Urteil vom Landgericht Kiel (16. Zivilkammer) - 16 O 27/07

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Rückzahlung des Kaufpreises für ein Grundstück Zug um Zug gegen dessen Rückübereignung und Rückgabe sowie Feststellung in Anspruch, der Beklagte befinde sich in Annahmeverzug.

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Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 24.03.2005 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX in XXX bestellt.

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Am 02.08.2006 schlossen die Parteien den notariellen Grundstückskaufvertrag, den die Klägerin als Anlage K1 eingereicht hat (Bl. 6 ff. d.A.). Der Kaufpreis belief sich auf € 300.000,00, die die Klägerin zahlte. Außerdem hatte sie Notargebühren von € 1.543,66 und Grunderwerbssteuer in Höhe von € 10.500,00 zu entrichten.

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§ 3 Abs. 3 des notariellen Grundstückskaufvertrages lautet:

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„Der Notarvertreter wies die Vertragsparteien darauf hin, dass ein Verkäufer nach dem Gesetz verpflichtet ist, dem Käufer den Kaufgegenstand frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen, sofern durch Vertrag nichts anderes vereinbart ist.

...

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Der Käufer hat den Kaufgegenstand eingehend besichtigt“.

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In Absatz 4 heißt es u.a.:

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„Der Verkäufer erklärt, dass ihm Ansprüche Dritter, die aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sind oder die in diesem Vertrag nicht genannt worden sind, nicht bekannt sind“.

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Tatsächlich bestand ein Mietvertrag der Insolvenzschuldnerin mit dem Zeugen XXX, der auf dem bebauten Grundstück gewerblich tätig war. Die Parteien streiten darüber, ob dies der Klägerin bekannt war, als der Kaufvertrag abgeschlossen wurde, was der Beklagte behauptet und die Klägerin unter Hinweis darauf in Abrede stellt, ihr Vorstand habe dies erst am 07.02.2007 bei einer Grundstücksbesichtigung festgestellt.

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Ihr jetziger Prozessbevollmächtigter habe entsprechende Informationen bei einem weiteren Besuch am 13.02.2007 bekommen, daraufhin mit dem Beklagten telefoniert und ihn mit den festgestellten Umständen und Verhältnissen auf dem Grundstück konfrontiert. Dieser habe nicht eingewandt, die Klägerin sei darüber unterrichtet gewesen, sondern habe sinngemäß geäußert, nach seiner Erinnerung sei Herr XXX schon längere Zeit auf dem Grundstück ansässig, und zwar schon vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages am 02.08.2006.

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Die Klägerin forderte den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 14.02.2007 (Bl. 19 f. d.A.) unter Fristsetzung bis zum 26.02.2007 auf, ihr das Grundstück frei von jedweden Rechten Dritter zu verschaffen und dafür Sorge zu tragen, dass das Grundstück geräumt werde, andernfalls sie sich vorbehalte, den Grundstückskaufvertrag rückabzuwickeln. Weil dies nicht geschehen sei, hat die Klägerin in der Klage den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag erklärt.

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Sie hat ferner mit Schriftsatz vom 25.09.2007 (Bl. 129 ff.) einen weiteren Rücktrittsgrund eingeführt und behauptet, sie habe nunmehr erfahren, dass die Grundsteuer für die Jahre 2005 und 2006 nicht geleistet worden sei. Das Amt XXX habe sie mit Bescheid vom 09.07.2007 auf Zahlung von 7.870,24 € in Anspruch genommen. Weil der Beklagte auf ihr Schreiben vom 16.07.2007 (Bl. 135 f.) nicht reagiert habe, habe sie vorsorglich unter dem 26.07.2007 (Bl. 137) erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

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Sie beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückübergabe des im Grundbuch des Amtsgerichts XXX von XXX, Blatt XXX verzeichneten Grundvermögens, bestehend aus den Flurstücken 15/14, 14/12 und 2/4 der Flur 19 der Gemarkung XXX in Größe von 14.850 m², 1.186 m² und 1.545 m² an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 311.833,50 zzgl. 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,

