Beschluss vom Landgericht Halle (2. Große Strafkammer) - 2 Qs 1/2017, 2 Qs 2/2017, 2 Qs 1/17, 2 Qs 2/17

Tenor

I. Die mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juni 2016 für den Beschwerdeführer zu 1. eingelegte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts H vom 12. Mai 2016 (Az.: 395 Gs 264/16) wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

II. Die mit Schreiben vom 20. Juni 2016 eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts H vom 12. Mai 2016 (Az.: 395 Gs 263/2016) wird als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin zu 2. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Der Beschuldigte betreibt seit 2005 einen Handel mit Kraftfahrzeugen. Es wurde gegen ihn am 21. Januar 2016 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen versuchter Einkommensteuerhinterziehung und Hinterziehung des Solidaritätszuschlages zur Einkommensteuer für das Kalenderjahre 2010, versuchter Gewerbesteuerhinterziehung für das Kalenderjahr 2010, jeweils durch Nichtabgabe der Einkommen- und Gewerbesteuererklärung zum Fälligkeitszeitpunkt 31. August 2011 sowie der Umsatzsteuerhinterziehung für das I. bis IV. Quartal 2010 durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen in noch festzustellender Höhe und der Umsatzsteuerhinterziehung für das Kalenderjahr 2010 durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung zum Fälligkeitszeitpunkt 31.08.2011 in noch festzustellender Höhe eingeleitet. Der Ausgangspunkt für die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Verfahrens war Kontrollmaterial des Finanzamtes C. Hieraus ergab sich der Verdacht, dass getätigte Verkäufe von Kraftfahrzeugen in der Buchführung des Beschuldigten nicht erfasst worden und damit die Erlöse einer Versteuerung entzogen worden seien. Der Beschuldigte wurde seinerzeit steuerrechtlich durch die S. (Beschwerdeführerin zu 2.) vertreten. F. unterhielt für seinen Handel mit Kraftfahrzeugen eine Hauptniederlassung in S. sowie zwei weitere Zweigniederlassungen.

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Das Amtsgericht H. erließ am 12. Mai 2016 (Az.: 395 Gs 264/2016) gegen den Beschuldigten einen Durchsuchungsbeschluss für die bestehenden Haupt- und Zweigniederlassungen. Dem Beschuldigten wurde dabei die versuchte Hinterziehung von Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer für das Kalenderjahr 2010 und die Hinterziehung von Umsatzsteuer für das I. bis IV. Quartal 2010 sowie die Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2010 vorgeworfen. Das Amtsgericht erließ zeitgleich unter dem Az.: 395 Gs 263/2016 einen Durchsuchungsbeschluss für die Geschäftsräume der S.. Die beiden Durchsuchungsbeschlüsse wurden am 16. Juni 2016 vollzogen. Dabei wurden in dem Steuerbüro keine beweisrelevanten Unterlagen aufgefunden. Die Beschwerdeführerin zu 2. legte dennoch mit Schreiben vom 20. Juni 2016 Beschwerde ein und begründete diese u. a. damit, dass die potentiellen Beweisgegenstände, wie sie in dem angefochtenen Beschluss aufgeführt seien, zu unsubstantiiert seien und eine versuchte Steuerhinterziehung wegen der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung keine Durchsuchung rechtfertige. Zudem seien sämtliche relevanten und damit potentiellen Beweismittel vorab bei den Finanzbehörden eingereicht worden.

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Der Verteidiger legte ebenfalls am 20. Juni 2016 gegen den Durchsuchungsbeschluss zum Az.: 395 Gs 264/2016 Beschwerde ein. Dieses Rechtsmittel wurde in der Folgezeit trotz einer entsprechenden Ankündigung nicht weiter begründet. Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes H. erwiderte daraufhin mit Schreiben vom 30.06.2016 nur auf das Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin zu 2. Dabei wurde ausgeführt, dass in dem angefochtenen Beschluss die Geschäftsbranche des Beschuldigten und der maßgebliche Zeitraum genannt seien, es zudem abweichend von der Beschwerdebegründung auch um vollendete Steuerhinterziehung gehe, das Steuergeheimnis eine noch ausführlichere Beschlussbegründung verhindert habe und in den bisher eingereichten Unterlagen trotz des vorhandenen Kontrollmaterials aus C. keine Hinweise auf auffällige Maschinenverkäufe vorhanden gewesen seien. Deshalb habe jetzt der Verdacht bestanden, dass die vorhandenen Unterlagen nicht vollständig gewesen seien.

