Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Kammer) - 3 Sa 226/17

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.556,10 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2017 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die ab dem 01.11.2017 geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent des Bruttostundenlohnes für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder für jeweils 56 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden je zwei bezahlte freie Tage zu gewähren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz gemäß § 288 Absatz 5 BGB in Höhe von 320,00 Euro zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt zu 88 Prozent und die Klägerin zu 12 Prozent die Kosten des Rechtsstreits.

II.

Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zum einen über eine angemessene Entschädigung für geleistete Nachtarbeitsstunden und zum anderen um Zahlungsansprüche aus – wie die Klägerin behauptet – nicht gewährten Pausenzeiten im Rahmen der Erbringung von Nachtarbeit.

2

Die Klägerin ist seit 1998 bei der Beklagten, einem privaten Dienstleister im Bereich der Seniorenbetreuung, beschäftigt. An einigen Standorten bietet die Beklagte auch spezielle Konzepte für pflegebedürftige jüngere Menschen an, so auch am Standort „P.“, an dem die Klägerin eingesetzt ist. Die Klägerin ist examinierte Altenpflegerin mit einer arbeitsvertraglich vereinbarten Grundvergütung von 2.041,67 Euro brutto im Rahmen einer 35 Stundenwoche, woraus sich ein Stundenlohn von 13,44 Euro ergibt. Die Klägerin arbeitet im Schichtdienst, nämlich Tag-, Wechsel- und Nachtdienst. Die Nachtschicht beginnt bei der Beklagten üblicherweise um 20:45 Uhr und dauert bis 06:15 Uhr. Auf Grund einer Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 01.08.1999 zahlt die Beklagte der Klägerin für Nachtarbeit einen Zuschlag in Höhe von 1,08 Euro brutto je Stunde, und zwar für die Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Außerdem besteht bei der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 09.05.2005, in der es – soweit hier von Bedeutung – wie folgt lautet:

3

„11. Zugesagte Zuschläge

4

Den gesamten Mitarbeitern wird arbeitgeberseits zugesagt, soweit nicht individualvertraglich eine günstigere Regelung besteht, dass neben der Zeitgutschrift für die tatsächliche Arbeitsleistung folgende Zeitzuschläge gewährt werden:

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a) für Nachtarbeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr                           1,00 €/Std.“

6

Während der Nachtschicht ist in der Einrichtung „P.“ eine Pflegefachkraft eingesetzt. Diese wird ganz überwiegend (jedoch nicht ausschließlich, so z. B. unstreitig nicht für den 14.07.2017, 15.07.2017 und 16.07.2017) durch eine Pflegehilfskraft unterstützt.

7

In der Einrichtung „P.“ der Beklagten leben chronisch kranke Menschen, wie schwere Alkoholiker und Drogenabhängige. In der Regel sind 42 Personen zu betreuen, wobei der MDK für den überwiegenden Teil dieser Personen die Pflegestufe 2 und teilweise die Pflegestufe 3 festgestellt hat.

8

Die im Rahmen der Nachtschicht zu erbringenden Arbeitsleistungen sind zwischen den Parteien dem Grunde nach – von einigen kleineren Arbeitsschritten abgesehen – ganz überwiegend unstreitig, wobei teilweise unterschiedliche Wertungen hinsichtlich der Dauer und der Intensität bestimmter Arbeitsschritte vorgetragen und teilweise abweichende Angaben zu den Zeitpunkten, zu denen die Arbeiten tatsächlich anfallen, gemacht werden. Auf der Grundlage des erstinstanzlichen Schriftsatzes der Beklagten vom 21.06.2017 (Blatt 107 bis 112 d. A.) stellen sich die dem Grunde nach überwiegend unstreitigen Tätigkeiten, die während der Nachtschicht zu erbringen sind, wie folgt dar:

9

- Dienstübergabe der Fachkraft an den Nachtdienst;
- Hilfe beim Zubettgehen der Bewohner, gegebenenfalls Radio und Fernseher abschalten, zubereiten und gegebenenfalls Hilfe bei der Nahrungsaufnahme;
- erster Kontrollgang, Toilettengänge, Wechsel von Inkontinenzprodukten, Lagern von Bewohnern nach Bedarf, Radio und Fernseher ausschalten von Bewohnern nach Bedarf;
- zweiter Kontrollgang;
- dritter Kontrollgang, Toilettengänge, Wechsel von Inkontinenzprodukten, Lagern von Bewohnern nach Bedarf, Dokumentation in den Bewohnerakten;
- Dienstübergabe der Fachkraft an den Frühdienst

10

Zwischen den Kontrollgängen fallen insoweit unstreitig folgende Tätigkeiten an:

11

- Reinigung und Desinfektion in den Dienstzimmern;
- Reinigung und Desinfektion der Kühlschränke einmal im Monat;
- Temperaturkontrolle der Kühlschränke;
- Reinigung und Desinfektion der Rollstühle

12

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten für unstreitig 105 geleistete Nachtschichten in dem Zeitraum Januar 2016 bis Februar 2017 die Zahlung eines Zuschlages von 25 Prozent je Arbeitsstunde (13,44 Euro x 25 Prozent = 3,36 Euro) abzüglich der durch die Beklagte geleisteten 1,08 Euro und mithin eine Differenzzahlung von 2,28 Euro je Nachtarbeitsstunde. In diesem Zusammenhang setzt die Klägerin pro Schicht den gesamten Nachtarbeitszeitraum von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr und mithin jeweils sieben Stunden an, da nach ihrer Auffassung eine Pausengewährung im Sinne des Arbeitszeitgesetzes während einer jeden Nachtschicht durch die Beklagte nicht erfolgt sei. Mit dieser Begründung fordert die Klägerin von der Beklagten außerdem für diese 105 Nachtschichten die Zahlung von jeweils 30 Minuten zu Unrecht einbehaltenen Arbeitsentgelts (52,5 Stunden zu jeweils 13,44 Euro). Schließlich begehrt die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.10.2017 die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent, wahlweise eine entsprechende Arbeitsfreistellung zu gewähren.

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Dementsprechend hat die Klägerin beantragt:

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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.675,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB zu zahlen.

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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 706,65 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB zu zahlen.

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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die ab dem 01.11.2017 geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent des Bruttostundenlohnes für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder für jeweils 56 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden je zwei bezahlte freie Tage zu gewähren.

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4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz gemäß § 288 Absatz 5 BGB in Höhe von 320,00 Euro zu zahlen.

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Mit Urteil vom 08.11.2017 hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die Klägerin Nachtarbeitnehmerin im Sinne von § 2 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz sei. Die Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, dass die zu erbringende Arbeitsleistung im Nachtdienst weniger belastend sei, als die Tätigkeit im Tagdienst. Bereitschaftszeiten in erheblichem Umfang seien nicht angefallen. Die Beklagte habe mithin keine substantiellen Argumente vorgetragen, die es rechtfertigen könnten, einen Nachtarbeitszuschlag unterhalb von 25 Prozent als angemessen anzusehen. Soweit die Klägerin zur Berechnung ihres Anspruches insoweit sieben Stunden Nachtarbeit in Ansatz gebracht habe, so sei dies nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe während der kompletten Nachtwache vergütungspflichtige Arbeiten geleistet. Die Klägerin habe auf Grund der Arbeitseinteilung der Beklagten das Pflegezentrum nicht verlassen können, sondern habe sich in den Räumlichkeiten der Einrichtung zur Verfügung halten müssen, um im Notfall zu helfen. Die Behauptung der Beklagten, für den Zeitraum der Pausenzeit könne die Arbeitsbereitschaft auf die Hilfskraft übertragen werden, welche dann im Notfall ihrerseits einen Notarzt zu rufen habe, stelle eine Schutzbehauptung dar. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte auch verpflichtet, für die 105 erbrachten Nachtschichten jeweils 30 Minuten und mithin 52,5 Arbeitsstunden nachzuvergüten. Zudem sei der Feststellungsantrag der Klägerin hinsichtlich des zukünftigen Ersatzes und Ausgleichs der geleisteten Nachtarbeit begründet. Die Beklagte setze die Klägerin regelmäßig in Nachtarbeit ein. Der Ersatz erfolge planbar, allerdings lasse sich der tatsächliche Umfang der Nachtarbeit im Voraus nicht näher bestimmen, so dass eine Klage auf zukünftige Leistung ausscheide. Schließlich schulde die Beklagte, da sie fälligen Lohn trotz kalendarisch bestimmten Leistungszeitpunktes nicht gezahlt habe, auch pauschal den Schadensersatz nach § 288 Absatz 5 BGB.

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Gegen diese am 30.11.2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten nebst Berufungsbegründung.

