Urteil vom Landgericht Aachen - 1 O 73/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung kommenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 26.01.2005 über einen Gebrauchtwagen Porsche 944 S2 Targa. Dieses hat der Beklagte an den Kläger unter Ausschluss jeglicher Gewerksleistung veräußert. Das Fahrzeug war zuvor als Unfallwagen vom Beklagten erworben worden, der es zunächst Instandsetzen ließ. Dabei wurden aufgrund des erheblichen Umfangs der Beschädigungen auch Arbeiten auf der Richtbank erforderlich. Überdies ließ der Beklagte zu diesem Zeitpunkt das Fahrzeug mit einem Tauschtacho versehen.
3Nachdem dem Kläger Mängel am Fahrzeug auffielen, erklärte er mit Schreiben vom 11.05.2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 13.05.2005 erklärte sich der Beklagte zur Nachbesserung bereit. Hiermit erklärte sich jedoch der Kläger nicht einverstanden, sondern leitete mit Schriftsatz vom 04.07.2005 ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Unter Berufung auf die im selbstständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel sowie Unklarheiten I der Laufleistung des Fahrzeuges begeht der Kläger nunmehr Rückabwicklung des Kaufvertrags.
4Der Kläger behauptet, die im selbstständigen Beweisverfahren (1 OH 16/05 Landgericht Aachen) festgestellten Mängel (ausgeschlagenes Schaltgestänge, schwer gangbare Bremsbeläge, Staubmanschetten gerissen, Bremsscheiben korrodiert, Reifen rissig und spröde, Rückstellung des linken Bedienhebels an der Lenkradkonsole nicht gegeben; fehlende Klimaanlage; nicht funktionierende Scheinwerfer, Reinigungsanlage, Zeituhr und Heckscheibenheizung, fehlende Hubdachhaltebänder im Kofferraum, beschädigte Windschutzscheibe, nicht funktionierende Kofferraumbeleuchtung, fehlende Kofferraumbeleuchtung, fehlende Gepäckabdeckung, Mängel im Leder- und Nahtbereich der Sitze, Bruchstelle an einer Felge hinten rechts, nicht zu entriegelndes Hubdach) seien nicht behebbar. Auch wegen des Umfangs der Mängel sei ihm eine Nacherfüllung durch den Beklagten nicht zumutbar. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der Beklagte ihn über die Laufleistung des Fahrzeugs getäuscht und ihm nicht mitgeteilt habe, dass ein Tauschtacho in das Fahrzeug eingebaut worden sei sowie dass dieses erhebliche Unfallschäden erlitten habe.
5Der Kläger beantragt,
61. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 15.968,00 € zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 19.05.2005 zu bezahlen und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Porsche 944 S2 Targa, Fahrgestell-Nr. XXXXXXXXXXXXXX.
72. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 449,96 € (nicht anrechenbare Anwaltskosten) sowie 10,00 € außergerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er beruft sich auf den Vorrang der Nacherfüllung bezüglich gewährleistungspflichtiger Mängel und behauptet, über die Unfallschäden und dem Umstand, dass in dem Fahrzeug ein Tauschtacho eingesetzt worden sei, den Kläger vor Vertragsschluss informiert zu haben. Die entsprechenden Angaben seien auch in einem zuvor mit dem Kläger ausgefüllten ADAC-Vertragsformular enthalten gewesen. Dieser Vertrag sei auf Bitten des Klägers nicht zur Ausführung gelangt und der Kaufvertrag vom 26.01.2005 aufgesetzt worden, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die ausgewiesene Umsatzsteuer in seinem Gewerbebetrieb geltend zu machen.
11Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen. I des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.08.2006 Bezug genommen. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Beiakte 1 OH 16/05 LG Aachen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen weder Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach §§ 437, 440, 323 BGB noch im Hinblick auf die erklärte Anfechtung nach § 812 BGB zu.
