegrenzt. Voraussetzung ist jedoch immer das Vorliegen eines dienstlichen Anlasses (Übernachtung vor Dienstantritt oder nach Dienstschluss).
23Unabhängig davon veröffentlichte die Beklagte unter dem 07.09.2018 "Fragen und Antworten zum IA/SP zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes Düsseldorf", in dem es auszugsweise wie folgt heißt:
24(D) Hotel
251. Wie ist das allgemeine Verfahren zur Hotelbuchung
26Gdrs. teilt der Mitarbeiter L seine Zimmerwünsche innerhalb von drei Tagen nach Planveröffentlichung per E‑Mail (E‑Mail‑Adresse wird rechtzeitig bekannt gegeben) mit. L bucht die gewünschten Zimmer und leitet die Buchungsbestätigung per E‑Mail an den Mitarbeiter. Die Rechnung wird direkt von L beglichen.
27…
282. Wer bestimmt, wann eine Hotelübernachtung in Anspruch genommen werden kann?
29Der Mitarbeiter. Voraussetzung für die Nutzung des Hotelkontingentes ist jedoch ein dienstlicher Anlass, d. h. Übernachtung vor dem Dienstantritt oder im Anschluss an den Dienst.
303. Wie viele Hotelübernachtungen stehen dem Mitarbeiter pro Monat zu?
31Unbegrenzt, aber ein dienstlicher Zusammenhang muss bei jeder Übernachtung gegeben sein.
32Mit Datum vom 18.07.2019 sendete die zuständige Führungskraft der Beklagten, Herr B , an sämtliche betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, unter anderem auch an die Klägerin, folgende E-Mail:
33Liebe Kolleginnen und Kollegen,
34von Euch wurde der Wunsch geäußert, doch noch einmal die Bedingungen der Hotelzimmerbuchungen auf einen Blick festzuhalten.
35Dieser Bitte möchten wir mit dieser Mail gerne nachkommen.
36- 37
Es muss für jede Hotelreservierung immer ein dienstlicher Anlass gegeben sein.
- 39
Hotelzimmer für den fliegerischen Einsatz werden immer gebucht, wenn das Briefing vor 10:00 Uhr LT beginnt, bzw. die Umlaufankunft nach 19:00 Uhr LT liegt.
- 41
Bei Reserve‑Lines können Sie auf Anfrage ein Hotelzimmer ab dem Tag der Rufbereitschaft gebucht bekommen (greift erst ab 2020).
- 42
Bodenereignisse laufen analog der Regeln in DUS, also keine Vorabendanreise, aber bei aufeinanderfolgenden Ereignissen ein Zimmer.
- Vorabendanreisen und Tageszimmer sind außerhalb dieser Regeln leider nicht möglich.“
Zwischen der Gruppenvertretung Kabine und der Beklagten bestanden Meinungsverschiedenheiten, wie die Betriebsvereinbarung IASP im Zusammenhang mit der Option Hotelübernachtungen im Hinblick und das genaue Prozedere zu verstehen ist. Hierzu fand am 12.08.2019 eine Besprechung statt, deren Inhalte zwischen den Parteien im Einzelnen streitig sind. Mit E‑Mail vom 23.08.2019 teilte der Rechtsberater der Gruppenvertretung Kabine, der auch gleichzeitig der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist, der Beklagten mit, dass die Gruppenvertretung Kabine weiterhin der Auffassung sei, dass aus der Betriebsvereinbarung IASP im Hinblick auf die Option Hotelunterbringung keine zeitlichen oder inhaltlichen Einschränkungen folgten. Die Beklagte wurde unter anderem aufgefordert, die E-Mail von Herrn B , die eine Einschränkung bzw. zeitliche Vorgabe in Bezug auf Hotelübernachtungen beinhalte, zurückzunehmen und zu kommunizieren, dass diese zeitliche Einschränkung nicht gegeben sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der E-Mail wird diese in Bezug genommen.
