Urteil vom Landgericht Hamburg (21. Zivilkammer) - 321 O 70/14

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über ihr Abfindungsguthaben per 31.12.2012 durch Vorlage der Ermittlungsberechnungen des von der Beklagten bestellten Wirtschaftsprüfers zu erteilen.

2. Die Widerklage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 17.831,77 € festgesetzt, wobei auf den Klagantrag € 5.500,- entfallen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob das Abfindungsguthaben der Klägerin nach Beendigung ihrer Beteiligung an der Beklagten durch einen von der Beklagten zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer zu ermitteln ist.

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Die Klägerin beteiligte sich am 27.12.1999 als atypisch stille Gesellschafterin an der Beklagten, seinerzeit noch firmierend unter dem Namen N. AG.

3

Die Gesamtzeichnungssumme betrug DM 53.000,- inkl. Agio. Als Mindestvertragslaufzeit wurden 10 Jahre vereinbart.

4

Mit Schreiben vom 30.12.2011 kündigte die Klägerin ihre Beteiligung zum Ablauf des 31.12.2012. Die Beklagte bestätigte den Eingang des Kündigungsschreibens und teilte mit, dass ein etwaiges Abfindungsguthaben vorbehaltlich der Liquiditätslage ein Jahr nach Wirksamwerden der Kündigung, mithin per 31.12.2013, zur Zahlung fällig werde. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Höhe eines etwaigen Abfindungsguthabens durch eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft berechnet werde.

5

Nachdem die Klägerin zu dem genannten Datum von der Beklagten keine Informationen erhalten hatte, wandte sie sich zunächst mit Schreiben vom 03.02.2014 sowie mit anwaltlichem Schreiben vom 06.03.2014 an die Beklagte und forderte mit Fristsetzung zum 21.03.2014 zur Übersendung der Unterlagen betreffend die Berechnung des Abfindungsguthabens auf.

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Mit Schreiben vom 25.03.2014, gerichtet an die Klägerin persönlich (Anlage B 1), teilte die Beklagte mit, dass die Ermittlung des Abfindungsguthabens in ihrem Fall einen negativen Wert in Höhe von € 12.331,77 ergeben habe. Diesen forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 22.04.2014 von der Klägerin ein. Ob die Klägerin dieses Schreiben erhalten hat, ist streitig. Wenige Tage zuvor, nämlich unter dem 10.03.2014 hatte die Beklagte der Klägerin angeboten, einen kleinen Teil des Abfindungsguthabens bei Interesse kurzfristig zu überweisen (wegen des genauen Wortlauts wird auf die Anlage K 10 Bezug genommen).

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Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihr Auskunft über ihr Abfindungsguthaben per 31.12.2012 durch Vorlage der Ermittlungsberechnungen eines von der Beklagten bestellten Wirtschaftsprüfers zu erteilen. Dies ergäbe sich eindeutig aus den Regelungen des Gesellschaftsvertrages, hier Ziffer 13 g) des Vertrages. Die von der Beklagten im Laufe dieses Rechtsstreits eingereichten Unterlägen, insbesondere der Prüfvermerk Anlage B 10, entsprächen den auf dem eindeutigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrages beruhenden Anspruch nicht, da die Ermittlungen nicht durch den Wirtschaftsprüfer vorgenommen, sondern die Berechnungen der Beklagten bzw. der Vertriebsgesellschaft H. von dem Wirtschaftsprüfer lediglich auf Plausibilität überprüft worden seien. Aus diesem Grund sei auch die Widerklage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über ihr Abfindungsguthaben per 31.12.2013 durch Vorlage der Ermittlungsberechnungen des von der Beklagten bestellten Wirtschaftsprüfers zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Widerklagend beantragt sie,

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die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte € 12.642,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz aus € 12.331,77 seit 23.04.2014 zu zahlen.

