Teilurteil vom Landgericht Köln - 37 O 190/13
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 22.11.2012 in Bergisch Gladbach verstorbenen I1, geboren am 02.10.1946, zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das insbesondere umfasst:
a) den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war;
b) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen, Forderungen, Gesellschafts- und Erbanteile des Erblassers;
c) alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte sowie alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an Dritte während der letzten 10 Jahre vor seinem Tod sowie alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers, bei denen er sich ein Nutzungsrecht vorbehielt (§ 2325 BGB).
2.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 €.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist die nichteheliche Tochter des am 22.11.2012 in Bergisch Gladbach verstorbenen I1. Der Erblasser war mit der Beklagten verheiratet. Aus der Ehe ist eine Tochter hervorgegangen, nämlich Frau I.
3Die Eheleute errichteten am 08.02.1985 einen Erbvertrag, mit denen sie sich gegenseitig zu ihren alleinigen Erben eingesetzt haben. Mit weiterem Erbvertrag vom 09.11.2004 änderten sie den Erbvertrag hinsichtlich der Bindungswirkung ab. Bei der gegenseitigen Einsetzung zu Alleinerben verblieb es (Anlage K1, Bl. 154 ff GA mit Protokoll des Amtsgerichts Bergisch Gladbach über die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen, Bl. 153 GA). Die Klägerin ist in dem Erbvertrag nicht als Erbin genannt.
4Die Klägerin macht mit der vorliegenden Stufenklage Ansprüche auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche mit den damit verbundenen Auskunfts- und Bewertungsansprüchen geltend.
5Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Erteilung der von ihr begehrten Auskunft verpflichtet. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass der Nachlass überschuldet sei. Eine Überschuldung des Nachlasses könne die Klägerin nicht erkennen.
6Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, die Beklagte könne sich nicht auf die Dürftigkeitseinrede berufen. Die Dürftigkeit des Nachlasses sei nicht dargelegt. Es erschließe sich nicht, inwiefern die Insolvenz einer GmbH, an der der Erblasser beteiligt war, irgendeine Rolle für die Verbindlichkeiten des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes spielen solle.
7Die Klägerin beantragt (auf der ersten Stufe),
8die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 22.11.2012 in Bergisch Gladbach verstorbenen I1, geboren am 02.10.1946, zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das insbesondere umfasst:
9a) den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war;
10b) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen, Forderungen, Gesellschafts- und Erbanteile des Erblassers;
11c) alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte sowie alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an Dritte während der letzten 10 Jahre vor seinem Tod sowie alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers, bei denen er sich ein Nutzungsrecht vorbehielt (§ 2325 BGB).
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Ansicht, den der Klägerin zustehenden Auskunftsanspruch bereits erfüllt zu haben. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln in seinem Beschluss vom 17.09.2013, der im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens ergangen ist, sei daher fehlerhaft. Auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 19.11.2013 auf Seite 2 wird Bezug genommen (Bl. 165 GA).
15Der Klägerin stünde kein Anspruch auf Aufnahme eines Verzeichnisses durch einen Notar zu, weil ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden könnten, nicht vorhanden sei. In diesem Falle könne gemäß § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB der Anspruch auf Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigert werden. Darüber hinaus stehe dem geltend gemachten Anspruch auch der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit entgegen. Diese sei anzunehmen, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, weshalb die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig sein solle.
16Auch habe der Erblasser am 09.05.2012 vor dem Notar Dr. X eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben. Diese Vermögensaufstellung genüge den Anforderungen des § 260 Abs. 1 BGB.
17Die Beklagte behauptet, sie habe gegenüber dem Erblasser persönlich Darlehensforderungen in Höhe von über 1 Million Euro.
18Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne sich auf die Dürftigkeitseinrede berufen.
19Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Das Gericht ist derzeit nur zur Entscheidung über die erste Stufe, die Auskunftsstufe, der durch die Klägerin erhobenen Stufenklage befugt. Zwar hat die Klägerin ihre Klage nicht ausdrücklich als Stufenklage bezeichnet, gleichwohl handelt es sich um eine solche. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin insgesamt angekündigten Anträgen, die zueinander in einem Stufenverhältnis stehen.
