Beschluss vom Landgericht Karlsruhe - 11 T 404/12

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Betreuungsgericht – Pforzheim vom 28. September 2012 – 2 XVII 384/05 – unter Ziffer 3 abgeändert und wie folgt gefasst:

a) Gegen die Betreuerin ... wird gemäß § 35 FamFG ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt.

b) Der Betreuerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Soweit die Beschwerde zurückgewiesen wird, werden der Beteiligten Ziffer 2 die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

4. Bei der Festsetzung der im Beschwerdeverfahren infolge der Teilzurückweisung der Beschwerde angefallenen Gerichtsgebühren ist ein Beschwerdewert vom 100,00 EUR zugrunde zu legen.

Gründe

 
I.
Für die 70-jährige Betroffene besteht seit 1999 eine Betreuung. Laut ärztlichem Attest vom 29. Januar 2009 leidet die Betroffene an einer schizoaffektiven Psychose, einer kortikalen und subkortikalen Störung und einer organischen Persönlichkeitsstörung. Außerdem ist die Betroffene erblindet. Mit Beschluss vom 27. Mai 2003 (Band IV AS 805) wurde die Beteiligte Ziffer 2 zur Berufsbetreuerin für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden, Heimen und Sozialversicherungsträgern, Gesundheitsfürsorge und Postangelegenheiten bestellt. Diese Betreuung wurde durch Beschlüsse vom 8. März 2004 (Band IV AS 917) und vom 10. Februar 2009 (Band V AS 1469) verlängert.
Mit Schreiben vom 3. August 2011 (Band VI AS 1729) monierte das Betreuungsgericht die nicht erforderliche Überziehung des Girokontos der Betroffenen ohne die erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts und drohte der Beteiligten Ziffer 2 für den Fall weiterer Überziehungen, die Überziehungszinsen verursachen, ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR an. Das Schreiben wurde der Beteiligten Ziffer 2 per Empfangsbekenntnis zugestellt (AS 1733).
Mit Beschluss vom 28. September 2012 (AS 1908) hat das Betreuungsgericht ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR gegen die Beteiligte Ziffer 2 unter Berufung auf § 35 FamFG festgesetzt. Entgegen der gerichtlichen Weisung habe die Beteiligte Ziffer 2 im Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis 31. Mai 2012 erneut das Girokonto der Betroffenen unnötig überzogen und dadurch Überziehungszinsen von 4,63 EUR verursacht.
Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte Ziffer 2 Beschwerde ein. Eine Überziehung des Kontos sei eigentlich nicht möglich, dies sei auch der Bank bekannt. Trotzdem könne es im Einzelfall zu Überziehungen kommen, wenn etwa eine Miete zu spät gezahlt werde. Dies könne sie nicht vermeiden. Die angefallenen Überziehungszinsen habe sie jedes Mal und so auch im vorliegenden Fall erstattet.
Das Betreuungsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Oktober 2012 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung verwies es darauf, dass es die Beteiligte Ziffer 2 seit 2006 fortlaufend in insgesamt sieben Schreiben angehalten habe, die Überziehung des Girokontos zu unterbinden.
Aus dem Vermögensverzeichnis, das die Beteiligte Ziffer 2 vorlegte, ergibt sich, dass die Betroffene zu Beginn des Abrechnungszeitraum am 31. Mai 2011 über Geld auf Sparbüchern und Festgeldkonten in Höhe von 13.084,57 EUR verfügte, während es am Ende 765,25 EUR waren (AS 1853). Die Gelder wurden sukzessive von der Beteiligten Ziffer 2 auf das Girokonto übertragen; von dort wurde das Geld im Wesentlichen für die Heimkosten von monatlich etwa 2.000 EUR verbraucht (AS 1867). Die regelmäßigen Einnahmen der Betroffenen aus Rente, Blindenhilfe und Miete deckten diesen Bedarf bei weitem nicht, so dass die Betroffene auf regelmäßige Entnahmen aus ihrem Ersparten angewiesen war.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Im Grundsatz zu Recht hat das Betreuungsgericht ein Zwangsgeld festgesetzt. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Pflichtverletzung der Beteiligten Ziffer 2 ist das festgesetzte Zwangsgeld jedoch zu hoch. Es ist daher ein Zwangsgeld von lediglich 100,00 EUR festzusetzen.
