I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 12. Dezember 2008 - Az.: 2 C 260/08 - unter Aufhebung der Kostenentscheidung wie folgt geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision des Klägers wird nicht zugelassen.
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| Die zulässige Berufung ist vollumfänglich begründet. |
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| Wegen des Parteivorbringens in erster Instanz und der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Lediglich ergänzend wird Folgendes angemerkt: |
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| Der Kläger wendet sich gegen eine Mitteilung der Beklagten, in der die Beklagte für den Zeitraum vom 01. Februar bis 29. Februar 2007 eine Überzahlung der Betriebsrente in Höhe von 359,11 EUR annahm und diese anteilig mit der Rente für Juli und August 2008 verrechnete, und verlangt die Auszahlung dieser Beträge. |
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| Der Kläger war im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom 01. April 1981 bis zum 30. September 2004 pflichtversichert (AH 31). Laut Mitteilung der Beklagten vom 04. Mai 2005 erhält er von dieser eine Betriebsrente seit dem 01. Oktober 2004 (AH 21 ff.). |
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| Mit Bescheid vom 26. Februar 2008 forderte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) einen Betrag in Höhe von 1.023,08 EUR mit der Begründung zurück, für den Zeitraum vom 01. Februar bis 28. Februar 2008 läge eine Überzahlung aufgrund Überschreitung der zulässigen Hinzuverdienstgrenze vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mitteilung verwiesen (I 21 ff.). Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. |
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| Nachdem der Beklagten dieser Rentenbescheid vorgelegt wurde, erklärte sie dem Kläger mit Mitteilung vom 21. Mai 2008 die Verrechnung der ihrerseitigen Überzahlung mit der Rente der Monate Juli und August 2008 (I 7ff). |
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| Dagegen wendete sich der Kläger in erster Instanz und argumentierte im Wesentlichen damit, dass die Beklagte einen Bescheid, der nicht rechtskräftig ist, nicht als Grundlage einer Verrechnung nehmen könne. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass die DRV die Rente für Februar 2007 tatsächlich ausbezahlt hat. Mit dieser Begründung begehrte er vor dem Amtsgericht Karlsruhe die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 359,11 EUR. |
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| Dagegen verteidigte sich die Beklagte und stützte sich hauptsächlich auf § 41 Abs. 2 VBLS. |
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| „Ist der Versicherungsfall wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung eingetreten und wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Hinzuverdienstes nicht oder nur zu einem Anteil gezahlt, wird auch die Betriebsrente nicht oder nur in Höhe eines entsprechenden Anteils gezahlt.“ |
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| Das Amtsgericht Karlsruhe hat der Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2008 mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 VBLS würden nicht vorliegen, in vollem Umfang stattgegeben. Abzustellen sei insoweit auf den eindeutigen Wortlaut des § 41 Abs. 2 VBLS, welcher weder auslegungsbedürftig noch auslegungsfähig sei. Es sei nicht nach Sinn und Zweck darauf abzustellen, ob die gesetzliche Rente dem Rentenbezieher rechtlich zustehen, da diese Frage mangels Bestandskraft des Rentenbescheids der DRV gerade noch unklar sei. |
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| Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung und trägt insbesondere vor, |
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| der Wortlaut des § 41 Abs. 2 decke sich mit der Formulierung in den Rentenbescheiden, in denen auch der Begriff „Zahlung“ verwendet werde, der ein Synonym zur Bezeichnung „zu leisten“ oder „steht zu“ sei. Der Begriff „Auszahlung“ bleibe dem tatsächlichen Auszahlungsvorgang vorbehalten, wie § 118 SBG VI verdeutliche, und ist von der „Zahlung“ zu unterscheiden. Die Vorschrift sei deshalb klar und nicht auslegungsbedürftig. Würde man der Auffassung des Amtsgerichts folgen, könne § 41 Abs. 2 VBLS praktisch nie zur Anwendung kommen, weil der Rentenversicherungsträger praktisch immer erst nach Auszahlung der Rente Kenntnis vom Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze erlange. Die Beklagte könne ferner nicht beeinflussen, ob die DRV die Rente noch rechtzeitig einbehalten kann oder erst auszahlt und dann zurückfordert. Umgekehrt sei die VBL auch nicht berechtigt, erst zu zahlen, wenn ein bestandskräftiger Bescheid der DRV vorliegt. Die VBL habe vor Vorlage des Rentenbescheids keine Möglichkeit gehabt, die eigene Betriebsrente zu überprüfen. |
