Urteil vom Landgericht Detmold - 9 O 248/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in der Höhe des zu vollstreckenden Betrags.
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Hagelschadens an, unter anderem, drei Alu-Rolltoren aus einer Gebäudeversicherung in Anspruch.
3Am 19.6.2013 erlitt das Objekt des Klägers im V-Weg in X ein Hagelschaden. Das Objekt ist bei der Beklagten durch eine Gebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert unter anderem gegen Hagelschäden versichert. Zwischen den Parteien ist streitig, welche Fassung der Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen, VGB 99 oder VGB 2008, gilt. Beide Fassungen enthalten vergleichbare Regelungen: § 14 c) VGB 99 lautet „Ersetzt werden bei zerstörten Gebäuden sowie bei zerstörten oder abhanden gekommenen sonstigen Sachen bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls zuzüglich eines Wertminderung, die durch Reparatur nicht auszugleichen ist, höchstens jedoch der jeweils vereinbarte Versicherungswert zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls“. Nach § 13 b) VGB 2008 ist Grundlage der Entschädigungsberechnung „bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch der Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalles“.
4Das Objekt besteht aus zwei Gebäuden. Die Alu-Rolltore befinden sich jeweils auf der Rückseite der Gebäude. Das größere der Alu-Rolltore befindet sich vor einer Werkstatt, die im – von der Rückseite ausgesehen – linken Gebäude liegt. Die beiden anderen Alu-Rolltore werden als Jalousien genutzt und befinden sich vor den im – von der Rückseite ausgesehen – rechten Gebäude liegenden Schlafzimmern. Die Alu-Rolltore weisen neben durch den Hagel verursachten Schäden weitere Vorschäden auf, insbesondere Abschürfungen im Lack und Einschlusslöcher. Wegen der Details der Hagelschäden und der Vorschäden wird auf das Gutachten des Sachverständigen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.1.2015 verwiesen.
5Der Kläger meldete den Schaden, den die Beklagte mit Ausnahme der drei Alu-Rolltore reguliert hat. Der Kläger hat Angebote zum Austausch der Alu-Rolltore eingeholt, dessen Kosten sich ausweislich der Angebote auf € 5624,00 netto belaufen. Hinsichtlich der drei Alu-Rolltore hat die Beklagte als Ausgleich für die durch den Hagelschaden verursachte optische Beeinträchtigung einen Betrag von € 584,23 an den Kläger gezahlt.
6Der Kläger behauptet, die Beschädigung der Alu-Rolltore sei auch optisch so massiv, dass er nicht auf einen Wertausgleich für optische Beeinträchtigungen verwiesen werden könne. Es sei ihm nicht zuzumuten, dauerhaft mit den beschädigten Alu-Rolltoren zu leben. Er trägt vor, dass sich ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für Austausch der Alu-Rolltore bereits daraus ergebe, dass er eine Gebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert abgeschlossen habe. Er könne daher die Differenz zwischen dem sich aus den Angebotenen Nettobetrag für den Austausch der Alu-Rolltore und dem von der Beklagten gezahlten Betrag von € 584,23 verlangen.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 5.039,77 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 8.8.2013 sowie als Nebenforderung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 297,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21.8.2013 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte trägt vor, dass ein Kostenersatz für den Austausch der Alu-Rolltore nicht geschuldet sei, da die Hagelschäden nur zu einer optischen Beeinträchtigung der Alu-Rolltore geführt hätten. Der Minderwert der optischen Beeinträchtigung sei bereits mit der Zahlung der € 584,23 ausgeglichen worden.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen sowie auf die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 31.1.2014 und 16.1.2015 Bezug genommen.
13Aufgrund des Beschlusses vom 31.1.2014 (Bl. 40 d.A.) hat das Gericht ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen U eingeholt und ihn zur Erläuterung vernommen. Das Gericht hat darüber hinaus die streitgegenständlichen Alu-Rolltore in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13.9.2014 (Bl. 66 ff. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.1.2015 (Bl. 112 ff. d.A.) verwiesen.
14Entscheidungsgründe:
151. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Austausch der Alu-Rolltore zu.
