Beschluss vom Landgericht Hamburg (26. Zivilkammer) - 326 T 90/16

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 25.05.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 29.04.16, Aktenzeichen 67c IN 412/15 bezüglich der Berücksichtigungshöhe des zu berechnenden Einkommens des Schuldners aufgehoben.

Die Sache war an das Amtsgericht zur erneuten Bescheidung unter Berücksichtigung der Auffassung der Beschwerdekammer zurück zu verweisen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Über das Vermögen des 1946 geborenen Schuldners wurde am 07.12.2015 das Regelinsolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt J. B. bestellt.

2

Mit Schreiben vom 09.12.15 beantragte der Insolvenzverwalter das monatliche Nettoeinkommen des Schuldners bei der A. H. & M. M. GmbH (2.356,33 €) mit der Altersrente des Schuldners (344,93 €), gezahlt von der Deutschen Rentenversicherung, gemäß § 850e Nr. 2 ZPO zusammenzurechnen um den pfändbaren Betrag zugunsten der Insolvenzmasse zu erhöhen.

3

Dem Schuldner wies darauf hin, dass der Insolvenzverwalter es versäumt habe, bei der Altersrente den Zuschuss zu privaten Krankenversicherung heraus zu rechnen. Es sei daher nur ein Betrag von 321,46 € in Ansatz zu bringen.

4

Der Insolvenzverwalter erwiderte, die Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung würden beide in voller Höhe vom Arbeitgeber des Schuldners getragen, sie seien dessen Nettoeinkommen daher hinzu zu addieren.

5

Mit Schreiben vom 30.03.16 teilte der Schuldner mit, sein Einkommen habe sich von 3.100 € inzwischen um 500 € auf 2.600 € reduziert, da er im Rahmen des Insolvenzverfahrens umfangreich beansprucht werde. Der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung bleibe unverändert bestehen.

6

Der Insolvenzverwalter wies darauf hin, dass der Schuldner behaupte, für die T. GmbH & Co. KG unentgeltliche Hilfeleistungen zu tätigen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass er seine entgeltliche Tätigkeit wegen der Mitwirkung am Insolvenzverfahren einschränken müsse.

7

Mit Beschluss vom 29.04.16, zugestellt am 11.05.16, ordnete das Insolvenzgericht an, dass Arbeitseinkommen und Altersrente des Schuldners zusammen zu rechnen sei, die Zuschüsse zur Rentenzahlung nicht heraus zu rechnen seien und die Reduzierung des Arbeitsumfanges um 10 Stunden (d.h. 500 €) nicht zu berücksichtigen sei. Es sei im Ergebnis nicht hinnehmbar, dass der Schuldner seine entgeltliche Tätigkeit ohne zwingenden Grund reduziere, seine unentgeltliche Tätigkeit für einen Dritten aber aufrecht erhalte, und dadurch quasi der Insolvenzmasse in Rechnung stelle. Die Gläubigerinteressen seien insoweit vorrangig. § 850c ZPO bezwecke, den Grundbedarf des Schuldners zu sichern. Dies sei auch dann gewährleistet, wenn man die verschiedenen Einkommen des Schuldners zusammen rechne.

8

Mit Schreiben vom 24.05.16, eingegangen am 25.05.16, legte der Schuldner sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht habe falsche Beträge zugrunde gelegt. Der Zuschuss zu privaten Krankenkasse sei gemäß § 36 I InsO, § 850e NR. 1b ZPO in Abzug zu bringen. Ferner erziele der Schuldner nur noch ein Arbeitseinkommen in Höhe von 2.600 € brutto. Seine Arbeitgeberin habe auf die Stundenreduzierung bestanden, weil der Schuldner durch die Anfragen des Insolvenzverwalters zeitlich erheblich eingebunden werde. Der Schuldner habe ferner das Regelrentenalter erreicht. Seine weitere Berufstätigkeit sei daher ohnehin überobligatorisch. Eine gesetzliche Pflicht zur entgeltlichen Tätigkeit bestehe nicht mehr. Für die T. GmbH & Co. KG habe der Schuldner lediglich einmal einen Mietvertrag vermittelt. Weitere Tätigkeiten habe es nicht gegeben.

9

Der Insolvenzverwalter erwidert, die häufigen Anfragen im Rahmen des Insolvenzverfahrens würden daher rühren, dass der Schuldner nur unzureichend freiwillig mitarbeite. Dies könne nicht als Argument dafür dienen, Einkommensmöglichkeiten zu reduzieren. Der Schuldner sei nach Auffassung des Insolvenzverwalters faktischer Geschäftsführer der A. H. & m. GmbH. Die Reduzierung seiner Arbeitszeiten sei daher nicht glaubhaft.

10

Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor.