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| Unter Aufhebung der Kostenentscheidung und Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils vom 12. Dezember 2008 - 2 C 260/08 - im Übrigen beantragt die Beklagte dementsprechend |
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| Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt, |
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| die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2009 (AS 67 ff.) Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. |
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| Der Kläger hat gegen die Beklagte gegenwärtig keinen Anspruch auf Zahlung von 359,11 EUR. Die fehlende Bestandskraft des Renten- und Rückforderungsbescheids der DRV hindert die Beklagte nicht, aufgrund der derzeitigen Überzahlung ihre Mitteilung entsprechend zu ändern und ihrerseits die Forderung auch mit künftigen Betriebsrenten des Klägers zu verrechnen. |
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| 1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Wortlaut des § 41 Abs. 2 VBLS („wird … gezahlt“) entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht allein auf den tatsächlichen Auszahlungsvorgang abstellt. |
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| a) Dem Wortlaut und Sinn und Zweck des § 41 Abs. 2 VBLS lässt sich grundsätzlich entnehmen, dass die gesetzliche Rente und die VBL-Rente parallel laufen sollen. Der Sonderfall, dass die „gezahlte“, also die im Regelfall bestandskräftig als zustehend berechnete und dementsprechend gezahlte gesetzliche Rente (ausnahmsweise) nicht feststeht, ist dort nicht gesondert berücksichtigt. Der tatsächliche Auszahlungsvorgang der gesetzlichen Rente als solcher kann bei der Ermittlung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente nicht allein maßgeblich sein, da die Beklagte an die Inhalte des Bescheides des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung formell gebunden ist, unabhängig davon, ob die Rentenzahlungen dem Versicherten danach zustehen oder nicht. Die beklagte Versorgungsanstalt kann die Rentenerhebungen nicht selbst berechnen, sondern vollzieht diese auf Grundlage der gesetzlichen Rente, die ihr durch den Versicherten gemäß § 33 S. 2 VBLS in Form des Rentenbescheids mitgeteilt werden muss. § 41 Abs. 2 VBLS ist insofern systemimmanent. Auf diese Bescheide muss sie sich aber auch verlassen und auf deren Richtigkeit vertrauen können. Ansonsten wäre es der Beklagten nicht möglich, den Versicherten die Betriebsrente nach einem neuen Rentenbescheid zeitnah auszuzahlen, da sie immer erst die Bestandskraft des Rentenbescheids abwarten müsste unabhängig davon, ob dies sich für den Versicherten letztlich positiv oder negativ auswirkt. Aus diesem Rechtsgedanken des § 33 S. 1 und S. 2 VBLS folgt dann konsequenterweise auch eine Bindungswirkung des Rentenbescheids für die Mitteilung der Beklagten (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 24. April 2009 - 6 S 51/02). Es liegt in der Natur der Sache, dass die VBL von den neuen Bescheiden der DRV erst verzögert erfährt und somit auch erst verzögert darauf reagieren kann. Insofern muss sie in manchen Fällen zunächst mehr ausbezahlen als dem Versicherten zusteht, was er der Beklagten zurückzahlen muss; manchmal zahlt sie weniger aus, weshalb sie dann nachbezahlen muss. Ein Abstellen auf die tatsächliche Auszahlung durch die DRV oder die Entscheidung darüber, ob die Rente dem Versicherten rechtlich zusteht, ist wie oben erörtert, für keinen Beteiligten sinnvoll und nicht praktikabel im Gegensatz zum formalen Abstellen auf den Rentenbescheid. |
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| b) Auf den tatsächlichen Auszahlungsvorgang kann es im Übrigen auch aus einem weiteren Grund nicht ankommen: Sollte das Sozialgericht letztlich zu der Ansicht gelangen, dass der Rentenbescheid vom 26. Februar 2008 Bestand hat, so ist davon auszugehen, dass die Beklagte - unabhängig davon, ob und wann die DRV ihre zunächst ausgezahlte Rente zurückfordert oder verrechnet - die Betriebsrente des Klägers entsprechend sofort neu berechnen darf, genau so, wie sie es in der Mitteilung vom 21. Mai 2008 getan hat, obgleich dies überhaupt nichts daran ändern würde, dass die DRV dem Kläger die Rente für den Monat Februar 2007 tatsächlich zunächst „gezahlt“ hat. Auch der Kläger gesteht ausdrücklich zu, dass „eine Nichtzahlung der Betriebsrente … in Betracht kommt, wenn eine - rechtskräftige - Entscheidung über die Nichtzahlung der gesetzlichen Rente vorliegt“ (so Klägerschriftsatz vom 07.04.2009, S. 2). |
