Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 Ta 37/10

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.02.2010 - 3 Ca 1486/09 - wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der beschwerdeführende Antragsteller - Beklagter - wendet sich mit seiner - weiter aufrechterhaltenen - Beschwerde gegen eine im Abänderungsbeschluss vom 16.02.2010 des Arbeitsgerichts Koblenz enthaltene Teilversagung von Prozesskostenhilfe zur Abwehr eines Schadensersatzanspruches, den die Klägerin - Bundesrepublik Deutschland - in Höhe von 720.683,34 € mit der Begründung verfolgt, der Beklagte habe im Eigentum der Klägerin stehende Druckerpatronen entwendet.

2

Das Arbeitsgericht hat die Teilzurückweisung des Prozesskostenhilfegesuches des Beklagten im Nichtabhilfebeschluss im Wesentlichen damit begründet, dass für das Klageabweisungsbegehren des Antragstellers Erfolgsaussichten lediglich in Höhe von 603.550,53 €, nicht jedoch in Höhe von weiteren 117.087,81 € gegeben seien. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass aufgrund der Einlassungen des beschwerdeführenden Antragstellers bei Polizei und Staatsanwaltschaft davon auszugehen sei, dass dieser zumindest im Zeitraum von Januar 2003 bis einschließlich Mai 2007 zweimal pro Woche 100 im Eigentum der Klägerin stehenden Druckerpatronen an seinen Kollegen Z. geliefert habe und hierfür entsprechend entlohnt worden sei. Ausgehend von 230 Wochen im Gesamtzeitraum verblieben bei zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden jährlichen Urlaubs von sechs Wochen 200 Wochen. Bei einem Lieferungsumfang alle zwei Wochen von 100 Patronen ergäbe sich ein Wert von 10.000; dieser multipliziert mit der im Einkauf günstigsten Druckerpatrone von 13,11 € ergäbe einen Betrag von 131.100,00 €. Unter Berücksichtigung des bereits durch Aufrechnung getilgten Betrages von 14.012,19 € verbliebe ein Restbetrag von 117.087,81 €. In diesem Umfang seien keine Erfolgsaussichten gegeben.

3

Zur weiteren Begründung wird auf den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.02.2010 (Bl. 23 - 26 d. Beiakte) Bezug genommen.

4

Die Beschwerdeführerin führt in ihrer vom Landesarbeitsgericht eingeholten Stellungnahme vom 15.03.2010 insbesondere aus, Entwendungen seien nicht nur durch den Beklagten, sondern auch durch Dritte erfolgt. Die Klägerin lege nicht dar, wodurch der Nachweis geführt sein soll, dass die vom Mitarbeiter Z. an eine Firma verkaufte Tintenpatronen diejenigen gewesen seien, die die Klägerin in ihrer Auflistung angäbe. Es fehle an einem Sachvortrag, wonach die Anzahl "zugegebener" Tathandlungen auf solchen des Beklagten beruhten. Preise seien von der Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Außerdem habe der Beklagte dargelegt, dass er für bestimmte Zeiträume etwa wegen Krankheit, Urlaubs- oder sonstiger Dienstabwesenheit an der Entwendung der Druckerpatronen gehindert gewesen sei. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene summarische Berechnung sei nicht gerechtfertigt. Die Zahlenangaben des Beklagten bezögen sich nicht auf regelmäßige Abgaben, sondern auf einzelne Vorgänge.

5

Auf das Schreiben des Beschwerdeführers (Bl. 36 - 82), auf den Akteninhalt, insbesondere die Klagebegründung und die Beschuldigtenvernehmung der Kriminaldirektion Koblenz vom 28.11.2008 (Bl. 10 - 13 d. A.) und das Vorführungsprotokoll des Amtsgerichts Koblenz vom 29.11.2008 (Bl. 14 - 16 d. A.) sowie sämtliche weitere vorgelegten Unterlagen wird Bezug genommen.

II.

6

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und insgesamt zulässige Beschwerde des Beklagten gegen die Teilversagung von Prozesskostenhilfe zur Abwehr des Schadensersatzanspruches der Klägerin ist unbegründet.

7

Das Arbeitsgericht hat im Umfang des angefochtenen Nichtabhilfebeschlusses vom 16.02.2010 den Prozesskostenhilfezurückweisungsbeschluss vom 19.01.2010 zu Recht aufrechterhalten.

8

Die Beschwerdekammer folgt der Auffassung des Arbeitsgerichts. Die Rechtsverteidigung des beschwerdeführenden Beklagten hat in dem zulässigerweise vom Arbeitsgericht geschätzten Umfang keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Solche für eine Rechtsverteidigung gemäß § 114 ZPO bestehen nur, wenn die Klage ihrerseits unschlüssig ist oder Beklagte Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 24. Auflage, § 114 Rz. 25). Es muss bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem (Abweisungs-)Begehren durchdringen wird. Eine Beweiserhebung muss ernsthaft in Betracht kommen. Bei dubiosen Sachen können strengere Anforderungen gestellt werden (Zöller, a.a.O. § 114 Rz. 19).

