Urteil vom Landgericht Hamburg (12. Zivilkammer) - 312 O 482/15

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.10.2015 wird hinsichtlich des Tenors zu Ziffer I. 7. bestätigt.

2. Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Ausgestaltung einer Bestellübersicht im Rahmen eines Onlineshops.

2

Die Antragstellerin bietet eine Vielzahl von Produkten, u.a. Reinigungsmittel, über die Internetseite www. r..de an (Anlage A 2).

3

Die Antragsgegnerin verkauft Medizinprodukte und Desinfektionsmittel über die Internetseite www. b..de (Anlage A 3).

4

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.9.2015 (Anlage A 14) wegen diverser Wettbewerbsverstöße ab. Da die Antragsgegnerin die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigerte, erwirkte die Antragstellerin die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.10.2015, in welcher der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde

5

im Internet Hygiene- und Reinigungsprodukte, Arzneimittel anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder hiermit zu werben und/oder hiermit werben zu lassen,

6

1. ohne gemäß Art. 72 Abs. 1 Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012 bei Biozidprodukten den Hinweis „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“ anzubringen.

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wie in Anlage A4 wiedergegeben;

8

2. ohne gegenüber Verbrauchern bei Werbung für Arzneimittel gem. § 4 Abs. 3 HWG den Text "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" anzugeben.“

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wie in Anlage A6 wiedergegeben;

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3. ohne bei als gefährlich eingestuften oder durch Art. 25 Abs. 6 (EG) Nr. 1272/2008 geregelten Gemischen, die auf dem Kennzeichnungsetikett angegebenen Gefahreneigenschaften nach Art. 17 d) bis h) (EG) Nr. 1272/2008 zu nennen, wenn es dem privaten Endverbraucher nicht möglich ist, das Kennzeichnungsetikett vor Abschluss des Kaufvertrags zu sehen.

11

wie in Anlage A4 wiedergegeben;

12

4. ohne gegenüber Letztverbrauchern die Grundpreise gem. § 2 Preisangabenverordnung („PAngV“) zutreffend anzugeben, wenn Waren nach Gewicht, Volumen oder Länge angeboten werden,

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wie in Anlagen A9 + A10 wiedergegeben;

14

5. ohne auf elektronischen Geschäftsbriefen das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer anzugeben,

15

wie in Anlage A11 wiedergegeben;

16

6. ohne auf mobil. b..de über das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu Art. 246 EGBGB zu informieren;

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wie in der Anlage A12 wiedergegeben;

18

7. ohne dem Verbraucher die wesentlichen Eigenschaft der Waren, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen;

19

wie in der Anlage A13 wiedergegeben.

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Die Antragsgegnerin hat lediglich gegen Ziffer 7 Widerspruch eingelegt und im Übrigen eine Abschlusserklärung abgegeben.

21

Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Bestellübersicht in Anlage A 13 gegen § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB verstoße, so dass ihr gemäß §§ 8,3, 4 Nr.11 UWG ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Antragsgegnerin versäume es nämlich, auf der Bestellübersicht über die wesentlichen Eigenschaften des Produkts zu informieren, da sie sich auf die bloße Nennung des Produktnamens beschränke. Die Parteien seien auch Mitbewerber, da beide Reinigungs- und Desinfektionsmittel anböten.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die einstweilige Verfügung zu Ziffer 7. zu bestätigen.

24

Die Antragsgegnerin beantragt,

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die einstweilige Verfügung zu Ziffer 7. aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

26

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass die einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen sei. Es fehle mangels Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien bereits an der Aktivlegitimation der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin vertreibe Medizinprodukte, während die Antragstellerin ein „Reinigungsportal“ betreibe, das nicht dem Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin entspreche. Hierzu trägt sie vor, dass die in der Abmahnung in Bezug genommenen Produkte der Antragsgegnerin von der Antragstellerin nicht vertrieben würden. Es gebe lediglich einen Artikel, das Desinfektionsmittel Sterilium 1000ml, das zeitweise von beiden Parteien vertrieben worden sei. Die Antragstellerin habe mit dem Angebot jedoch keine ernsthaften Verkaufsabsichten verfolgt, da sie das Produkt zu einem Preis von EUR 12,50 angeboten habe, obwohl ein marktüblicher Preis lediglich ca. EUR 8,00 betrage. Zudem befinde sich Sterilium seit dem 4.11.2015 nicht mehr im Onlineshop der Antragstellerin, wobei eine Wiedereinstellung des Artikels auch nicht zu erwarten sei, da es sich um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel handele und die Antragstellerin nicht über die für den Vertrieb erforderliche Erlaubnis verfüge. Die Tatsache, dass sich das Sortiment der Parteien nur in diesem einen Punkt kurzzeitig überschnitten habe, spreche dafür, dass der Artikel nur zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses in das Programm genommen worden sei. In diesem Zusammenhang weist sie ferner darauf hin, dass - unstreitig - die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bereits für die Antragstellerin bzw. für die HCW NL D. GmbH & Co. KG mit drei nahezu identischen Abmahnschreiben tätig geworden sind. Aus diesen Gründen sei die Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen im vorliegenden Verfahren gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich.