20

Die Beklagte hält an der erstinstanzlichen Rechtsauffassung fest und trägt vor, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei vorliegend ein Nachtzuschlag von 25 Prozent nicht gerechtfertigt. Die erstinstanzliche Entscheidung verkenne, dass die Beklagte gesetzlich verpflichtet sei, Arbeitnehmer in Nachtarbeit zu beschäftigen. Es sei mindernd zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine Tätigkeit verrichte, die zwingend in der Nacht zu erfolgen habe und nicht aufgeschoben werden könne. Die Beklagte setze die Klägerin in der Nacht nämlich nicht ein, um den Umsatz zu steigern, sondern weil sie für die ordnungsgemäße Pflege und Betreuung der ihr anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner verantwortlich sei. Die Beklagte sei verpflichtet, in der Nacht Personal für die dann unmittelbar zu erledigenden Aufgaben bereit zu halten und sie dürfe nicht auf den Einsatz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Nacht verzichten. Es seien in der Nachtschicht auch lediglich solche Tätigkeiten durchzuführen, die ausschließlich in diesem Zeitraum zwingend zu bewältigen seien. Die Beklagte habe für die Nachtschicht keine Tätigkeiten angewiesen, die auch am Tage erledigt werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei in diesen Fällen eine Absenkung auf 10 Prozent Zuschlag je Nachtstunde vorzunehmen. Die Analyse der Rechtsprechung zeige, dass der angemessene Zuschlag dann bei 10 Prozent liege, wenn die Rechtsprechung lediglich die Erschwernisse für die Gesundheit des in der Nacht tätigen Arbeitnehmers bei der Bezifferung eines angemessenen Ausgleiches zu berücksichtigen habe. Verlange die Rechtsprechung darüber hinaus Prozentpunkte bis zu insgesamt 25 Prozent Zuschlag für einen angemessenen Ausgleich, dann fordere sie diese zusätzlichen Prozentpunkte dafür, dass ein Arbeitgeber Nachtarbeit anordne, obwohl dies nicht zwingend erforderlich wäre. Mit dieser Rechtsprechung habe sich die erstinstanzliche Entscheidung nicht auseinandergesetzt. Die Entscheidung lasse unberücksichtigt, dass die Arbeit in der Nachtschicht geprägt sei von pflegerischen Kernaufgaben, auf die nicht verzichtet werden könne.

21

Hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Pausenzeiten verkenne die erstinstanzliche Entscheidung sowohl die Substantiierungspflicht für die Klägerin, als auch die Darlegungs- und Beweislast. In der Klageerweiterung vom 18.04.2017 habe die Klägerin - insoweit unstreitig, Blatt 56 d. A. – selber vorgetragen, dass die Pausenzeit ausweislich der Schichtpläne 30 Minuten betrage. Die Klägerin habe ausweislich ihrer eigenen Ausführungen vom 18.04.2017 – insoweit unstreitig, Blatt 56 d. A. – auch gar nicht in Abrede gestellt, dass es für sie entsprechende Arbeitsunterbrechungen gegeben habe. Die Klägerin habe lediglich behauptet, dass es sich dabei nicht um Ruhepausen im Sinne des § 4 Arbeitszeitgesetz gehandelt habe, da sie von der Heimleitung angewiesen worden sei, während des Nachtdienstes das Diensttelefon ständig bei sich zu tragen und auf Notrufe der Heimbewohner unverzüglich zu reagieren habe und das es ihr untersagt gewesen sei, dass Haus zu verlassen. Diesen Behauptungen der Klägerin sei die Beklagte mit substantiiertem Sachvortrag unter Beweisantritt entgegengetreten, wobei durch die Klägerin selbst keine Beweisangebote unterbreitet worden seien. Soweit die substantiellen Ausführungen der Beklagten durch das erstinstanzliche Gericht als Schutzbehauptung gewertet und der lediglich pauschale Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt worden sei, so sei dies rechtlich nicht haltbar. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Weisung an die Klägerin gegeben in den Pausenzeiten das Diensttelefon bei sich zu tragen und auf Notrufe der Heimbewohner unverzüglich zu reagieren. Es habe auch keine Weisung gegeben, das Haus zu verlassen. Die Beklagte plane für die Nachtschichten immer eine Pflegefachkraft und eine Pflegehilfskraft ein. Während die Pflegefachkraft Pause habe, sei die Pflegehilfskraft weiter in den Wohnbereichen tätig. Die Bewohnerinnen und Bewohner seien während der Pause der Pflegefachkraft durch die Pflegehilfskraft ausreichend versorgt. Die Pflegehilfskraft sei in der Lage, eine Erstversorgung zu leisten. Sei die Pflegehilfskraft dazu nicht in der Lage, dann müsse ein Notarzt hinzugerufen werden. Den Notarzt könne eine Pflegehilfskraft genauso rufen wie eine Pflegefachkraft. Auch könne die Pflegehilfskraft Einblick in die jeweilige Pflegedokumentation der Bewohnerinnen und Bewohner nehmen. Die Pflegehilfskraft habe lediglich nicht die Befugnisse, die Pflegedokumentation zu bearbeiten, was in aktuellen Notfallsituationen aber auch gar nicht nötig sei.

22

Die Beklagte beantragt:

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1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 08.11.2017, zugestellt am 30.11.2017, Aktenzeichen 4 Ca 79/17, wird abgeändert.

