Urteil vom Landgericht Hamburg (11. Zivilkammer) - 311 O 242/17

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 91.986,83 nebst kapitalisierten Zinsen in Höhe von € 3.780,38 sowie weitere Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 18.05.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 931,70 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.12.2017 zu zahlen.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 91.986,83 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund einer Vereinbarung aus Mai 2016 zur Durchführung eines Projekts „c. g.“ auf Zahlung in Anspruch.

2

Die Klägerin bietet Dienstleistungen für Konsumgüterhersteller an. Die ursprüngliche Beklagte (die A. M1 G. GmbH, im Folgenden: A. M1), die im November 2017 in die Beklagte zu 1) aufgegangen ist (Anlage K 8), entwickelt, produziert und vertreibt Nahrungs- und Getränkeprodukte für Wellness- und Fitness-Anwendungen. Die Beklagten zu 2) und 3) waren persönlich haftende Gesellschafter der A. M1.

3

Die A. M1 führte - unter Einbindung der E. AG (im Folgenden: E.) - eine Aktion „C. Gratis Testen“ mit „Geld-zurück-Aktion“ durch. Am 09.05.2016 schloss sie mit der Klägerin eine Vereinbarung über die Durchführung einer Aktion zur Direkterstattung des Kaufpreises für sog. C. Protein Produkte (Anlage K 1). Der Vertrag sah u.a. vor:

4

„Aktionsbeschreibung: Verbraucher (aus Deutschland und Österreich) kaufen C. Protein Produkte (Dose oder Riegel) und erhalten bei nicht gefallen den Kaufpreis bis max. € 15,00 und Porto erstattet ... Um die Erstattung zu erhalten, muss der Verbraucher folgendes einsenden:

5

- komplett ausgefüllten Online-Fragebogen
·-original Kassenbon
- Name, Adresse und Bankverbindung“

6

„Aktionsdurchführung:“ Die Klägerin „richtet für die Aktion ein Postfach ... ein, überprüft die eingesandten „Reklamationen“ auf die Erstattungsbedingungen, erfasst die Daten der Verbraucher und erstattet bei korrekt eingesandten Daten den Verbrauchern den Kaufpreis sowie das Porto.“

7

„Erstattungsbedingungen: Einsendung Original-Kassenbon während des Gültigkeitszeitraumes, komplett ausgefülltes Online-Formular inkl. Unterschrift, Angabe von Namen, Adresse und Bankverbindung ...

8

Das wöchentliche Reporting wird an A. M1 und E. versendet ...“

9

„Leistungsumfang:

10

- Bereitstellung eines Postfachs, ...
- Öffnen & Kontrolle der Sendungen
- Erfassen der oben genannten Daten
- Wöchentliche Verarbeitung und Versand des Reportings per Email an den Kunden
- Archivierung der Einsendungen bis Aktions-Ende“

11

In diesem Vertrag waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin einbezogen (Anlage K 11).

12

Das Projekt „C. gratis testen“ lief bis zum 31.10.2016. Die Klägerin erstattete gegenüber Kunden Kaufpreise und Portokosten. Bis August 2016 erfüllte die A. M1 bzw. E. die Forderungen der Klägerin. Seitdem erfolgten keine Zahlungen mehr. Eine anwaltliche Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 22.11.2016 blieb ohne Erfolg (Anlage K 2). Die A. M1 verwies die Klägerin an die E.. Die Klägerin überließ der Beklagten am 27.04.2017 sämtliche Einsendungen samt Briefumschlägen, Kassenbons und Online Formularen. Auf eine weitere anwaltliche Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 08.05.2017 (Anlage K 4) reagierte die A. M1 mit Schreiben vom 15.05.2017(Anlage K 5) und 06.06.2017 (Anlage K 6).

13

Die Beklagte zu 1) führt mit der E. einen Rechtsstreit vor dem Landgericht M..

14

Die Klägerin macht folgende Forderungen gegen die Beklagten geltend:

15

Rechnungsdatum

Belegnummer

Rechnungsbetrag

Anlagen nebst
Zahlungsübersichten und -belegen

Rücksendungen der Verbraucher
(Kartonnummern)

31.05.2016

SI-080522

558,05 €

K10     

        

31.08.2016

SI-083291

22.021,14 €

K10 und K18 ff, Bl. 191R ff. d. A.