11

Im Beschwerdeverfahren trägt der Schuldner vor, schwer herzkrank und Diabetiker zu sein, was eine Stundenreduzierung ebenfalls rechtfertige. Ärztliche Atteste fügte er bei. Seit dem 01.10.16 habe der Insolvenzschuldner insoweit seinen Arbeitgeber gewechselt und sei nur noch 15 Wochenstunde für monatlich netto 1156,69 € berufstätig. Der Schuldner sei nicht faktischer Geschäftsführer der A. H. & m. GmbH, er halte an ihr auch keine Anteile. Er bemühe sich lediglich, seine Geschäftsanteile an Hotels und Gesellschaften zugunsten der Insolvenzmasse bestmöglichst zu verwerten.

II.

12

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens richtet.

1.

13

Nicht zu beanstanden ist die Anordnung, die verschiedenen Einkommen des Schuldners gemäß § 850e Ziffer 2 ZPO zusammen zu rechnen. Hiergegen wendet sich der Schuldner auch nicht.

2.

14

Zu Unrecht hat das Insolvenzgericht jedoch angeordnet, bei der Zusammenrechnung des Einkommens ein Nettoeinkommen bei der Drittschuldnerin zu 1. In Höhe von 2.356,33 € anzusetzen.

15

Aufgrund der vom Schuldner vorgelegten neuen Verdienstbescheinigungen und des diesbezüglichen Arbeitsvertrages hat der Schuldner bis zum 01.10.16 lediglich noch ein Einkommen von 2.600 € erzielt. Nur dieses Einkommen kann bei der Zusammenrechnung berücksichtigt werden.

16

Dabei ist es unbeachtlich, ob der Schuldner freiwillig seine Arbeitszeit und damit seine Verdienstmöglichkeit begrenzt hat. Selbst wenn dies der Fall ist, und der Schuldner anderweitig unentgeltlich vergleichbare Tätigkeiten ausüben sollte, kann dies dem Schuldner im Ergebnis nicht vorgeworfen werden.

17

Denn Personen über 65 Jahren ist eine Erwerbstätigkeit generell nicht mehr zumutbar. Das Lebensalter und die Gesundheit des Schuldners spielen im Rahmen des § 287b InsO eine besondere Rolle (Uhlenbruck/Sternal, InsO, 14. Aufl. § 287b Rn 28). Mit Erreichen der Regelaltersgrenze kann eine Erwerbstätigkeit nicht mehr verlangt werden (Wimmer /Ahrens, FK- InsO, 8. Aufl. § 295 Rn 77). Auf die persönliche Fitness des Schuldners ist ab diesem Zeitpunkt somit nicht mehr abzustellen. Der Schuldner ist 1946 geboren, d.h. er war 2016 70 Jahre alt und hat damit die Regelaltersgrenze bereits seit Längerem überschritten.

18

Vorliegend kann im Übrigen auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Schuldner die persönliche Fitness für eine volle Erwerbstätigkeit noch besitzt. Er hat im Beschwerdeverfahren fachärztliche Atteste vorgelegt, die bestätigen, dass er herzkrank sei und an Diabetes leide. Es steht ihm daher frei, seine Einkommensbemühungen sowohl in Hinblick auf sein Alter als auch auf seinen Gesundheitszustand zu beschränken.

3.

19

Ebenfalls zu Unrecht hat das Insolvenzgericht bei der Berücksichtigung der Altersgeldzahlung den Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 23,47 € nicht abgezogen. Die Berechnung des pfändbaren Einkommens nach § 850e ZPO richtet sich nach dem Nettolohnprinzip. Sozialversicherungsbeiträge und gleichgestellte Beiträge sind insoweit abzuziehen. Beiträge zu privaten Krankenversicherungen sind abzuziehen, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen (Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. § 850e Rn 1e). Dies kann bei einem Betrag von 23,47 € angenommen werden, auch wenn der Arbeitgeber des Schuldners weitere 705,68 € an Krankenversicherungsbeiträgen abführt.

20

Der Versuch eines Krankenversicherungswechsels wäre bei dem 70-jährigen, chronisch erkrankten Schuldner kaum mehr erfolgversprechend und ist ihm daher ohnehin nicht zumutbar.

4.

21

Im Übrigen ist der Beschluss schon aus dem Grunde fehlerhaft, da er nicht bestimmt, ab welchem Zeitpunkt die Pfändung des zusammengerechneten Einkommens des Schuldners aufgrund des § 850e ZPO Geltung haben soll.

5.

22

Der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 29.04.16 war daher aufzuheben. Die Sache war an das Amtsgericht zur erneuten Bescheidung unter Berücksichtigung der Auffassung der Beschwerdekammer zurück zu verweisen. Bei der erneuten Bescheidung wird das Amtsgericht auch den neuen Pfändungsbetrag ab dem 01.10.16 zu berücksichtigen und zu berechnen haben.

6.

23

Da der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde Erfolg hatte, waren die Kosten des Verfahrens niederzuschlagen.

24

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsfortbildung oder Rechtsvereinheitlichung.

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