Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (8. Kammer) - 8 SHa 3/12

Tenor

Das Arbeitsgericht Koblenz wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Gründe

I.

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Das Arbeitsgericht Koblenz hat sich in dem vom Kläger im April 2011 anhängig gemachten Kündigungsschutzverfahren mit Beschluss vom 28.11.2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Köln verwiesen. Das Arbeitsgericht Köln hält sich an den Verweisungsbeschluss für nicht gebunden und hat das Landesarbeitsgericht um Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts ersucht.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

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1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Sowohl das Arbeitsgericht Koblenz als auch das Arbeitsgericht Köln haben ihre Zuständigkeit geleugnet. Auch die Nichtübernahme eines verwiesenen Rechtsstreits, wie sie hier durch das Arbeitsgericht Köln erfolgt ist, ist als selbständige Leugnung der Zuständigkeit anzusehen und geeignet, einen negativen Kompetenzkonflikt i. S. v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auszulösen (BAG v. 03.03.1972 - 5 AR 83/72 - AP Nr. 11 zu § 36 ZPO).

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2. Als örtlich zuständiges Gericht ist vorliegend das Arbeitsgericht Koblenz zu bestimmen.

5

Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur ausnahmsweise bei krassen Rechtsverletzungen, etwa wenn der Beschluss auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und er deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (BAG v. 19.03.2003 - 5 AS 1/03 - NZA 2003, 683).

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Vorliegend entbehrt die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Köln jeder gesetzlichen Grundlage, da die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Koblenz unter dem Gesichtspunkt des besonderen Gerichtsstands des Arbeitsortes (§ 48 Abs. 1 a ArbGG) evident ist und unter Zugrundelegung des unstreitigen Parteivorbringens schlichtweg nicht in Zweifel gezogen werden kann.

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Nach § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG ist für Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein Arbeitsort in diesem Sinne nicht feststellbar, so ist nach § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt verrichtet hat. Die Gesetzesbegründung nennt insoweit beispielhaft gerade den Fall, dass ein Außendienstmitarbeiter zu Hause seine Reisetätigkeiten plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet (BT-Drs. 7716 S. 24).

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Dem entsprechend ist der Wohnort eines Außendienstmitarbeiters jedenfalls dann der Ort, von dem aus er im Sinne von § 48 Satz 1 a S. 2 ArbGG gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn er dort in gewissem Umfang Arbeitsleistungen erbringt. Diesbezüglich genügt es, wenn er dort seine Außendiensttätigkeit vor- oder nachbereitet oder Berichte über seine Tätigkeit verfasst. Dies entspricht allgemeiner Ansicht (vgl. Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 48 Rz. 119; GK-ArbGG-Bader, § 48 Rz. 93 c; Francken/Natter/Rieker, NZA 2008, 377; Bergwitz, NZA 2008, 443; LAG Hessen v. 26.08.2008 - 4 Ta 308/08 -; LAG Hamm v. 08.03.2011 - 1 SHa 5/11 -). Einen bestimmten Mindestumfang muss die am Wohnort verrichtete Tätigkeit nicht haben. Umso weniger besteht eine Grundlage für die Annahme des Arbeitsgerichts, die Anwendung des § 48 Abs. 1 a S. 2 ArbGG setze voraus, dass dem Außendienstmitarbeiter ein bestimmter, fest umrissener Bezirk zugewiesen sei. Diese Auffassung ist mit dem Wortlaut und dem Zweck der Norm schlichtweg unvereinbar.

9

Im Streitfall hat der Kläger unstreitig von seinem Wohnort aus seine Reisetätigkeit geplant und Berichte an die Beklagte geschrieben. Darüber hinaus hat er - ebenfalls von seinem Wohnort in A-Stadt aus - in regelmäßigen zeitlichen Abständen Telefonkonferenzen mit seinem Vorgesetzten und mit dem in London ansässigen Repräsentanten der Beklagten ausgeführt. Letztlich wurden dem Kläger unstreitig seitens der Beklagten ein Notebook und ein Blackberry sowie Systemzugänge via Internet zur Verfügung gestellt. Diese Kommunikationsmöglichkeit hat der Kläger ebenfalls zu Hause zum Zwecke der Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen genutzt.

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Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG sind daher bezüglich des Wohnsitzes des Klägers zweifellos erfüllt.

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In Ansehung der Evidenz der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Koblenz nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 a S. 2 ArbGG erweist sich der Verweisungsbeschluss als offensichtlich rechtswidrig und ist für das Arbeitsgericht Köln, an das verwiesen worden ist, nicht bindend (vgl. auch LAG Hessen v. 09.06.2008 - 1 SHa 1/08).

III.

12

Die Kosten des Verfahrens zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit sind Kosten des Rechtsstreits (BGH v. 10.12.1987 - 1 AZR 809/87 - NJW 1988, 1794).

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 ZPO).

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