14Die vom Sachverständigen Müller im selbstständigen Beweisverfahren und mit Gutachten vom 22.12.2005 festgestellten Mängel (nicht sach- und fachgerecht reparierter Unfallschaden, ausgeschlagenes Schaltgestänge, schwer gangbare Bremsbeläge, gerissene Staubmanschetten, korrodierte und eingelaufene Bremsscheiben, rissige Reifen, keine Rückstellung des Bedienhebels an der Lenkradkonsole, fehlende Klimaanlage, nicht funktionierende Scheinwerferreinigungsanlage, Zeituhr, Heckscheibenheizung; fehlende Hubdachhaltebänder im Kofferraum, beschädigte Windschutzscheibe, nicht auf Automatikstellung funktionierende Kofferraumbeleuchtung, fehlende Gepäckabdeckung, Mängel der Ledersitze im Nahtbereich, Bruchstelle der Felge hinten rechts, fehlende Entriegelungsmöglichkeit für das Hubdach) sind sämtlich entgegen der Ansicht des Klägers behebbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Sachverständige Müller in seinem Gutachten die zur Beseitigung dieser Mängel erforderlichen Kosten ausdrücklich kalkuliert hat. Wegen dieser Mängel muss der Kläger deshalb vor einer Rückabwicklung des Kaufvertrages und unabhängig von dem vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss zunächst dem Beklagten die von diesem jedenfalls im Schreiben vom 13.05.2005 und auch im Rechtsstreit ausdrücklich angebotene Möglichkeit der Nachbesserung geben. Keine entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass sich nach der Behauptung des Klägers der Beklagte bis zunächst auf telefonische Nachfrage nur eingeschränkt zur Nachbesserung bereit erklärt hat, denn er hat vor dem Rechtsstreit mit Schreiben vom 13.05.2005 hinreichend deutlich gemacht, dass er zu uneingeschränkten Nacherfüllung bereit ist, ohne dass der Kläger hierauf eingegangen wäre. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung oder eine Bereitschaft, solche Handlungen anzunehmen, hat der Kläger jedoch nicht erkennen lassen. Deswegen scheitert der Rücktrittsanspruch wegen dieser Mängel bereits aus Rechtsgründen, ohne dass es darauf ankäme, ob diese vom Gewährleistungsausschuss im Kaufvertrag vom 26.01.2005 erfasst sind.
15Der Kläger kann seinen Rücktrittsanspruch auch nicht aus einer von ihm behaupteten fehlenden Aufklärung des Beklagten darüber verlangen, dass es sich bei dem streitbefangenen Fahrzeug um ein repariertes Unfallfahrzeug handelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte den Kläger auf diese aufklärungspflichtige Tatsache, die auch die Unmöglichkeit der Nacherfüllung und damit einen unmittelbaren Rücktrittsanspruch des Klägers begründen könnte, hingewiesen hat. Der Zeuge O hat in seiner Vernehmung bekundet, dass der Beklagte mit dem Kläger das Fahrzeug in der Werkstatt des Beklagten besichtigt hat, als sich dieses auf einer Hebebühne befand. Der Zeuge hat auch geschildert, dass der Beklagte den Kläger anlässlich dieses Gespräches über den Umstand, dass das Fahrzeug reparierte Unfallschäden hat, in Kenntnis gesetzt hat. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass der Beklagte dem Kläger auch mitgeteilt hat, dass die Unfallschäden auf einer Richtbank beseitigt worden seien. Die Zeugin V hat bei ihrer Vernehmung bekundet, es habe neben bzw. vor dem streitbefangenen Kaufvertrag einen schriftlichen, auf einem ADAC-Vertrag gefertigten Vertrag zwischen den Parteien gegeben. In diesem, den der Beklagte zusammen mit dem Kläger ausgefüllt habe, seien ebenfalls reparierte Vorschäden angegeben worden.
16Aus den Bekundungen beider Zeugen ergibt sich, dass dem Kläger vor Abschluss des streitbefangenen Kaufvertrages vom Beklagten bekannt gemacht worden ist, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelt. Die Bekundungen der Zeugen sind auch widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Besondere Belastungstendenzen zu Lasten des Klägers sind nicht erkennbar. Insbesondere erscheint dem Gericht der Umstand nachvollziehbar, dass ein zunächst ausgefertigter Kaufvertrag deshalb vernichtet worden ist, seitens der Kläger die Möglichkeiten, die ein Vertrag mit ausgewiesener Mehrwertsteuer bietet, nutzen wollte. Die Zeugen O und V haben auch kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Insbesondere die Zeugin V steht nicht mehr in arbeitsvertraglichen Beziehungen zum Kläger. Der Umstand allein, dass der Zeuge O der Arbeitnehmer des Beklagten ist, rechtfertigt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht die Annahme, dass dieser vor Gericht die Unwahrheit gesagt hätte. Letztlich haben die Zeugen auf das Gericht bei ihrer Vernehmung auch einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen, weshalb keine Bedenken bestehen, ihre Bekundungen zur Grundlage der Entscheidung zu machen.
17In diesem Fall steht aber nicht nur fest, dass der Kläger aus dem Umstand, dass es sich bei dem streitbefangenen Fahrzeug um einen Unfallwagen handelt, keine Rechte herleiten kann, weil dieser Umstand ihm nicht arglistig verschwiegen worden ist. Dem Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass er das Ausmaß der Unfallschäden, die das streitbefangene Fahrzeug davon getragen hatte, gegenüber dem Kläger nicht hinreichend dargestellt hätte. Denn der Zeuge O hat ebenfalls bekundet, dass der Beklagte dem Kläger bei der Besichtigung des Fahrzeugs mitgeteilt habe, dass dieses auf eine Richtbank instand gesetzt worden ist. Dieser Umstand lässt auch insbesondere für den in Kraftfahrzeugfragen versierten Kläger den sicheren Schluss auf einen erheblichen Unfallschaden zu. Deshalb steht der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss auch nicht deshalb in Frage, weil der Beklagte die Unfallschäden des Fahrzeugs über dem Kläger bagatellisiert hätte.
