Urteil vom Landgericht Itzehoe (11. Zivilkammer) - 11 S 26/10

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 11.03.2010, Az. 37 C 31/08, abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

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Ergänzend ist anzuführen, dass die Teilungserklärung vom 17.11.2001 zu Urkundenrolle-Nr. xxx des Notars xxx in xxx „Teil I Bildung von Wohnungseigentum“ unter § 4 „Eigentumsregelung“ zu Ziffer 5. folgende Regelung enthält: „Bezüglich der 2 Doppelhaushälften wird im rechtlichen Sinne eine Wohnungseigentümergemeinschaft gebildet, jedoch im Zuge der Baumaßnahme bereits Vorsorge dafür getragen, dass wirtschaftlich weitgehend eine Trennung zwischen diesen Einheiten herbeizuführen ist. Es besteht Einigkeit darüber, dass auch im Zuge von Instandhaltungsmaßnahmen etc. jedem einzelnen Wohnungseigentümer die Verpflichtung zur alleinigen Unterhaltung seines Gebäudeteils zugeordnet wird. Jeder Miteigentümer soll weitestgehend so behandelt werden, als sei er Alleineigentümer“.

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Hinsichtlich des genauen Inhalts der Teilungserklärung wird auf die Anlage K 1, Bl. 4 ff. d.A. verwiesen.

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Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Regelungen der Teilungserklärung zu einer Abbedingung einer nach §§ 22 Abs. 1, 14 Nr.1 WEG bestehenden Zustimmungspflicht für bauliche Veränderungen führen.

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Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

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Dem Kläger steht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch, §§ 1004 Abs. 1 S.1 BGB i.V.m. 15 Abs. 3 WEG, hinsichtlich des im Bereich des Sondernutzungsrechts der Beklagten errichteten Zaunes und des Gartenhauses nicht zu.

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Die Beklagten haben mit der Errichtung des Zaunes und des Gartenhauses nicht die Grenzen des zulässigen Gebrauchs im Sinne des § 15 Abs. 3 WEG überschritten, die ihnen nach den gesetzlichen Regelungen und den Bestimmungen der Teilungserklärung vorgegeben sind.

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Grundsätzlich stellen ein Zaun und ein Gartenhaus, wie sie von den Beklagten errichtet wurden, bauliche Veränderungen im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar, so dass der Kläger deren Errichtung zustimmen müsste, sofern seine Rechte über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wären. Für die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit käme es darauf an, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.

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Die Regelung des § 22 Abs. 1 WEG ist jedoch durch Vereinbarung abänderbar (Niedenführ / Kümmel / Vandenhouten - Niedenführ, § 22 WEG Rn 140), was im vorliegenden Fall in der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 17.11.2001 erfolgt ist. Die sonst nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung der weiteren Wohnungseigentümer wurde durch § 4 Ziffer 5. der Teilungserklärung abbedungen, so dass sich die Zulässigkeit der streitgegenständlichen baulichen Veränderungen nur nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts richtet.

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Bei der Auslegung einer in das Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist - wie bei der Auslegung von Grundbucheintragungen allgemein - auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (ständige Rechtsprechung des BGH, u.a. vom 30.03.2006, Az.: V ZB 17/06, Rn. 18 – zitiert nach juris).

11

Eine im vorgenannten Sinne vorzunehmende Auslegung der Regelungen in § 4 Ziffer 5. der Teilungserklärung („Bezüglich der 2 Doppelhaushälften wird im rechtlichen Sinne eine Wohnungseigentümergemeinschaft gebildet, jedoch im Zuge der Baumaßnahme bereits Vorsorge dafür getragen, dass wirtschaftlich weitgehend eine Trennung zwischen diesen Einheiten herbeizuführen ist…. Jeder Miteigentümer soll weitestgehend so behandelt werden, als sei er Alleineigentümer“) führt dazu, dass sich die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer nur insoweit aus dem Wohnungseigentumsrecht ergeben sollen, als es sich um unabdingbare Vorschriften handelt. Im Übrigen sollen nur die privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Grenzen wie zwischen Nachbarn von real geteilten Grundstücken gelten.

12

Aus dem Wortlaut der Regelung wird das rechtliche Erfordernis deutlich, eine Wohnungseigentümergemeinschaft zu bilden, während die daran angeknüpften Folgen so weit wie möglich vermieden werden sollen. Dementsprechend sollen die Wohnungseigentümer im Innenverhältnis zueinander – so weit wie rechtlich möglich - von den sonst innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestehenden Abstimmungs- und Zustimmungserfordernissen freigestellt sein, so dass sie in allen Bereichen, in denen die Wohnungseigentümer sich nicht zwingend abstimmen oder zusammenwirken müssen, eigenständige Entscheidungen treffen und umsetzen können.