14

Die Beklagte führt aus: Die zutreffende Berechnung des Abfindungsguthabens der Klägerin ergäbe ein negatives Guthaben in Höhe von € 12.331,77. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 24.11.2014 (Bl. 39 f. d.A.) Bezug genommen. In dieser Höhe sei die Klägerin gem. § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages zur Rückzahlung erhaltener gewinnunabhängiger Auszahlungen verpflichtet. Das Abfindungsguthaben der Klägerin sei auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages durch die B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelt worden. Hierbei sei anzumerken, dass die in Auftrag gegebene Prüfung der durch die H. F. T. GmbH betriebenen „Ermittlungen“ der Abfindungsansprüche auf Basis der dort geführten Anlegerbuchhaltung sowie der dort in einer Nebenbuchhaltung erfassten Entwicklung der Substanzwerte der Leasingvermögen über die gesamte Fondslaufzeit und unter Hinzuziehung einer Steuerberaterin, durch B. eine system- und plausibilitätsseitige Prüfung in berufsüblichen Stichproben auf Basis der vertraglichen Grundlagen erfolgt seien. Mit einer eigenen „Ermittlung“ der Abfindungsansprüche habe die N. N. AG den Wirtschaftsprüfer nicht beauftragen können. Es handele sich insoweit lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit. Entsprechendes lasse sich § 9 Ziffer 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages entnehmen.

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Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz hat die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung unter dem 06.10.2016 darauf hingewiesen, dass die Ermittlung des Abfindungsguthabens – wie bereits mit Schriftsatz vom 17.07.2014 ausgeführt – tatsächlich von der hierzu von der Beklagten bestellten B. AG erfolgt sei. Soweit im Schriftsatz vom 01.04.2015 von Seiten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausgeführt worden sei, dass die N. N. AG den Wirtschaftsprüfer mit einer eigenen Ermittlung nicht habe beauftragen können, sei dies unzutreffend und stamme nicht von der Beklagten. Dies ergäbe sich aus den handschriftlichen Notizen des seinerzeitig die Sache bearbeitenden Rechtsanwaltes B..

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist begründet.

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1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe ihres Abfindungsguthabens zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens, wobei gem. § 13 lit. g ) des Gesellschaftsvertrages die Ermittlung des Abfindungsguthabens durch einen seitens der Beklagten zu bestellenden Wirtschaftsprüfer zu erfolgen hat. Da die Klägerin auch nicht vorzeitig den Vertrag beendet hat, sondern nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 10 Jahren unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist hat sie auch nicht die Kosten dieser Ermittlung zu tragen, wie sich aus dem Umkehrschluss aus der Regelung in § 13 lit.g) Satz 2 des Gesellschaftsvertrages ergibt.

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a. Soweit der Klagantrag den 31.12.2013 als maßgebliches Datum für die Berechnung des Abfindungsguthabens benennt, handelt es sich hierbei ersichtlich um einen unbeachtlichen Schreibfehler. Aus dem dem Rechtsstreit vorangegangenen Aufforderungsschreiben vom 06.03.2014, das in der Klagebegründung als Anlage K 5 beigefügt war und auf das die Klägerin sich zur Begründung ihres Klageanspruches auch bezogen hat, ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin eine Berechnung ihres Abfindungsguthabens zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihrer Kündigung, mithin per 31.12.2012, verlangt.

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b. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass der Auskunftsanspruch auch die geforderte Vorlage der Ermittlungsberechnungen umfasst. Dies ergibt sich aus dem ebenfalls in § 13 des Gesellschaftsvertrages geregelten Rechts des ausscheidenden stillen Gesellschafters, das Ergebnis der Ermittlungen des Wirtschaftsprüfers auf eigene Kosten überprüfen zu lassen, soweit er hiermit nicht einverstanden ist. Dies ist dem Gesellschafter aber nur möglich, wenn ihm die Ermittlungsberechnungen auch mitgeteilt werden.

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c. Diesen Anspruch hat die Beklagte nicht erfüllt, insbesondere nicht durch Vorlage des als Anlage B 10 zur Gerichtsakte gereichten Prüfungsvermerks des Wirtschaftsprüfers.