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Das Amtsgericht hat beiden Beschwerden nicht abgeholfen.

II.

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1. Die gemäß § 304 Abs. 1 i.V.m. § 305 Satz 2 StPO statthafte Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. ist zulässig. Das Grundrecht aus Art. 13 GG kann auch von juristischen Personen des Privatrechts geltend gemacht werden, soweit Büro- und Geschäftsräume betroffen sind. Weiterhin kann nach einer inzwischen gefestigten Rechtsprechung auch gegen zwischenzeitlich vollzogene Durchsuchungsbeschlüsse das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt werden (BVerfG, Beschl. v. 30. Apr. 1997, 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95, BVerfGE 96, 27). Ein Fall der prozessualen Überholung ist hier ausnahmsweise nicht gegeben, da ansonsten infolge des regelmäßig kurzen Zeitablaufs zwischen der Anordnung der Durchsuchung und dem Vollzug der Durchsuchung der verfassungsrechtlich gebotener Rechtsschutz nicht in einem ausreichenden Maße gewahrt werden kann. Der durch das Amtsgericht ergangene Durchsuchungsbeschluss wurde der Beschwerdeführerin zu 2. erst mit dem Vollzug der Maßnahme am 16.06.2016 bekannt gegeben.

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Die zulässige Beschwerde ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung gemäß den §§ 103 ff. StPO sind nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Beschwerdekammer entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gegeben. Die Beschwerdeführerin zu 2. selbst ist als Betroffene unverdächtig. Die angeordnete Maßnahme diente, wie in § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgesehen, der Beschlagnahme bestimmter beschlagnahmefähiger Gegenstände. Ausgehend von dem Kontrollmaterial des Finanzamtes C. bestand der Verdacht, dass der Beschuldigte F. mehrere Verkäufe von Kraftfahrzeugen tätigte, diese aber in seiner Buchhaltung nicht ordnungsgemäß erfasst hat mit dem Ziel der Hinterziehung der Einkommensteuer bzw. Umsatzsteuer. Die Beschuldigte wurde durch die Beschwerdeführerin zu 2. in steuerrechtlichen Angelegenheiten vertreten. Dazu gehörten neben der Erstellung der Lohnbuchhaltung auch die Erstellung von Jahresabschlüssen sowie die Abgabe von notwendigen Steuererklärungen. Die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin zu 2. waren daher auch mit der Buchhaltung für den Beschuldigten befasst. Als Folge dieser Situation bestand deshalb auf der Grundlage hinreichend bestimmter Tatsachen eine konkrete Auffindungsvermutung, wie sie im Gesetz vorgesehen ist. Die Kammer macht sich hier die Bewertung der Steuerfahndung beim zuständigen Finanzamt H. zu eigen. Die Schilderung der Beschwerdeführerin zu 2., dass sämtliche Unterlagen vorab dem zuständigen Finanzamt bereits überlassen worden seien, stimmt mit der bestehenden Verdachtslage nicht überein.

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Zum einen räumte die Beschwerdeführerin zu 2. selbst ein, dass sie zunächst zwar Unterlagen beim Finanzamt eingereicht habe, diese dann aber noch ergänzt habe. Darüber hinaus zeigt gerade der Abgleich mit dem vorhandenen Kontrollmaterial, dass für die auffälligen Geschäftsvorfälle relevante Papierspuren in Form von Unterlagen überhaupt nicht vorhanden waren. Dies legt es nahe, dass der Beschuldigte entweder selbst Unterlagen aufbewahrt hat bzw. solche bei seinem Steuerbüro hinterlegt hat, in der Annahme, dass diese hier vor einem Zugriff seitens der Finanzbehörden jeder sicher seien. Die bestehende Verdachtslage war somit nicht nur eine bloße Vermutung, sondern beruhte auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage.