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2. Die Klage wird abgewiesen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

27

Der Klägerin sei durch das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf jede Nachtarbeitsstunde zugesprochen worden. Auch mit der Berufung habe die Beklagte keine nachvollziehbaren Argumente vorgetragen, die eine Minderung des Zuschlages rechtfertigen könnten. Hinsichtlich der streitigen Pausenzeiten habe die Beklagte den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, dass sie nach Weisungslage das Gebäude nicht habe verlassen dürfen. Dies gelte ebenso für den Vortrag, dass die Pflegehilfskraft keinen Zugriff auf die elektronische Bewohnerakte habe, der Rettungsdienst allerdings bei Alarmierung bereits konkrete Informationen erwarte, um zu entscheiden, ob ein Rettungswagen oder zusätzlich der Notarzt alarmiert werden müsse. Die Weisung, das Diensthandy ständig bei sich zu tragen, habe die Klägerin vor zirka 20 Jahren vom damaligen Direktor, Herrn B., erhalten. Die Anweisung sei von der Leitung der Einrichtung nicht widerrufen worden und habe mithin der Weisungslage im streitbefangenen Zeitraum entsprochen. Über die Lage der Pause in der Nachtschicht seien durch die Betriebsparteien keine Vereinbarungen getroffen worden. Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie Beginn und Ende der Pausen seien Gegenstand eines laufenden Einigungsstellenverfahrens. Die Gesamtbetriebsvereinbarung verhalte sich weder zur Lage und Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit, noch zu Beginn und Ende der Pausen. Der Vortrag der Beklagten verkenne im Übrigen, dass mit der Anwesenheitspflicht einer Fachkraft sichergestellt werden müsse, dass zur Betreuung der Bewohner einer stationären Einrichtung stets fachlich geschultes und entsprechend kompetentes Personal anwesend sei. Damit sei eine ständige Anwesenheit gemeint. Eine bloße Ruf- oder Anwesenheitsbereitschaft reiche nicht aus. Würde man dem Vortrag der Beklagten folgen, wonach während der Nachtschicht im Rahmen einer 30minütigen Pause keine Pflegefachkraft zur Verfügung stehe, liege ein erheblicher Mangel vor, welcher eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit der Bewohner einer Pflegeeinrichtung darstelle. Die Beklagte würde mit einer derartigen Vorgehensweise ihre gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtung nicht nachkommen. Es sei mithin davon auszugehen, dass die Klägerin auch in Zeiten der Arbeitsunterbrechung als Pflegefachkraft jederzeit einsetzbar sein müsse. Genau dieser Umstand führe dazu, dass nach der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Voraussetzungen für eine Pausenzeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes nicht gegeben seien.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die zulässige Berufung ist lediglich im Hinblick auf die zwischen den Parteien streitigen Pausenzeiten begründet. Bezüglich der Angemessenheit des zu zahlenden Nachtzuschlages ist die Berufung dagegen nicht begründet.

I.

30

Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages zu Ziffer 3 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die beantragte Feststellung ist ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 ZPO.

31

Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sich der Antrag auf den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz bezieht. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens der Höhe des Ausgleichsanspruches für in der gesetzlichen Nachtzeit (§ 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz) geleistete Arbeitsstunden in näher bezeichnetem Umfang. Der Antrag ist mithin auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Absatz 1 ZPO gerichtet, nämlich auf die Angemessenheit des Ausgleichs für im Arbeitsverhältnis geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz. Schließlich hat die Klägerin ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 256 Absatz 1 ZPO. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob die Beklagte mit den von ihr gewährten Zuschlägen in Höhe von 1,08 Euro auf den Bruttostundenlohn (das entspricht ca. acht Prozent) einen angemessenen Ausgleich im Sinne von § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz gewährt hat oder ob der Klägerin für ihre geleistete Nachtarbeit ein weitergehender Ausgleichsanspruch zusteht.

II.

32

Im Hinblick auf die zwischen den Parteien streitigen Pausenzeiten ist die Berufung begründet, so dass die Klage bezüglich des Klageantrages zu Ziffer 2 und eines geringen Betrages hinsichtlich des Klageantrages zu Ziffer 1 abzuweisen ist (1.). Im Übrigen ist die Berufung unbegründet (2.).

1. a)

33

Die Klägerin verfügt gegenüber der Beklagten gemäß § 611 BGB nicht über einen Anspruch auf Zahlung von 706,65 Euro brutto für 52,5 Stunden nicht vergütete Arbeitsunterbrechungen.

34

Gemäß § 611 Absatz 1 BGB ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen und der Arbeitgeber verpflichtet, die dafür zugesagten Lohnzahlungen zu leisten.