 

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2. festzustellen, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er räumt ein, dass ein Mietvertrag seit 20.10.2004 zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Zeugen XXX bestehe. Dies sei den Vertretern der Klägerin allerdings bekannt gewesen, so dass deswegen Ansprüche ausgeschlossen seien. Die dem Verkauf zugrunde liegenden Verhandlungen seien seitens der Klägerin durch die sie vertretenden Aufsichtsräte, die Zeugen XXX und XXX, geführt worden. Die Klägerin räumt ein, dass diese zumindest beauftragt gewesen sind, über den Kaufpreis zu verhandeln.

19

Der Beklagte behauptet, im Zuge dieser Verhandlungen seien die beiden Zeugen sowohl durch den Zeugen XXX als auch den Zeugen Rechtsanwalt XXX, der den Verkauf betreut habe, auf das bestehende Mietverhältnis hingewiesen worden. Es sei nicht explizit in den Grundstückskaufvertrag aufgenommen worden, weil es für die Klägerin keine Rolle gespielt habe.

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Insoweit ist nämlich das Folgende unstreitig:

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Die Klägerin hatte die Absicht, auf dem Grundstück eine Anlage zur Aufbereitung von Altöl zu errichten. Der Zeuge XXX hatte ein neuartiges Verfahren zur Ölaufbereitung entwickelt und sich patentieren lassen. Er sollte nach den Planungen der Klägerin die Errichtung der Anlage auf dem Grundstück und anschließend die Produktion maßgeblich betreuen. Insoweit wird auf die Erklärungen des Zeugen, die der Beklagte als Anlagen B1 und B2 eingereicht hat (Bl. 29 f. d.A.) verwiesen.

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Was die weitere Rücktrittserklärung der Kläger belangt, verweist der Beklagte auf die unbestrittene Tatsache, dass die Grundsteuern ihm gegenüber erstmals mit Bescheid vom 01.03.2007 für das Jahr 2005 bekannt gegeben wurden. Grundsteuerforderungen wurden weder zur Insolvenztabelle angemeldet, noch zur Insolvenzmasse geltend gemacht.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

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Die Kammer hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 11.06.2007 (Bl. 61 f. d.A.), ergänzt am 24.07.2007 (Bl.118) und die Zeugen XXX, XXX, XXX und XXX vernommen, wie sich dies aus den Niederschriften vom 24.07.2007 (Bl. 117 - 123 d.A.) und 02.10.2007 (Bl. 143 - 151 d.A.) ergibt.

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Die Parteien haben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen, wie sich dies aus ihren Schriftsätzen vom 16. und 26.10.2007 ergibt (Bl. 159 - 165 und 166 - 173).

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Grundstücks zu.

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Zwar nennt der notarielle Grundstückskaufvertrag vom 02.08.2006 nicht das Bestehen des Mietvertrages mit dem Zeugen XXX, was einen Rechtsmangel im Sinne des § 435 BGB darstellt, der grundsätzlich Gewährleistungsanspruche auslösen würde (§ 437 BGB).

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Die Erklärung des Beklagten in § 3 (4) des Kaufvertrages war damit unrichtig, weil er den Mietvertrag kannte.

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Gewährleistungsansprüche stehen der Klägerin aber nicht zu, was aus § 442 BGB folgt. Aufgrund dieser Bestimmung sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt.

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Das war der Fall. Denn der für die Kenntnis der Klägerin darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat dies zur Überzeugung der Kammer bewiesen.

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Die Zeugen haben seine Sachdarstellung bestätigt, mit Ausnahme des von der Klägerin gegenbeweislich benannten Zeugen XXX, dessen Bekundungen die Kammer aber keinen Glauben schenkt.