9

Die Beschwerdegründe greifen nicht durch. Soweit sie enthalten, dass Entwendungen auch durch Dritte vorgekommen seien, fehlt es an der Nennung von "Ross und Reiter". Der Kläger war Lagerleiter und für das Lager Z1.4 alleine verantwortlich. Auf einen gemeinsamen Tatplan mit dem als Wachmann für die Klägerin tätigen Z. kommt es aus zivilprozessualen Gründen nicht an. Maßgebend ist die Tatsache, dass der Beklagte bei seiner Vernehmung am 28.11.2008 folgendes zugestanden hatte:

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"Ich habe dem Z. dann ca. zwei Mal pro Woche 100 bis 150 DP gegeben. Ich habe die Patronen abgezählt und dann in einen neutralen Karton getan. Es ist im Einzelnen so gewesen, dass ich eine Großpackung mit z. B. 50 Stück aufgerissen habe und die Patronen in einen neutralen Karton gegeben habe. Die einzelnen Patronen waren als solche noch einmal originalverpackt. Der Z. hat dann diesen neutralen Karton mitgenommen oder die Patronen in Plastiksäcke umverpackt. Da der Z. als Wachmann über einen Generalschlüssel verfügt hat, habe ich ihm die DP teilweise im Lager bereit gestellt und er hat sie dann in seiner Schicht selbst abgeholt. Der Z. hat von mir immer nur die DP erhalten, die ich ihm bereit gestellt habe. Die Stückelung der DP habe ich vorgenommen. Der Z. hat mir für die DP, egal wie viele es gewesen sind, immer einen Betrag zwischen 350,00 und 500,00 € gegeben. Größere Beträge habe ich von dem Z. nie erhalten. Der Z. ist in der letzten Zeit eine längere Zeit krank gewesen. In dieser Zeit habe ich ihm DP auch auf dem L-Parkplatz in der Schlachthofstraße übergeben. Dies war ein Mal in der Woche. Auch bei diesen Übergaben habe ich zwischen 350,00 und 500,00 € erhalten."

11

Eine vergleichbare Feststellung ist im Vorführungsprotokoll vom 29.11.2008 enthalten, in welchem sich der Beklagte wie folgt geäußert hat:

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"Ich kann dazu sagen, dass er in der Regel 1 mal die Woche Patronen bekommen hat. Es war auch mal eine Pause dazwischen, es ist auch schon mal vorgekommen, dass Herr Z. 2 mal die Woche Patronen bekommen hat. Ich wusste nicht genau, an wen er die Patronen veräußert. Mir war aber klar, dass er diese weiterverkauft. Ich habe dann nicht einen exakten Anteil vom Gewinn, sondern einige Tage später einen festen Betrag von Herrn Z. bekommen. Es handelte sich um einen Betrag von 250,00 - 350,00 €."

13

Dies korrespondiert mit dem Haftbefehl vom 29.11.2008, in welchem der beschwerdeführende Antragsteller als dringend verdächtig bezeichnet wird, an mindestens 145 Tagen im Tatzeitraum Drucker- und Tonerpatronen im Gesamtwert von mindestens 769.398,00 € aus dem Lagerraum der Klägerin entwendet zu haben. Wenn das Arbeitsgericht aus diesen Tatsachen im begrenzten Umfang von 117.087,81 € keine hinreichenden Erfolgsaussichten für eine Rechtsverteidigung sieht, ist dies insbesondere unter Berücksichtigung der im Prozesskostenhilfe nur pauschal vorzunehmenden Bewertung und unter Berücksichtigung von § 287 ZPO nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht durfte die im oben wiedergegebenen Nichtabhilfebeschluss vorgenommene Schätzung vornehmen, wobei von der Rechtsordnung durchaus in Kauf genommen wird, dass die richterliche Schätzung unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht vollständig übereinstimmt (vgl. Zöller, a.a.O. § 287 Rz. 1 m.w.N. BAG NJW 1963, 926). Das Gericht kann und muss bei besonderer Schwierigkeit des Schadensnachweises sogar zur Schätzung eines bloßen Mindestschadens greifen (BGH NJW-RR 2000, 1340). So gesehen erweisen sich die vorgenommenen Schätzungen im Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts für die mangelnden Erfolgsaussichten eines Klageabweisungsbegehrens als vertretbar. Dem kann auch nicht damit begegnet werden, dass der Beschwerdeführer einzelne Zeiträume zu einem Urlaub darstellt, in welchem es nicht zu Entwendungen gekommen sein soll; denn die Klägerin hat aus der Urlaubskarte andere Daten und Zeiträume entnommen und dargestellt; so insbesondere, dass der Urlaub vom 10.09. bis 01.10.2004 nicht zugetroffen habe, sondern am 10.09.2004 nur ein Urlaubstag genommen worden sei. Im Übrigen ergibt sich aus den oben dargestellten Inhalt des Vorführungsprotokolls vom 29.11.2008, dass zwar "Pausen" bei der "Belieferung" des Zeugen Z. vorgekommen sind, auf der anderen Seite jedoch auch, dass der Zeuge Z. zweimal die Woche "Lieferungen" erhalten habe. Selbst in Krankheitszeiten des Zeugen Z. kamen "Belieferungen" vor, wie der Beschuldigtenvernehmung vom 28.11.2008 hinreichend deutlich zu entnehmen ist. Insoweit hat der beschwerdeführende Antragsteller selbst in der Beschuldigtenvernehmung erklärt, dass er während der Erkrankung des Zeugen Z. Druckerpatronen auf dem L-Parkplatz an den Zeugen übergeben habe.

14

Von daher ist die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Beklagten durch das Arbeitsgericht jedenfalls für das Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu beanstanden. Es hat daher zu Recht im dargestellten Umfang der Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen.

15

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass.

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