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Entgegen der noch im Termin vom 30.09.2016 von der Beklagten mitgeteilten Auffassung ergibt sich aus den Regelungen des Gesellschaftsvertrages, dass die geschuldete Ermittlung des Abfindungsguthabens durch einen von der Beklagten zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer und nicht nur eine „System- und plausibilitätsseitige Prüfung in berufsüblichen Stichproben“ (vgl. Schriftsatz vom 01.04.2015) der eigenen Ermittlungen der Beklagten zur erfolgen hat. Dass es sich hier lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrages handelt, wie die Beklagte meint, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Anders als in § 9 des Gesellschaftsvertrages, der die Aufstellung des Jahresabschlusses betrifft und die Beklagte durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen und testieren lassen muss, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 13lit. g des Gesellschaftsvertrages, dass die Ermittlung des Abfindungsguthabens durch einen seitens der Beklagten zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer zu erfolgen hat. Ob die nach der Behauptung der Beklagten von dem Wirtschaftsprüfer geprüften Ermittlungsergebnisse nun inhaltlich zutreffend sind, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unbeantwortet bleiben, denn hinsichtlich des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruch ist festzuhalten, dass dieser mangels Ermittlung durch einen Wirtschaftsprüfer noch nicht erfüllt ist und hinsichtlich des mit der Widerklage verfolgten Zahlungsanspruches dieser ebenfalls mangels Vorliegens einer Ermittlung durch einen Wirtschaftsprüfer derzeit noch nicht fällig wäre (wenn und soweit ein solcher denn besteht).

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2. Vor diesem Hintergrund war die Widerklage als derzeit unbegründet abzuweisen.

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3. Soweit die Beklagte nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.10.2016 darauf hinweist, dass die Ermittlung des Abfindungsguthabens durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B. AG erfolgt sei, der anderslautende Vortrag aus dem Schriftsatz vom 01.04.2015 unzutreffend sei und nicht von der Beklagten stamme, führt dies nicht zu einer Widereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 158 ZPO.

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Richtig ist, dass zunächst die Beklagte im Schriftsatz vom 24.11.2014 ausgeführt hat, dass gem. den vertraglichen Vereinbarungen das Abfindungsguthaben von der hierfür beauftragten B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelt worden sei und diese Behauptung auch unter Zeugenbeweis gestellt worden ist. Diesem Beweisangebot war jedoch nicht nachzugehen, denn die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 01.04.2015 auf die entsprechenden Ausführungen der Klägerin klargestellt, was sie – jedenfalls zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Schriftsatzes und bis zum Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung am 30.09.2016 - unter der „Ermittlung“ durch die B. verstanden hat, nämlich eine „system- und plausibilitätsseitige Prüfung in berufsspezifischen Stichproben“. Da nach diesen klarstellenden Ausführungen zu dem im Schriftsatz vom 06.10.2014 verwandten Begriff der „Ermittlung“ deutlich wurde, dass auch aus Sicht der Beklagten (bzw. ihres damaligen Prozessbevollmächtigten) seinerzeit lediglich eine Überprüfung der Ermittlungsergebnisse der Beklagten durch den Wirtschaftsprüfer erfolgt sei, kam zunächst es allein auf die (Rechts-) Frage an, ob eine solche Überprüfung den gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Ermittlung des Abfindungsguthabens entsprochen hat. Da dies nach Ansicht des erkennenden Richters nicht der Fall war, war eine Beweisaufnahme nicht angezeigt.

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Dass in der Tat lediglich eine Prüfung, nicht aber eine eigene Ermittlung Gegenstand des der B. erteilten Auftrages gewesen ist, ergibt sich im Übrigen auch aus den Ausführungen der B. in dem als Anlage B 10 eingereichten „Prüfvermerk“ unter den Überschriften „Verantwortung der gesetzlichen Vertreter“ und „Verantwortung des Wirtschaftsprüfers“ selbst.

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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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