Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 97/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Frage einer Verkehrssicherungspflichtverletzung bei Mäharbeiten auf einem zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifen.
3Der Kläger befuhr mit seinem PKW am 26.06.2013 die T-Straße in E in östlicher Richtung ,Fahrtrichtung E B.
4In Höhe der Unterführung der B 236 führten zu dieser Zeit Mitarbeiter der Beklagten auf dem rechts vom Kläger gelegenen und durch einen ca. 2 m breiten Gehweg von der Fahrbahn getrennten, Seitenstreifen der T-Straße Mäharbeiten mit einem Aufsitzmäher durch.
5Bei dem verwendeten Aufsitzmäher handelte es sich um ein Modell der Marke K, welches über ein Mulchmähwerk mit einem geschlossenen Mähkasten verfügt. Das Mähgut wird nicht aufgefangen, sondern nach unten ablegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von Seiten der Beklagten zur Akte gereichten Lichtbilder , Bl. 69 f. d.A. verwiesen.)
6Warnschilder oder Absperrungen, die auf die Mäharbeiten hinwiesen, wurden nicht aufgestellt.
7Der Kläger wendete sich mit Schreiben vom 01.07.2013 an die Beklagte und verlangte Schadensersatz für die Reparatur der Frontscheibe seines PKWs in Höhe von 742,66 €, welche durch einen bei den o.g. Mäharbeiten hochgeschleuderten Stein beschädigt worden sein soll.
8Die Beklagte lehnte eine Ersatzpflicht mit Schreiben vom 17.7.2013 ab.
9Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2013 forderte der Kläger die Beklagte erneut erfolglos unter Fristsetzung bis zum 30.08.2013 zur Zahlung auf.
10Der Kläger hat am 18.10.2013 Klage erhoben.
11Der Kläger behauptet, durch einen vom Aufsitzmäher hochgeschleuderten Stein sei die Frontscheibe seines Fahrzeugs beschädigt worden.
12Er ist der Ansicht, dass die Beklagte für diesen Schaden zu haften habe, da sie ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei, indem sie ihr zumutbare Sicherungsmaßnahmen nicht ergriffen habe. Es sei den Mitarbeitern der Beklagten konkret zumutbar gewesen, durch Warnschilder oder andere Hinweise auf die Mäharbeiten hinzuweisen.
13Hierzu behauptet er, dass er auf entsprechende Warnschilder hin mit einer geringeren Geschwindigkeit an dem Arbeitsbereich oder - soweit die Verkehrsverhältnisses es zugelassen hätten - in einem Bogen an diesem vorbei gefahren wäre.
14Er beantragt,
151. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 742,66 € zzgl 5 % Zinsen über
16dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2013 zu zahlen.
172. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 74,26 € vorgerichtliche,
18nicht anrechenbare Anwaltsgebühren zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Auffassung, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung sei nicht gegeben. Die ihr zumutbaren Sicherungsmaßnahmen habe sie erfüllt.
22Sie behauptet insofern, der eingesetzte Aufsitzmäher habe sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden, wovon sich die Mitarbeiter der Klägerin vor Beginn der Arbeiten vergewissert hätten.
23Ferner hätten die Mitarbeiter der Beklagten den Seitenstreifen vor Beginn der Mäharbeiten auf größere Verunreinigungen wie Flaschen, Dosen und größere Steine abgesucht und von diesen befreit.
24Das Gericht hat am 17.04.2015 sowie am 22.05.2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen des Inhalts wird auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
27Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz des von ihm geltend gemachten Schadens.
28Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten hat der Kläger nicht nachweisen können. Zum Aufstellen von Warnschildern oder Hinweisen, die auf die durchgeführten Mäharbeiten aufmerksam machen, war die Beklagte nicht verpflichtet.
29Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus Amtshaftung gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
30Eine Amtspflichtverletzung eines Mitarbeiters der Beklagten liegt nicht vor. Die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen und Wege ist in Nordrhein-Westfalen gem. § 9 a StrWG hoheitlich ausgestaltet, sodass diese Pflicht eine Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB darstellt. Bezüglich der streitgegenständlichen T-Straße in E trifft die hoheitliche Verkehrssicherungspflicht auch die Beklagte
31Diese Pflicht ist jedoch nicht verletzt worden.Für eine entsprechende Pflichtverletzung ist der Kläger als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet. Dass die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter eine rechtlich gebotene Verkehrssicherungspflicht verletzt haben, hat er nicht nachgewiesen. Zum Aufstellen von Warnschildern vor Beginn der Mäharbeiten waren die Mitarbeiter der Beklagten nicht verpflichtet, da dies das zumutbare Maß an Sicherung überspannt.
