Urteil vom Landgericht Hamburg (19. Kammer für Handelssachen) - 419 HKO 48/11

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über einen Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung.

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Die Klägerin betreibt eine Papiergroßhandlung. Sie schloss mit der Beklagten, die damals noch unter S. S. & B. H. GmbH firmierte, im Jahr 2002 einen Rahmenvertrag und einen Softwareüberlassungsvertrag (Anlagen K 1, K 2) über die Einführung einer ERP-Software. Die angeblichen Mängel dieser Software sind Gegenstand einer weiteren bei dieser Kammer anhängigen Klage (Aktenzeichen 419 HKO 34/14).

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Die Klägerin erwarb 2006 einen neuen Server des Typs IBM AS/400 zum Preis von € 142.360,00 (netto). Zuvor hatte sich die Beklagte mit einer Mail vom 28.06.2004 (Anlage K 3) auf eine entsprechende Anfrage der Klägerin zur Ausstattung dieses Servers geäußert.

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Im Jahr 2008 schaffte die Klägerin einen weiteren Server des Typs IBM 570i an und zahlte dafür Leasingraten in Höhe von insgesamt € 539.640,00 (netto). Zusätzlich entstanden ihr Wartungskosten für diesen Server in Höhe von € 50.400,00.

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Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe ihr mit der Mail vom 28.06.2004 zum Kauf des Servers AS/400 geraten, obwohl dieser nicht über die notwendige Rechnerkapazität verfüge, was die Beklagte schon damals habe erkennen müssen. In Kenntnis dieses Umstandes hätte sie, die Klägerin, den Server AS/400 nicht gekauft. Hätte sie im Juni 2004 ferner gewusst, dass die von der Beklagten zu liefernde EDV-Investitionen in die Hardware in Höhe von € 539.640,00 verursachen würden, hätte sie das Projekt abgebrochen und auch den Server des Typs AS/400 nicht gekauft. Von der Anschaffung des letztgenannten Servers im Jahr 2006 habe die Beklagte Kenntnis gehabt, wie sich aus dem Besprechungsprotokoll vom 08.08.2006 (Anlage K 7) ergebe, ohne insoweit Einwendungen zu erheben. Die Beklagte habe somit die ihr nach dem Rahmenvertrag obliegende Beratungspflicht verletzt und müsse für den so entstandenen Schaden einstehen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie € 590.040,00 nebst Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. seit dem 10.05.2011 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie vertritt die Auffassung, dass ihr kein Beratungsauftrag hinsichtlich der Anschaffung von Hardware erteilt worden sei. Ihre Mail vom 28.06.2004 enthalte keinesfalls alle für die Auswahl eines neuen Servers relevanten Informationen und könne deshalb keine sachliche Grundlage für die Entscheidung der Klägerin gewesen sein. Jedenfalls sei die Klägerin verpflichtet gewesen, vor der Anschaffung des Servers AS/400 im Jahr 2006 noch einmal Nachfrage zu halten, ob dessen Anschaffung geboten sei. Der Klägerin sei ein Schaden nicht entstanden, denn sie hätte in jedem Fall Anschaffungs- und Wartungskosten für einen Server gehabt, die dem mit der Klage geltend gemachten Betrag entsprechen. Der geltend gemachte Anspruch sei verjährt, jedenfalls gelte die vertraglich vereinbarte Haftungsbegrenzung von € 150.000,00.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Beklagten fällt keine Pflichtverletzung zur Last, welche kausal zu einem Schaden der Klägerin geführt hat (§ 280 BGB).

13

Dem zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag ist keine Verpflichtung der Beklagten zu entnehmen, ungefragt der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Notwendigkeit der Anschaffung eines neuen Servers und die dadurch entstehenden Kosten. Es ist dem Vortrag der Klägerin auch nicht zu entnehmen, dass sie die Beklagte vor Anschaffung des Servers IBM 570i um Rat gefragt hätte oder dass die Empfehlung zur Anschaffung eines solchen Servers falsch gewesen wäre. Auch nach dem Vortrag des Klägers verfügt dieser Server über die für die Verarbeitung der Software erforderliche Rechenkapazität.

14

Die Kammer geht allerdings mit der Klägerin davon aus, dass die Beklagte im Rahmen der von ihr gemäß Ziffer 1.1 des Rahmenvertrages übernommenen Beratungspflicht auch die Nebenpflicht traf, die Klägerin bei der Auswahl der notwendigen Hardware zu beraten, soweit ein solcher Rat konkret erbeten wurde. Die E-Mail der Beklagten vom 28.06.2004 (Anlage K 3) befasst sich auch mit der Ausstattung eines Servers, den die Klägerin – für die Beklagte erkennbar – neu anschaffen wollte, um die zu installierende Software verarbeiten zu können. Ob die in dieser Mail enthaltenen Angaben falsch waren, kann indes offen bleiben. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die kursorischen Angaben zur Leistungsfähigkeit des neuen Servers allein eine taugliche Entscheidungsgrundlage für dessen Auswahl bildeten und ob die Klägerin – die immerhin über eine eigene IT-Abteilung verfügt – ohne eigene Nachprüfung und weitere Recherchen darauf vertrauen konnte, dass der fragliche Server für ihre Zwecke geeignet sei. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Kausalität der (angeblich) fehlerhaften Beratung für den geltend gemachten Schaden. Das folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin die Auskunft der Beklagten 2004 eingeholt, den Server aber nicht zeitnah, sondern erst 2006 angeschafft hat. Es ist allgemein bekannt, dass Hardware kurzen Produktionszyklen unterliegt, die in schneller Folge leistungsfähigere Geräte zu höheren Preisen hervorbringt. Darüber hinaus haben die Parteien, wie das Protokoll vom 08.06.2006 (Anlage K 7) beispielhaft belegt, während der Einführung der Software laufend in Kontakt gestanden und es musste sich der Klägerin aufdrängen, dass die dabei gewonnenen Erkenntnisse von Bedeutung sein können für die Leistungsfähigkeit des neu anzuschaffenden Servers. Vor diesem Hintergrund könnte von einer Kausalität im geschilderten Sinn nur ausgegangen werden, wenn die Klägerin vor Anschaffung des Servers AS/400 im Jahr 2006 bei der Beklagten nachgefragt hätte, ob die zwei Jahre zuvor erteilte Auskunft noch Gültigkeit hat. Dass dies geschehen ist, hat die Klägerin zwar behauptet, aber nicht nachgewiesen. Aus dem Besprechungsprotokoll vom 08.08.2006 (Anlage K 7) ergibt sich hierfür – auch unter dem Punkt „Themen zum Gesamtprojekt“ – nichts. Die Klägerin hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2012 selbst angegeben, aus dem erwähnten Protokoll ergebe sich (nur), dass die Beklagte jedenfalls im Nachhinein über die Anschaffung des neuen Servers informiert worden ist. Aus diesem Umstand allein lässt sich eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht herleiten.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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