Beschluss vom Landgericht Heidelberg - 3 O 237/12

Tenor

1. Das Landgericht Heidelberg ist örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das zuständige Landgericht Frankfurt.

2. Der auf Donnerstag den 29.11.2012, 9.00 h, bestimmte Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.

Gründe

 
Das angerufene Landgericht Heidelberg ist örtlich unzuständig. Gerichtsstand für die vorliegende Streitigkeit ist Frankfurt.
1. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen behaupteter Fehler der Beklagten bei der Überwachung des Bauvorhabens G.-ParkL.. Grundlage ist der beiderseitige Vertrag über ein sogenanntes Proaktives Controlling, wobei die Beklagte zunächst ab Oktober 2005 mit dem Projektcontrolling während der Planungs- und Ausschreibungsphase beauftragt worden (vgl. Honorarangebot vom 14.10.2005 - Anlage K 3, AHK 65) und der Auftrag sodann gemäß dem „Vorschlag“ der Beklagten vom 3.8.2006, angenommen durch die Auftragserteilung der Klägerin vom 27.9.2006 (K 6, AHK 123), auf weitere Projektcontrolling-Leistungen während der Bau- und Inbetriebnahmephase des G.-Parks erweitert worden war. Vereinbarungsgemäß werden die Leistungen der Beklagten nach Stundenaufwand abgerechnet, wobei je nach eingesetztem Mitarbeiter unterschiedliche Stundensätze vorgesehen sind.
2. Bei gegenseitigen Verträgen ist der Erfüllungsort grundsätzlich für jede der gegenseitigen Verpflichtungen gesondert zu bestimmen und nicht notwendig einheitlich (BGHZ 157, 20, 23). Bei ortsbezogener Verpflichtung der vertragscharakteristischen Werk- oder Dienstleistung kann jedoch ein gemeinsamer Erfüllungsort anzunehmen sein (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 29 ZPO Rn. 24 m.w.N.). Beim Bauwerkvertrag ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gemeinsamer Erfüllungsort der beiderseitigen Verpflichtungen in der Regel der Ort, wo das Bauwerk errichtet wird (Zöller/Vollkommer, aaO § 29 ZPO Rn. 25 Stichwort „Bauwerkvertrag“ m.w.N.). Bei Architektenverträgen besteht nach herrschender Ansicht grundsätzlich kein gemeinsamer Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungspflichten (Zöller/Vollkommer, aaO § 29 ZPO Rn. 25 Stichwort „Architektenvertrag“ m.w.N.; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Auflage 2012, § 29 ZPO Rn. 30). Hier kommt es darauf an, wo im Einzelfall der Schwerpunkt der von dem Architekten geschuldeten einheitlichen Werkleistung liegt (vgl. BGH NJW 2001, 1936 Tz. 29 f.). Verpflichtet sich der Architekt, die Planung und die vollständige Bauaufsicht für ein Bauvorhaben zu erbringen, liegt der Schwerpunkt seiner Leistung am Ort des Bauwerkes (BGH NJW 2001, 1936 Tz. 30). Wird jedoch neben der Planung lediglich ein eher untergeordneter Teil der Bauüberwachung übernommen, so liegt der Schwerpunkt der Leistung im Büro des Architekten (LG Heidelberg, Beschl. vom 18.12.2006 - 2 O 245/06 - NJW-RR 2007, 1030 - künstlerische Oberleitung gem. § 15 Abs. 3 HOAI a.F., d.h. Überwachen der Herstellung des Bauobjektes hinsichtlich der Einzelheiten der Gestaltung).
3. Allerdings muss der Projektcontrollingvertrag von der Architektenleistung nach dem Leistungskatalog der HOAI schon im Ausgangspunkt deutlich unterschieden werden. Insbesondere schuldet der Projektsteuerer oder -controller normalerweise keine Bauüberwachung, wie sie dem Leistungsbild der HOAI entspricht. Die HOAI gilt für derartige Leistungen auch grundsätzlich nicht (vgl. für den Projektsteuerungsvertrag BGH BauR 2007, 724 Tz. 18). Sind im Rahmen eines Projektsteuerungs- und Baubetreuungsvertrages im Wesentlichen Beratungs- und Kontrollleistungen zu erbringen, so werden diese, auch wenn sie durchaus einen Bezug zum Ort der Baustelle haben, schwerpunktmäßig im Büro des Auftragnehmers erbracht (OLG Köln, Beschl. v. 12.05.2010 - 8 W 34/10 - BauR 2010, 1112 Tz. 2).