13

Bauliche Veränderungen werden weder in dem Zusammenhang, noch sonst in der Teilungserklärung erwähnt. Daraus lässt sich jedoch gerade nicht schließen, dass sich die allgemeine Abbedingung nicht zwingender Regelungen des Wohnungseigentumsrechts nicht auf die abdingbare Zustimmungspflicht des § 22 Abs. 1 WEG erstreckt.

14

Zwar wird die Zustimmungspflicht bezüglich baulicher Veränderungen bei derartigen Regelungen in Teilungserklärungen vielfach genannt oder auch nur eingeschränkt ausgeschlossen (siehe u.a. in den Entscheidungen des BayObLG vom 28.07.2004, WuM 2004, 744; vom 19.05.2004, WuM 2004, 496 f.; vom 14.12.2000, ZMR 2001, 362 f.; vom 09.12.1999, ZMR 2000, 234 ff.; vom 12.09.1996, ZMR 1997, 41 f.), dies schließt jedoch eine generelle Regelung, wie sie vorliegend gewählt wurde, nicht als ebenfalls ausreichend bestimmt aus (siehe zu einer ebenfalls generellen Regelung: BayObLG vom 21.02.2001, ZMR 2001, 563 ff.).

15

Die vorliegende Regelung bezieht sich auch nicht nur auf das Gebäude selbst, sondern auch auf die zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Flächen. Der Eingangssatz in § 4 Ziffer 5. benennt zwar nur die „Doppelhaushälften“, aus dem Kontext wird jedoch deutlich, dass bei der dort beschriebenen Bildung einer Wohnungseigentümergemeinschaft im rechtlichen Sinne auch die Grundstücksflächen betroffen sind, die nicht mit dem Gebäude bebaut sind. Die Ziffer 5. bezieht sich gerade nicht auf die in den vorherigen Ziffern vorgenommenen Definitionen und Zuordnungen des Sondereigentums (Ziffer 2.), des Gemeinschaftseigentums (Ziffer 3.) oder der Sondernutzungsrechte (Ziffer 4.), sondern stellt eine allgemein gültige Regel auf, die für das gesamte Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft gelten soll.

16

Die Regelung in § 4 Ziffer 5. führt dazu, dass für einen Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung nicht die §§ 22 Abs. 1, 15 Abs. 3, 14 Nr.1 WEG maßgebend sind, sondern die allgemein nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts.

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Verstöße gegen nachbarrechtliche Vorschriften des Privatrechts, wie etwa die §§ 906 ff. BGB, sind vorliegend nicht ersichtlich.

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Allerdings haben die Beklagten mit der Errichtung des Stabgitterzaunes und des Gartenhauses gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen.

19

Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr.3, 1. Änderung der xxx, ist entlang der xxx ein 4 m breiter Knick vorgesehen, dessen Bereich von jeglicher Bebauung freizuhalten ist (siehe hierzu die Karte zum B-Plan, Bl. 67 d.A. sowie die amtliche Stellungnahme des Amtes xxx vom 28.07.2009, Bl. 78 d.A.). Auf eine Genehmigungsbedürftigkeit von baulichen Anlagen nach den allgemeinen Regeln der Landesbauordnung kommt es damit nicht an. In diesem nicht zu bebauenden Bereich befinden sich sowohl das Gartenhaus, als auch der zur Straßenfront hin errichtete Zaun.

20

Auf Öffentlich-rechtliche Normen kann sich der Kläger jedoch nur stützen, wenn diese nachbarschützend sind. Denn die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften obliegt in erster Linie den Verwaltungsbehörden, eine Privatperson kann deren Einhaltung nur erzwingen, wenn es sich um eine drittschützende Norm handelt (so u.a. BayObLG vom 28.07.2004, 2 Z BR 90/04, Rn 13; BayObLG vom 19.05.2004, 2 Z 67/04, Rn 11 ff. – jeweils zitiert nach juris).

21

Die Festsetzungen des Bebauungsplanes, gegen welche die Beklagten verstoßen haben, haben keinen nachbarschützenden Charakter. Sie dienen vielmehr dem Naturschutz, so dass sich der Kläger zur Durchsetzung seines Beseitigungsbegehrens nicht hierauf berufen kann.

22

Weitere Verstöße sind nicht ersichtlich.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.


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