35

Die genannten Voraussetzungen für eine entsprechende Lohnzahlungsverpflichtung der Beklagten zu Gunsten der Klägerin sind für das erkennende Gericht nicht feststellbar. Die Klägerin behauptet insoweit, anlässlich der in der Zeit von Januar 2016 bis Februar 2017 geleisteten 105 Nachtschichten habe sie die in den Schichtplänen vorgesehenen Pausenzeiten von jeweils 30 Minuten nicht als Pausenzeiten nutzen können. Sie sei vom Arbeitgeber angewiesen worden, das Gebäude während der Pausenzeiten nicht zu verlassen und das eingeschaltete Diensthandy bei sich zu tragen, um im Notfall reagieren zu können. Für diese streitigen Behauptungen hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin jedoch kein Beweisangebot unterbereitet. Der Vortrag ist lediglich in der zweiten Instanz dahingehend konkretisiert worden, dass die vorgenannten Anweisungen der Klägerin vor zirka 20 Jahren vom damaligen Direktor erhalten habe. Jedoch fehlt es auch hinsichtlich dieser streitigen Behauptung an einem entsprechenden Beweisangebot durch die Klägerin. Soweit die Klägerin – nach wiederholter Änderung ihres entsprechenden Tatsachenvortrages – behauptet, es sei ihr – teilweise – nicht möglich gewesen, während der Nachtschichten in dem streitigen Zeitraum tatsächlich Pausen zu nehmen, da auch keine Pflegehilfskraft anwesend gewesen sei, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Unter Berücksichtigung des Tatsachenvortrages der Parteien lässt sich für den Zeitraum von Januar 2016 bis einschließlich Februar 2017 während der von der Klägerin abgeleisteten 105 Nachtschichten kein Fall nachvollziehen, in welchem zur Unterstützung der Klägerin eine Pflegehilfskraft nicht eingesetzt worden wäre. Auch die von der Klägerin geäußerte Rechtsauffassung, die Annahme einer Pausengewährung zu Gunsten der Klägerin als einzig eingesetzte Pflegefachkraft in der Nachtschicht, komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil dies eine Verletzung der gesetzlichen Pflichten der Beklagten zur ununterbrochenen Gestellung einer Pflegefachkraft darstelle, führt hier zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen entsprechenden Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtungen der Beklagten gegenüber den zu betreuenden Personen in der Einrichtung unterstellt, so mag dies entsprechende Sanktionen gegen die Beklagte nach sich ziehen. Dieser Umstand besitzt jedoch keinerlei Aussagefähigkeit zu der Frage, ob der Klägerin tatsächlich eine Pausenzeit gewährt worden ist. Soweit die Klägerin den geltend gemachten Anspruch damit begründet, die Pflegehilfskraft sei nicht in der Lage, sie während einer gewährten Pausenzeit im notwendigen Umfang zu vertreten, so vermag das erkennende Gericht dem nicht zu folgen. Zwar geht die Kammer mit der Klägerin ebenfalls davon aus, dass die Pflegehilfskraft in Ermangelung der entsprechenden Ausbildung nicht in der Lage ist, Versorgungsleistungen zu erbringen, welche denen einer Pflegefachkraft vergleichbar wären. Auch diesbezüglich liegt es jedoch in der Organisationshoheit der Beklagten, während der Pausenzeit der Pflegefachkraft in der Nachtschicht auf die qualitativ hochwertigen Arbeitsleistungen der Pflegefachkraft zu verzichten. Das erkennende Gericht hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob eine entsprechende Arbeitsorganisation sinnvoll ist. Jedenfalls sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb – nach der von der Beklagten vorgetragenen Arbeitsorganisation – es einer Pflegehilfskraft nicht möglich sein sollte, gegebenenfalls den Notarzt zu rufen. In diesem Zusammenhang ist zu unterstellen, dass auch die Pflegehilfskraft in der Lage ist, die von ihr festgestellten Symptome unter Schilderung der konkret vorgefundenen Situation zu artikulieren. Soweit die Klägerin darauf hinweist, es fehle an einer generellen Regelung der Festlegung der Arbeitszeiten inklusive der Lage der Pausen mit dem Betriebsrat nach § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG, so ist dieser Vortrag unbeachtlich. Es mag sein, dass insoweit bei der Beklagten ein diesbezügliches Einigungsstellenverfahren durchgeführt wird. Jedoch trägt die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.04.2017 unter Abreichung der entsprechenden Schichtpläne für Oktober 2016 bis einschließlich Februar 2017 (Blatt 61 d. A. sowie Blatt 71 bis 74 d. A.) selbst vor, dass in den jeweiligen Dienstplänen eine Pausenzeit von 30 Minuten je Nachtschicht vorgesehen ist. Auch die Klägerin selbst behauptet diesbezüglich nicht, dass die von ihr vorgelegten Schichtpläne einseitig und mitbestimmungswidrig ohne den bei der Beklagten bestehenden Betriebsrat durch die Beklagte erstellt worden wären. Das erkennende Gericht geht mithin davon aus, dass die von der Klägerin selbst vorgelegten Schichtpläne das Mitbestimmungsverfahren bei der Beklagten mit Zustimmung des Betriebsrates durchlaufen haben.