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Entscheidend bleibt aber, ob die in dem Durchsuchungsbeschluss aufgeführten Gegenstände auch beschlagnahmefähige Gegenstände i.S.d. §§ 94 ff. StPO gewesen sind. Denn nur in einem solchen Fall ist die Durchsuchung bei einem Dritten, hier dem Steuerbüro des Beschuldigten, zulässig. Abweichend von der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin zu 2. sind die in dem Beschluss genannten potentiellen Beweismittel zur Überzeugung der Kammer zunächst in einem ausreichenden Maße bestimmt gewesen, damit diese Gegenstand einer Durchsuchungsmaßnahme seien können. Die Beschwerdeführerin ist das beauftragte Steuerbüro des Beschuldigten. Sie ist daher mit den steuerrechtlichen Gegebenheiten ihres Mandanten und dem Umfang seiner gewerblichen Tätigkeit als Händler von Kraftfahrzeugen vertraut. Es wurden in dem Beschluss zielgerichtet Kaufverträge für Fahrzeuge und in diesem Zusammenhang etwaige Zahlungsnachweise und Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben einschließlich vorhandener Kontoauszüge und eines etwaigen Schriftwechsels hinsichtlich des An- und Verkaufs von Fahrzeugen für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 aufgeführt. Die potentiellen Beweismittel, nach denen daher gesucht wurde, sind damit zur Überzeugung des Gerichtes hinreichend bestimmbar aufgeführt. Der verfahrensrelevante Zeitraum wurde im Hinblick auf die mitgeteilten Tatvorwürfe betreffend das Jahr 2010 auch auf diesen Zeitraum eingegrenzt. Eine unzulässige Ausforschung für weitere Veranlagungszeiträume unterblieb daher.

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Fraglich bleibt daher allein noch, ob die in dem Durchsuchungsbeschluss aufgeführten potentiellen Beweismittel auch bei der Beschwerdeführerin zu 2. noch beschlagnahmefähig waren. Dem könnte hier die Regelung des § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO entgegenstehen. Insoweit ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob ein Beschuldigter durch das Verschaffen der Buchhaltungsunterlagen, die er eigentlich selbst aufbewahren müsste, sich bei seinem beauftragten Steuerbüro einen sogenannten "sicheren Hafen" verschaffen und die Unterlagen damit weiteren Ermittlungsmaßnahmen entziehen kann (vgl. Heinrich, wistra 2017, 219, 224). Die Finanzverwaltung hält Buchführungsunterlagen, Belege und Aufzeichnungen eines Beschuldigten ohne Weiteres für beschlagnahmefähig (Nr. 58 Abs. 1 AStBV). Demgegenüber wird in der Literatur und Rechtsprechung teilweise die Ansicht vertreten, dass Buchführungsunterlagen, Bilanzen, Steuererklärungen und dergleichen dem Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO unterliegen bzw. unterliegen können. Auch solche Unterlagen seien dem Steuerberater in dieser Eigenschaft anvertraut worden. Es komme somit nicht darauf an, ob die Unterlagen vom steuerlichen Berater selbst erstellt worden sind (also etwa Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen usw.), denn auch wenn Unterlagen nicht vom Berater selbst herrühren, so haben sie doch durch die Übergabe seitens des Mandanten die Qualität von Mandanteninformationen erlangt. Es entspräche gerade nicht der weiten gesetzlichen Regelung, danach zu differenzieren, ob es sich um buchhalterische oder die eigentliche Steuerberatung betreffende Dokumente oder Belege handele (LG München, Beschluss vom 14. Dezember 1983, 19 Qs 4/83, NJW 1984, 1191; LG Stade, Beschluss vom 27.10.1983, 12 Qs 5/83, wistra 1986, 41; Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, § 385 AO, Rz. 974).

