Beschluss vom Landgericht Koblenz (2. Zivilkammer) - 2 T 38/19
Tenor
1. Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten werden der Beschluss des Amtsgerichtes Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 08.01.2019, Az. 6 AR 50/18, aufgehoben sowie die Erinnerung und Einwendungen der Antragstellerin betreffend den Kostenansatz vom 28.08.2018 zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Mit Schriftsatz vom 08.03.2018 (Bl. 1 GA) an das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler hat die Antragstellerin hinsichtlich der „... GmbH“ um eine „Mitteilung gebeten, ob (...) ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde (...)“. Diese Auskunft ist unter dem 28.08.2019 erteilt worden, zugleich sind der Antragstellerin 15,00 EUR in Rechnung gestellt worden (Bl. 2 f. GA). Dem ist die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 04.09.2018 entgegengetreten (Bl. 4 f. GA). Mit Beschluss vom 08.01.2019 hat das Amtsgericht diese Eingabe als Erinnerung behandelt, auf diese hin den Kostenansatz aufgehoben und die Beschwerde zugelassen (Bl. 13 ff. GA). Hiergegen hat der weitere Beteiligte mit Schriftsatz vom 14.01.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 18 ff. GA), der das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.01.2019 (Bl. 21 GA) nicht abgeholfen hat.
II.
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Die gemäß § 22 I 1, 2 JVKostG in Verbindung mit § 66 GKG aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 08.01.2019 ist begründet, da der hierdurch aufgehobene Kostenansatz vom 28.08.2018 rechtmäßig ist.
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Gemäß § 1 I 1 LJVwKostG in Verbindung mit Ziffer 1401 des Kostenverzeichnisses zum JVKostG fällt für die beantragte und erteilte Auskunft als Justizverwaltungsangelegenheit der angesetzte „Gebührenbetrag“ in Höhe von 15,00 EUR an. Eine Befreiung von diesen Kosten kann die Antragstellerin nicht für sich beanspruchen.
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Gemäß § 2 JVKostG in Verbindung mit § 1 I 1 LJVwKostG kommt eine solche zwar in Betracht, scheidet jedoch letztlich aus, weil die Antragstellerin als der Selbstverwaltung unterliegende Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht den dort geregelten Gebilden unterfällt.
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Eine Kostenbefreiung ergibt sich auch nicht aus § 7 I 1 SGB X. Danach hat die ersuchende Behörde der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Zwar sind zumindest die vertretungsberechtigten Organe der Antragstellerin gemäß § 31 III 1 SGB IV als Behörde zu qualifizieren. Letztlich kann aber dahinstehen, ob auch das Amtsgericht als auskunftserteilende Stelle in dieser konkreten Funktion als (Justiz-) Behörde und vor allem auch als Behörde im Sinne des § 7 I 1 SGB X zu qualifizieren ist. Da § 6 I SGB X regelt, dass sich die Durchführung der Amtshilfe nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht richtet, folgt hieraus zutreffend, dass § 7 I SGB X bereits nicht anwendbar ist, wenn das Amtshilfeersuchen an eine solche Justizbehörde gerichtet wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19. Februar 2008 – 15 VA 16/07 –, juris, Rn. 19). Denn die für die Amtshilfe anfallenden Kosten sind mit der Durchführung verbunden und unterfallen dementsprechend den für diese geltenden Regelungen, nicht aber § 7 I 1 SGB X.
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Entsprechendes gilt für § 64 I 1 SGB X, der ebenfalls die Befreiung von Gebühren und Auslagen anordnet. Denn diese Vorschrift ordnet die Gebührenfreiheit nur für das Verfahren bei "Behörden nach diesem Gesetzbuch", also dem SGB X, an. Die den Justizbehörden zugewiesenen Aufgaben und so auch die gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 ZPO den Gerichten und ihren „Vorständen“ als Justizverwaltungsangelegenheit zugeordnete Bearbeitung von Akteneinsichts- und sonstigen Auskunftsersuchen unterfällt dem nicht (vgl. OLG Hamm a. a. O., Rn. 20 für die „Datenübermittlung aus dem Handelsregister“).
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Die Antragstellerin kann zudem keine Kostenbefreiung gemäß § 64 II 1 SGB X beanspruchen, da dieser auf Kosten der Geschäfte und Verhandlungen begrenzt ist, die bei der Beantragung, Erbringung oder Erstattung einer Sozialleistung entstehen. Dies ist in Bezug auf das Auskunftsersuchen nicht der Fall.