18Letztlich kann der Kläger auch keine Ansprüche aus dem Umstand herleiten, dass die auf dem Tachometer wiedergegebene Laufleistung des Fahrzeugs der tatsächlichen Laufleistung nicht entspricht. Einen konkreten Hinweis des Beklagten an den Kläger darauf, dass in das Fahrzeug ein Tauschtacho eingebaut worden ist, ist zwar durch die Zeugen nicht bestätigt worden. Weder hat der Zeuge O entsprechende Angaben des Beklagten gegenüber dem Kläger bestätigt, noch hat die Zeugin V bestätigt, dass entsprechende Angaben in dem ADAC-Kaufvertrag enthalten gewesen sind. Der Umstand, dass die beiden Zeugen diesen Vortrag des Beklagten im Gegensatz zu dem oben erörterten Beweisergebnis nicht bestätigt haben, sprechen ebenfalls dafür, dass sie nicht für den Beklagten unrichtig Zeugnis abgelegt, sondern wahrheitsgemäß bekundet haben. Der Umstand, dass das Fahrzeug eine Laufleistung aufweist, die dem Tachometerstand nicht entspricht, ist zwar grundsätzlich eine aufklärungspflichtige Tatsache, da im Allgemeinen der Gebrauchtwagenkäufer davon ausgeht, dass die auf dem Tachometer ablesbare Fahrleistung des Fahrzeugs auch seiner tatsächlichen entspricht. Dies gilt jedoch für den vorliegenden Fall nicht, weil dem Kläger nach eigenen Angaben aufgrund des Internetauftritts des Beklagten bekannt war und er erwartete, dass sich im Fahrzeug ein Austauschmotor befand und das Fahrzeug insgesamt mit Austauschteilen aufgearbeitet worden ist. Kauft der Kläger jedoch ein so beworbenes Fahrzeug, so kann er nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der auf dem Tachometer angezeigte Kilometerstand der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs entspricht, wobei zudem nicht klar wäre, ob es sich um die Laufleistung der Karosserie oder des Motors handelt. Konkrete Zusicherungen des Beklagten bezüglich einer bestimmten Laufleistung des Motors bzw. der Karosserie hat der Kläger im Übrigen nicht vorgetragen. Deshalb rechtfertigt auch dieser Umstand einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht.
19Aus dem Vorgesagten ergibt sich vielmehr, dass Täuschungshandlungen des Beklagten, die den Kläger zu einer Anfechtung des Kaufvertrages berechtigen und auch auf diese Weise eine Rückabwicklung des Vertrages möglich machen würden, nicht vorliegen.
20Letztlich ergibt sich auch keine andere Beurteilung aus den Feststellungen des Sachverständigen Müller, dass der Rahmen nicht fachgerecht repariert werden kann bzw. aus der Behauptung des Klägers, es seien bestimmte Dachträger entfernt worden. I des Daches hat der Sachverständige Müller im selbstständigen Beweisverfahren allein die fehlende Funktionsfähigkeit des Hubdaches, nicht jedoch die vom Kläger behaupteten Änderungen feststellen können. Der vom Sachverständigen Müller erarbeitete Umstand, dass das Crashverhalten eines vorgeschädigten Fahrzeuges mit dem eines Nicht-Unfallwagens nicht übereinstimmt, rechtfertigt eine Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht, weil dies - I der nicht fachgerechten Reparaturen – sich um einen behebbaren Mangel handelt und im Übrigen der Qualifizierung eines Fahrzeuges als Unfallwagen immensfest ist.
21Letztlich ist dem Kläger die Nachbesserung auch nicht deshalb unzumutbar, sondern eine Vielzahl von Mängeln am streitbefangenen Fahrzeug vorliegt. Dies kann allenfalls dann angenommen werden, wenn ein Neuwagen immer wieder aufs Neue auch bei mehreren Nachbesserungsversuchen nicht behebbare kleinere Mängel aufweist und sich hieraus eine nicht behebbare Fehleranfälligkeit ergibt (vgl. Landgericht Saarbrücken, NJOZ 2005; S. 3119). Vorliegend handelt es sich jedoch um einen im Jahre 1991 erstmals zugelassenen Wagen, an dem typische Verschleißmängel aufgetreten sind. Deren Nachbesserung ist dem Kläger – sollte der vereinbarte Gewährleistungsausschluss insoweit nicht greifen – durchaus zumutbar.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO. Hiervon sind auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 1 OH 16/05 umfasst.
23Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 30.08. und 25.09.2006 enthalten teilweise abweichende Beweiswürdigungen, rechtfertigen eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung jedoch nicht.
24Streitwert: 15.968,00 Euro
25Dr. G2
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