4. Wendet man die vorgenannten Grundsätze entsprechend auf den vorliegenden Projektcontrolling-Vertrag an, so ist festzustellen, dass der Schwerpunkt der von der Beklagten geschuldeten einheitlichen Leistung an deren Bürositz in Frankfurt liegt.
Gemäß dem Anschreiben der Beklagten vom 13. 9. 2006 (Anl. K4, AHK 99) beinhaltet ihr „Vorschlag“ die „Handlungsbereiche“
1. Ausstellung der Bautestate für die Rückgabe der Vorauszahlungsbürgschaft
2. Abgleich Planung/Ausschreibung/Ausführung
3. Terminkontrolle auf Rahmenterminplanebene
Aus der in der Anlage nachfolgenden „Spezifizierung“ der „Handlungsbereiche“ geht hervor, dass der Schwerpunkt der von der Beklagten vorzunehmenden Leistungen nicht auf der Baustelle in L. vorzunehmen ist, sondern es sich ganz überwiegend um Leistungen handelt, die naturgemäß in den Büroräumen der Beklagten in Frankfurt oder von dort aus zu erbringen sind. Auf der Baustelle in L. zu erbringen sind lediglich die „Baubegehungen zur Feststellung des Leistungs-Solls“, die insbesondere auch als Grundlage der von der Beklagten für die Klägerin übernommene Freigabe der Vorauszahlungsbürgschaften dienen sollen. Dabei handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um eine umfassende Bau- bzw. Objektüberwachung, wie sie ein Architekt im Rahmen der Leistungsphase 8 gemäß der Anlage 11 zu § 33 HOAI übernimmt. Vielmehr finden die Baubegehungen lediglich – in gewissen, im Vertrag nicht näher festgelegten „regelmäßigen“ Abständen – punktuell statt, um sozusagen auf Sicht den Baufortschritt einschließlich „allgemeiner Ausführungsstandards und -qualitäten“ festzustellen, soweit dies im Rahmen einer äußerlichen Inaugenscheinnahme überhaupt möglich ist. Dabei ist, etwa im Zusammenhang mit der vorzunehmenden „Terminkontrolle“, ausdrücklich von einer bloßen “Plausibilitätskontrolle“ die Rede. Den eigentlichen Schwerpunkt ihrer Controlling-Aufgabe muss die Beklagte jedoch vertragsgemäß in ihren Büroräumen durchführen. Dies ergibt sich, geht man die „Spezifizierung“ der „Handlungsbereiche“ näher durch, im beschriebenen Teil
„A) Vorbereitungsorganisation und Durchführung Bautestate:
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1. Vereinbaren eines verbindlichen Terminablaufs zwischen Stadt L. und Fa. S. [der Generalunternehmerin]
2. Kostenmäßiges Bewerten der Bauleistung und Verknüpfung mit dem Terminablauf
3. Festlegen der Soll-Rückgabe Zeitpunkt der Teilbürgschaften
4. Durchführung von Baubegehungen zur Feststellung des Leistungssolls
5. Ausstellen der Bautestate
6. Rückgabe der jeweiligen Teilbürgschaft“
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für sämtliche Ziffern mit Ausnahme der Ziffer 4.. Im weiter beschriebenen Teil
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„B) Abgleich Planung/Ausschreibung/Ausführung“
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ergibt sich dies ohne Weiteres für die vorzunehmenden Abgleiche zwischen Planung und Ausschreibung, im Übrigen aber auch für den Abgleich mit der Ausführung, der anhand der punktuell erhobenen Bautenstände als die eigentliche geistige Controllingleistung vorgenommen und erstellt werden muss. Entsprechendes gilt im schließlich beschriebenen Teil
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„B3) Terminkontrolle auf Rahmenterminplanebene“
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für die Leistungen:
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- Plausibilisierung des von S. vorgelegten Terminplans