45Hierauf antwortete die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten, Frau mit E-Mail vom 30.08.2019 unter anderem wie folgt:
46Sehr geehrter Herr Kollege H ,
47bezugnehmend auf das am 12.08.2019 mit der Personalvertretung geführte Gespräch können wir Ihnen bestätigen, dass die dort vorgeschlagene Lösung geschäftsleitungsseitig unmittelbar im Anschluss an diesen Termin umgesetzt wurde. Darüber hinaus bieten wir gerne an, in regelmäßigen Abständen die Einzelfälle, in denen die dienstliche Veranlassung für die Hotelübernachtung unsererseits abgelehnt wurde, gemeinsam zu besprechen.“
48Die Klägerin ist seit dem 24.02.1992 als Flugbegleiterin für die Beklagte tätig. Bei einem Arbeitsumfang in Höhe von 91,67 % der regelmäßigen Arbeitszeit erhielt sie eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.248,13 €. Die Klägerin war von der Betriebsänderung „Schließung des dezentralen Stationierungsortes betroffen und wählte eine Versetzung an den Stationierungsort M . Gleichzeitig entschied sie sich für die „Option Hotelunterbringung am neuen Stationierungsort“ für drei Jahre unter Reduzierung der Auslagenpauschale. Seit dem 01.04.2019 wird die Klägerin für die Beklagte in M tätig. In der Folgezeit übernahm die Beklagte in mehreren Fällen die Kosten für Hotelübernachtungen der Klägerin.
49Für einen Flug am 06.07.2019 von M nach H (LH 730) um 22:25 Uhr, zu dem das Briefing um 20:45 Uhr stattfand, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten einer Hotelübernachtung vom 05.07. auf den 06.07. ab. Sie begründete dies damit, dass es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen sei, am Morgen des 06.07. nach M anzureisen. Auch für einen Flug am 15.07.2019 von M nach S (LH 726) um 22:25 Uhr, bei welchem das Briefing ebenfalls um 20:45 Uhr stattfand, lehnte die Beklagte die Übernahme der Hotelübernachtung, die von der Klägerin nachgefragt wurde, vom 14.07. auf den 15.07. ab.
50Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.07.2019 und vom 30.07.2019 auf, die zeitlichen Einschränkungen für eine Hotelunterbringung zurückzunehmen. Die Klägerin kündigte an, dass sie sich andernfalls selbst um die Hotels kümmern werde und die Kosten der Beklagten in Rechnung stellen werde.
51Die Beklagte lehnte daraufhin die Übernahme einer Hotelübernachtung vom 31.07. auf den 01.08.2019 ab, welche die Klägerin bei der Beklagten anfragte. Für den 01.08.2019 war die Klägerin für einen Flug von M nach L A (LH 425) um 11:50 Uhr vorgesehen, wobei das Briefing um 10:40 Uhr stattfand. Die Klägerin, die gleichwohl eine Hotelübernachtung in Anspruch nahm, stellte der Beklagten die hierfür aufgewendeten 55,01 € in Rechnung, welche die Beklagte nicht beglich.
52Am 27.11.2019 bat die Klägerin die Beklagte unter anderem um eine Hotelbuchung vom 22.12. auf den 23.12.2019, da sie am 23.12.2019 einen Flug von M nach S F zu bestreiten hatte, wobei das Briefing um 14:50 Uhr stattfand. Die Beklagte lehnte die angeforderte Hotelbuchung vom 22.12. auf den 23.12.2019 ab. Die Klägerin buchte daraufhin selbst ein Hotel in M . Die hierfür entstandenen Kosten in Höhe von 102,00 € ist die Beklagte nicht bereit, zu übernehmen.
53Mit ihrer Klage hat die Klägerin zum einen die Feststellung geltend gemacht, dass die Betriebsvereinbarung IASP keine zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen in Bezug auf die Option Hotelunterbringungen vorsehe und zum anderen den Ausgleich der von ihr verauslagten Hotelkosten begehrt.
54Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
551. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 55,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
562. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für Hotelübernachtungen der Klägerin vor dem Dienstantritt oder im Anschluss an den Dienst gemäß § 9 Ziff. I. Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes D (DUS) für das Kabinenpersonal vom 19.07.2018 i. V. m. mit dem Informationsschreiben "Fragen und Antworten zum IA/SP zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes Düsseldorf" vom 07.09.2018 ohne zeitliche Einschränkung hinsichtlich des Beginns des Mitarbeiterbriefings am Flugtag oder der Landezeit zu übernehmen;
573. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i. H. von 102,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
58Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
59Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich die zeitlichen Einschränkungen aus der Notwendigkeit einer dienstlichen Veranlassung für eine Hotelbuchung ergäben.
60Die Beklagte hat außerdem behauptet, in dem Gespräch vom 12.08.2019 zwischen der Gruppenvertretung Kabine und der Beklagten sei folgender Vorschlag unterbreitet worden:
61Anspruch besteht auf ein Hotelzimmer:
62- 63
Wenn das Briefing des Mitarbeiters von 13:00 Uhr maximal 14:00 Uhr beginnt bzw. nach Ankunft des letzten Flugabschnitts nach 21:00 Uhr endet.
- 65
Anspruch besteht nicht auf ein Tageszimmer für ein z. B. spätes Briefing am gleichen Tag.
- 67
Die gleichen Regelungen gelten auch bei Schulungen und Seminaren.
- 69
Es besteht kein Anspruch auf ein Hotelzimmer bei freiwilligen Seminaren wie z. B. in der Freizeit oder Urlaub.
Mit E-Mail von Frau Fuchs vom 30.08.2019 sei diese Einigung sodann zu Stande gekommen und von der Beklagten fortan umgesetzt worden.
71Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
72Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf das Urteil (Bl. 124 - 136 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiter der Auffassung, die Tatbestandsvoraussetzungen seien im Streitfall nicht erfüllt, da kein „dienstlicher Anlass“ iSv § 9 Ziffer I. Betriebsvereinbarung IASP für die Hotelübernachtungen der Klägerin vorgelegen hätten. Diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass da ein solcher nur sei dahin auszulegen, dass ein „dienstlicher Anlass“ nur bei einer zeitlichen Einschränkung hinsichtlich des Beginns des Mitarbeiter‑Briefings am Flugtag oder hinsichtlich der Landezeit bei Rückkehr vorläge. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei der Auslegung dieser Regelung davon ausgegangen, der Sinn und Zweck sei gewesen „Annehmlichkeiten für eine Zustimmung zu einer Versetzung und die daraus resultierenden Folgen“ zu schaffen. Dies widerspreche den Grundsätzen eines Sozialplans, wonach lediglich wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen würden.
73Das Arbeitsgericht sei auch fehlerhaft davon ausgegangen, dass hinsichtlich der zeitlichen Einschränkungen keine Einigung mit der Personalvertretung stattgefunden hätte. Auf die vom Arbeitsgericht insoweit gerügte Schriftform komme es nicht an.
74In dem Gespräch mit der Personalvertretung des fliegenden Personals am 12.08.2019 sei es um die Ausweitung der Zeiten, in denen die Kosten für eine Hotelübernachtung übernommen werden, gegangen. Nachdem sich die Betriebspartner darauf verständigt hätten, die Hotelkosten auch für Übernachtungen zu übernehmen, bei denen die Briefingzeiten bis 14.00 Uhr und Landungen nach 21.00 Uhr geplant seien, sei dies so in die Praxis umgesetzt worden. Hierüber seien die Mitarbeiter per Mail vom 22.10.2019 unterrichtet worden.
75Die Beklagte beantragt,
76das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
77Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
78Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung.
79Wegen der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
80E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
81I. Die Entscheidung erging gemäß § 128 Abs.2 ZPO mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung.
82II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsgericht schließt sich vollinhaltlich der zutreffenden und überzeugenden Begründung des Arbeitsgerichts an. Die Berufung der Beklagten enthält keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
83Die Klage ist zulässig, insbesondere hat die Klägerin ein Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen, die die Beklagte in der Berufung nicht angreift.
84Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Kosten für Hotelübernachtungen der Klägerin vor dem Dienstantritt oder im Anschluss an den Dienst gemäß § 9 Ziff. I. Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes D (DUS) für das Kabinenpersonal vom 19.07.2018 i. V. m. mit dem Informationsschreiben "Fragen und Antworten zum IA/SP zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes D " vom 07.09.2018 ohne zeitliche Einschränkung hinsichtlich des Beginns des Mitarbeiterbriefings am Flugtag oder der Landezeit zu übernehmen. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin Hotelkosten iHv 55,01 € sowie 102,00 € nebst Zinsen zu zahlen.
851. Der Feststellungsantrag der Klägerin zu 2. ist begründet. Die Klägerin kann die Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für Hotelübernachtungen vor dem Dienstantritt oder im Anschluss an den Dienst ohne zeitliche Einschränkungen hinsichtlich des Beginns des Mitarbeiter-Briefings am Flugtag oder der Landezeit zu übernehmen. Denn die Regelungen der Betriebsvereinbarung IASP sehen im Hinblick auf die „Option Hotelunterbringung“ keine solchen Einschränkungen vor. Solche wurden auch nicht im Nachhinein zwischen der Beklagten und der zuständigen Gruppenvertretung Kabine vereinbart. Dies hat das Arbeitsgericht zu recht mit zutreffender Begründung festgestellt.
86a) Aus § 9 Ziffer I. der Betriebsvereinbarung IASP folgen – auch unter Berücksichtigung der FAQ sowie der Fragen und Antworten zum IA/SP zur Schließung des dezentralen Stationierungsortes D keine Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht zur Übernahme der Kosten für eine Hotelübernachtung. Dies folgt aus einer Auslegung der Betriebsvereinbarung. Das Berufungsgericht schließt sich vollinhaltlich der zutreffenden und überzeugengen Begründung des Arbeitsgerichts an.
87(1) Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung richtet sich wegen ihrer normativen Wirkung gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nach den Grundsätzen der Tarifvertrags‑ und Gesetzesauslegung. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang, die Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung an. Der tatsächliche Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der Betriebsvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 22.10.2019 - 1 ABR 17/18 - Juris m.w.N.).
88(2) Bei der Anwendung dieser Grundsätze kann die Klägerin jeweils eine Hotelzimmerbuchung ohne zeitliche Einschränkung zu Beginn der Arbeit mit dem Briefing bzw. der Landezeit bei Rückkehr verlangen. Voraussetzung ist alleine, dass eine dienstliche Veranlassung für die Hotelbuchung besteht.
89Bereits der Wortlaut von § 9 Ziffer I. Betriebsvereinbarung IASP enthält keine zeitliche Einschränkung hinsichtlich des Beginns des Mitarbeiter-Briefings am Flugtag oder hinsichtlich der Landezeit bei Rückkehr. Der Wortlaut von § 9 Ziffer I. sieht vielmehr vor, dass der Mitarbeiter "eine Hotelunterbringung am neuen Stationierungsort für die Dauer von drei Jahren unter Reduzierung der Auslagenpauschale von insgesamt 4.800,00 € wählen" kann. Wenn über den Wortlaut hinaus, wie die Betriebsparteien letztlich übereinstimmend auch durch die FAQ und die Protokollnotiz zum Ausdruck gebracht haben, eine dienstliche Veranlassung erforderlich ist, bedeutet eine dienstliche Veranlassung gleichwohl keine zeitliche Einschränkung. Das Erfordernis einer dienstlichen Veranlassung bringt lediglich zum Ausdruck, dass es dem jeweiligen Arbeitnehmer nicht zusteht, für die Dauer von drei Jahren ununterbrochen auch aus privatem Anlass ein Hotel in Anspruch zu nehmen. Eine dienstliche Veranlassung besteht hingegen, wenn ein Hotel gebucht wird, um vor Beginn eines Fluges oder nach Rückkehr von einem Flug in einem Hotel übernachtet wird.
90Für ein Verständnis ohne eine zeitliche Einschränkung spricht auch die Systematik der Betriebsvereinbarung. Denn die „Option Hotelunterbringung“ nimmt Bezug auf die "vorangehend aufgeführten Varianten". Auch diese enthalten – abgesehen von der jeweiligen absoluten Dauer der Gewährung – keine zeitlichen Einschränkungen der Leistungen.