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Im Einzelnen:

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Der Zeuge Rechtsanwalt XXX, seinerzeit in der Kanzlei des Beklagten beschäftigt, hat ausgesagt, er sei mit dem Verkauf des in Rede stehenden Grundstücks befasst gewesen. Die genauen Daten der von ihm zu schildernden Gespräche, die in der Angelegenheit geführt worden seien, könne er zwar nicht mehr nennen, weil er keinen Zugriff auf den elektronischen Kalender mehr habe. Er erinnere sich aber, vor dem Verkauf mehrere Gespräche mit den Herren XXX, XXX und XXX geführt zu haben. Diese hätten ihn darüber informiert, sie planten, eine Altölaufbereitungsanlage zu vermarkten und wollten zu diesem Zweck eine Firma gründen und ein Grundstück erwerben. Er habe die Existenz des Mietvertrages mit dem Zeugen XXX in das Gespräch mit den Zeugen XXX und XXX eingeführt, weil er den Vertrag in den Unterlagen der Insolvenzschuldnerin vorgefunden habe. Die Zeugen XXX und XXX hätten ihm allerdings erklärt, das spiele keine Rolle, weil ihnen Herr XXX bekannt sei.

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Er räume ein, dass es besser gewesen wäre, im notariellen Kaufvertrag statt der Klausel am Ende von § 3 (4) den klarstellenden Hinweis aufzunehmen, es bestehe ein Mietvertrag mit dem Zeugen XXX. Dies sei aber deshalb nicht geschehen, weil sich alle darüber einig gewesen seien, es sei nicht nötig. Die Zeugen XXX und XXX hätten ihm erklärt, Herr XXX gehöre zu ihnen und deswegen sei alles klar.

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Nach seiner Beurteilung sei bei einer Grundstücksbesichtigung, die vor Abschluss des Kaufvertrages stattgefunden habe, überhaupt nicht zu übersehen gewesen, dass der Zeuge XXX dort gewirtschaftet habe. Es hätten nämlich allerhand Gerätschaften und Kraftfahrzeuge auf dem Gelände gestanden.

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Auch der Zeuge XXX hat die Darstellung des Beklagten bestätigt und berichtet, die Verhandlungen über den Erwerb des Grundstücks im Zusammenhang mit der Gründung der Klägerin hätten etwa 3 oder 4 Monate vor dem eigentlichen Abschluss des Kaufvertrages begonnen. Es sei ihm bekannt gewesen, dass der Zeuge XXX einen Mietvertrag für das Grundstück gehabt habe. Dieser habe das in seiner Gegenwart bei einer Besichtigung des Grundstücks erwähnt, die vor dem Abschluss des Kaufvertrages stattgefunden und an der auch der Zeuge XXX teilgenommen habe. Im Übrigen sei auch klar gewesen, dass ein Mietverhältnis bestanden habe, weil Gerätschaften und u.a. zwei Lkw auf dem Grundstück abgestellt gewesen seien. Der Zeuge XXX habe Herrn XXX gefragt, was mit den Lkw geschehe. Herr XXX habe ihn beruhigt und erklärt, die würden entfernt und das Grundstück werde geräumt, bevor die Arbeiten zur Errichtung der Ölaufbereitungsanlage dort beginnen würden. Zu einem früheren Zeitpunkt sei auch die Frage gestellt worden, warum das große und bebaute Grundstück eigentlich so billig sei. Auch der Zeuge XXX habe nämlich hervorgehoben, dass der spätere Kaufpreis von

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€ 300.000,00 äußerst günstig gewesen sei. Wie er von Herrn XXX erfahren habe, sei der Grund der gewesen, dass er andere Interessenten für das Grundstück mit Hinweis auf den Mietvertrag und die Tatsache, es werde dort eine Ölaufbereitungsanlage gebaut, abgeschreckt habe.

