1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe wird der Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 04.06.2004 insoweit
als die Eröffnung des Hauptverfahrens betreffend die Ziffern 1 bis 95 der Anklage vom 17.03.2004 abgelehnt wurde.
2. Das Hauptverfahren wird auch betreffend die Ziffern 1 bis 95 der Anklage vom 17.03.2004 eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht - Strafrichter - Karlsruhe zugelassen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Angeklagte zu tragen.
|
|
|
Anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten S. S. am 02.12.2003 wurde dessen PC beschlagnahmt und die Festplatte des PC anschließend ausgewertet. Dabei stellte sich u. a. heraus, dass auf dem PC eine Vielzahl von kinderpornographischen Bilddateien im so genannten Cache-Speicher abgelegt waren. Daraufhin erhob die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mit Verfügung vom 17.03.2004 Anklage zum Amtsgericht Karlsruhe, u.a. wegen des Verdachts von Straftaten nach § 184 Abs. 5 Satz 1 StGB a.F. - des Sich-Verschaffens des Besitzes von pornographischen Schriften - in 95 Fällen.
|
|
|
Während das Amtsgericht Karlsruhe hinsichtlich des weiteren Anklagepunktes Nr. 96 - des öffentlichen Aufforderns zu einer rechtswidrigen Tat (schwerer sexueller Missbrauch von Kindern) - das Hauptverfahren eröffnete, lehnte es in den Fällen 1 bis 95 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
|
|
|
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.
|
|
|
Es besteht auch der hinreichende Verdacht, dass der Angeklagte S. sich in den Fällen 1 bis 95 der Anklage vom 17.03.2004 nach § 184 Abs. 5 StGB a. F. schuldig gemacht hat.
|
|
|
Nach der genannten Vorschrift ist zu bestrafen, wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen (Satz 1) oder derartige Schriften besitzt (Satz 2), wobei zu den Schriften i. S. d. § 184 Abs. 5 a.F. i. V. m. § 11 Abs. 3 StGB auch Bilddateien zählen (BGH St 47, 55).
|
|
|
Zwar ist im vorliegenden Fall eine aktive Speicherung der kinderpornographischen Dateien durch den Angeklagten nicht vorgenommen worden, diese erfolgte vielmehr automatisch durch das Betriebssystem des PC im so genannten Cache-Speicher, d.h. dauerhaft auf der Festplatte und nicht nur - wie das Amtsgericht annimmt - im (flüchtigen) Arbeitsspeicher. Es bestehen im vorliegenden Fall lediglich hinreichende Anhaltspunkte, dass der Angeklagte beim „Surfen“ im Internet kinderpornographische Dateien abgerufen und am Bildschirm betrachtet hat. Dieses - aktive - Verhalten, das zu einem Download der Bilddatei im Arbeitsspeicher des PC des Angeklagten und nachfolgend im Cache-Speicher führte, war nach bisheriger herrschender Meinung nicht ausreichend, das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Verschaffens“ zu erfüllen, sondern erst das Abspeichern auf eigene (permanente) Datenträger. Nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs allerdings reicht es für die Vollendung des Tatbestands des Verbreitens kinderpornographischer Schriften i. S. d. § 184 Abs. 3 StGB a. F. aus, dass die (verbreitete) Datei im Arbeitsspeicher des Internet-Nutzers angekommen ist. Dies spricht dafür, auch für das den Internet-Nutzer betreffende Tatbestandsmerkmal des „Sich-Verschaffens“ bereits den mit dem „Surfen“ und Betrachten einhergehenden Download in den Arbeitsspeicher genügen zu lassen (Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 184 Rn. 50). Für diese Auffassung spricht weiterhin die Intention des Gesetzgebers, die Nachfrage nach Kinderpornographie zu unterdrücken und so den Anreiz zur Herstellung von kinderpornographischem Material zu vermindern, um die missbrauchten jugendlichen „Darsteller“ zu schützen (vgl. LK, StGB, 11. Aufl., § 184 Rn. 2). Die Nachfrage wird vom Internetanbieter aber bereits durch den Besuch auf seiner Internetseite erkannt und oft auch registriert. Ob der Interessent die angebotenen Dateien nachfolgend aktiv auf einem flüchtigen oder permanenten Speichermedium abspeichert, oder ob dies automatisch durch das Betriebssystem des PC geschieht, ist für ihn unerheblich und wird auf seine Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder Erweiterung des Angebots an Kinderpornographie keinen Einfluss haben; entscheidend ist für ihn alleine die Nachfrage.
|
|
|
Selbst falls man dieser Auffassung nicht folgen sollte, besteht im vorliegenden Fall aber der hinreichende Verdacht, dass der Angeklagte den Tatbestand des Besitzes kinderpornographischer Schriften bzw. Dateien i. S. d. § 184 Abs. 5 Satz 2 StGB a. F. erfüllt hat. Besitz i. S. dieser Vorschrift ist das Herbeiführen oder Aufrechterhalten eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses, das bei elektronischen Dateien jedenfalls dann gegeben ist, wenn eine Datei auf einem permanenten Medium gespeichert ist, welche sich im tatsächlichen Herrschaftsbereich des Täters befindet (Tröndle/Fischer a.a.O. Rn. 51 m. w. N.). In objektiver Hinsicht ist dies vorliegend zweifelsfrei gegeben, weil die kinderpornographischen Dateien im so genannten Cache-Speicher auf der Festplatte abgelegt wurden, so dass sie jedenfalls für eine gewisse Dauer gespeichert und jederzeit wieder abrufbar waren. Hinreichende Anhaltspunkte, dass der Angeklagte insofern vorsätzlich gehandelt hat, liegen ebenfalls vor. Es ist nahe liegend, dass der Angeklagte als regelmäßiger Internet-Nutzer - darauf weist die Vielzahl der abgespeicherten Dateien hin - mit den entsprechenden technischen Vorgängen vertraut ist und deshalb auch mit dem automatischen Ablegen der Dateien im Cache-Speicher der Festplatte zumindest gerechnet hat. In Anbetracht seiner - durch die Vorstrafe, die Vielzahl der sichergestellten Dateien sowie die den weiteren Anklagepunkt betreffenden Materialien ausgewiesenen - pädophilen Neigung ist auch anzunehmen, dass er dies schon wegen des schnelleren und jederzeitigen Zugriffs auf kinderpornographisches Material billigend in Kauf genommen hat.
|
|
|
Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Karlsruhe war daher stattzugeben.
|
|
|
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 465 StPO.
|
|