- Regelmäßige Aufnahme des Ist-Standes
- Feststellungen von Abweichungen (Soll-Ist-Vergleich)
- Analyse und Dokumentation der Ursachen für die festgestellten Abweichungen nach Bedarf, soweit im Rahmen des Projektcontrollings auf Basis der vorhandenen Informationen möglich.“
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wobei hier, wie schon festgestellt, ausdrücklich von einer bloßen „Plausibilitätskontrolle“ die Rede ist.
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Dass der Schwerpunkt der vertragsgemäßen Leistungen der Beklagten in der Bürotätigkeit und nicht am Ort der Baustelle liegt, geht desweiteren aus ihrer in der Spezifikation hervorgehobenen Beschreibung des „Vorteils“ des von ihr angebotenen proaktiven Controllings hervor, die wie folgt lautet: “Feststellen von Leistungs-/Qualitätsabweichungen vor [Unterstreichung im Originaltext] Ausführung mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten, Nutzung der Ergebnisse des Controllings als Steuerungsinstrument“. Danach hat die Beklagte, erkennbar für die Klägerin als Erklärungsempfänger, die hierauf übrigens in der Klageschrift besonders hinweist, gerade die von ihr angebotenen Prüfungsleistungen vor Beginn der Bauausführung im Vordergrund ihres Controlling gesehen.
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Dass die klagende Stadt, die über ein Bauamt verfügt, mit dem Controlling-Vertrag die Erwartung einer qualifizierten Bauüberwachung durch die Beklagte verbunden hat, erscheint auch wenig naheliegend, wenn man die von der Beklagten in dem Honorarangebot vom 14.10.2005 mitgeteilten Hinweise auf die Ausbildung und den beruflichen Hintergrund der von ihr im Projektteam“ involvierten Mitarbeiter einbezieht (AHK 81 ff.). Denn unter den aufgeführten Mitarbeitern befindet sich ersichtlich kein Architekt oder Ingenieur mit ausgewiesener Erfahrung bei der Bauleitung oder Detailüberwachung von Bauprojekten nach Art des einschlägigen HOAI-Leistungsbildes.
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Letztendlich spricht dafür, dass der Schwerpunkt der vertragsgemäßen Leistungen der Beklagten in der Bürotätigkeit und nicht am Ort der Baustelle liegt, auch die von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegte Aufstellung des bei den verschiedenen Mitarbeitern angefallenen Stundenaufwandes mit jeweiliger Leistungsbeschreibung, den die Klägerin als solchen nicht bestritten hat. Danach betrifft lediglich ein ganz untergeordneter Teil die Baubegehungen, wohingegen der weitaus überwiegende Teil auf die Durchsicht und Überprüfung von Vertrags- und Ausschreibungsunterlagen sowie Protokollen, die Führung von Telefongesprächen und Telefonkonferenzen sowie der Abfassung von Vermerken, E-Mails und Briefen entfällt.
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5. Nach allem ist das Landgericht Frankfurt örtlich zuständig. Dort befindet sich sowohl der allgemeine Gerichtsstand des Sitzes der Beklagten (§ 17 ZPO) als auch der besondere Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte ist ungeachtet des auf Antrag der Klägerin am Gerichtsstand Heidelberg durchgeführten selbständigen Beweisverfahrens nicht gehindert, im vorliegenden Hauptsacheprozess die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit zu erheben (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 486 ZPO Rn. 4; OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 1610). Auf den Hilfsantrag der Klägerin ist der Rechtsstreit daher an das zuständige Landgericht Frankfurt zu verweisen.

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