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Der Zeuge XXX hat weiter bekundet, bei den Kaufvertragsverhandlungen im Büro des Beklagten dabei gewesen zu sein. Er und der Zeuge XXX hätten sich dort mit dem Zeugen Rechtsanwalt XXX getroffen, um mit ihm Verhandlungen über den Kaufpreis zu führen. Diese seien freilich wegen der niedrigeren Preisvorstellungen des Herrn XXX beim ersten Gespräch noch nicht zum Abschluss gebracht worden. Er könne sich nicht daran erinnern, dass Herr XXX bei dieser Gelegenheit auf das Bestehen eines Mietvertrages mit Herrn XXX hingewiesen habe. Es könne aber sein, dass darüber gesprochen worden sei. Er erinnere sich allerdings daran, dass Herr XXX sich bei dieser Gelegenheit in dem Sinne geäußert habe, die Investoren für das Projekt seien ein kleiner Kreis. Die Abwicklung werde aus diesem Grunde völlig unkompliziert vorgenommen. Er werde einen ihm bekannten Notar mit dem Entwurf des Kaufvertrages beauftragen und das Ganze werde dann intern und unkompliziert abgewickelt. In der Tat habe Herr XXX dann einen Notar mit dem Kaufvertragsentwurf beauftragt, den er freilich nicht kenne. Er wiederhole, dass der Zeuge XXX sich selbst als Mieter des Grundstücks bezeichnet habe im Zusammenhang mit Erörterung der Frage, was es mit den Lkw und den übrigen Gerätschaften auf dem Grundstück auf sich habe. Dass der Zeuge XXX auf dem Grundstück habe verbleiben und dort arbeiten sollen, sei bei einer Grundstücksbesichtigung in Anwesenheit des Zeugen XXX und eines Herrn XXX, einem der Geldgeber, so vereinbart worden.

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In gleichem Sinne hat sich der Zeuge XXX geäußert, der bekundet hat, er wisse genau, dass Mitte Juli letzten Jahres - eventuell am 17.07. - auf dem Grundstück ein Treffen stattgefunden habe, an dem außer ihm die Zeugen XXX und XXX sowie Herr XXX teilgenommen hätten. Man habe das zu erwerbende Grundstück besichtigen wollen. Die Herren hätten sich ihm gegenüber allerdings nach seinem Verständnis so geäußert, es sei praktisch schon gekauft. Sie hätten dort eine Altölaufbereitungsanlage errichten wollen. Bei dieser Gelegenheit sei er gefragt worden, wie denn sein Rechtsverhältnis in Bezug auf das Grundstück sei. Er habe darauf hingewiesen, er habe das Grundstück gemietet. Weil seine Lkw sich auf dem Grundstück befanden, habe man ihn darauf hingewiesen, diese müssten entfernt werden, was aber ohnehin klar gewesen sei.

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Hiervon abweichend hat der Zeuge XXX ausgesagt, ihm sei von einem Mietvertrag des Zeugen XXX vor Vertragsschluss nichts bekannt gewesen.

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Er habe Ende April 2006 erstmals mit der Angelegenheit Berührung gehabt, weil er Kaufleute berate, die Risikokapital in Unternehmen stecken wollten.

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Am 27.04.2006 - der Zeuge hatte schriftliche Unterlagen zum Termin vorbereitet und entnahm ihnen Daten - seien die Herren XXX und XXX in seinem Büro erschienen, um ihm ein Projekt vorzustellen, das die Wiederaufbereitung von Altöl betroffen habe. Der Zeuge XXX habe Herrn XXX zuvor über das Projekt informiert und weil dieser daran interessiert gewesen sei, habe er seinen Rat hören wollen. Auch der von ihm beratene Herr XXX sei bei dem Gespräch dabei gewesen. Der Name XXX sei bei den Gesprächen nicht gefallen, obwohl Herr XXX der eigentliche Kopf des Projekts gewesen sei, weil er das Verfahren entwickelt habe und sich habe patentieren lassen. Von den Patenten sei aber erst am 11.07.2006 die Rede gewesen, als er den Zeugen XXX erstmals getroffen habe. Es sei zu weiteren Gesprächen gekommen, z.B. am 19.05.2006, als der Zeuge XXX bei ihm wieder in XXX erschienen sei, um ihm weitere Informationen zu geben. Bei dieser Gelegenheit sei erstmals über ein Grundstück gesprochen worden, das in XXX erworben werden könne und auf dem nur geringfügige Umbauarbeiten notwendig seien. Auch bei diesem Gespräch sei der Name XXX noch nicht erwähnt worden. Er habe sodann an der Gründung der Klägerin am 09.06.2006 in XXX teilgenommen und sei neben dem Zeugen XXX und Herrn XXX zum Aufsichtsrat der Klägerin gewählt worden. Bei dieser Gelegenheit sei auch die Rolle des Herrn XXX zur Sprache gebracht worden.