36

Der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, bei der Schilderung der Arbeitsorganisation durch die Beklagte handele es sich um eine Schutzbehauptung, die deshalb dem klägerischen Vortrag nicht entgegengehalten werden könne, folgt die Kammer nicht. Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen, in welcher Art und Weise die Pausengewährung für die Klägerin als Pflegefachkraft im Rahmen einer Vertretung durch die Pflegehilfskraft realisiert werden soll. Um diesen qualifizierten Sachvortrag als – pauschale - Schutzbehauptung werten zu können, hätten diesbezüglich hinreichend entsprechende Anhaltspunkte vorhanden sein müssen. Daran fehlt es nach Auffassung der Kammer. Soweit das Arbeitsgericht zur Begründung anführt, die Klägerin habe jedenfalls teilweise die Nachtdienste alleine verrichten müssen, so kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits erörtert ist nach dem Sach- und Streitstand kein Fall ersichtlich, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum von Januar 2016 bis einschließlich Februar 2017 eine Nachtschicht allein ohne Einsatz einer Pflegehilfskraft gearbeitet hat. Auch der Umstand, dass die Beklagte schriftsätzlich zunächst von einer Pausenzeit von 45 Minuten ausgegangen ist und diesen Vortrag dann erstinstanzlich auf eine Pausenzeit von 30 Minuten korrigiert hat, reicht nicht aus, um den Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Schilderung der Arbeitsorganisation während der Nachtschicht als Schutzbehauptung qualifizieren zu können. Denn die Beklagte hat bereits erstinstanzlich nachvollziehbar darstellen können, dass es sich insoweit lediglich um ein Versehen gehandelt hat.

1.b)

37

Da die Behauptung der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin, sie habe während der 105 Nachtschichten in der Zeit von Januar 2016 bis Februar 2017 keine Pausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gewährt bekommen, im Ergebnis zu ihren Lasten offen geblieben ist, bleibt die Klage im Hinblick auf den Klageantrag zu 1 für 52,5 Stunden multipliziert mit dem geltend gemachten Differenzzuschlag in Höhe von 2,28 Euro und mithin in Höhe von 119,70 Euro unbegründet.

2.

38

Im Übrigen ist die Berufung überwiegend nicht begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin für die Zeit von Januar 2016 bis Februar 2017 einen Betrag in Höhe von 1.556,10 Euro brutto zu zahlen [a)]. Zudem ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ab dem 01.11.2017 wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag von 25 Prozent des Bruttostundenlohnes für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder für jeweils 56 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden je zwei bezahlte freie Tage zu gewähren [b)]. Schließlich ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 320,00 Euro zu zahlen [c)].

2.a)

39

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.556,10 Euro brutto für die im Zeitraum von Januar 2016 bis Februar 2017 geleisteten 105 Nachtschichten.

40

Gemäß § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz für die während der Nachtarbeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen. Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen vorliegend die Höhe des Nachtarbeitszuschlages mit 25 Prozent als angemessen festgesetzt.

aa)

41

Die Klägerin kann Ansprüche aus § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz geltend machen, da sie Nachtarbeitnehmerin im Sinne von § 2 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz ist, denn nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien arbeitet sie in Wechselschicht.

bb)

42

Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien findet eine tarifvertragliche Regelung auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung.

cc)

43

Die Höhe des angemessenen Ausgleichs für die Nachtarbeit der Klägerin hat das Arbeitsgericht nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz rechtsfehlerfrei mit 25 Prozent pro geleisteter Nachtarbeitsstunde im Sinne von § 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz (23:00 Uhr abends bis 06:00 Uhr morgens) festgesetzt.

44

Die dagegen vorgetragenen Angriffe der Beklagten rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.

45

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt im Regelfall ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von zusätzlichen bezahlten freien Tagen zu einem angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit im Sinne von § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz (BAG vom 09.12.2015 – 10 AZR 434/14 -; juris Rn. 21).

46

Im Einzelnen maßgeblich ist die mit der Nachtarbeit verbundene Belastung. Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlages richtet sich damit nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist (LAG M-V vom 17.10.2017 – 2 Sa 58/17 -; juris Rn. 91). Die Höhe des Zuschlages auf den Bruttolohn für geleistete Nachtarbeit oder die Anzahl bezahlter freier Tage kann sich gegenüber dem Regelwert in Höhe von 25 Prozent erhöhen, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Aspekten, die normalerweise mit Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt. In anderen Fällen kann nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz ein geringerer Ausgleich ausreichend sein, nämlich dann, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil beispielsweise in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt oder es sich um einen nächtlichen Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist (LAG M-V, a. a. O.).