6 und 7

16.09.2016

SI-083391

42.711,65 €

K 10 und K 20, Bl. 244R ff

2, 5, 6 und 8

30.09.2016

SI-083519

30.950,75 €

K10 und K23 f, Bl. 343R ff.

1, 2 und 9

31.10.2016

SI-084363

787,82 €

K10 und K 25 ff, Bl. 410R

11 bis 14

31.10.2016

Gutschrift PC-005488

-2.407,11 €

K10     

        
        

Weitere Gutschrift

-2.635,47 €

                 

Klageforderung

        

91.986,83 €

                 

16

Hinzu kommen kapitalisierte Zinsen in Höhe von € 3.780,38 (Anlage K 12).

17

Die Klägerin trägt vor:

18

- Die Beklagten seien alleinige Schuldnerinnen der Klägerin. Das Rechtsverhältnis zwischen den Beklagten und E. sei für das Vertragsverhältnis der Parteien irrelevant.
- Sie habe ihre Pflichten gegenüber der A. M1 bzw. der Beklagten zu 1) vertragsgemäß erfüllt. Der A. M1 sei daran gelegen gewesen, im Zweifelsfall den Verbraucher zufrieden zu stellen und kulant zu verfahren (siehe Anlage K 15).
- Die Beklagten hätten die schlüssig begründeten Forderungen der Klägerin nicht ausreichend bestritten.

19

Nach Klageerweiterung auf die Beklagten zu 2) und 3), Klageänderung und teilweiser Klagerücknahme (für kapitalisierte Zinsen) beantragt die Klägerin,

20

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie (die Klägerin) € 91.986,831 nebst kapitalisierten Zinsen in Höhe von € 3.780,38 sowie weitere Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 18.05.2017 zu zahlen;

21

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie (die Klägerin) € 931,70 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

22

Die Beklagten beantragen,

23

die Klage abzuweisen.

24

Sie tragen vor:

25

- Am 24.04.2016 habe die A. P. mit der E. AG einen Vertrag geschlossen, der vorgesehen habe, dass E. die Beklagte gegen das finanzielle Risiko der Verkaufspromotion absichere und die Auszahlung der Erstattungsbeträge an die Klägerin vornehme. Wegen der Pflichtverstöße der Klägerin habe E. am 19.05.2017 den Vertrag mit der Beklagten gekündigt. E. nehme nun die Beklagte auf Rückzahlung der bereits an die Klägerin ausgekehrten Erstattungsbeträge und auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch (vgl. Anlagen B 1 und B 2).

26

- Die Beklagte zu 1) sei nicht passiv legitimiert. Sie treffe keine Pflicht, die von der Klägerin an die Kunden gezahlten Beträge zu erstatten. Die Erstattung sei durch E. vorzunehmen. Dementsprechend habe die Klägerin zunächst auch E. in Anspruch genommen.

27

- Die Klägerin habe ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Sie habe eine unvollständige Auswertung vorgenommen. Das Eingangsdatum der Einsendungen sei nicht berücksichtigt worden. Z.T. seien die gekauften Produkte nicht erfasst worden. Des Weiteren seien das jeweilige Kaufdatum der zu erstattenden Produkte sowie Belegnummern nicht erfasst und in das Reporting aufgenommen worden. Es sei nicht erkennbar, ob es sich um Produkte aus der beworbenen Aktion handele. Die Erstattungsbeträge lägen über der vereinbarten Erstattungsgrenze.

28

- Die Klage sei unschlüssig. Die Klägerin habe die vertragsgemäße Erfüllung ihrer Pflichten nur unsubstantiiert vorgetragen. Das Gericht habe einen unzulässigen Ausforschungsbeweis erhoben.

29

- Die Beklagten könnten Minderung in Höhe von € 21.850,97 verlangen. Die Klägerin habe zu Unrecht Erstattungen vorgenommen.

30

- Der Beklagten zu 1) stünde die Einrede des nichterfüllten Vertrages zu, da die Klägerin nicht das Kaufdatum, das Eingangsdatum und die Belegnummer erfasst habe. Auch habe keine Überprüfung stattgefunden, ob die zurückgesendeten Produkte von der Aktion umfasst gewesen seien.