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Während weiterer Gespräche und Telefonate Ende Mai und Anfang Juni 2006 mit dem Zeugen XXX habe dieser darauf gedrängt, das Grundstück zu erwerben. Er habe ihn um Hilfestellung bei den Verhandlungen über den Kaufpreis mit dem Beklagten gebeten. Mit dem Zeugen XXX sei es am 15.06.2006 zu Verhandlungen gekommen, an denen auch der Zeuge XXX beteiligt gewesen sei. Sie hätten sich letztlich mit dem Zeugen XXX auf

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€ 300.000,00 Kaufpreis geeinigt, ohne dass dieser über das Bestehen eines Mietvertrages mit Herrn XXX und dessen auf dem Grundstück unterhaltenes Büro usw. informiert habe.

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Die abweichende Darstellung des Zeugen XXX stimme nicht.

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Anschließend habe er sich in seinem Büro mit einem Rechtsanwalt XXX getroffen, der auftragsgemäß einen Kaufvertrag entworfen habe.

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Erstmals am 11.07.2006 habe er auch Herrn XXX getroffen, der das technische Verfahren der Altölaufbereitung nochmals vorgestellt habe. Nach seiner und der Vorstellung des Herrn XXX habe der Zeuge XXX technischer Vorstand der Klägerin werden sollen. Diesem Ansinnen habe er allerdings skeptisch gegenübergestanden. Das Gespräch habe sich auch um das Grundstück gedreht, ohne dass von einem Mietvertrag mit Herrn XXX die Rede gewesen sei. Entsprechende Informationen habe er auch nicht in späteren Telefonaten vom Rechtsanwalt XXX bekommen.

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Eine Grundstücksbesichtigung unter seiner Beteiligung habe erst am 21.08.2006 stattgefunden.

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Die zusammenfassende Würdigung dieser Zeugenaussagen, die sich in der Kernfrage nicht decken, vermittelt der Kammer die Überzeugung, dass der Klägerin das Bestehen des Mietvertrags bekannt war. Sie glaubt also den Zeugen XXX, XXX und XXX, hat aber Zweifel an der Sachdarstellung durch den Zeugen XXX.

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Seiner Aussage fehlt nämlich - im Unterschied zu denen der anderen Zeugen - die hinreichende Plausibilität. Denn immerhin waren er und der Zeuge XXX zu Aufsichtsräten der Klägerin bestellt und von dieser beauftragt worden, den Kaufpreis über ein Grundstück auszuhandeln, das zu dem Zweck erworben werden sollte, darauf eine Altölaufbereitungsanlage zu errichten. Das bedeutete also für die mit dieser Zielrichtung zu jenem Zeitpunkt bereits gegründete Klägerin Investitionen in ganz erheblicher Höhe, für die Risikokapital eingeworben werden sollte oder sogar bereits war. Die Investoren hatten dem Zeugen XXX seiner Darstellung zufolge deswegen ein Beratungsmandat erteilt. Zudem war der Zeuge auch Organ der Klägerin. Er hatte daher in beide Richtungen Sorgfaltspflichten zu beachten und sich von kaufmännisch vernünftigem Verhalten leiten zu lassen.