91Letztlich entspricht es auch dem Sinn und Zweck der „Option Hotelunterbringung“, keine zeitliche Einschränkung hinsichtlich des Beginns des Mitarbeiter-Briefings am Flugtag oder hinsichtlich der Landezeit anzunehmen. Sinn und Zweck sämtlicher Wahlmöglichkeiten der Betriebsvereinbarung IASP sind darauf gerichtet, Anreize zu schaffen, dass der jeweilig betroffene Arbeitnehmer der Versetzung zustimmt. Die „Option Hotelunterbringung“, welche die Annehmlichkeit der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Hotelübernachtung vor Dienstantritt oder nach Beendigung des Dienstes vorsieht, beinhaltet eben auch, dass die Auslagenpauschale um 4.800,00 € und damit ganz erheblich reduziert wird.
92Diese Argumentation des Arbeitsgerichts verkürzt die Beklagte in sinnentstellender Weise, wenn es in der Berufung heißt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht bei der Auslegung dieser Regelung davon ausgegangen, der Sinn und Zweck sei gewesen „Annehmlichkeiten für eine Zustimmung zu einer Versetzung und die daraus resultierenden Folgen“ zu schaffen. Dies widerspreche den Grundsätzen eines Sozialplans, wonach lediglich wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen würden. Im Übrigen handelt es sich bei der Option Hotelunterbringung“ sehr wohl auch um die Milderung wirtschaftlicher Nachteile durch die Standortschließung. Außerdem stützt das Arbeitsgericht seine zutreffende Auslegung – im Einklang mit der Rechtsprechung – vor allem auf den Wortlaut der Regelung.
93Zu Recht geht das Arbeitsgericht schließlich auch davon aus, dass die Beklagte sich auch nicht auf einen anders lautenden Willen der Betriebsparteien berufen kann. Ein solcher findet in der Betriebsvereinbarung keinen Niederschlag. Im Gegenteil: Weder in der Protokollnotiz noch in den FAQ, welche gemeinsam mit der Gruppenvertretung Kabine abgestimmt wurden, wurde eine zeitliche Einschränkung vorgesehen. Vielmehr wurde lediglich klargestellt, dass Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Hotelübernachtung das Vorliegen einer dienstlichen Veranlassung ist. Wie bereits erörtert, folgt aus diesem Erfordernis jedoch gerade keine zeitliche Einschränkung.
94b) Die so verstandene Betriebsvereinbarung IASP wurde auch nicht nachträglich durch die Betriebsparteien geändert. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt.
95Die Änderung einer Betriebsvereinbarung, die ihrerseits eine Betriebsvereinbarung darstellt, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die von der Beklagten behauptete Änderung der Betriebsvereinbarung wäre demnach bereits formnichtig nach § 125 BGB. Soweit die Beklagte in der Berufung rügt, auf die Schriftform komme es nicht an, fehlt es dazu an einer nachvollziehbaren schlüssigen Begründung.
96Im Übrigen ist die Betriebsvereinbarung von den Betriebsparteien nicht einvernehmlich verändert worden. Das Berufungsgericht folgt auch insoweit vollinhaltlich der zutreffenden und überzeugenden Begründung des Arbeitsgerichts. Denn die Beklagte konnte - auch in der Berufung - eine etwaige Änderung der Betriebsvereinbarung IASP nicht hinreichend darlegen. Sie behauptete lediglich, dass in dem Gespräch vom 12.08.2019 eine Lösung erarbeitet worden sei, ohne jedoch im Einzelnen aufzuzeigen, von wem dieser Vorschlag kam und wie dieser Vorschlag im Einzelnen erörtert wurde. Selbst die Beklagte geht nicht davon aus, dass es bereits in der Besprechung vom 12.08.2019 zu einer Einigung gekommen ist. Vielmehr beruft sie sich auf die E‑Mail von Frau F vom 30.09.2019, in welcher diese bestätigt, dass die vorgeschlagene Lösung geschäftsleitungsseitig unmittelbar umgesetzt wurde. Aus dem Wortlaut der E-Mail kann allenfalls gefolgert werden, dass nunmehr die erforderliche Zustimmung der Geschäftsleitung vorliege und der erörterte Vorschlag nunmehr umgesetzt werden könne. Ob die "vorgeschlagene Lösung" jedoch ein Vorschlag der Gruppenvertretung Kabine war oder aber ob es sich um einen eigenen Vorschlag der Beklagten handele, führt die Beklagte nicht aus. Ebenso äußert sie sich nicht dazu, inwieweit am 30.08.2019 überhaupt noch eine Einigung erfolgen konnte, wo doch die Gruppenvertretung Kabine mit E‑Mail vom 23.08.2019 nochmals ihren eindeutigen Standpunkt darstellte und unmissverständlich ausführte, dass für die Gruppenvertretung Kabine aus der Betriebsvereinbarung IASP keinerlei zeitliche oder inhaltliche Einschränkungen in der „Option Hotelunterbringung“ herausliest.
