Beschluss vom Landgericht Heidelberg - 3 T 4/15

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 28.10. 2014 - Az. 30 H 5/13 - geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Vergütung des Sachverständigen J. W. für die Erstattung seines schriftlichen Gutachtens vom 13.08.2014 wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags - auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

2. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

 
Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde der Staatskasse durch den Bezirksrevisor als Vertreter vom 7.11.2014 (As. 159) hat weitgehend Erfolg.
I.
Die dem Sachverständigen zustehende Vergütung ist gemäß § 8a Abs. 4 JVEG auf den Betrag von 1.500,00 EUR zu begrenzen.
In der am 1.8.2013 durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft getretenen Vorschrift des § 8a Abs. 4 JVEG wird Folgendes bestimmt: Übersteigt die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich und hat der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407a Absatz 3 Satz 2 der Zivilprozessordnung auf diesen Umstand hingewiesen, erhält er die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses. Gemäß § 407a Absatz 3 Satz 2 ZPO hat der Sachverständige das Gericht rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Damit will das Gesetz den Parteien - insbesondere dem Beweisführer - die Gelegenheit geben, ihr Prozessrisiko gegen das Kostenrisiko abwägen zu können und damit gegebenenfalls auch vorzuziehen, sich gütlich zu einigen (vgl. Meyer/Höfer, Kommentar zum JVEG, 26. Auflage, § 8a Rn. 33; Zöller/Greger, ZPO-Kommentar, 30. Aufl., § 407a ZPO Rn. 3).
Die von dem Sachverständigen W. begehrte Vergütung von 2.010,92 EUR übersteigt den Auslagenvorschuss von 1.500,00 EUR um 34 % und überschreitet damit die für die Erheblichkeit maßgebliche Grenze. Eine erhebliche Überschreitung liegt regelmäßig vor, wenn die entstandenen Kosten den angeforderten Auslagenvorschuss um 20 % - 25 % übersteigen (OLG Stuttgart, MDR 2008, 652; Zöller/Greger, aaO, § 407a ZPO Rn. 3; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014 Rn. 16 m.w.N.; vgl. auch BT-Drucks. 17/11471 259 f. „über 20%“). Maßgeblich ist selbstverständlich der Bruttobetrag der Vergütung, da der Auslagenvorschuss nach seinem eindeutigen Sinn und Zweck diese vollständig abdecken soll.
Der Sachverständige hat, wie er selbst nicht bestreitet, auch gegen seine Mitteilungspflicht nach § 407a Absatz 3 Satz 2 ZPO verstoßen, da er nicht rechtzeitig auf die erhebliche Überschreitung hingewiesen hat.
Der Sachverständige W. hat die Verletzung der Hinweispflicht auch zu vertreten. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung vermag ihn sein Vorbringen, er sei der Meinung gewesen, „dass die Mehrwertsteuer nicht zum Vorschuss gehört“, nicht zu entlasten. Zu vertreten gemäß § 8a Abs. 5 JVEG sind entsprechend den allgemeinen Regeln Vorsatz oder - auch einfache - Fahrlässigkeit (vgl. BT-Drucks. 17/11471 (neu), S. 260 linke Spalte; OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014 - 24 U 220/12 - BeckRS 2015, 01013 Rn. 9). Der Sachverständige musste als öffentlich bestellter und vereidigter Berufsausübender zum Zeitpunkt seiner Auftragserteilung am 20.9.2013 - zumal nach einer im Gesetzgebungsverfahren vorausgegangenen langen rechtspolitischen Diskussion - den maßgeblichen Inhalt der damals schon länger als 6 Wochen in Kraft getretenen Vorschrift des § 8a JVEG bzw. die sich daraus für ihn ergebenden Rechtsfolgen kennen (vgl. OLG Hamm aaO; desweiteren OLG Hamm, Beschluss vom 14. Oktober 2014 - I-10 U 104/11, 10 U 104/11 -, Rn. 21 in juris). Erst recht gilt dies für den - ersichtlich wesentlich später liegenden - Zeitpunkt der tatsächlichen Bearbeitung des Gutachtenauftrages, die die Kosten bis zu der erheblichen Überschreitung des angeforderten Auslagenvorschuss ausgelöst hat.
Hiervon abgesehen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dem Sachverständigen zum Zeitpunkt der Bearbeitung seines Gutachtens die aus der Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG folgende Konsequenz der Verletzung seiner Hinweispflichten tatsächlich bewusst war oder bewusst gewesen sein musste. Das folgt daraus, dass Bezugspunkt für ein fehlendes Vertretenmüssen gemäß § 8a Abs. 5 JVEG allein die Verletzung der aus § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO folgenden Hinweispflicht ist (die dem Sachverständigen auch ohne besonderen Hinweis des Gerichts im Rahmen seiner öffentlichen Bestellung bekannt sein musste), nicht auch die Kenntnis der vergütungsrechtlichen Konsequenzen einer Hinweispflichtverletzung (OLG Hamm, Beschluss vom 14. Oktober 2014 - I-10 U 104/11, 10 U 104/11 -, Rn. 22 in juris). Die zuletzt angeführte Rechtsprechung, etwa des OLG Zweibrücken - Az. 4 W 98/10 - betrifft eine insoweit überholte Rechtslage.
Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin im Falle der Kenntnis von den durch die Begutachtung entstehenden Kosten von ihrem Beweisantritt im selbständigen Beweisverfahren Abstand genommen hätte. Die frühere Rechtsprechung, nach der die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterblieb, wenn davon auszugehen war, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre, ist durch die gesetzliche Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG überholt (Zöller/Greger, aaO, § 413 ZPO Rn. 8).Der klare und eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung lässt insoweit keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung (OLG Hamm, aaO Rn. 23 in juris). Insofern enthält die gesetzgeberische Neuregelung - bewusst - auch ein pönales Element (vgl. Zöller/Greger, aaO).
II.
Eine darüber hinausgehende Reduzierung der Vergütung auf 1.430,81 EUR, wie von der Staatskasse in der Beschwerdeschrift geltend gemacht, ist nicht veranlasst. Zwar trifft es zu, dass die von dem Sachverständigen abgerechnete Stundenanzahl angesichts der allgemeinen Erfahrungssätze, zu denen der Beamte der Gebührenanweisungsstelle eingehende Ausführungen gemacht hat, im Streitfalle erklärungsbedürftig erscheint. Jedoch ist bei der gebotenen nicht zu kleinlichen Überprüfung, insbesondere auch in Anbetracht des auf der Grundlage von zwei Ortsterminen vorgelegten Gutachtens, jedenfalls eine Gesamtvergütung von 1.500,00 EUR mit den entsprechenden Stundenansätzen noch im nachvollziehbaren und plausiblen Rahmen. Insofern ist die weiter gehende Beschwerde zurückzuweisen.
III.
10 
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
IV.
11 
Gründe für die Zulassung der weiteren Beschwerde bestehen nicht.

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