51

Es ist aus der Sicht der Kammer daher eine Selbstverständlichkeit, dass vor der Beteiligungs- und der anschließenden Investitionsentscheidung eine Phase sorgfältiger und umfassender Information liegen musste, um sich der Realisierungsmöglichkeit des Projekts zu versichern.

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Konkret bedeutete dies, dass zunächst das Gespräch mit dem Zeugen XXX zu suchen war, der das Verfahren entwickelt und Patente dafür erworben hatte. Das soll hier nach der kaum realitätsnahen Schilderung des Zeugen XXX aber erst geschehen sein, als die Klägerin bereits gegründet und der Kaufpreis für das Grundstück ausgehandelt worden war. Diese Aktivitäten wären überflüssig gewesen, wenn eine Überprüfung des Aufbereitungsverfahrens und der dafür erteilten Patente ergeben hätte, das Projekt lasse sich nicht oder nicht wie geplant realisieren.

53

Gleichwohl will der Zeuge XXX von der Person des Herrn XXX überhaupt erst nach der Gründung der Klägerin erfahren und über seine Patente erst nähere Kenntnis erlangt haben, als er sich erstmals am 11.07.2006 mit ihm getroffen habe.

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Das erscheint der Kammer aus den vorgenannten wirtschaftlichen Überlegungen nicht nachvollziehbar. Sie will damit zwar nicht zum Ausdruck bringen, der Zeuge XXX sei nicht in der Lage gewesen, die dargestellten kaufmännischen Grundsätze zu beachten. Sie geht aber davon aus, dass im Gespräch mit dem Zeugen XXX auch dessen Rechtsverhältnis in Bezug auf das Grundstück zur Sprache gekommen ist, wie dies die drei anderen Zeugen übereinstimmend - wenngleich bezogen auf unterschiedliche Zeitpunkte - ausgesagt haben.

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Nicht plausibel erscheint der Kammer ferner, dass der Zeuge die einzige Besichtigung des Grundstücks erst am 21.08.2006 vorgenommen haben will, also Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages. Es will ihr nämlich nicht einleuchten, dass ein Grundstück, auf dem zuvor Gemüse produziert worden war und das nunmehr zur Errichtung einer Altölaufbereitungsanlage genutzt werden soll, wofür annehmbar nicht nur Umbauten - nach des Zeugen XXX vom Zeugen XXX ersichtlich nicht überprüften Angaben nur geringfügigen Umfangs - erforderlich sind , sondern auch eine Fülle von Umweltschutzauflagen gemacht werden dürften, von einem Berater der potentiellen Geldgeber des Projekts nicht vor , sondern nach dem Grundstückskauf besichtigt worden sein soll.

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Das wäre bar jeder wirtschaftlichen Vernunft gewesen, die die Kammer dem Zeugen nach dem persönlichen Eindruck, den sie von ihm gewonnen hat, nicht unterstellen mag, insbesondere wenn sich herausgestellt hätte, dass das Grundstück dafür nicht in Frage komme.

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Zweifel hat sich auch deswegen, weil der Zeuge XXX angegeben hat, dem Zeugen XXX bereits beim ersten Treffen das Amt eines technischen Vorstands der Klägerin angetragen zu haben. Bekanntlich übernimmt der Vorstand einer Aktiengesellschaft eine besonders anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe, die nur von Personen sachgerecht ausgeübt werden kann, die über hierfür ausreichende Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen. Das dürfte der Zeuge aber kaum schon bei dem ersten Treffen mit dem Zeugen XXX zu beurteilen in der Lage gewesen sein.

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Aus diesen und den nachfolgend darzulegenden Gründen hält die Kammer seine Aussage, vom Mietvertrag nichts gewusst zu haben, für nicht glaubhaft.

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Die Darstellung des Zeugen XXX verträgt sich nämlich nicht mit den von der Kammer für glaubhaft eingeschätzten Bekundungen der Zeugen XXX, XXX und XXX, die übereinstimmend ausgesagt haben, es sei der Klägerin bekannt gewesen, dass der Zeuge XXX Mieter des Grundstücks sei.