97Damit setzt sich die Beklagte in der Berufung nicht im Einzelnen auseinander. Sie trägt lediglich – ihren erstinstanzlichen Sachvortrag wiederholend – vor, in dem Gespräch mit der Personalvertretung des fliegenden Personals am 12.08.2019 sei es um die Ausweitung der Zeiten, in denen die Kosten für eine Hotelübernachtung übernommen werden, gegangen. Nachdem sich die Betriebspartner darauf verständigt hätten, die Hotelkosten auch für Übernachtungen zu übernehmen, bei denen die Briefingzeiten bis 14.00 Uhr und Landungen nach 21.00 Uhr geplant seien, sei dies so in die Praxis umgesetzt worden. Hierüber seien die Mitarbeiter per Mail vom 22.10.2019 unterrichtet worden. Eine Einigung der Betriebsparteien ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Dass die Personalvertretung vielmehr ihren Standpunkt, dass die Betriebsvereinbarung keine zeitliche Einschränkung bei der Hotelunterbringung vorsieht, aufrechterhalten hat, geht – wie bereits ausgeführt – klar und unmissverständlich aus der E-Mail vom 23.08.2019 hervor. Ob und mit welchem Inhalt die Beklagte nachträglich die Mitarbeiter - nach ihrer Behauptung mit einer Mail vom 22.10.2019 - informiert hat, ist mangels vorheriger Einigung der Betriebsparteien unerheblich.
982. Auch die Anträge zu 1. und zu 3. sind begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin Hotelkosten iHv 55,01 € sowie 102,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht folgt auch insoweit vollinhaltlich den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, mit denen sich die Beklagte in der Berufung nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat.
99a) Der Anspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.
100Die Beklagte hat ihre Pflichten aus der Betriebsvereinbarung IASP dahingehend verletzt, dass sie entgegen den dortigen Regelungen der Klägerin die Hotelübernachtung abgelehnt hat. Denn wie bereits erörtert ist Voraussetzung für die Übernahme der Übernachtungskosten lediglich das Bestehen einer dienstlichen Veranlassung, ohne jedoch dass es auf die konkreten Zeiten des Mitarbeiter-Briefings ankommen würde. Unstreitig hat die Klägerin 55,01 € für die Übernachtung vom 31.07.2019 auf den 01.08.2019 aufgewendet, wobei sie am 01.08.2019 einen Flug anzutreten hatte. Die Klägerin kann gleichermaßen die von der Beklagten auch die Kosten für die Übernachtung vom 22.12. auf den 23.12.2019 in Höhe von 102,00 € verlangen. Für die Hotelübernachtung besteht damit eine dienstliche Veranlassung. Die Ablehnung der Beklagten erfolgte zu Unrecht.
101Die Übernahme der Hotelübernachtungskosten kann auch nicht nachgeholt werden, so dass die Leistung der Beklagten unmöglich geworden ist im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB. Der daraus entstandene Schaden sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 55,01 €.
102b) Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 291 BGB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 BGB. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
103III. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen(§ 97 Abs. 1 ZPO).
104IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.
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Referenzen
- ZPO § 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches Verfahren 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 20 Ca 6385/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 ABR 17/18 1x (nicht zugeordnet)