Dem Betreuungsgericht obliegt die Aufgabe, den Betreuer während dessen Amtszeit zu überwachen und bei Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Anweisungen und Verbote einzuschreiten (§ 1837 Absatz 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 1908i Absatz 1 Satz 1 BGB). Gemäß §§ 1908i Absatz 1 Satz 1, 1822 Nummer 8 BGB muss der Betreuer eine gerichtliche Genehmigung für die Aufnahme eines Kredits für den Betreuten einholen. Diese Vorschrift gilt auch für den Überziehungskredit im Rahmen eines Girokontos (KG, Beschluss vom 13. Oktober 2009 – 1 W 161/08 – FamRZ 2010, 402). Eine solche Genehmigung bestand im vorliegenden Fall nicht. Dessen ungeachtet ließ die Beteiligte Ziffer 2 wiederholt Kontoüberziehungen geschehen und gab dem Betreuungsgericht seit 2006 mehrfach Anlass, sie auf diese Pflichtwidrigkeit hinzuweisen.
Das Betreuungsgericht hat mit Schreiben vom 3. August 2011 erneut die Beteiligte Ziffer 2 aufgefordert, die Überziehungen des Kontos zu unterlassen, und hat zugleich gemäß § 35 Absatz 2 FamFG das Zwangsgeld angedroht.
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Gleichwohl hat die Beteiligte Ziffer 2 auch in der Folgezeit das Konto überzogen, ausweislich ihrer Einnahmen- und Ausgabenauflistung (AS 1867) durch die Heimgeldzahlung am 8. November 2011 für drei Tage um etwa 118,00 EUR und durch die folgende Heimkostenzahlung am 8. Dezember 2011 für etwa zehn Tage um etwa 980,00 EUR. Dadurch sind am Ende des Jahres Überziehungszinsen angefallen, insgesamt in Höhe von 4,63 EUR. Durch ein Vorziehen der Umbuchung über 1.200,00 EZR vom 19. Dezember 2011 wäre diese Überziehung zu vermeiden gewesen.
11 
Somit sind die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes gegeben. Allerdings erscheint das festgesetzte Zwangsgeld überhöht. Der Mindestbetrag sind 5,00 EUR, der Höchstbetrag sind 25.000,00 EUR. Bei der Festsetzung hat das Gericht ein Ermessen, muss aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und die Umstände des Einzelfall beachten (Keidel/Zimmermann FamFG 17. Auflage 2011 § 35 Rn. 42 f.). Hier war auf der einen Seite zu bedenken, dass die Beteiligte Ziffer 2 seit 2006 hartnäckig die wiederholten Aufforderungen der Gerichts, die Überziehungen des Kontos der Betroffenen zu unterlassen, ignoriert hat. Auf der anderen Seite waren die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht bedeutend. Der Betroffenen ist stets nur ein geringer Zinsschaden entstanden, den die Beteiligte Ziffer 2 nach Aufforderung des Gerichts ausgeglichen hat. Daher erscheinen 100,00 EUR notwendig, aber auch ausreichend, um in Zukunft auf die Beteiligte Ziffer 2 einzuwirken und eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Die Pflicht zur Tragung der Verfahrenskosten ergibt sich aus § 35 Absatz 3 Satz 2 FamFG.
III.
12 
Die Entscheidung zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 84 FamFG. Da die Beschwerde nur teilweise zurückgewiesen wurde, fallen auch nur insoweit Gerichtsgebühren gemäß § 131 Absatz 1, 5 KostO an. Daher war der Beschwerdewert nur für den zurückgewiesenen Teil der Beschwerde festzusetzen (BayObLG, Beschluss vom 12. Januar 2000 – 1 Z BR 1 142/98). Soweit die Beteiligte Ziffer 2 mit ihrer Beschwerde Erfolg hatte, bleibt das Verfahren gemäß § 131 Absatz 5 KostO gebührenfrei. Eine Teilerstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten Ziffer 2 kommt nicht in Betracht.
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Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 70 Absatz 2 FamFG nicht vorliegen.

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