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Sozialleistungen sind gemäß § 11 I SGB I Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Gemäß den §§ 11 ff. SGB V bestehen die von der Antragstellerin als gesetzlicher Krankenversicherung zu erbringenden (Sozial-) Leistungen in der Gewährung von Versicherungsleistungen, wenn eine besondere Situation des Versicherungsnehmers und insbesondere Erkrankungen dies erforderlich machen. Der Begriff der „Geschäfte und Verhandlungen“ ist zwar weit auszulegen und umfasst alle mit der Beantragung, Erbringung oder Erstattung von Sozialleistungen im Zusammenhang stehenden Verwaltungstätigkeiten, wenn die eigentlich gebührenpflichtige Leistung in einem zumindest funktionalen Zusammenhang zur erbrachten Sozialleistung steht (vgl. insbesondere OLG Hamm a. a. O., Rn. 20; BayObLGZ 1994, 63 BVerwG, NVwZ 1988, 624 VG Hamburg, BeckRS 2008, 34187, beck-online, Rn. 20). Ein solcher Zusammenhang ist jedoch gleichwohl nicht gegeben.
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Tatsächlich erfasst § 64 II 1 SGB X das Beitragsrecht und bloße Beitragsleistungen wie sie von der Antragstellerin in Bezug auf die vom gegenständlichen Auskunftsersuchen betroffene GmbH angeführt werden bereits grundsätzlich nicht (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 106. EL, September 2019, § 64 SGB X Rn. 9 ff. m. w. N. und OLG Hamm a. a. O, Rn. 20). Denn die hierauf zurückzuführenden „Geschäfte und Verhandlungen“ werden jedenfalls nicht „aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig“.
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Der dem Gesetzeswortlaut nach erforderliche Zusammenhang („aus Anlass“) wäre in Bezug auf Beitragspflichten und die für ihre Durchsetzung erforderlichen „Geschäfte und Verhandlungen“ lediglich dann gegeben, wenn die Sozialleistung bereits darin bestünde, die Absicherung eines „Risikos“ bzw. konkret der Gesundheit zu übernehmen. Der ohnehin eigenständige Begriff der „Sozialleistung“ entspricht den obigen Ausführungen folgend jedoch nicht § 1 S. 1 Hs. 2 VVG, wonach eine private Krankenversicherung eine (Versicherungs-) Leistung bereits durch die Risikoabsicherung erbringt, sondern vielmehr der bei Realisierung des Risikos zu erbringenden Leistung wie dies etwa auch in § 1 S. 1 Hs. 3 VVG geregelt ist. Die relevanten Sozialleistungen der Antragstellerin im Zusammenhang des § 64 II 1 SGB X unterscheiden sich daher insgesamt nicht relevant von anderen Sozialleistungen, die im Hinblick auf § 64 II 1 SGB X ebenfalls nicht schon dann als erbracht anzusehen sind, wenn ein bloß abstrakter Versicherungsschutz übernommen wird. In der Folge wird die Kostenbefreiung gemäß § 64 II 1 SGB X – wie vom Bezirksrevisor geltend gemacht - vor allem in Fällen eines Regresses aufgrund sozialrechtlicher Überleitungsnormen nach der Erbringung von Versicherungsleistungen in Betracht kommen.
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Die Antragstellerin ist auch nicht gemäß § 64 III SGB X von der Kostenpflicht befreit. Zum einen gilt dieser Befreiungstatbestand gemäß § 64 III 2 SGB X lediglich für bestimmte - abschließend aufgeführte - Träger der Sozialversicherung und umfasst dabei die gesetzlichen Krankenver-sicherungen nicht (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 106. EL, September 2019, § 64 SGB X Rn. 17b m. w. N.). Zum anderen stellt die von der Antragstellerin - im Wege der Amtshilfe - ersuchte Auskunft als Angelegenheit der Justizverwaltung kein gerichtliches Verfahren im Sinne dieser Vorschrift dar.
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Schließlich scheidet auch eine Analogie zu den vorgenannten Vorschriften aus (so für § 64 SGB X auch das VG Hamburg a. a. O.). Denn eine generelle Kostenbefreiung war auch seitens des Gesetzgebers gerade nicht gewollt, so dass es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 66 VIII GKG.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der weiteren Beschwerde gemäß § 66 IV 1 GKG liegen nicht vor. Dies würde eine grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage voraussetzen. Eine solche ist angesichts des hier entschiedenen Einzelfalls, der von gleich mehreren Variablen (Rechtssubjekt auf Antragstellerseite, dessen etwaige Sozialleistungen sowie die Einzelheiten der hiermit ggf. zusammenhängenden „Geschäfte und Verhandlungen“) entscheidungserheblich abhängt, nicht gegeben.
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Referenzen
- InsO § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung 1x
- § 7 I SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- § 64 III SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- § 64 I 1 SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 I 1 SGB X 3x (nicht zugeordnet)
- § 64 II 1 SGB X 5x (nicht zugeordnet)
- § 64 III 2 SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- § 31 III 1 SGB IV 1x (nicht zugeordnet)
- § 66 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 I SGB X 1x (nicht zugeordnet)
- 6 AR 50/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 66 VIII GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 15 VA 16/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 I 1 LJVwKostG 2x (nicht zugeordnet)
- § 22 I 1, 2 JVKostG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 11 ff. SGB V 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 I SGB I 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 JVKostG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 299 Akteneinsicht; Abschriften 1x
- § 64 SGB X 3x (nicht zugeordnet)
- § 66 IV 1x (nicht zugeordnet)