Beschluss vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (7. Kammer) - 7 Ta 37/18


Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, Az. 11 Ca 466/17, vom 15. Januar 2018 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - dahingehend abgeändert, dass die Klägerin keinen Einmalbetrag, jedoch monatliche Raten in Höhe von 132,00 € zu leisten hat.

2. Eine Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ist nicht zu erheben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der zwischen den Parteien geführten Kündigungsrechtstreit endete am 18. Juli 2017 durch Abschluss eines Vergleichs, nach dessen Ziffer 2 sich die Beklagte verpflichtete, an die Klägerin zum Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 11.000,00 € brutto analog §§ 9, 10 KSchG mit rechtlichem Ausscheiden der Klägerin zum 30. November 2017 zu zahlen.

2

Durch Beschluss vom 31. Juli 2017 wurde der Klägerin sodann für die erste Instanz mit Wirkung vom 23. Juni 2017 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass sie vorerst keinen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat. Es entstanden 1,75 € Gerichts- und 2.384,76 € Rechtsanwaltskosten, also insgesamt Kosten in Höhe von 2.386,51 €.

3

Mit Wertstellung zum 6. Dezember 2017 wurde der Klägerin die Abfindung in Höhe von 8.792,78 € ausgezahlt.

4

Daraufhin änderte das Arbeitsgericht nach Anhörung der Klägerin durch Beschluss vom 15. Januar 2018 die im Beschluss vom 31. Juli 2017 getroffene Zahlungsbestimmung dahingehend ab, dass die Klägerin am 1. Februar 2018 einen Einmalbetrag in Höhe von 2.386,51 € zu zahlen hat. Gegen diesen ihr zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten am 18. Januar 2018 zugestellten Änderungsbeschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer am 7. Februar 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde. Sie hat zur Begründung ausgeführt, lediglich die tatsächlich gezahlte Nettoabfindung sei zu berücksichtigen. Hiervon sei das ihr für sich und etwaige unterhaltsberechtigte Personen zustehende Schonvermögen sowie ein weiterer Schonbetrag in Höhe des für Ledige geltenden Betrages als Pauschale für die durch den Arbeitsplatzverlust typischerweise entstehenden Kosten abzusetzen. Zum Zeitpunkt der Zahlung fällige Schulden seien mit der gezahlten Abfindung zu saldieren. Sie habe mit der Abfindungszahlung ein Darlehen abgelöst, das im Übrigen als Finanzierung von einem Fahrzeug und für angefallene Reparaturen am und am vorherigen Fahrzeug aufgenommen worden sei. Das Fahrzeug habe sie benötigt, um der Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie sei aktuell immer noch arbeitslos, ihr Ehemann verfüge lediglich über eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 572,63 €.

5

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 9. März 2018 nicht abgeholfen.

II.

1.

6

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 RPflG in Verbindung mit §§ 78 S. 1 ArbGG, 127, 567 ff. ZPO zulässig.

2.

7

Sie ist insoweit begründet, als der Klägerin keine Einmalzahlung in Höhe von 2.386,51 € aufzuerlegen war. Sie hat aber monatliche Raten in Höhe von 132,00 € an die Staatskasse zu zahlen.

a)

8

Nach § 120a Abs. 1 S. 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch die Rechtsverfolgung etwas erlangt hat, § 120a Abs. 3 S. 1 ZPO. Das Gericht soll nach der Beendigung des Verfahrens prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung Erlangte geboten ist (§ 120a Abs. 3 S. 2 ZPO).

b)

9

Einzusetzendes Vermögen im Sinn des § 115 Abs. 3 ZPO stand und steht der Klägerin aber auch nach Erhalt der Abfindung nicht zur Verfügung.

10

Zwar hat die Klägerin von ihrem früheren Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 8.792,78 € erhalten. Diese Abfindung erreicht jedoch zusammen mit Bankguthaben und sonstigen Vermögenswerten nicht den ihr gemäß § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Verbindung mit § 1 S. 1 Nr. 1 BarbetrV zustehenden Freibetrag.

11

Nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind kleine Barbeträge oder sonstige Geldwerte nicht zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen. Die Einzelheiten hierzu sind in der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (sog. BarbetrV) geregelt. § 1 BarbetrV räumt jeder volljährigen Person der Einsatzgemeinschaft einen Freibetrag in Höhe von 5.000,00 € ein.

12

Eine Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG ist grundsätzlich als Bestandteil des nach § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO einzusetzenden Vermögens anzusehen, wenn diese dem Prozesskostenhilfeantragsteller tatsächlich zugeflossen ist (BAG, Beschluss vom 24. April 2006 - 3 AZB 12/05 - NZA 2006, 751, 752 Rz. 10 f. m. w. N.). Da dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise Kosten entstehen, etwa für Bewerbungen, Fahrten, unter Umständen auch Schulungen und ein Umzug, erscheint im Regelfall der Einsatz der gesamten Abfindung unzumutbar im Sinn des § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Kosten hängt von zahlreichen Faktoren ab (so seiner beruflichen Qualifikation, seinem Alter und den Gegebenheiten des jeweiligen Arbeitsmarktes). Zudem ist bei Zufluss der Abfindung und im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach § 120a ZPO häufig noch nicht absehbar, ob und gegebenenfalls welche - weiteren - Kosten dem Arbeitnehmer in Zukunft infolge des Verlustes des Arbeitsplatzes noch entstehen werden. Aus Gründen der Praktikabilität erweist sich eine Typisierung als erforderlich (BAG, Beschluss vom 24. April 2006 - 3 AZB 12/05 - NZA 2006, 751, 752 Rz. 13). Auch nach Neufassung der BarbetrV mit Geltung ab dem 1. April 2017 kann als Anhaltspunkt für die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten die Höhe des Schonbetrages für eine volljährige Person nach § 1 S. 1 Nr. 1 BarbetrV, nunmehr in Höhe von 5.000,00 € dienen (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 26.Januar 2018 - 5 Ta 561/17 - BeckRS 2018, 1390).

13

Ein solcher Regelfall ist vorliegend gegeben. Die Klägerin ist nach wie vor arbeitslos und auf Beschäftigungssuche.

14

Der der Klägerin zustehende Freibetrag zuzüglich eines weiteren Freibetrages für Ledige in Höhe von weiteren 5.000,00 € übersteigt das Vermögen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der an sie ausgezahlten Abfindung.

c)

15

Infolge der Tilgung des Darlehens und des daraus resultierenden Wegfalls der Ratenzahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber der X-Bank Z-Stadt eG waren aber nunmehr monatliche Raten festzusetzen. Nach der von der Klägerin vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 6. Dezember 2017 nebst Anlagen ergibt sich folgende Berechnung:

16

Nettoeinkommen

1.045,20 €

abzüglich

        

Freibetrag der Partei nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO

  481,00 €

(für den Ehegatten ist wegen seines eigenen Einkommens kein weiterer Freibetrag zu berücksichtigen)

        
                 

hälftige Mietkosten

  300,00 €

17

Hieraus ergibt sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 264,00 € und eine monatliche Prozesskostenhilferate in Höhe von 132,00 €.

18

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher abzuändern.

3.

19

Da die Beschwerde nur teilweise zurückgewiesen wurde, wird bestimmt, dass die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nicht zu erheben ist.

20

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an einem gesetzlich begründeten Anlass, §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG.

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