31

- Die Klägerin verhalte sich treuwidrig und rechtsmissbräuchlich. Ihr Fehlverhalten habe dazu geführt, dass weitere Auszahlungen durch E. nicht erfolgt seien und die Beklagte zu 1) sich nunmehr gegenüber E. verteidigen müsse.

32

- Für die Klage gegen die Beklagte zu 3) sei das Landgericht Hamburg örtlich unzuständig.

33

- Die subjektive Klageerweiterung gegen die Beklagten zu 2) und 3) sei nur mit Einwilligung der Beklagten zulässig, die jedoch nicht erteilt werde.

34

- Für die Beklagten zu 2) und 3) ergebe sich ein Leistungsverweigerungsrecht aus dem Rechtsgedanken des § 776 Satz 1 BGB. Die Klägerin habe durch ihr vertragswidriges Verhalten Zahlungen durch E. vereitelt und damit eine Sicherheit freigegeben.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Hinweisbeschlüsse des Gerichts vom 05.04.2018 (Bl. 140 ff. d. A.) und 29.05.2018 (Bl. 182 f. d. A.) sowie die mündlichen Verhandlungen vom 24.04.2018 (164 ff) und 30.04.2019 (Bl. 466 ff. d. A.) verwiesen.

36

Mit Ladungsverfügung vom 03.01.2019 hat das Gericht der Beklagten aufgegeben, die ihr von der Klägerin überlassenen Unterlagen bei Gericht im Original einzureichen (Bl. 431 d. A.).

37

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Frau W.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zum Termin vom 30.04.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

38

Die Klage ist zulässig und begründet.

A.

39

Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten zu 1) als Rechtsnachfolgerin der A. M1 die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche zu.

I.

40

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) Zahlung in Höhe von 91.986,83 € gemäß der Vereinbarung vom 09.05.2016 (Anlage K 1) zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) (A. M1) verlangen.

1.

41

Die Beklagte zu 1) als Rechtsnachfolgerin der A. M1 ist passivlegitimiert und „richtige“ Anspruchsgegnerin der Klägerin (siehe bereits Hinweisbeschluss vom 05.04.2018). Die A. M1 und nicht die E. hat den Vertrag mit der Klägerin geschlossen und war gemäß Ziff. 5.5 der einbezogenen AGB der Klägerin zur Zahlung der an die Endkunden erstatteten Kaufpreise verpflichtet.

a)

42

In der Anlage K 1 ist die A. M1 als „Kunde“ bezeichnet. Für sie wurde die Vereinbarung auch unterzeichnet. Die E. wird dagegen weder im Kopf noch im Unterschriftenfeld als Vertragspartner genannt. Sie wird lediglich im Feld „Erstattungsbedingungen“ aufgeführt. Dort heißt es:

43

„Die Abrechnung erfolgt zweimal wöchentlich und wird versendet an: E. AG ...“

44

und

45

„Das wöchentliche Reporting wird an A. M1 und E. versendet.“

46

Aus der Benennung der E. als Abrechnungsempfänger und Mitempfänger des wöchentlichen Reportings folgt keine Vertragsbeteiligung. Die E. sollte lediglich in die praktische Umsetzung der zwischen der Klägerin und der A. M1 getroffenen Vereinbarungen einbezogen werden.

b)

47

In den AGB der Klägerin (Anlage K 11) wird ausschließlich der „Kunde“ angesprochen, der in der Anlage K 1 als A. M1 definiert wird. Der „Kunde“ soll gemäß Ziff. 5.5 der AGB nicht nur die unstreitig von der Beklagten zu 1) entrichtende Vergütung, sondern auch die an die Endkunden erstatteten Kaufpreise zahlen. Eine Zahlungsverpflichtung der E. lässt sich den AGB der Klägerin nicht entnehmen.

c)

48

Die Schuldnerstellung der Beklagten zu 1) ändert sich auch dann nicht, wenn es zutreffen sollte, dass die Klägerin zunächst die E. in Anspruch genommen hat. Durch ein solches tatsächliches Verhalten der Klägerin gegenüber der E. folgt keine Vertragsänderung im Verhältnis zwischen den Parteien. Auch lässt das Verhalten der Klägerin keinen verlässlichen Schluss darauf zu, dass die E. ohne Gegenzeichnung des Vertrages und entgegen des in der Anlage K 1 dokumentierten Vertragsinhaltes alleinige Vertragspartnerin der Klägerin werden sollte.