16Gem. § 14 c) VGB 99 bzw. § 13 b) VGB 2008 besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten sowie auf den Ersatz der Wertminderung, wenn der dem Versicherungsnehmer entstandene Schaden durch die Erstattung der notwendigen Reparaturkosten nicht vollständig ausgeglichen werden kann. Dazu wird in Teilen der Literatur vertreten, dass ein Verweis des Versicherungsnehmers auf den Wertersatz nur dann möglich ist, wenn diese Möglichkeit in den Versicherungsbedingungen vereinbart ist (Jökel, VersR 2010, 1295 f.), was vorliegend weder nach den VGB 99 noch nach den VGB 2008 der Fall ist. Nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur bemisst sich bei einer beschädigten Sache der Umfang der zu entschädigenden Reparaturkosten nach den Geboten der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit, so dass der Versicherungsnehmer auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung nur der Ersatz der Wertminderung verlangen kann (vgl. dazu LG Dortmund, Urteil vom 14.3.2012 – 2 0 62/10 m.w.N., LG München, Urteil vom 15.10.1999 – 121 C 27858/98; OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.4.1006 – 5 U 496/05; Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, VGB_2008 § 13 Rn. 3; Rüffer in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 32 Rn. 418; Johannsen in: Bruck/Möller, VVG, VVG 2008/2010 A § 13 Rn. 6 ).
17Hieran gemessen kann der Kläger vorliegend lediglich eine Wertminderung für eine optische Beeinträchtigung beanspruchen.
18Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass lediglich die Optik der Alu-Rolltore beeinträchtigt ist, was jedoch des Austausches der Alu-Rolltore durch neue Alu-Rolltore nicht bedarf. Aus dem Gutachten des Sachverständigen folgt, dass die durch den Hagelschlag verursachten Dellen zu keiner Funktionsbeeinträchtigung der Alu-Rolltore führen und auch die Lebensdauer der Alu-Rolltore nicht verkürzen. Die durch den Hagelschlag verursachten Dellen stellen lediglich eine optische Beeinträchtigung dar, die der Sachverständige in der Bewertungsmatrix nach Oswald als hinnehmbar eingestuft hat. Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Sie sind auch für den Laien gut nachvollziehbar, das Gutachten ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Ergebnisse des Gutachtens konnte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung weiter vertiefen und plausibel begründen. Den Einwänden des Klägers gegen das Gutachten vermag das Gericht nicht zu folgen. Die Tatsache, dass der Gutachter das Datum des Ortstermins in seinem Gutachten falsch bezeichnet hat, ist unschädlich, da sich aus den Ladungen ergibt, an welchem Datum der Termin angesetzt war und zwischen den Parteien Einigkeit besteht, dass der Ortstermin mit dem Sachverständigen im Zusammenhang mit der Gutachtenerstellung stattfand. Soweit sich der Kläger gegen die Beurteilung der optischen Beeinträchtigungen durch den Sachverständigen wendet, kann er nicht durchdringen, da eine solche Bewertung gerade auch zu den Aufgaben eines Sachverständigen gehört, der sich nach dem Beweisbeschluss mit der Gebrauchstauglichkeit einer Sache auseinandersetzen soll. Gleiches gilt, soweit der Kläger die Anwendbarkeit der Beurteilungsmatrix „nach Oswald“ in Abrede stellt. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Bewertung der Gebrauchstauglichkeit nach dieser Matrix zu erfolgen hat. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit dem Argument gegen das Gutachten wenden, dass sich der Sachverständige mit der Verwendung des Terminus „Mangel“ eine rechtliche Beurteilung angemaßt hat. Zum einen ergibt sich bei der Lektüre des Gutachtens, dass der Sachverständige die optische Beeinträchtigung bewertet hat, und zum anderen ist das Gericht in der Lage, bei seiner Bewertung von der Verwendung rechtlicher Begriffe durch den Sachverständigen zu abstrahieren, zumal es bei einer Gebäudeversicherung auf Schäden und nicht auf Mängel im Rechtssinn ankommt.