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| 2. Ob die Betriebsrente der Beklagten dem Kläger auch rechtlich zusteht, steht in diesem Fall zwar gerade noch nicht fest, dies ist aber für die Verrechnung der Betriebsrente durch die Beklagte auch keine Voraussetzung. Die Beklagte darf den - angegriffenen - Rentenbescheid der DRV vom 26. Februar 2008 als Grundlage für die Aufrechnung heranziehen, unabhängig davon, ob die DRV die dem Kläger eventuell zustehende Rente für Februar 2007 ausgezahlt hat oder nicht. Die Rückforderung der Beklagten ist im vorliegenden Fall bereits fällig, ihr steht keine Einrede entgegen. |
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| a) Der Rentenbescheid ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG. Der Widerspruch und die Anfechtungsklage gegen diesen haben nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Der Verwaltungsakt ist allerdings auch bei Einlegung eines Widerspruches und Erhebung der Anfechtungsklage existent und wirksam. Der Suspensiveffekt bezieht sich dabei nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf den Eintritt der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes oder des Inkrafttretens der durch ihn getroffenen Regelung, sondern nur auf seine Vollziehbarkeit (vgl. BVerwGE 13, 1 (5 ff); BVerwGE 24, 92 (98)). |
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| b) Die Hemmung der Vollziehbarkeit alleine hindert die Beklagte nicht daran, den wirksamen Verwaltungsakt als Grundlage der Aufrechnung zu nehmen. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung stellt keine Vollziehung eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides dar. Eine Handlung, die der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit dient und dabei gleichzeitig die Befriedigung einer eigenen Forderung bewirkt, ist keine Maßnahme durch die der Verwaltungsakt vollzogen wird. Die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist eine selbständige und grundsätzlich hoheitliche Maßnahme zur Durchsetzung einer getroffenen Anordnung im Wege des Zugriffs - auch in Form der Gestaltungswirkung - auf Rechtsgüter des Adressaten dieses Verwaltungsaktes. Die Aufrechnung ist hingegen ein im Ausgangspunkt von der Privatrechtsordnung gewährleistetes Mittel der Rechtsverteidigung gegenüber einem vom Gegner erhobenen Anspruch (s. auch BGH Urteil vom 11. November 1971 - VII ZR 57/70) und dient zugleich der Befriedigung des eigenen Anspruchs. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs im Sinne des § 80 Abs. 1 VwGO ist dem Rechtsinstitut der Vollziehung und damit dem öffentlichen Recht und grundsätzlich seinem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Sie hindert deshalb nicht die jedenfalls nicht dem hoheitlichen Bereich zuzurechnende Erklärung der Aufrechnung. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung hat keine rechtsgestaltende Wirkung dahin, dass der Verwaltungsakt als vorläufig nicht existent zu behandeln wäre. Infolgedessen bleiben die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes, die vor seiner Anfechtung bereits eingetreten waren, auflösend bedingt wirksam. Die Behörde darf nur aus einem Verwaltungsakt keine Maßnahmen treffen, die rechtlich als Vollziehung des nach wie vor wirksamen Verwaltungsakts zu qualifizieren sind. Um eine solche Maßnahme handelt es sich - wie dargelegt - nicht bei der Aufrechnung. (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6/82 (BVerwGE 66, 218-224; JA 1983, 332-334)). |
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| Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an. Die Beklagte rechnet hier mit einer fälligen Forderung auf; daran ändert gerade nichts, dass die Vollziehbarkeit des Rentenbescheids auflösend bedingt ist durch die - künftige - Entscheidung des Sozialgerichtes. |
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| c) Der Kläger ist auch hinreichend vor unrechtmäßiger Inanspruchnahme durch die Beklagte geschützt. Denn diese ist verpflichtet, die Aufrechnung rückgängig zu machen und dem Kläger die bislang vorenthaltene Rente für Februar 2007 zurückzuzahlen, wenn das Sozialgericht zugunsten des Klägers entscheidet, dass der Rentenbescheid der DRV vom 26. Februar 2008 rechtswidrig ist und die DRV auf dieser Grundlage einen neuen Bescheid erlässt. Die Mitteilung vom 21. Mai 2008 ist dementsprechend abänderbar (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 15. Mai 2009 - 6 O 356/05). |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. |
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| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Zwar gibt es eine Vielzahl vergleichbarer Sachverhalte, dennoch ist eine Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortbildung des Rechts nicht erforderlich, da die Grundsätze dieser Entscheidung - die zulässige Aufrechnung auf Grundlage eines wirksamen, wenn auch nicht vollziehbaren Verwaltungsaktes - bereits durch das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1982 - 3 C 6/82 - höchstrichterlich entschieden wurde. Insofern fehlt der Rechtssache auch die grundsätzliche Bedeutung. |
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