Urteil vom Landgericht Magdeburg (10. Zivilkammer) - 10 O 2328/13
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Gegenstandswert wird auf die Stufe bis 95.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt vom Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht u.a. Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe einer Eigentumswohnung in I wegen einer Amtspflichtverletzung des Notars.
- 2
Die I-Immobilien und die ...gesellschaft mbH aus L und die X Finance GmbH & Co KG aus I planten jedenfalls ab 2005 und den folgenden Jahren einen größeren Altbaukomplex S 3 in I zu sanieren und die sanierten Wohnungen dann als Eigentumswohnungen zu verkaufen.
- 3
Hierzu entwickelte der Beklagte den Entwurf eines notariellen Angebots zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrages. In dem Entwurf stand u. a. auf Seite 2 folgende Formulierung:
- 4
"An dieses Angebot hält sich der Käufer bis zum … gebunden. Auch danach soll das Angebot weiter gelten, bis es von dem Käufer gegenüber dem Notar ... S, B. 35, _______ I
- 5
nachstehend Vollzugsnotar genannt, widerrufen wird. Der Widerruf muss durch eingeschriebenen Brief erfolgen. Der Vollzugsnotar ist vom Verkäufer zur Entgegennahme des Widerrufs bevollmächtigt worden.
- 6
Der Kaufvertrag kommt bereits dadurch zustande, dass der Verkäufer vor dem Vollzugsnotar eine Annahmeerklärung beurkunden lässt. Der Zugang der Annahmeerklärung ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn diese "demnächst" dem Käufer zugeht."
- 7
Am 21.08.2006 suchten die damaligen Unverheirateten Michael S (Kläger) und Yvonne S als Interessenten einer der Eigentumswohnungen, den Notar H in N auf. Der Notar beurkundete das konkrete Angebot des unverheirateten Paares zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrages entsprechend dem Entwurf, wobei in die Leerstelle eingetragen wurde, dass die Käufer an das Angebot bis zum 03.09.2006 gebunden sind. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K2 Bezug genommen.
- 8
Am 19.12.2006 – nach Ablauf der Angebotsbindungsfrist – beurkundete der Beklagte die Annahme des Kaufangebots durch die Verkäufer.
- 9
In der Folgezeit wurde der Kaufvertrag durchgeführt und die Käufer wurden Eigentümer der Wohnung.
- 10
Der Kläger behauptet, die im Kaufvertrag aufgeführte Yvonne S geheiratet zu haben, so dass diese nun den Ehenamen "S" führt. Die Ehefrau hat ihrem Ehemann die ihr anteilig zustehenden Ansprüche gegen den Beklagten abgetreten und diese zur alleinigen Prozessführung bevollmächtigt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Abtretungsurkunde wird auf K 1 Bezug genommen.
- 11
Der Kläger meint, dass der Beklagte wegen einer Verletzung seiner notariellen Amtspflichten haften würde. Der Beklagte hätte den Kläger vor Beurkundung der Annahmeerklärung darauf hinweisen müssen, dass das Kaufangebot bereits erloschen war und die Annahme der Verkäuferfirma ein neues Angebot darstelle, das der Kläger seinerseits annehmen müsse, damit ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommt. Hätte der Kläger dies gewusst, hätte er von dem Kauf Abstand genommen.
- 12
Der Kläger beantragt:
- 13
Der Beklagte wird dazu verurteilt, an den Kläger 93.774,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung mit der Nr. 59 im Objekt S 3 in ... I, eingetragen im Grundbuch beim Amtsgericht I, Grundbuch von I, Blatt 45149.
- 14
Der Beklagte beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Er rügt die Aktivlegitimation des Klägers und bestreitet mit Nichtwissen, dass Yvonne S und Yvonne S identische Personen sind. Zudem hat er Bedenken gegen die Formwirksamkeit der Abtretungserklärung (vgl. Klageerwiderung S. 4; Bl. 83 d.A.)
Entscheidungsgründe
- 17
Die zulässige Klage ist unbegründet.
- 18
Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger allein aktivlegitimiert ist, da die Klage bereits aus anderen Gründen scheitert.
- 19
Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO zu.
- 20
Dabei ist es grundsätzlich so, dass die in dem Vertrag verwendete "Fortgeltungsklausel", wenn es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, unwirksam ist, da sie gegen § 308 Nr. 1 BGB verstößt, wie der Bundesgerichtshof mit Versäumnisurteil vom 07.06.2013 (Az.: V ZR 10/12, zitiert nach juris) festgestellt hat. Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang jedoch, ob die Klausel im konkreten Fall eine allgemeine Geschäftsbedingung ist oder individuell ausgehandelt worden ist.
- 21
Die Haftung des Notars scheitert bereits daran, dass er nicht schuldhaft nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO gehandelt hat.
- 22
Schuldhaftes Handeln umfasst dabei entweder vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln. Anhaltspunkte, dass sich der Notar bewusst über von ihm erkannte Amtspflichten hinweggesetzt hat, sind nicht ersichtlich. Der Notar hat aber auch nicht fahrlässig gehandelt. Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Amtsträger bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass eine Pflicht zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen bestand. Als Maßstab ist objektiviert von einem pflichtbewussten Durchschnittsnotar, also nicht von einem ideal vollkommenen Musternotar, auszugehen (Schippel/Bracker, Bundesnotarordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 19 Rn. 51). Bei nicht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Notar Tendenzen in der Rechtsprechung und Literatur zu beachten. Dies gilt insbesondere auf die schwer kalkulierbaren, künftigen Entscheidungen im Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle und des AGB-Gesetzes (Schippel/Bracker, a.a.O., Rn. 59). Die Fachliteratur hat der Notar vor allem bei dem Fehlen einschlägiger Rechtsprechung heranzuziehen (Schippel/Bracker, a.a.O., Rn. 60).