19Zwar scheitert die Annahme eines Sachschadens nicht daran, dass hier die Gebrauchstauglichkeit und Lebenserwartung der Alu-Rolltore nicht beeinträchtigt ist, da es grundsätzlich ausreicht, wenn eine optische Beeinträchtigung vorliegt. Gerade im privaten Bereich gehört das unbeeinträchtigte Aussehen eines Gebäudes aber zu einem gewissen Grad zur Gebrauchsfähigkeit der Sache (vgl. LG München, Urteil vom 15.10.1999 – 121 C 27858/98). Ob ein Versicherungsnehmer bei sog. Schönheitsschäden die Erstattung der Reparaturkosten oder lediglich den Ausgleich der Wertminderung verlangen kann, ist eine Frage der Zumutbarkeit, über die die Verkehrsanschauung entscheidet. Insbesondere kommt es darauf an, ob ein Versicherungsnehmer bei Abwägung aller Einzelfallumstände auch als nicht versicherter Gebäudeeigentümer bei verständiger Würdigung die vom Schaden betroffene Sache reparieren oder ersetzten würde (vgl. LG München, Urteil vom 15.10.1999 – 121 C 27858/98; LG Dortmund, Urteil vom 14.3.2012 – 2 O 62/10).
20Vorliegend war die Mehrzahl der Dellen nur aus nächster Nähe wahrnehmbar. Aus der Entfernung von etwa fünf Metern waren am Alu-Rolltor vor der Werkstatt nur wenige, an den anderen Alu-Rolltoren nur einzelne Dellen zu erkennen. Hinsichtlich des am stärksten vom Hagelschlag betroffenen Alu-Rolltors vor der Werkstatt war der optische Eindruck trotz der etwa zehn aus der Entfernung von etwa fünf Metern sichtbaren Dellen deutlich von den vorhandenen Vorschäden, insbesondere der dunklen senkrechten und horizontalen Abschürfungen, geprägt. Ähnliches gilt für das linke der Alu-Rolltore vor den Schlafzimmern, bei dem der optische Eindruck von den Einschlusslöchern und Farbabschürfungen dominiert wird. Das rechte der Alu-Rolltore vor den Schlafzimmern zeigt keine aus der Entfernung sichtbaren Vorschäden, aber auch nur eine Delle. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist auch der bisherige Zustand der betroffenen Sache ist zu berücksichtigen (vgl. dazu LG Dortmund, Urteil vom 14.3.2012 – 2 O 62/10 m.w.N.). Hier tritt die optische Beeinträchtigung der Alu-Rolltore durch den Hagelschaden hinter die optische Beeinträchtigung durch die Vorschäden zurück, so dass die Vorschäden den optischen Gesamteindruck prägen. Auch wenn der Kläger eine Reparatur der Vorschäden angestrebt haben sollte, die lediglich vor Eintritt des Hagelschadens nicht mehr stattfinden konnte, ändert dies nichts an der Einschätzung der optischen Beeinträchtigung, da auf den konkreten Zustand im Zeitpunkt des Versicherungsfalls abzustellen ist. Eine andere Bewertung der optischen Beeinträchtigung durch den Hagelschaden ergibt sich auch nicht aus der Lage der Alu-Rolltore am Gebäude. Sie sind nur vom Hof, nicht etwa durch Passanten von der Straße her, zu sehen. Der Hof wird nach Aussage des Klägers als Lager genutzt. Die vom Hagelschlag verursachten Schäden beeinträchtigen das äußere Erscheinungsbild der Alu-Rolltore nur geringfügig und das Erscheinungsbild der Gebäude nur unwesentlich. Bei Abwägung dieser Umstände ist davon auszugehen, dass ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer die Alu-Rolltore nicht austauschen würde. Der Schönheitsschaden liegt damit nach der Verkehrsauffassung im Bereich des Zumutbaren.
21Eine weitere Zahlung zum Ausgleich des Minderwerts über die bereits von der Beklagten gezahlten Summe hinaus, kam nicht in Betracht, da der Kläger der von der Beklagten angesetzten Höhe nicht entgegengetreten ist.
222. Da dem Kläger kein Hauptsacheanspruch zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung.
233. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, 1. Halbsatz ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
24Der Streitwert wird auf 5.039,77 EUR festgesetzt.
25Rechtsbehelfsbelehrung:
26Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
27a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
28b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
29Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, I, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
30Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
31Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
32Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 121 C 27858/98 3x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 62/10 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- 5 U 496/05 1x (nicht zugeordnet)