Urteil vom Landgericht Magdeburg (2. Zivilkammer) - 2 S 227/16

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 12.7.2016, Geschäftsnummer 160 C 731/16, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert: 1.494,05 Euro

Tatbestand

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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem.den §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO n. F., 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten gem. den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115, 100 VVG.

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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Klägerin nicht „Dritte“ i. S. der genannten Vorschriften.

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Im Einzelnen:

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Formal gesehen ist hier durch eine juristische Person, die Mieterin als GmbH, das Eigentum einer anderen juristischen Person verletzt worden. Nur deshalb, weil beide beteiligten juristischen Personen Einmann-GmbHs sind und der jeweilige Gesellschafter bei beiden identisch ist, ist überhaupt Raum für die Überlegung, ob einem "Dritten" ein Schaden entstanden ist.

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Der BGH hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage auseinandergesetzt, in welchen Fällen der Alleingesellschafter einer Gesellschaft mit dieser gleichzusetzen ist.

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Der Entscheidung des BGH vom 27.10.1993 (IV ZR 33/93) lag folgender Fall zugrunde: Eine GmbH hatte für einen ihr gehörenden PKW bei der dortigen Klägerin eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war der Vater der Beklagten. Letztere verursachte mit dem PKW einen Unfall. Die Klägerin glich den Fahrzeugschaden gegenüber der GmbH aus und nahm die Beklagte aus übergegangenem Recht in Regress. Der Rechtsstreit drehte sich darum, ob ein Forderungsübergang nach § 67 VVG a. F. stattgefunden hatte und der Vater der Beklagten Mitversicherter oder Dritter i. S. der Vorschrift war.

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Der BGH hat ausgeführt, dass der Vater der Beklagten „Dritter“ gewesen sei.

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Die GmbH habe als juristische Person des Privatrechts selbständig ihre Rechte und Pflichten; ihr Eigentum sei nicht Eigentum der Gesellschafter und auch nicht des Alleingesellschafters. Die im zu entscheidenden Fall in Anspruch genommene Sachversicherung decke das Eigentümerinteresse an der Erhaltung des Fahrzeuges ab. Der Gesellschafter habe - wie andere zur Nutzung berechtigte Nichteigentümer - nur ein Nutzungsinteresse, so dass er im Rahmen der Vollkaskoversicherung nicht Versicherter, sondern Dritter i. S. d. § 67 Abs. 1 VVG sei. Etwas Anderes folge auch nicht draus, dass der Vater der Beklagten geschäftsführender Alleingesellschafter der GmbH sei. Auch in der Einmann-GmbH sei stets zwischen der Gesellschaft als selbständigem Rechtssubjekt und deren Eigentum einerseits und dem Gesellschafter und dessen Eigentum andererseits zu unterscheiden. Die herbeigeführte Trennung in die beiden Vermögen könne durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht aufgehoben werden.

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Für die schadensrechtliche Beurteilung könne sich aber die Einmanngesellschaft praktisch als ein in besonderer Form verwalteter Teil des dem Alleingesellschafter gehörenden Vermögens darstellen.

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Soweit es um die schadensrechtliche Beurteilung geht, hat der BGH mehrfach entschieden, dass ein dem Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft zugefügter und seiner Gesellschaft entstandener Schaden im Verhältnis zum Schädiger als persönlicher Schaden des Gesellschafters angesehen werden könne. Wenn sich ein Gewerbetreibender nicht an einem fremden Unternehmen kapitalmäßig beteilige, sondern seinem eigenen Unternehmen aus haftungs-, steuerrechtlichen oder anderen Gründen die Rechtsform der GmbH gebe, sei diese Gesellschaft haftungsrechtlich nur ein in besonderer Form verwalteter Teil seines Vermögens. Was der Gesellschafter in der GmbH durch seine Tätigkeit erarbeite oder einbüße, treffe ihn, den Alleingesellschafter, unmittelbar. Dabei sei es ohne Bedeutung, dass die etwaige Schmälerung oder Vergrößerung des GmbH-Gewinns aus betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Gründen nicht völlig identisch mit dem sein könne, was auf ihn als Gewinn zufließe oder von ihm als Verlust zu tragen sei. Werde der Gesellschafter von einem Dritten schuldhaft verletzt und trete ein Schaden an seinem „Sondervermögen“ ein, müsse es im Verhältnis zum Schädiger so gesehen werden, dass ihn persönlich ein Schaden getroffen habe. Eine andere Betrachtung gehe an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbei und entlaste den Schädiger auf dem Wege über formale Gegebenheiten ungerechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1973, VI ZR 53/72; vom 23.3.1995, lll ZR 80/93). Etwas Anderes gelte auch dann nicht, wenn der GmbH und Co. KG ein Schaden zugefügt werde, da deren persönlich haftender Gesellschafter die GmbH, praktisch also der Alleingesellschafter sei. Deren alleiniger Kommanditist sei wiederum der Alleingesellschafter (BGH, Urteil vom 13.11.1973, VI ZR 53/72).

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Da hier die Beklagte als Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen wird, ist eine schadensrechtliche Beurteilung vorzunehmen. Dabei ist also die sog. „wirtschaftliche Wirklichkeit“ zu beachten.

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Der Schaden wurde formal durch die ... GmbH, praktisch jedoch durch deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer ... verursacht. Er wurde zwar formal der Klägerin zugefügt, deren persönlich haftender Gesellschafter ist indes die ... GmbH, praktisch also deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer ... .

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Aufgrund der Personenidentität von Schädiger und Geschädigtem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schaden einem „Dritten" zugefügt wurde mit der Folge, dass der Beklagte keinen Schadensersatz aus der Haftpflichtversicherung leisten muss.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.


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