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Für deren Richtigkeit spricht die Lebenserfahrung und ihre Nachvollziehbarkeit.

61

Denn wenn ein Grundstück erworben werden soll und zu diesem Zweck besichtigt wird, wie es hier bewiesenermaßen und im Kaufvertrag zudem dokumentiert vor Vertragsschluss - und zwar nach den Bekundungen der Zeugen XXX und XXX unter Beteiligung des Zeugen XXX - geschehen war, dann drängt sich zwangsläufig die Frage auf, auf welcher Rechtsgrundlage das Grundstück genutzt wird, wenn dies, wie hier der Fall, offensichtlich war (Büro, Gerätschaften, zwei LKW).

62

Diese Frage habe der Zeuge XXX ihm, dem Zeugen XXX, gestellt und er habe sie mit Hinweis auf den Mietvertrag beantwortet, was bedeutet, dass der Zeuge XXX als Verhandlungsbevollmächtigter der Klägerin Kenntnis erlangt hatte.

63

Ob die Besichtigung am 17.07. gewesen ist, was der Zeuge XXX nur für möglich, nicht aber sicher bezeichnet hat, kann offen bleiben und zwingt die Kammer auch dann nicht zu der von der Klägerin beantragten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO), wenn unterstellt wird, dass der Zeuge XXX an diesem Tage Urlaub hatte

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Denn der Zeuge XXX war sich sicher, dass die Besichtigung vor dem Kaufvertragsschluss gewesen ist. Es spricht im übrigen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen XXX und XXX, dass sie exakte Daten im Unterschied zum Zeugen XXX, der sie von seinen vorbereiteten Unterlagen ablas, nicht nennen konnten. Das kann im Gegenteil ein Wahrheitskriterium sein. Denn ein Zeuge, der sich an das genaue Datum nicht erinnert, erstattet nur dann eine wahrheitsgemäße Aussage, wenn er hierauf hinweist. Demgegenüber besagen exakte Daten für sich genommen nichts, solange ihre Richtigkeit nicht durch unabhängige Gegenkontrollen bestätigt werden können.

65

Wenn der Zeuge XXX vom Zeugen XXX am 15.06.2006 bereits erfahren hätte, der Zeuge XXX sei Mieter des Grundstücks, dann hätte zwar keine Notwendigkeit bestanden, diesen bei der Grundstücksbesichtigung nach seinem „Rechtsverhältnis zum Grundstück“ zu fragen. Der Zeuge XXX hatte am Gespräch vom 15.06. aber nicht teilgenommen, so dass er den Kenntnisstand des Zeugen XXX nicht einschätzen konnte. Es erscheint der Kammer aber nicht ausgeschlossen, entspricht vielmehr täglichem Erleben, dass vermeintlich oder tatsächlich bereits geklärte Dinge erneut durch Nachfragen zur Sprache gebracht werden. Das gilt in gleicher Weise für die Bekundung des Zeugen XXX, am 11.07.2006 sei bei einem Treffen im Büro des Zeugen XXX vom Mietvertrag die Rede gewesen.

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Zwar hat die Klägerin auch in Ansehung dieses Gesprächs die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt, damit weitere Zeugen vernommen werden könnten, die daran teilgenommen hätten. Die Voraussetzungen dafür liegen aber aus unten noch näher auszuführenden Gründen nicht vor.

67

Auch die Tatsache, dass der Zeuge XXX davon sprach, es hätten aus Anlass der Besichtigung Mitte Juli 2006 schon Aufträge erteilt werden sollen, obwohl das Grundstück zu jenem Zeitpunkt noch nicht gekauft war, spricht nicht gegen dessen Glaubwürdigkeit. Denn der Kaufpreis war Mitte Juni 2006 verhandelt worden. Offenbar stand dem Erwerb aus Sicht des Beklagten nichts im Wege und eine Auftragserteilung hätte sicher auch unter den Vorbehalt des Grunderwerbs gestellt werden können.

