Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 126/15

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 4.2.2015, Az.: 12 Ca 3344/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über einen Schadenersatzanspruch der Klägerin.

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Die Beklagte war bei der Klägerin, die ein Hotel betreibt, vom 01.06.2013 bis zum 31.05.2014 als Servicekraft mit einem Bruttomonatsgehalt von 1.122,64 € beschäftigt. Ihr wurden ein Spindschlüssel und ein General-Zimmerschlüssel überlassen. Diese beiden Schlüssel passen auf die Schlösser der Türen von 14 Hotelzimmern sowie auf das Schloss der Tür zur Wäschekammer und somit auf über 50 % der Schlösser der gesamten Schließanlage des Hotels.

3

Am 30.05.2014 übersandte die Beklagte der Klägerin ein Einschreiben mit Rückschein, welches mit Briefmarken zu 4,10 € und 0,75 € frankiert war. Das Einschreiben wurde von einer Mitarbeiterin der Klägerin am 31.05.2014 entgegengenommen. Ob in dem betreffenden Schreiben außer einem weißen Zettel die beiden der Beklagten überlassenen Schlüssel enthalten waren, ist zwischen den Parteien streitig.

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Mit Schreiben vom 05.07.2014 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, die Schlüssel bis zum 15.07.2014 zurückzugeben. Im Juli 2014 ließ die Klägerin die Schließanlage austauschen. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 2.135,90 € netto.

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Mit ihrer am 01.09.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz in Anspruch genommen und u. a. geltend gemacht, die beiden der Beklagten überlassenen Schlüssel hätten sich nicht in dem von ihr übersandten Einschreiben befunden.

6

Zur weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.02.2015 (Bl. 69 - 71 d. A.) Bezug genommen.

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Die Kläger hat (zuletzt) beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.135,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2014 zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W. und Q. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.02.2015 (dort Seite 3 ff = Bl. 59 ff d. A.) verwiesen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 04.02.2015 verurteilt, an die Klägerin 705,-- € nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 - 10 dieses Urteils (= Bl. 71 - 76 d. A.) verwiesen.

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Gegen das ihr am 23.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.03.2015 Berufung eingelegt und diese am 23.04.2015 begründet.

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Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht sei aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte die beiden ihr überlassenen Schlüssel in einem Brief per Einschreiben an sie - die Klägerin - versendet habe und dass die in das Briefkuvert eingelegten Schlüssel auf dem Postweg abhanden gekommen seien. Soweit die vom Arbeitsgericht vernommene Zeugin Q auf Nachfrage ausgesagt habe, sie könne "nicht definitiv" ausschließen, dass der betreffende Briefumschlag bei Empfangnahme im Hotel an der Seite eingerissen gewesen sei, so habe die Zeugin damit lediglich eine rein theoretische Möglichkeit aufgezeigt. Entscheidend sei indessen die mehrfach von der Zeugin getätigte Aussage, dass ihr ein Einriss an der Seite des Briefes nicht aufgefallen sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien die Grundsätze über die Haftung des Arbeitnehmers vorliegend nicht anzuwenden, da die Rücksendung der Schlüssel per Einschreiben/Rückschein keine betriebliche Tätigkeit darstelle. Aber selbst dann, wenn man von einer Haftprivilegierung der Klägerin ausgehe, sei das erstinstanzliche Urteil insoweit fehlerhaft, als das Arbeitsgericht - trotz Annahme einer mittleren Fahrlässigkeit - zugunsten der Beklagten zu einer Haftungsquote von lediglich 1/3 gelangt sei.

15

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 23.04.2015 (Bl. 113 - 23 d. A.) Bezug genommen.

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Die Klägerin beantragt,

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das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag in Höhe von 712,-- € weitere 1.423,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2014 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 27.05.2015 (Bl. 132 - 138 d. A.) auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

21

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung die Zahlungsklage insoweit abgewiesen, als sie den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag von 712,-- € übersteigt.

II.

22

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadenersatzanspruch, der den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag von 712,-- € übersteigt. Das Berufungsgericht folgt uneingeschränkt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener, vollständiger Entscheidungsgründe wird daher seitens des Berufungsgerichts abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

23

1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass zugunsten der Beklagten die Grundsätze über die Haftung des Arbeitnehmers eingreifen, da der der Klägerin entstandene Schaden bei einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist.

24

Betrieblich ist eine Tätigkeit, die dem Arbeitnehmer, der einen Schaden verursacht, entweder ausdrücklich von dem Betrieb und für den Betrieb übertragen ist oder die er im Interesse des Betriebes ausführt, die in einem nahen Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis steht und in diesem Sinne betriebsbezogen ist. Die Tätigkeit ist betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte (vgl. zum Ganzen: ErfKo/Preis, 15. Aufl., § 619 BGB Rz. 12, m. N. a. d. Rspr.).

25

Danach handelte es sich bei der den Schaden verursachenden Handlung der Beklagten d. h. der Rücksendung der ihr überlassenen Hotelschlüssel um eine betriebliche Tätigkeit. Die Rücksendung erfolgte zweifellos im betrieblichen Interesse und war daher zugleich betriebsbezogen. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, dass die Beklagte die Schlüssel lediglich in ein einfaches Briefkuvert eingelegt und an die Klägerin versendet hat, statt diesen persönlich zu übergeben oder zumindest einen wattierten Briefumschlag bei der Versendung zu verwenden. Insoweit trifft die Beklagte zwar - wie vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt - der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Dies steht der Annahme einer betriebsbezogenen Tätigkeit jedoch keineswegs entgegen, da es insoweit nicht auf das Maß des Verschuldens des Arbeitnehmers ankommt. Selbst dann, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt, geht dadurch der betriebliche Charakter der Tätigkeit nicht verloren (vgl.ErfKo/Preis a. a. O., m. N. a. d. Rspr.)

26

2. Das Arbeitsgericht ist auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte die Schlüssel an die Klägerin versendet hat und die Schlüssel (wohl) auf dem Postweg aus dem verschlossenen Briefkuvert abhanden gekommen sind. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Arbeitsgericht auch zutreffend berücksichtigt, dass das von der Klägerin zu den Akten gereichte Briefkuvert (Bl. 65 d. A.) nicht nur am oberen Rand (offensichtlich durch einen Brieföffner) geöffnet wurde, sondern auch an der linken Außenkante eine Öffnung bzw. einen Einriss aufweist, durch welchen die beiden Schlüssel problemlos durchpassen. Dies bestätigt die Annahme, dass der Brief bereits auf dem Postweg unberechtigterweise an der Seite geöffnet und ihm vor Zustellung an die Klägerin die beiden von der Beklagten eingelegten Schlüssel entnommen wurden.

27

3. Das Arbeitsgericht ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagten mittlere Fahrlässigkeit zur Last fällt und der verursachte Schaden unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Kriterien zwischen der Klägerin und der Beklagten im Verhältnis von 2/3 zu 1/3 zu quotieren ist. Die ausführlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen bedürfen insoweit keiner Ergänzung.

III.

28

Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus §§ 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

29

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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