47

Gemessen an den vorgenannten Voraussetzungen gibt es unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes keinen Anlass, den angemessenen Nachtzuschlag geringer anzusetzen, als im Regelfall.

48

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang offensichtlich unter Hinweis auf die vom Gesetzgeber verfolgte Steuerungsfunktion davon ausgeht, dass – wie hier – im Falle der Unvermeidbarkeit der Nachtarbeit für den Arbeitgeber im Sinne eines Automatismus zwingend in jedem Fall eine Herabsetzung des Regelwertes von 25 Prozent erfolgen müsse, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Diese Auffassung deckt sich nicht mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welcher sich das erkennende Gericht ausdrücklich anschließt. In der Entscheidung vom 09.12.2015 führt das Bundesarbeitsgericht (a. a. O., Rn. 29) wie folgt aus:

49

„Hingegen kann nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil zB in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt (...) oder es sich um nächtlichen Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist (...). Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen kann oder in einem solchen Fall nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann (...). Relevanz kann die letztgenannte Erwägung aber nur in den Fällen haben, in denen die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist. Auch in einem solchen Fall ist ein Zuschlag von 10 % aber regelmäßig die Untergrenze dessen, was als angemessen angesehen werden kann (...).“

50

Die vorstehenden und zutreffenden Ausführungen machten deutlich, dass nur im Fall der unvermeidbaren Nachtarbeit wegen Wegfalls der Steuerungsmöglichkeit eine Absenkung des Regelwertes von 25 Prozent rechtlich zulässig ist. Ob allerdings bei unvermeidbarer Nachtarbeit tatsächlich eine Absenkung vorgenommen werden kann, hängt nach der zitierten und zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung nach der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation ab. Eine automatische Reduzierung des Regelsatzes im Falle einer unvermeidbaren Nachtarbeit ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade nicht vorgesehen.

51

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen kommt eine Absenkung des Regelwertes von 25 Prozent nicht in Betracht. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten den Umstand der unvermeidbaren Nachtarbeit als absenkungsfähiges Kriterium berücksichtigt und zudem zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass nach ihrer Arbeitsorganisation während der Nachtschicht nur solche Tätigkeiten anfallen, die zwingend in der Nacht zu leisten sind, so werden diese Kriterien nach Auffassung des erkennenden Gerichts durch die von der Beklagten vorgetragene Arbeitsorganisation aufgewogen. Denn danach ist für die Kammer nicht feststellbar, die Belastung der Klägerin im Zuge der Erbringung der Nachtarbeit sei geringer als diejenige eines anderen Arbeitnehmers, der seine Arbeitsleistung außerhalb der Nachtarbeitszeit erbringt. Diesbezüglich ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien nicht in einem nächtlichen Bereitschaftsdienst tätig ist. Die Nachtarbeitszeit bei der Beklagten beinhaltet nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien auch keine Bereitschaftszeiten in nicht unerheblichem Umfang. Hinzu kommt, dass die Klägerin im Rahmen der Nachtschichtarbeit als alleinige Pflegefachkraft tätig ist und in diesem Zusammenhang die alleinige Verantwortung für 42 Personen trägt, wovon der überwiegende Teil über die Pflegestufe 2 sowie ein geringerer Teil über die Pflegestufe 3 verfügt. Die Klägerin ist mithin nach der Arbeitsorganisation der Beklagten neben der Verpflichtung zur Erbringung der anfallenden Arbeiten einem besonders hohen physischen Druck ausgesetzt. Sie muss jeder Zeit damit rechnen, dass außergewöhnliche Vorfälle ein sofortiges Eingreifen notwendig machen. Eine Konsultation mit anderen Pflegefachkräften ist nicht möglich. Zwar ist während der Nachtschicht im Regelfall – und nach dem Vortrag der Parteien ganz überwiegend - zusätzlich eine Pflegehilfskraft anwesend. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass die Klägerin als Pflegefachkraft die ausschließliche Letztverantwortung trägt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beklagte bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht gänzlich ausschließen kann, dass für eine Nachtschicht keine Pflegehilfskraft zur Verfügung steht. So ist zwischen den Parteien unstreitig, dass am 14.07.2017, am 15.07.2017 sowie am 16.07.2017 lediglich eine Pflegefachkraft während der entsprechenden Nachtschichten im Einsatz gewesen ist. Dieser Umstand wiederum bedeutet, dass die für die Nachtschicht vorgesehene Pflegefachkraft jedenfalls immer auch damit rechnen muss, die Nachtschicht alleine bewältigen zu müssen. Auch damit ist nach Auffassung der Kammer vor Antritt einer jeden Nachtschicht eine erhöhte Belastungssituation verbunden. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Arbeitssituation für eine Pflegefachkraft im Rahmen des Einsatzes bei der Beklagten in der Nachtschicht auf der Grundlage der von der Beklagten selbst gewählten Arbeitsorganisation folgt für die Kammer unzweifelhaft die Angemessenheit eines Zuschlages von 25 Prozent für jede Nachtarbeitsstunde im Sinne des § 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz.

