Beschluss vom Landgericht Freiburg - 2 Qs 47/15

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten werden der Haftbefehl des Amtsgerichts Freiburg vom 10.03.2015 (23 Gs 560/15) sowie die Beschlüsse des Amtsgerichts Freiburg vom 30.03.2015 (23 Gs 676/15) und 09.04.2015 (35 Ds 220 Js 7408/15) aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I.
Der Beschuldigte befand sich aufgrund des in vorliegender Sache ergangenen Haftbefehls des Amtsgerichts Freiburg vom 10.03.2015 (23 Gs 560/15) seit demselben Tag in Untersuchungshaft, die ab dem 20.03.2015 zur Vollstreckung mehrerer Ersatzfreiheitsstrafen unterbrochen wurde. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht Freiburg - Ermittlungsrichter - mit Beschluss vom 30.03.2015 (23 Gs 676/15) den Haftbefehl vom 10.03.2015 aufrechterhalten. Am 31.03.2015 erhob der durch seinen beigeordneten Verteidiger vertretene Beschuldigte hiergegen Beschwerde. Nach Anklageerhebung zum Strafrichter am Amtsgericht Freiburg am 08.04.2015 erließ dieser am 09.04.2015 Beschluss, dass er der Beschwerde vom 31.03.2015 nicht abhelfe. Diese Entscheidung ist - nach der mit Anklageerhebung gebotenen Umdeutung der Beschwerde in einen Antrag auf Haftprüfung gem. § 117 Abs. 1 StPO - in der Sache als Aufrechterhaltung des Haftbefehls in der Haftprüfung auszulegen. Hiergegen wendet sich der Angeschuldigte mit Beschwerde vom 15.04.2015.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Es besteht kein Haftgrund.
Es bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte, dass sich der Beschuldigte im Sinne des § 112 StPO verborgen hielt, die Absicht zur Flucht hat oder Verdunklungsgefahr besteht. Eine Katalogtat nach § 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO liegt nicht vor.
Der vorliegend gegebene dringende Verdacht des gewerbsmäßigen Diebstahls gem. §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB beeinträchtigt die Rechtsordnung nicht schwerwiegend. Somit besteht auch kein Haftgrund der Wiederholungsgefahr gem. § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO:
Im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Person ist ein strenger Maßstab an das Bestehen des Haftgrunds anzulegen und auch bei der Prüfung, ob weitere schwerwiegende Straftaten zu erwarten sind, sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 35, 185).
Da jede Straftat die Rechtsordnung beeinträchtigt und die in § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO genannten Katalogtaten bereits abstrakt-generell schwerwiegender Natur sind, kann die Auslegung des Merkmals der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung nur dahingehend erfolgen, dass einschränkend erforderlich ist, dass die jeweilige Anlasstat auch im Einzelfall schwer wiegt. Diese muss daher in ihrer konkreten Gestalt, insbesondere nach Art und Ausmaß des angerichteten Schadens, einen hohen Unrechtsgehalt aufweisen, so dass in einer Gesamtschau wenigstens eine Einordnung in den Bereich der „oberen Hälfte der mittelschweren Kriminalität“ zu erfolgen hat (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 210). Dabei ist auf die einzelne Tat und nicht auf die Gesamtheit aller Taten abzustellen (vgl. OLG Karlsruhe StV 2002, 147). Soweit angenommen wird, dass im Falle der Tatmehrheit jedenfalls bei Serientaten auch das Gesamtunrecht berücksichtigt werden kann, ist jedenfalls ein sehr hohes, weit überdurchschnittliches Gesamtunrecht zu fordern (vgl. Graf in KK-StPO, 7. Aufl. § 112a Rdnr. 14a m.w.N.; zur Gegenansicht: Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 112a, Rdnrn. 31 ff.).
Dem Beschuldigten wird mit vorliegender Anklage vom 08.04.2015 (lediglich) zur Last gelegt, in fünf rechtlich selbstständigen Handlungen im Zeitraum vom 21.02.2015 bis zum 09.03.2015 gewerbsmäßig jeweils zwischen zwei und sechs Parfümflakons im jeweiligen Gesamtverkaufswert von 179,98 EUR bis 327,94 EUR aus den Verkaufsräumen des Kaufhauses (…) gestohlen zu haben.
Dabei ist bei vorläufiger Bewertung davon auszugehen, dass der Beschuldigte jeweils den Verkaufsraum betrat, mehrere Parfümflakons in seinen Gewahrsam brachte und den Verkaufsraum sodann beschleunigt verließ. Dabei hielt er sich entsprechend dem vorgefassten Tatplan nur ganz kurz (20-60 Sekunden) in den Verkaufsräumen auf. Daher konnte trotz mehrfacher Aufzeichnung auf die Videoüberwachung, unterlassener Heimlichkeit der Wegnahme und ungestörter Funktion etwaiger technischer Alarmsicherungen erst bei der letzten festgestellten Tat das vom Kaufhausbetreiber zur Verhinderung und Aufklärung von Diebstählen beschäftigte Personal den Beschuldigten stellen.
Es handelt sich mithin um Ladendiebstähle, die angesichts der einfachen Art der Ausführung und des begrenzten Schadens weder ein gesteigertes Handlungs- noch ein gesteigertes Erfolgsunrecht erkennen lassen. Allein eine gewerbsmäßige Begehungsweise in fünf zeitnahen Fällen genügt nicht, hier eine grundlegend abweichende Bewertung zu begründen.
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Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass der Beschuldigte vielfach, auch einschlägig vorbestraft ist, erst im November 2014 aus Strafhaft entlassen worden war und daneben nach Aktenlage Anhaltspunkte für einen auch zukünftig hohen Finanzierungsbedarf auf Grund einer fortbestehenden Heroinsuchterkrankung bestehen. Diese Umstände sind jedoch für die Bemessung des Unrechts - anders als möglicherweise für die Fragen des Umfangs der Schuld und der Wiederholungsgefahr - nicht von maßgeblicher Bedeutung.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO in entsprechender Anwendung.

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