Urteil vom Landgericht Karlsruhe - 9 S 17/14

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 10.12.2014 – 7 C 401/13 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Amtsgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Der Streitwert für die Berufung wird auf EUR 1.436,40 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung in Anspruch. Mit Anwaltsschreiben vom 28.06.2013 haben die Kläger unter Bezugnahme auf den Karlsruher Mietpreisspiegel die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um monatlich EUR 119,70 begehrt. Der Mietpreisspiegel war dem Mieterhöhungsverlangen nicht beigefügt. Er ist für eine Gebühr von EUR 6,00 zu beziehen.
Das Amtsgericht hat auf Bedenken in Bezug auf die Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangen hingewiesen, diese jedoch trotz wiederholter Bitte der Klägervertreterin nicht näher erläutert, sondern lediglich auf die einschlägige Kommentierung verwiesen.
Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Mieterhöhungsverlangen erfülle nicht die formalen Voraussetzungen nach § 558 b Abs. 2 BGB, da diesem der Mietpreisspiegel nicht beigefügt gewesen sei. Die Beifügung sei erforderlich gewesen, da der Mietpreisspiegel nicht allgemein und kostenlos zugänglich sei. Das Amtsgericht teile nicht die Auffassung des Bundesgerichtshofes, wonach es genügen könne, wenn der Mietpreisspiegel gegen einen geringen Betrag zu erhalten sei. Eine Schriftsatzfrist habe nicht eingeräumt werden müssen, da die Klagerwiderung keinerlei erheblichen Tatsachenvortrag enthalte. Auf die richtige Einstufung der streitgegenständlichen Wohnung komme es wegen der formellen Mängel nicht an.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren erstinstanzlichen Antrag weiter und beantragen zudem die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht.
Rechtsfehlerhaft habe das Amtsgericht für die Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens die Beifügung des Mietpreisspiegels gefordert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei ein Mietpreisspiegel auch dann allgemein zugänglich, wenn er gegen eine geringe Schutzgebühr zu erhalten sei. Verfahrensfehlerhaft sei die Einräumung eines Schriftsatzrechtes verweigert worden.
Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags erster Instanz das amtsgerichtliche Urteil.
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig und hat in der Sache bezüglich des Zurückverweisungsantrags auch Erfolg.
1. Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil ist das Mieterhöhungsverlangen der Kläger nicht formell unwirksam. Die Beifügung eines Mietpreisspiegels ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht zwingend, vielmehr genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Mieterhöhungsverlangen den formellen Voraussetzungen des § 558 a BGB, wenn der Mietpreisspiegel allgemein zugänglich ist. Dies setzt nicht voraus, dass der Mietpreisspiegel von der betreffenden Kommune kostenlos abgegeben wird oder zur Einsicht bereitgehalten wird oder über das Internet abrufbar ist. Auch ein Mietpreisspiegel der von privaten Vereinigungen gegen eine geringe Schutzgebühr an jedermann abgegeben wird, ist in diesem Sinne allgemein zugänglich (BGH, Urteil vom 30.09.2009, VIII ZR 276/08). Diese Voraussetzungen für die Zugänglichkeit des Mietpreisspiegels sind vorliegend erfüllt. Er ist gegen eine Schutzgebühr von EUR 6,00, welche nach Auffassung des Gerichts die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschreitet, sowohl bei der Stadt Karlsruhe als auch bei privaten Verbänden von jedermann zu beziehen.
2. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor.
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a. Es liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Hinweise des Gerichts müssen konkret und unmissverständlich sein. Zwar hat vorliegend das Amtsgericht auf Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens hingewiesen, jedoch hat das Gericht, nachdem die Prozessbevollmächtigte der Kläger wiederholt gebeten hat, den rechtlichen Hinweis zu erläutern, es versäumt seinen erteilten Hinweis zu konkretisieren. Die Verweisung auf eine umfassende Kommentierung ist hierfür nicht geeignet (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 139, Rn. 12 a mit Rechtsprechungsnachweisen). Für die Klägervertreterin bestand keinerlei Anlass anzunehmen, dass das Amtsgericht entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Beifügung des Mietpreisspiegels als Wirksamkeitsvoraussetzung für ein Mieterhöhungsverlangen ansehen könnte.
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Vorliegender Verstoß gegen das rechtliche Gehör stellt auch einen wesentlichen Rechtsverstoß dar. Durch den unklaren Hinweisbeschluss ist es den Klägern nicht möglich gewesen, sich zur Frage der Erforderlichkeit der Beifügung eines Mietpreisspiegels zu äußern. Auch ist den Klägern die Möglichkeit einer Heilung nach § 558 b Abs. 3 BGB versagt worden.
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Das Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensfehler. Entscheidungskausalität ist bereits dann zu bejahen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ohne den Rechtsverstoß eine andere Entscheidung ergangen wäre.
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b. Ausgehend von der Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangen ist eine aufwändige Beweiserhebung durchzuführen. Streitig sind sowohl die Wohnfläche als auch die Ausstattung der streitgegenständlichen Wohnung. Hierzu sind Sachverständigengutachten einzuholen.

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