dd)

52

Der Umstand, dass zwischen den Parteien arbeitsvertraglich hier ein Nachtarbeitszuschlag von 1,08 Euro vereinbart worden ist, steht dem von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht entgegen. Die Angemessenheit des Nachtzuschlages ist nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz zu bemessen. Bleibt eine arbeitsvertragliche Regelung dahinter zurück, so geht die nach gesetzlichen Vorgaben als angemessen festzusetzende Leistung vor.

53

Die von der Beklagten angeführte Gesamtbetriebsvereinbarung, nach der allen Beschäftigten zugesagt wird, für Nachtarbeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr ein Zuschlag in Höhe von 1,00 Euro pro Stunde zu gewähren, ist für die Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz ebenfalls ohne eigenen Erkenntniswert.

54

Dem Betriebsrat steht bei der Bemessung der richtigen Höhe des angemessenen Zuschlags im Sinn von § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz kein Mitbestimmungsrecht zu (LAG M-V vom 17.10.2017 – 2 Sa 58/17 -; juris Rn. 115). Eine gemeinsame mit dem Gesamtbetriebsrat in einer Betriebsvereinbarung schriftliche Zusage des Arbeitgebers, Nachtzuschläge in einem gewissen Mindestumfang zu leisten, hat daher keinerlei Aussagekraft in Bezug auf die Angemessenheit des angebotenen Ausgleichs. Es ist und bleibt eine einseitige Zusage des Arbeitgebers.

ee)

55

Der Höhe nach ergibt sich ein Anspruch zu Gunsten der Klägerin von 1.556,10 Euro brutto. Bei einem Bruttomonatsgehalt von 2.041,67 Euro im Rahmen einer 35 Stundenwoche ergibt sich ein Stundenlohn in Höhe von 13,44 Euro. Mit einem Zuschlag von 25 Prozent ergibt dies einen Betrag in Höhe von 3,36 Euro und mithin unter Berücksichtigung der gezahlten 1,08 Euro einen Differenzbetrag pro Nachtarbeitsstunde von 2,28 Euro. Damit ergibt sich bei 105 Nachtschichten mit jeweils 6,5 Nachtarbeitsstunden der austenorierte Betrag in Höhe von 1.556,10 Euro.

b)

56

Dem Zahlungsanspruch steht die grundsätzlich nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz vorgesehene Wahlmöglichkeit zu Gunsten des Arbeitgebers nicht entgegen. Denn die Parteien haben arbeitsvertraglich die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages vereinbart. An diese Wahl über die Art des Ausgleiches ist der Arbeitgeber gebunden, auch wenn die Zuschläge in zu geringer Höhe gezahlt wurden (BAG vom 09.12.2015 – 10 AZR 423/14 -; juris Rn. 56).

2.b)

57

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt unmittelbar die Begründetheit des austenorierten Feststellungsantrages. Der Umstand, dass die Klägerin hier wahlweise die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Zuschlages von 25 Prozent oder zur Gewährung bezahlter freier Tage beantragt hat, steht dem nicht entgegen. Denn eine Abänderung einer einmal getroffenen Vereinbarung bezüglich des Wahlrechts nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz ist jederzeit möglich (BAG, a. a. O.; juris Rn. 55). Der Umfang der von der Klägerin begehrten Freistellung entspricht im Verhältnis dem geltend gemachten Zuschlag in Höhe von 25 Prozent.

2.c)

58

Die Begründetheit des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruches in Höhe von 320,00 Euro folgt unmittelbar aus § 288 Absatz 5 BGB. Zur Begründung kann auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen werden, da die dortigen Ausführungen mit der Berufung nicht angegriffen worden sind. Dies gilt ebenso für den austenorierten Zinsanspruch.

III.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 Satz 1 ZPO.

60

Anhaltspunkte für Gründe der Revisionszulassung sind nicht ersichtlich.

61

Diese Entscheidung befindet sich sowohl im Einklang mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2015 (10 AZR 423/14), als auch mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 17.10.2017 (2 Sa 57/17; rechtskräftig, da Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen; BAG vom 27.06.2018 – 10 AZN 278/18 -; nicht veröffentlicht).

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