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Nach anderer Ansicht soll das Beschlagnahmeverbot nur für die sogenannten Handakten des Steuerberaters gelten. Nur solche Unterlagen seien innerhalb des bestehenden Vertrauensverhältnisses entstanden (LG Berlin, Beschluss vom 20. Juli 2000, 519 Qs 216/2000, n.v.). Folgt man dieser Ansicht, so sind die hier in dem angefochtenen Beschluss aufgeführten potentiellen Beweismittel gerade nicht Unterlagen, die innerhalb des bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beschuldigten und der Beschwerdeführerin zu 1. entstanden sind. Es handelt sich vielmehr um allgemeine Geschäftsunterlagen, für welche ein Steuerpflichtiger zur Aufbewahrung verpflichtet ist. Gemäß § 146 Abs. 2 Satz 1 AO sind Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen, hierzu zählen auch die im angefochtenen Beschluss aufgeführten Kaufverträge, Kontounterlagen und der sonst relevante Schriftverkehr, durch den Steuerpflichtigen (hier den Beschuldigten) aufzubewahren. Es handelt sich damit um eine originäre Verpflichtung des Beschuldigten. Der Sinn dieser Regelung ist es, dass die zuständigen Finanzbehörden im Rahmen der durchzuführenden Prüfungen den jederzeitigen Zugriff auf die insoweit relevanten Unterlagen haben können. Diese Aufbewahrungspflicht wäre inhaltlich hinfällig, wenn ein Steuerpflichtiger durch das Verbringen der Unterlagen zu seinem Steuerberater ein Beschlagnahmeverbot herbeiführen könnte. Der Steuerpflichtige und damit auch potentielle Steuerstraftäter könnten sich dann hinsichtlich sämtlicher Unterlagen aus ihrem Geschäftsbetrieb einen so genannten "sicheren Hafen" verschaffen.

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Die Kammer verkennt nicht, dass eine solche Differenzierung im Einzelfall zu Abgrenzungsproblemen führen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der beauftragte Steuerberater die ihm überlassenen Unterlagen des Mandanten gerade für die Erstellung der Steuererklärungen benötigt. Dementsprechend wird gegen die Beschlagnahmefähigkeit solcher Unterlagen auch eingewandt, dass es keinen entscheidenden Unterschied machen könne, ob der Beschuldigte seinem steuerlichen Berater z. B. einen Vertrag zur Prüfung mündlich oder telefonisch mitteilt und der Berater sich darüber unstreitig geschützte Aufzeichnungen anfertigt oder ob der Beschuldigte seinem Berater den betreffenden Vertrag zur Prüfung aushändigt (Schäfer in Löwe-Rosenberg, § 97 StPO, Rz. 72; LG Stuttgart, Beschluss vom 20.02.1997, 13 Qs 2/97, DStR 1997, 1449). Diese Argumentation verkennt aber zur Überzeugung der Kammer, dass gerade dann die notwendigen Unterlagen entsprechend der gebotenen Aufbewahrungspflicht nach § 146 Abs. 2 Satz 1 AO noch bei dem Beschuldigten vorhanden sind. Bei den angefertigten Schriftstücken des Steuerberaters handelt es sich dann nur um so genannte Sekundärunterlagen, denen regelmäßig schon nicht einmal die potentielle Beweismittelbedeutung im Hinblick auf etwaige vorhandene Originalunterlagen zukommt. Darüber hinaus wurde für das Kalenderjahr 2010 auch am 03. Februar 2012 eine Umsatzsteuererklärung beim zuständigen Finanzamt eingereicht. Ebenso wurden für das I. bis IV. Quartal 2010 in der Zeit vom 10.05.2010 bis 10.02.2011 inhaltlich unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht. Darüber hinaus wurden seitens des zuständigen Finanzamtes für den Veranlagungszeitraum 2010 bereits im Jahre 2012 Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag bzw. den Gewerbesteuer-Messbetrag erlassen. Es ist damit nicht ersichtlich, dass die hier relevanten Unterlagen, wie sie in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts aufgeführt wurden, durch die Beschwerdeführerin zu 2. noch notwendigerweise für die Erstellung von steuerrechtlichen Arbeiten herangezogen wurden.