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Ferner ist die Antragsgegnerin der Ansicht, dass die unter Ziffer 7. angegriffene Gestaltung der Bestellübersicht nicht zu beanstanden sei und insbesondere nicht gegen § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB verstoße. Denn auf der Bestellseite der Antragsgegnerin werde – was unstreitig ist – jeweils bei dem Produktnamen mittels eines „sprechenden“ Hyperlinks auf die Produktdetailseiten verwiesen, auf der die wesentlichen Eigenschaften der Produkte aufgelistet würden. Auch sei „wesentlich“ im Sinne von § 312j Abs. 2 BGB nicht gleichzusetzen mit allen Eigenschaften/Merkmalen der Ware, da der Verbraucher seine vorläufige Kaufentscheidung bereits mit Einlegen in den Warenkorb getroffen habe. Ein Wiederholen sämtlicher Angaben werde in diesem Zusammenhang nur zur Unübersichtlichkeit führen und damit dem Gesetzeszweck zuwider laufen. Zur Begründung ihrer Rechtsansicht stützt sich die Antragsgegnerin zudem auf den Entwurf eines Abschlussberichts der Arbeitsgruppe Verbrauchervertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Anlage AG 9). Dessen Einbringen in das vorliegende Verfahren sei von den Arbeitsgruppenmitgliedern und dem BMJV ausdrücklich erwünscht, um „Fehlentwicklungen in der Rechtsprechung vorzubeugen“. Da es sich um Auslegungsfragen zu der Richtlinie 2011/83/EU handele, sei das Verfahren überdies auszusetzen und dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die einstweilige Verfügung war hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 7. zu bestätigen, da sie sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als rechtmäßig erweist.

I.

30

Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin aktivlegitimiert.

31

Der zwischen den Parteien bestehende Streit, ob die Antragstellerin das Produkt Sterilium ernsthaft angeboten hat, kann dahin stehen, da die Antragstellerin durch Vorlage der Anlage A 16 glaubhaft gemacht hat, dass sie – ebenso wie die Antragsgegnerin – eine Reihe von Desinfektionsmitteln, u.a. auch zur Verwendung in Krankenhäusern, anbietet, was für eine Mitbewerberstellung ausreicht, da die Produkte insoweit substituierbar sind und sich die Parteien infolgedessen an den gleichen Kundenkreis wenden. Eine vollständige Überdeckung des Warenangebots bzw. der Vertrieb identischer Produkte ist dagegen nicht erforderlich.

32

Es fehlt auch an substantiiertem Vortrag zu dem von der Antragsgegnerin behaupteten Rechtsmissbrauch aufgrund anderer Abmahnungen. Der Umstand, dass im Namen der Antragstellerin und einer ihrer Konzerngesellschaften drei nahezu identische Abmahnschreiben versandt worden sind, genügt nicht für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs.

II.

33

Die in der Anlage A 13 enthaltene Bestellübersicht der Antragsgegnerin verstößt gegen § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB, so dass der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8,3,3a UWG gegen die Antragsgegnerin zusteht.

34

Nach § 312j Abs. 2 BGB muss bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 4, 5, 11 und 12 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen. Dies sind nach Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EGBGB die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen in dem für das Kommunikationsmittel und für die Waren und Dienstleistungen angemessenen Umfang.

35

Die Bestellübersicht in Anlage A 13 genügt nicht diesen Anforderungen.

36

Der Anbieter von Waren im elektronischen Geschäftsverkehr kommt seiner Informationspflicht über die wesentlichen Merkmale der Ware nur dann in genügendem Maße nach, wenn die entsprechenden Angaben vor Abgabe der Bestellung durch den Kunden (nochmals) eingeblendet werden. Andernorts, z.B. in der Produktübersicht, gemachte Angaben sind insoweit ohne Bedeutung (OLG Hamburg, CR 2015, 261).

37

Vor diesem Hintergrund genügt es vorliegend nicht, dass die Produktdetails über einen „sprechenden Link“ abrufbar sind, da das Abrufen dieser Inhalte nicht zur Abgabe der Bestellung erforderlich ist.

38

Welches die „wesentlichen Merkmale“ einer Ware sind, bedarf einer wertenden Betrachtung im Einzelfall. Die Beantwortung dieser Frage kann nicht allgemein erfolgen, sondern hängt möglicherweise auch davon ab, auf welche Weise und in welcher Detailgenauigkeit der Anbieter selbst seine Ware in seinem Online-Shop anpreist. Für das Angebot von „Bekleidung“ wird insoweit die Angabe von „Material, Farbe, Schnitt, Größe und Waschbarkeit“ für erforderlich gehalten (OLG Hamburg a.a.O.).

39

Vorliegend sind zumindest solche Merkmale als wesentlich anzusehen, welche notwendig sind, um die Produktart und den Verwendungszweck erkennen zu können. Diese Angaben fehlen jedenfalls bei „DESDERMAN Pure Lösung 1000ml“, „Sterilium 500ml“, „BACILLOL AF Lösung 500ml“ und bei „Baktolan Balm 350ml“, da sich die Angaben auf die Wiedergabe der – nicht allen Kunden geläufigen – Markennamen und die Menge beschränken, ohne dass die Kunden überhaupt erkennen können, um was für ein Produkt es sich handelt (z. B. Pflegecreme, Mittel zur Desinfektion der Hände, Desinfektionsmittel für medizinische Geräte oder antibakterielles Putzmittel). Da es im Streitfall bereits an diesen grundlegenden Angaben fehlt und sich der Unterlassungsantrag auf die konkrete Verletzungsform in Anlage A 13 bezieht, kann offen bleiben, welche weiteren Angaben zur Erfüllung der Pflichten aus § 312j Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB erforderlich gewesen wären. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Anlage AG 9, allenfalls belegt die Art und Weise der Einführung dieser Anlage durch den Antragsgegnervertreter in das vorliegende Verfahren, dass er ein anderes Verständnis von Gewaltenteilung hat als die Mitglieder der Kammer.

III.

40

Ungeachtet dessen, dass der vorliegende Rechtsstreit keine ernsthaften Zweifel über die Auslegung europarechtlicher Normen auslöst, kommt eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH ohnehin nicht in Betracht, da dies mit dem Wesen des einstweiligen Verfügungsverfahrens als Eilverfahren nicht zu vereinbaren wäre.

IV.

41

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.

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