2.

49

Die Klägerin hat ihre Leistungen gemäß der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen (siehe Feld „Leistungsumfang“ in Anlage K 1 und Ziff. 5.2 der AGB in Anlage K 11) ordnungsgemäß erbracht. Dies hat sie substantiiert und schlüssig vorgetragen. Zweifelhaft ist, ob die Beklagten gegen den Klägervortrag erhebliche Einwendungen vorgebracht haben. Jedenfalls hat die Vernehmung der Zeugin Frau W. den Vortrag der Klägerin bestätigt.

a)

50

Zunächst ist es Sache der Klägerin, für die einzelnen (von ihr berechneten) Vorgänge dazulegen und ggf. zu beweisen,

51

- ob und wie sie die im Vertrag näher bezeichneten Erstattungsbedingungen eingehalten hat, also die Einsendung der Original-Kassenbons während des Gültigkeitszeitraums und der komplett ausgefüllten Online-Formulare inkl. Unterschrift, Angabe von Namen, Adresse und Bankverbindung ordnungsgemäß geprüft hat, sowie
- ob und wie die anschließende Zahlung nebst Portokosten erfolgt ist.

52

Ihrer Vortragslast ist die Klägerin nachgekommen.

aa)

53

Die Auszahlungen hat die Klägerin im Einzelnen im Schriftsatz vom 24.07.2018 mit tabellarischen Übersichten über mehrere hunderte Seiten dargelegt und mit zahlreichen Anlagen belegt.

bb)

54

Die Klägerin hat weiterhin ausreichend vorgetragen, dass ihre Mitarbeiter im Aktionszeitraum die von den einzelnen Verbrauchern eingereichten Schreiben (Fragebögen und Kassenbelege) ordnungsgemäß geprüft und erfasst sowie Auszahlungen nur gemäß der Erstattungsbedingungen bzw. in Zweifelsfällen nach Rücksprache und Freigabe durch die Beklagte vorgenommen haben.

55

Es reicht für einen substantiierten und schlüssigen Vortrag aus, dass die Klägerin die einzelnen Arbeits- bzw. Prüfvorgänge allgemein erläutert und Bezug auf den Inhalt der 14 Kartons nimmt, in denen die Einsendungen der Verbraucher gesammelt und jeweils mit Vorgangsnummern versehen sind. Die Substantiierungs- und Vortragslast der Klägerin geht - bei der Vielzahl von Kleinstforderungen sowie unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit - nicht so weit, dass sie für jede einzelne Auszahlung den jeweiligen Prüfungs- und Entscheidungsprozess darstellen muss.

56

Dies wäre im Übrigen der Klägerin auch gar nicht möglich, da die Beklagte zu 1) nicht bereit war, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin die 14 Kartons zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen, sondern die Klägerin stattdessen gezwungen war, die zahlreichen Kundeneinsendungen auf der Geschäftsstelle bei Gericht zu prüfen.

b)

57

Sehr zweifelhaft ist, ob das pauschale Bestreiten der Beklagten zu 1), die Klägerin habe ihre vertraglich geschuldete Leistung (Auszahlung nur bei Vorliegen der vereinbarten Erstattungsbedingungen) vertragsgemäß erbracht, ausreichend ist. Auch kann die Beklagte zu 1) der Klägerin nicht entgegenhalten, sie habe keine aussagekräftigen und prüffähigen Abrechnungen vorgelegt.

58

Die von der Klägerin über mehrere hundert Seiten und in drei Anlageordner dokumentierten Auszahlungen hat die Beklagte zu 1) nicht (in erheblicher Weise) in Abrede gestellt. Gleiches dürfte für die Einhaltung der Erstattungsbedingungen durch die Klägerin (Zahlung nur nach Einsendung des Original-Kassenbons und eines komplett ausgefüllten Online Formulars durch den jeweiligen Verbraucher während des Aktionszeitraums) gelten. Sämtliche Einsendeunterlagen hat die Klägerin archiviert und der Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellt. Sollte sie Bedenken an der ordnungsgemäßen Bearbeitung durch die Klägerin haben, hätte sie die Gelegenheit nutzen können, ihre Zweifel an der ordnungsgemäßen Leistungserbringung der streitgegenständlichen Positionen durch die Klägerin unter Nennung der jeweiligen Vorgangsnummern - wenigstens beispielhaft - zu konkretisieren.