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Soweit daher in der Rechtsprechung teilweise danach unterschieden wurde, inwieweit der Berufsgeheimnisträger die Unterlagen noch zur auftragsgemäßen Bearbeitung benötige und sie ihm nur dann i.S.d. § 97 StPO anvertraut seien (LG Hamburg, Beschluss vom 04.07.2005, 608 Qs 3/2005 wistra 2005, 394) kann auch nach dieser vermittelten Auffassung im vorliegenden Fall von der Zulässigkeit der Beschlagnahme ausgegangen werden. Die hier relevanten Unterlagen unterliegen im Ergebnis nicht mehr dem Beschlagnahmeverbot, da die Beschwerdeführerin zu 2. insoweit nur noch als Verwahrerin für den Beschuldigten in Betracht gekommen wäre. Sie selbst sieht sich entsprechend dem Inhalt ihrer Beschwerdebegründung auch nur als Verwahrstelle für solche Unterlagen an. So wurde in der Beschwerdebegründung bereits darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Beschwerdeführerin zu 2. sämtliche relevanten Unterlagen bereits vorab, soweit sie aufbewahrt worden seien, an die zuständigen Finanzbehörden übergeben worden seien. Zwar wird gegen diese vermittelnde Auffassung vorgebracht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und steuerrechtlichem Berater unteilbar sei und sich daher nicht auf einzelne Tätigkeiten beziehen könne (Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, § 385 AO, Rz. 977). Auch insoweit wird aber verkannt, dass reine Buchhaltungsunterlagen, insbesondere also Geschäftskorrespondenz, Verträge, Rechnungen und Kontounterlagen regelmäßig gerade nicht vom Steuerberater selbst erstellt werden, es sich um Unterlagen i.S.d. § 148 Abs. 2 Satz 1 AO handelt und das Überlassen dieser Unterlagen von dem Begriff des Anvertrauens abzugrenzen ist. Solches Anvertrauen, wie es § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO gerade vorsieht, lag hier infolge der bereits genannten Umstände somit nicht vor. Die aufgeführten Unterlagen aus dem angefochtenen Durchsuchungsbeschluss waren somit beschlagnahmefähig.

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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Falle auch unter Berücksichtigung von § 160a Absatz 2 Satz 1 StPO die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Das Gesetz hat hier dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen besonderen Stellenwert eingeräumt, der in diesem Fall noch gewahrt wurde. Das Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafrechtspflege überwiegt in der gebotenen Gesamtschau gegen das öffentliche Interesse an den von dem Berufsgeheimnisträger wahrgenommenen Aufgaben und dem individuellen Interesse an der Geheimhaltung der ihm bekannt gewordenen Tatsachen. So hat der Mandant, also der Beschwerdeführer zu 1., sein eigenes Rechtsmittel nicht einmal weiter begründet. Es wurden bei der Beschwerdeführerin zu 2. keine Unterlagen sichergestellt. In deren Beschwerdebegründung wird nur pauschal von einem schwerwiegenden Eingriff gesprochen, hierzu werden aber keine weiteren Anknüpfungstatsachen mitgeteilt. Vielmehr gab die Beschwerdeführerin zu 2. zunächst sogar Unterlagen heraus, auch wenn diese aus der Sicht der Finanzbehörde nicht aussagekräftig waren. Dass deren Verhalten nach der Aktenlage zur Überzeugung der Kammer für die Finanzbehörde auch Anlass gegeben hätte, die Anwendbarkeit des § 160a Abs. 4 StPO zu prüfen, bleibt noch hervorzuheben.

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Es besteht zudem eine Proportionalität zwischen der Schwere des Eingriffs bei einem Berufsgeheimnisträger zur Bedeutung der Sache sowie der Stärke des bestehenden Tatverdachts. Abweichend von dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 2. erstrecken sich die Tatvorwürfe auch auf eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung. Gerade infolge des vorhandenen Kontrollmaterials durch das Finanzamt C. bestand ein erheblicher Verdacht, dass der Beschuldigte Geschäftsvorfälle nicht ordnungsgemäß in seiner Buchführung erfasst hat und damit ein planmäßiges Vorgehen für eine Steuerhinterziehung vorliegt. Der noch weiter zu konkretisierende Steuerschaden dürfte bei einer vorläufigen Bewertung nicht geringfügig sein.