22Die Klage ist, soweit derzeit darüber zu befinden ist, begründet.
23Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 22.11.2012 in Bergisch Gladbach verstorbenen I1. Der Anspruch folgt aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB.
24Die Klägerin hat auch einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Der Anspruch ergibt sich aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Pflichtteilsberechtigte, der nicht Erbe ist, verlangen, dass das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Dieser Anspruch bestünde selbst dann, wenn der Klägerin ein Privatverzeichnis vorgelegt worden wäre. Die verschiedenen Arten von Auskunftsansprüchen gemäß § 2314 Abs. 1 BGB stehen nicht in einem Alternativverhältnis. Der Gläubiger kann sie nebeneinander oder hintereinander geltend machen (siehe OLG Köln, Beschl. v. 17.09.2013 – 20 W 63/13).
25Die Beklagte kann die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses auch nicht deswegen verweigern, weil der Erblasser am 09.05.2012 vor dem Notar Dr. X die eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse abgegeben hat. Der Berechtigte hat Anspruch auf Auskunft über alle beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Nachlassgegenstände (reale Nachlassaktiva) und Nachlassverbindlichkeiten (Passiva). Abzustellen ist daher auf den Zeitpunkt des Erbfalls (siehe Palandt/Weidlich, BGB, 73. Auflage, § 2314 Rn. 9).
26Die Beklagte kann gegen den Anspruch der Klägerin auf Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht einwenden, der Nachlass sei überschuldet. Das OLG Schleswig hat entschieden, dass die Einholung eines Wertgutachtens verweigert werden könne, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für das Gutachten entnommen werden könnten, nicht vorhanden ist (OLG Schleswig, Beschl. v. 30.07.2010 – 3 W 48/10 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH). Das OLG Köln hat ferner im Beschwerdeverfahren des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens zu diesem Rechtsstreit dargelegt, dass das Verweigerungsrecht (der Beklagten) jedenfalls voraussetze, dass ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für das Gutachten und entsprechend für das notarielle Verzeichnis entnommen werden können, nicht vorhanden ist (OLG Köln, Beschl. v. 17.09.2013 – 20 W 63/13). Davon ist hier nicht auszugehen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Nachlass überschuldet ist. Die Angaben der Antragsgegnerin und deren Hinweis auf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH, an welcher der Erblasser beteiligt war, reichen dafür nicht aus. Im Schriftsatz vom 19.11.2013 bezieht sich die Beklagte hinsichtlich der Dürftigkeitseinrede auf die Überschuldung der GmbH. Dies genügt nicht. Auch insoweit sie im Schriftsatz vom 07.01.2014 ausführt, die Darlegungen zur GmbH, an der der Erblasser beteiligt gewesen ist, dienten einzig und allein dazu, darzulegen, dass der von dem Erblasser gehaltenen 70-prozentige Anteil an der GmbH völlig wertlos sei, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Dies gilt auch, soweit sie vorträgt, ihr selbst stünden Ansprüche von über einer Million Euro zu.
27Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist nicht rechtsmissbräuchlich. Das Gesetz gewährt ihr diesen Anspruch. Soweit die Beklagte vorträgt, es ginge der Klägerin lediglich darum, durch Ausübung von Druck die Beklagte zu bewegen, Zahlung zu leisten, bleibt dies im Dunkeln.
28Die prozessuale Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO (siehe auch Zöller/Herget, ZPO, 30. Auflage, § 709 Rn. 6)
29Streitwert: 2.500,00 €
30(Der Streitwert bemisst sich nach 25% des vorläufigen Gesamtstreitwertes von 10.000,00 €)
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Referenzen
- BGB § 1990 Dürftigkeitseinrede des Erben 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 2325 Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen 2x
- 20 W 63/13 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 2314 Auskunftspflicht des Erben 5x
- 3 W 48/10 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 260 Pflichten bei Herausgabe oder Auskunft über Inbegriff von Gegenständen 1x