59

Durch die bloße Vorlage der Anlagen B 1 und B 2 kommt die Beklagte zu 1) ihrer Darlegungslast nicht ausreichend nach. Unabhängig davon, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, umfangreiche Excel-Tabellen auf einer CD-ROM (Anlage B 1) - „auf Verdacht“ - darauf zu untersuchen, ob und inwieweit Aktions- und Auszahlungsbedingungen gewahrt sind und die von E. gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Vorwürfe (siehe die zusammenfassende Tabelle in Anlage B 2) zutreffen mögen, hat die Beklagte zu 1) nicht nachvollziehbar vorgetragen, ob und inwieweit die abgebildeten 14.285 Einsendungen in einem Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vergütungsanspruch der Klägerin stehen. Offenbar betreffen die Anlagen B 1 und B 2 von E. geltend gemachte Schadensersatzansprüche auf Rückzahlung von Erstattungsbeträgen, die die Klägerin bereits erhalten hat und damit nicht Gegenstand der Klage sind.

c)

60

Die Klägerin hat die ordnungsgemäße Leistungserbringung jedenfalls bewiesen.

61

Die Zeugin Frau W. hat die Prüfvorgänge und Arbeitsschritte vom Posteingang bis zur Auszahlung an die Verbraucher geschildert. Insbesondere bekundete sie, wie die Kundenschreiben erfasst und die Erstattungsbedingungen von den Mitarbeitern der Kläger geprüft wurden.

62

Die Bekundungen der Zeugin waren glaubhaft. Zwar ist sie seit dem Jahr 2002 bei der Klägerin beschäftigt und kommt damit „aus dem Lager“ einer Partei. Jedoch waren ihre Schilderungen hinreichend konkret. (Verständliche) Erinnerungslücken machte die Zeugin deutlich. Dass die Zeugin die Zahl der mit der Aktion befassten Mitarbeiter/innen und deren jeweilige Qualifikation nicht angeben konnte, belegt nicht, dass die Zeugin zum Ablauf der Arbeitsprozesse im Jahr 2016 unwahre Angaben gemacht hat. Die Zeugin war sachlich mit der Aktionsdurchführung, insbesondere mit dem Kontakt zur Kundin (der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) befasst, nicht aber mit der Personalleitung.

63

Die Zeugin konnte insbesondere anhand von Stichproben deutlich machen, welche Prüfungen zur Erstattungsfähigkeit erfolgten. Eine Einsendung, die keine Beanstandung aufwies, war in der Zahlungsaufstellung der Klägerin hinterlegt. Dagegen ist eine weitere Probe, die mit dem Vermerk: „fehlender Beleg“ versehen war, nicht in den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsbeträgen enthalten.

64

Das Gericht ist davon überzeugt, dass auch die Überprüfung weiterer Stichproben bestätigt hätte, dass die Klägerin nur Zahlbeträge für Einsendungen geltend macht, die im Aktionszeitraum erfolgt sind sowie den erforderlichen Fragebogen und Kaufbeleg enthalten. Die Parteien haben dementsprechend übereinstimmend erklärt, dass keine weiteren Einzelprüfungen im Beweistermin stichprobenartig vorgenommen werden müssen.

3.

65

Die Beklagte zu 1) kann der Klägerin nicht einredeweise die Nichterfüllung des Vertrages oder eine mangelhafte Leistungserbringung entgegenhalten. Zweifelhaft ist, ob der dahingehende Vortrag der Beklagten zu 1) ausreichend substantiiert ist. Jedenfalls ist – wie ausgeführt – davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Leistung ordnungsgemäß erbracht hat.

a)

66

Gewährleistungsansprüche kann die Beklagte zu 1) gegen die Klägerin nicht geltend machen. Unabhängig davon, ob die Beklagte zu 1) überhaupt eine unzureichende Vertragserfüllung bzw. Bearbeitung der Einsendungen ausreichend vorgetragen hat, sind jedenfalls etwaige Ansprüche wegen mangelhafter Leistung in den AGB der Klägerin (Ziff. 8) eingeschränkt (Anlage K 11). Eine Minderung um € 21.850,97 scheidet schon deshalb aus, weil weder vorgetragen noch aus sonstigen Umständen ersichtlich ist, dass die Beklagte zu 1) unverzüglich eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat (Ziff. 8.3 der AGB). Des Weiteren ist nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin inzwischen Verjährung eingetreten (Ziff. 8.8 der AGB). Dass die Klägerin der Beklagten zu 1) durch eine unzureichende Aktionsbearbeitung vorsätzlich oder grob fahrlässig Schäden zugefügt hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. Ziff. 8.6 der AGB).