- 23
In Anwendung dieser Kriterien auf den hier anzuwendenden Fall ergibt sich Folgendes:
- 24
Zum einen enthält die Urkunde mit der Formulierung
- 25
"an dieses Angebot hält sich der Käufer bis zum 03.09.2006 gebunden"
- 26
eine Bindungsfrist des Käufers an sein Angebot von nicht einmal 2 Wochen.
- 27
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27.09.2013 (V ZR 52/12) entschieden, dass auch bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Bauträgerverträgen der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraumes von 4 Wochen erwartet werden kann. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es sich bei der Bindungsklausel um eine von dem Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinn von § 305 Abs. 1 BGB handelt (BGH 27.09.2013, a.a.O., Rn. 9).
- 28
Hierauf kommt es hier bereits nicht an, da die Bindungsfrist keine 4 Wochen überschreitet.
- 29
Auch ein Verschulden des Beklagten bei Verwendung folgender Klausel liegt nicht vor:
- 30
"auch danach soll das Angebot weiter gelten bis es von dem Käufer gegenüber dem Notar ... S, M, nachstehend Vollzugsnotar genannt, widerrufen wird"
- 31
Zwar handelt es sich bei dieser Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung unter Berücksichtigung des § 310 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil diese Klausel, was auch durch den Beklagten nicht bestritten wird, in einer Vielzahl von Entwurfsurkunden, die von dem Beklagten gefertigt wurden, verwendet wurde.
- 32
Doch kann dem Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er bei Verwendung der Entwurfsurkunde im Jahr 2006 davon ausging, dass die Verwendung dieser Klausel keinen Verstoß gegen die Regelungen der §§ 305 ff BGB darstellt. Zwar hat der Bundesgerichtshof mit dem bereits erwähnten Urteil vom 07.06.2013 (V ZR 10/12) diese Rechtsfrage entschieden. Die Entscheidung wurde jedoch im Jahr 2013 und damit 7 Jahre nach dem Zeitpunkt getroffen, in dem sie sich dem Notar stellte.
- 33
Der Bundesgerichtshof referiert in seiner Entscheidung vom 07.06.2013 die diesbezügliche Rechtsprechung und Literatur unter den Randziffern 14 bis 17. Danach existiert im Jahr 2005 bereits eine einzige obergerichtliche Entscheidung zu dieser Frage. So hat das Oberlandesgericht Dresden mit Urteil vom 26.06.2003 (19 U 512/03 Rz 27) darauf hingewiesen, dass eine Bindungsfrist von mehr als 6 Wochen beim Kauf einer Eigentumswohnung regelmäßig gegen den damalig geltenden § 10 Nr. 1 AGB-Gesetz verstoße.
- 34
In der entsprechenden Literatur in den Jahren 2004 bis 2010 wird überwiegend zu einer kurzen Bindungsfrist von 4 bis maximal 6 Wochen geraten (Sebastian Herrler, Formularmäßige Bindungsfrist beim Immobilienkaufvertrag, in: Deutsche Notarzeitung 2013, S. 887 ff.). Allerdings befasst sich die Literatur und Rechtsprechung gerade nicht mit der Fortgeltungsklausel, sondern nur mit der Bindungsklausel.
- 35
In Notar- und Vertragshandbüchern wurde wegen der Ungewissheit über die Dauer der höchstzulässigen Bindungsfrist das Modell propagiert, dass nach Ablauf einer kurzen Bindungsfrist die Annahmefähigkeit bei jederzeitiger Widerruflichkeit fortbestehen soll. Literaturmeinungen, die in diesem Zusammenhang Zweifel an der AGB-rechtlichen Zulässigkeit äußerten, gab es nicht und zwar insbesondere nicht in der ABG-rechtlichen Spezialliteratur (vgl. Herrler, a.a.O. S. 892 m.w.N.)
- 36
Die Kammer folgt in diesem Punkt nicht der Argumentation in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 05.10.2012 (3 U 42/12, zitiert nach Juris, Rn. 64), dass es auf der Hand liegen soll, dass eine Regelung, wonach die Annahmefähigkeit eines nach Ablauf der Antragsfrist erlöschenden Angebots bis zu einem ausdrücklichen Widerruf bestehen bleiben soll mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist und sich dem Notar Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel hätten aufdrängen müssen. Für die Kammer liegt dieses gerade nicht auf der Hand. Nach Ablauf der Frist hat Käufer jederzeit die Möglichkeit, durch eine Erklärung seinerseits vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen. Außerdem bietet die Fortgeltungsklausel dem Käufer auch Vorteile. Bei Erlöschen des Angebots wäre der erneute Gang des Käufers zum Notar notwendig, mit der Folge, dass weitere Kosten entstehen. Eine unangemessene Benachteiligung des Käufers ergibt sich demnach nicht zwingend.
- 37
Nach alledem war die Klage daher insgesamt abzuweisen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BGB § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- V ZR 10/12 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- BNotO § 19 2x
- 19 U 512/03 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 310 Anwendungsbereich 1x
- 3 U 42/12 1x (nicht zugeordnet)
- V ZR 52/12 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 305 ff BGB 1x (nicht zugeordnet)