68

Ungewöhnlich, weil anwaltliche Sorgfaltspflichten missachtend, ist zwar, dass das Bestehen des Mietvertrages nicht in den Kaufvertrag aufgenommen wurde. In der Tat wirkte der Zeuge Rechtsanwalt XXX bei der Erörterung dieses Sachverhalts nervös, weil ihm bewusst gewesen sein dürfte, hier bei der Vertragsgestaltung nicht den gebotenen sicheren Weg gewählt zu haben. Er hat das aber auch zu erläutern vermocht und darauf hingewiesen, der Zeuge XXX habe die Anfertigung eines Vertragsentwurfs einem ihm bekannten Rechtsanwalt übertragen und den Zeugen XXX und XXX sei der Zeuge XXX und dessen Tätigkeit auf dem Grundstück gekannt gewesen. Sie hätten erklärt, Herr XXX gehöre zu ihnen und deswegen sei alles klar, bzw., so die Darstellung XXX, wegen des beteiligten kleinen Kreises werde der Kauf völlig unkompliziert abgewickelt.

69

Das entband den Zeugen XXX zwar nicht von eigenen Überprüfungspflichten, macht sein Versäumnis aber nachvollziehbar.

70

Allerdings konnte sich dieser nach den Aussagen der Zeugen XXX und XXX auf das Projekt schlechterdings nicht nachteilig auswirken, weil der Zeuge XXX schließlich unbestrittenermaßen den Bau der Altölaufbereitungsanlage auf dem Grundstück betreuen und später die Produktion leiten sollte.

71

Vermittelt wurde die Kenntnis der Klägerin vom Bestehen des Mietvertrages durch die mit den Vertragsverhandlungen - und seien es auch nur solche über den Kaufpreis, was die Klägerin meinte hervorheben zu müssen - betrauten Aufsichtsräte der Klägerin, die Zeugen XXX und XXX.

72

Entscheidend ist, dass der Zeuge XXX seine Kenntnis hiervon unabhängig vom Zeugen XXX und offenbar schon zeitlich sehr viel früher vom Zeugen XXX erlangt hatte, was die Klägerin offenbar auch im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht in Zweifel zieht. Schon damit und unabhängig davon, ob dem Zeugen XXX zu glauben ist oder nicht, lag auch Kenntnis der Klägerin selbst vor. Es kam nämlich nicht etwa auf das eigene Wissen des Herrn XXX als des Vorstands der Klägerin als Käuferin an, sondern ausreichend war hier dasjenige ihrer Vertreter bei den Vertragsverhandlungen (Palandt/ Weidenkaff, 66. Aufl., § 442, Rn. 7).

73

Aus diesem Grunde scheidet eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und die Vernehmung der Zeugen XXX und XXX sowie die beantragte Gegenüberstellung mit dem Zeugen XXX aus, weil all dies an der durch den Aufsichtsrat und Verhandlungsbevollmächtigen N. der Klägerin vermittelten Kenntnis nichts zu ändern vermöchte.

74

Wegen der Grundsteuerforderung des Amts XXX konnte die Klägerin nicht vom Vertrag zurücktreten. Gemäß § 3 (2) des notariellen Vertrages gingen u.a. Steuerverbindlichkeiten vom Tage der Übergabe ab (01.09.2006) auf die Klägerin über. Steuerrückstände für 2005 und vom 01.01. bis 31.08.2006 sind Sache des Beklagten. Insoweit geht es also nicht um verschwiegene Belastungen des Grundstücks, sondern lediglich um im Innenverhältnis maßgeblich vereinbarte unterschiedliche Zeiträume hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft.

75

Hatte die Klägerin damit Kenntnis vom Bestehen des Mietvertrages, standen ihr Gewährleistungsansprüche nicht zu, so dass sie nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten konnte.

76

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 und derjenigen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO abzuweisen.


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