b)

67

Die Beklagte zu 1) ist gemäß Ziff. 7.5 der AGB grundsätzlich nicht berechtigt, Forderungen der Klägerin um Gegenforderungen zu kürzen oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen. Eine Ausnahme hiervon ist nicht zu machen.

68

Die Beklagte zu 1) kann auf keine Gegenforderungen oder Zurückbehaltungsrechte verweisen, die von der Klägerin schriftlich anerkannt sind oder rechtskräftig festgestellt wurden (Ziff. 7.5 der AGB a.E.).

69

Der Klägerin ist es nach Treu und Glauben nicht verwehrt, sich auf Ziff. 7.5 ihrer AGB zu stützen. Ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt nicht vor. Der von der Beklagten zu 1) erhobene „dolo-agit-Einwand“ ist gekünstelt und unbegründet. Es ist nicht (sicher) absehbar, dass die Klägerin die von der Beklagten zu 1) beanspruchten Zahlungen wegen vermeintlicher Pflichtverletzungen sogleich zurückzahlen muss.

4.

70

Das Zahlungsbegehren der Klägerin ist nicht aus sonstigen Gründen treuwidrig. Die von den Beklagten behaupteten Zahlungseinstellungen durch E. können der Klägerin nicht ohne weiteres angelastet werden, da sie auf die Vereinbarungen zwischen der A. M1 bzw. Beklagten zu 1) und E. keinen Einfluss hat. Nicht ausgeschlossen ist es, dass die Beklagte zu 1) gegenüber E. weitergehende Pflichten als die Klägerin im Verhältnis der Parteien treffen.

5.

71

Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Zahlungen der Höhe nach ausreichend dargelegt (siehe die Tabelle im Tatbestand). Die Rechnungen im Anlagenkonvolut K 10 haben die Beklagten auch nicht (ausreichend) bestritten.

II.

72

Die Zahlung von Zinsen kann die Klägerin aus Verzugsgesichtspunkten verlangen (Ziff. 7.6 der AGB der Klägerin in Anlage K 10). Trotz Zahlungsaufforderungen mit Fristsetzungen hat die Beklagte zu 1) nicht geleistet. Die Berechnung der in Anlage K 12 berechneten kapitalisierten Zinsen haben die Beklagten nicht (substantiiert) bestritten. Ein Zurückbehaltungsrecht steht ihnen – wie ausgeführt – nicht zu.

III.

73

Die Klägerin kann von der Beklagten zu 1) auch Ersatz der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Fertigung der Anlage K 4 gemäß der Gebührenberechnung auf S. 7 der Klageschrift (= Bl. 34 d. A.) – zuzüglich Zinsen - verlangen.

B.

74

Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist zulässig und begründet.

I.

75

Die Klageerweiterung bzw. Parteierweiterung auf Beklagtenseite ist zulässig. Eine Einwilligung der Beklagten zu 1) oder 3) war nicht erforderlich (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. § 263 Rn. 21).

II.

76

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich aus §§ 128, 160 Abs. 1 HGB. Dem stehen weder der Rechtsgedanke aus § 776 BGB noch eine Verwirkung entgegen.

77

Für eine analoge Anwendung von § 776 BGB besteht kein Raum.

78

Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu 2), für Forderungen gegen die Beklagte zu 1) aus dem Jahr 2016 nicht mehr einstehen zu müssen, ist nicht ersichtlich.

C.

79

Die Klage gegen die Beklagte zu 3) ist ebenfalls zulässig und begründet.

80

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg folgt aus Ziff. 14.5 der AGB der Klägerin, die sich auch die Beklagte zu 3) entgegenhalten lassen muss. Die Klageerweiterung ist auch ohne Zustimmung der Beklagten zu 1) und 2) zulässig (siehe oben).

81

Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 128,160 Abs. 1 HGB.

D.

82

Der Kostenentscheidung liegen §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO zugrunde.

83

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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