32In Ihren inhaltlichen Anforderungen unterscheiden sich die öffentliche und die private Verkehrssicherungspflicht nicht (BGH NJW 80, 2194/95). Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH Vers R 2003,1319).
33Die rechtlich selbstständig neben der Straßenbaulast stehende Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Verkehrsflächen verlangt vom Pflichtigen, diese Flächen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um Gefahren für die Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand dieser Flächen zu vermeiden. (vgl. OLG Brandbenburg Urt. v. 17.72012 -2 U 56/11, BeckRS 2012, 15693). Zum abzusichernden Bereich zählen auch die zum Straßenkörper gehörenden Seitenstreifen, Bankette und Straßenränder (vgl. BGH VersR 05, 660).
34Die Anforderungen an die Zumutbarkeit dürfen jedoch nicht überspannt werden. Verlangt werden können nur solche Sicherungsmaßnahmen, die mit vertretbarem technischen und wirtschaftlichen Aufwand erreichbar sind und nachweislich zu einem besseren Schutz führen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20. Juli 2006, - 8 U 23/06 -, VersR 2007, ; BGH, Urteil vom 18. Januar 2005, VersR 2005, OLG Rostock, Urteil vom 9. Mai 2008, - 5 U 112/08 -, MDR 2008).Zu beachten ist bei der Bewertung des zumutbaren Aufwands auch, dass es sich bei den Mäharbeiten nicht um wirtschaftlich günstige, sondern gemeinnützige Arbeiten handelt, die mit Kosten verbunden sind (vgl. dazu auch OLG Celle Urteil v. 20.07.2006 -8 U 23/06, BeckRS 2006, 08751).
35Die vom Kläger geforderte Sicherungsmaßnahme, Warnschilder vor Beginn der Mährarbeiten aufzustellen ist in Anwendung dieser Kriterien nicht zumutbar, denn sie hätte nicht nachweislich zu einem besseren Schutz der Verkehrsteilnehmer geführt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
36Der von der Beklagten eingesetzte Mäher verfügte unstreitig über ein geschlossenes Mähwerk, welches die Klingen vollständig verdeckt und fast bis auf den Boden reicht. Diese Vorrichtung verhindert aus technischer Sicht fast vollständig ein Hochschleudern von Gegenständen während des Mähvorgangs.
37Hätten die Mitarbeiter der Beklagten Warnschilder aufgestellt, hätte dies ein Hochschleudern von Gegenständen nicht verhindert und damit keinen nachweislich besseren Schutz geboten. Die Gegenstände wären auch bei Aufstellen der Schilder auf die Fahrbahn geschleudert worden. Ob ein den Arbeitsbereich passierendes Fahrzeug von einem solchen Gegenstand getroffen wird, hängt unabhängig von dessen Geschwindigkeit nur vom Zufall ab.
38Allein eine Sperrung des betreffenen Straßenbereichs würde nachweislich zu einem besseren Schutz führen. Dies stünde aber außer Verhältnis zum minimalen Restrisiko des Hochschleuderns von Gegenständen bei einem mit Schutzabdeckungen ausgestattetem Mäher. Der Verkehrssicherungspflichtige ist nicht verpflichtet, diese Restrisiken umfassend zu unterbinden (vgl. ähnlich OLG Stuttgart VersR 2002,1572 ("allgemeines Lebensrisiko"); LG München I, DAR 1999,552).
39Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung durch ein anderes Tun oder Unterlassen der Mitarbeiter der Beklagten hat der Kläger ebenfalls nicht nachweisen können. Einen entsprechenden Sachverhalt dazu hat er nicht vorgetragen, er hat lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass die von der Beklagten behauptete Kontrolle der Rasenfläche auf Gegenstände vor Beginn der Mäharbeiten stattgefunden hat. Dies genügt nicht, um den Nachweis einer Pflichtverletzung zu führen.
40Mangels Bestehen einer Hauptforderung, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
41Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I , 708 Nr. 11, 711 ZPO.
42Der Streitwert wird auf 742,66 EUR festgesetzt.
43Rechtsbehelfsbelehrung:
44Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
45a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
46b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
47Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, I-Straße, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
48Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
49Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
50Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 2 U 56/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 a StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 U 112/08 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BGB § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung 2x
- 8 U 23/06 2x (nicht zugeordnet)