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Zudem ist jetzt insbesondere im Hinblick auf das Geschäftsfeld des Beschuldigten zu 1. das gänzliche Fehlen von insoweit relevanten Unterlagen auffällig. Die Annahme der Beschwerdeführerin zu 2., dass hier eine Durchsuchung nicht mehr notwendig gewesen sei, bewertet die Kammer unter Berücksichtigung des bestehenden Akteninhalts zugunsten der Finanzverwaltung anders. So kann das beabsichtigte Auffinden von relevanten Geschäftsunterlagen im Rahmen einer gebotenen Gesamtschau auch einen entlastenden Charakter haben. Zwar ist bei der Anordnung einer Durchsuchung bei einem Berufsgeheimnisträger eine Zurückhaltung geboten. Dabei gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in jedem Verfahrensstadium das jeweils schonendste Mittel anzuwenden. Dieser Grundsatz wurde hier aber noch gewahrt. So wurde zunächst aus der Sicht der Finanzbehörde ergebnislos versucht, verfahrensrelevante Unterlagen übersandt zu bekommen. Es war daher notwendig, die in dem Beschluss aufgeführten Unterlagen nicht nur bei dem Beschuldigten, sondern auch in seinem Steuerbüro (hier der Beschwerdeführerin zu 2.) zu suchen. Dabei war man aus ermittlungstaktischen Gründen nicht gehalten, erst einmal nur bei dem Beschuldigten zu durchsuchen. Die Tatsache, dass zu den nunmehr bestehenden verdächtigen Verkaufsfällen zunächst überhaupt keine Geschäftsunterlagen seitens des Steuerbüros an die Finanzbehörden überlassen wurde, trägt die berechtigte Annahme, dass insoweit möglicherweise die relevanten Unterlagen nicht vollumfänglich überlassen worden sein könnten.

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Dass die angeordnete Maßnahme hier nicht zu einem Auffinden von Beweismaterial führte, führt nicht nachträglich zu einer Unzulässigkeit der Anordnung der Durchsuchung. Abweichend von der Ansicht der Beschwerdeführerin zu 2. war ein solches Ergebnis für die Ermittlungsbehörden nicht zwingend vorhersehbar. Auch aus der dann vollzogenen Durchsuchung, wie sie inhaltlich im Aktenvermerk vom 16. Juni 2016 protokolliert wurde, ergeben sich keine Auffälligkeiten, die einen solchen Rückschluss auf eine bestehende Unverhältnismäßigkeit der Anordnung der Durchsuchung zulassen. Die Anordnung war somit rechtmäßig und das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin folglich unbegründet.

17

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

2.

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Die mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juni 2016 eingelegte Beschwerde für den Beschwerdeführer zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts H. vom 12. Mai 2016 zum Az.: 395 Gs 264/2016 ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet. Die Kammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen aus dem angefochtenen Durchsuchungsbeschluss Bezug. Die Beschwerde selbst wurde nicht weiter begründet. Ergänzend sei insoweit nur Folgendes angemerkt: Die Durchsuchung bei einem Verdächtigen erfolgt gemäß § 102 StPO. Für die erforderliche Verdachtslage reicht dabei ein einfacher Tatverdacht. Der Zweck der Durchsuchung, nämlich das Auffinden von beschlagnahmefähigen Beweismitteln, ist im vorliegenden Fall gewahrt. Den in dem Durchsuchungsbeschluss aufgeführten Unterlagen kommt die erforderliche potentielle Beweisbedeutung zu. Dies ist eine notwendige, zugleich aber auch hinreichende Bedingung für die Anordnung einer Durchsuchung. Gerade das Auffinden von Papierspuren ist in den Fällen einer aus Sicht der Finanzverwaltung unvollständigen Buchhaltung zentrales Beweismittel für das Führen des Tatnachweises. Die Stärke des Tatverdachts zum damaligen Zeitpunkt der Ermittlungen gebot im Rahmen der Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch die Anordnung der Durchsuchung. Anderweitige, erfolgversprechendere Ermittlungsansätze waren nach Aktenlage zur gegenwärtigen Einschätzung der Kammer ausgeschöpft. So wurden etwaige vorhandene Unterlagen für das Kalenderjahr 2010 bereits vom Steuerberater des Beschuldigten abgefordert. Diese überlassenen Unterlagen haben sich im Hinblick auf weiteres Kontrollmaterial des Finanzamtes C., aus der vertretbaren Sicht der Finanzbehörden als unvollständig dargestellt. Es bestand damit aus deren Sicht die nachvollziehbare Annahme, dass, falls Unterlagen existieren, diese noch bei dem Beschuldigten bzw. bei seinem Steuerbüro vorhanden sein könnten.

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Die Kostenentscheidung für das erfolglose Rechtsmittel folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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