Beschluss vom Landgericht Münster - 5 T 448/17
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters auf 4.712,19 € zuzüglich 19% Umsatzsteuer = insgesamt 5.607,50 € festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Sonderinsolvenzverwalter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu 85%.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.466,26 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Mit Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 05.03.2015 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 2) zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser war zuvor bereits zum Sachwalter einer zur selben Konzerngruppe wie die Schuldnerin gehörenden Gesellschaft bestellt worden. In seiner Eigenschaft als Sachwalter dieser Gesellschaft meldete er eine Forderung von 6.220.200,00 € gegen die Schuldnerin zur Tabelle an. Mit Beschluss vom 18.05.2015 beauftragte das Amtsgericht den Beteiligten zu 3) als Sonderinsolvenzverwalter mit der Prüfung der angemeldeten Forderung. Der Sonderinsolvenzverwalter teilte dem Amtsgericht mit Schreiben vom 10.06.2015 mit, dass die Forderung in Höhe von 5.720.200,00 € anerkannt und in Höhe von 500.000,00 EUR € bestritten werde. Eine Gläubigerin der Schuldnerin erhob vorsorglich Widerspruch gegen die angemeldete Forderung, den sie nach Erläuterungen des Sonderinsolvenzverwalters später wieder zurücknahm.
4Der Sonderinsolvenzverwalter beantragte unter dem 12.04.2017, seine Vergütung auf 26.601,90 € zzgl. 19% Umsatzsteuer = 31.656,26 € festzusetzen. Das Amtsgericht setzte die Vergütung mit Beschluss vom 22.06.2017 auf 1.000,00 € zzgl. 19% Umsatzsteuer = 1.190,00 € fest. Der Sonderinsolvenzverwalter legte mit Schreiben vom 19.09.2017 gegen die Festsetzung Beschwerde ein. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Landgericht zur Entscheidung vor. Nach Übertragung vom Einzelrichter auf die Kammer wies diese die Beschwerde mit Beschluss vom 14.03.2018 zurück. Auf die – zugelassene - Rechtsbeschwerde des Sonderinsolvenzverwalters vom 10.04.2018 hob der Bundesgerichtshof den Kammerbeschluss mit Beschluss vom 14.01.2021 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Kammer zurück.
5II.
6Die Beschwerde des Sonderinsolvenzverwalters ist nur teilweise begründet, im Wesentlichen aber unbegründet.
7Keinen Erfolg hat sie insoweit, als der Sonderinsolvenzverwalter seine Tätigkeit nach dem RVG abrechnen will. Denn seine Vergütung bestimmt sich nach den für den Insolvenzverwalter geltenden Bestimmungen; eine Abrechnung nach RVG kommt nur unter der Voraussetzung des § 5 InsVV, d.h. nur für solche Tätigkeiten in Betracht, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Anwalt übertragen hätte. Um eine solche Tätigkeit handelte es sich hier bei der Überprüfung der angemeldeten Forderung, mit der der Sonderinsolvenzverwalter ausschließlich beauftragt war, aber nicht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den o.g. Beschlüssen der Kammer und des Bundesgerichtshofes Bezug genommen.
8Ebenfalls keinen Erfolg hat die Beschwerde des Sonderinsolvenzverwalters hinsichtlich seiner Forderung, als maßgebliche Berechnungsgrundlage den vollen Betrag der von ihm überprüften Forderung (6.220.200,00 €) anzusetzen und nicht nur die zu erwartende Befriedigungsquote (53,45% von 6.220,00 € = 3.324.696,90 €). Zuzugeben ist dem Sonderinsolvenzverwalter lediglich, dass Bezugsgröße nicht nur, wie vom Amtsgericht angenommen, der anerkannte Teil der Forderung (5.720.200,00 €) ist, sondern der Gesamtbetrag der angemeldeten und überprüften Forderung (6.220.200,00 €). Auch insoweit wird zur näheren Begründung auf den Kammerbeschluss und den Beschluss des Bundesgerichtshofes Bezug genommen.
9Erfolg hat die Beschwerde lediglich insoweit, als der Sonderinsolvenzverwalter sich nicht auf die Mindestvergütung des § 2 Absatz 2 Satz 1 InsVV bzw. auf einen dieser Mindestvergütung entsprechenden Bruchteil von etwa 1% der Regelvergütung eines Insolvenzverwalters verweisen lassen muss. In Anbetracht des Anteils, den die vom Sonderinsolvenzverwalter vorgenommene Forderungsüberprüfung an den mit der Regelvergütung abgegoltenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters ausmacht, und unter Berücksichtigung des mit dieser Überprüfung verbundenen tatsächlichen Aufwandes ist eine Vergütung von 5% der Regelvergütung (zuzüglich Umsatzsteuer) als angemessen festzusetzen. Ausgehend von einer Berechnungsgrundlage von 3.324.696,90 € und einer sich daraus nach § Absatz 1 InsVV ergebenden Regelvergütung von 94.243,94 € netto errechnet sich dementsprechend ein Betrag von 4.712,19 € netto = 5.607,50 € brutto.
10Die Kammer ist dabei von folgenden vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Grundsätzen ausgegangen:
11Die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters bestimmt sich nach den für einen Insolvenzverwalter geltenden Bestimmungen. Bezieht sich seine Tätigkeit nur auf einen Teil der Aufgaben, die einem Insolvenzverwalter als Regelaufgaben obliegen, ist dem dadurch Rechnung zu tragen, dass die Vergütung auf einen angemessenen Bruchteil der Regelvergütung eines Insolvenzverwalters festgesetzt wird. Ist der Sonderinsolvenzverwalter – wie hier - nur mit der Prüfung einer Forderung beauftragt, ist dabei auf ein hypothetisches Insolvenzverfahren abzustellen mit einer Masse, die der Befriedigungsquote der zur Tabelle angemeldeten Forderung entspricht. Bei der Bemessung des angemessenen Bruchteils der Regelvergütung ist dann zum einen zu berücksichtigen, welchen Anteil die Forderungsprüfung an den mit der Regelvergütung abgegoltenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters ausmacht, und zum anderen, welcher tatsächliche Aufwand für den Sonderinsolvenzverwalter mit der Forderungsprüfung verbunden war. Die Vergütung muss in diesem Rahmen in einer dem Aufgabenumfang angemessenen Höhe festgesetzt werden. Dabei stellt die Mindestvergütung des § 2 Absatz 2 InsVV keine Untergrenze dar, weil die Aufgaben des Sonderinsolvenzverwalters so beschränkt sein können, dass die Festsetzung der Mindestvergütung unangemessen hoch wäre. Eine Obergrenze gilt insofern, als der Sonderinsolvenzverwalter jedenfalls nicht mehr beanspruchen kann, als ihm im Falle einer Abrechnung nach dem RVG zustünde. Bei einem Gegenstandswert von 3.324.696,90 € und dem Ansatz einer 1,3fachen Geschäftsgebühr wäre das ein Betrag von 15.291,90 € netto als Maximalvergütung, was bei einer Berechnungsgrundlage von 3.324.696,90 € und einer daraus gemäß § 2 Absatz InsVV resultierenden Regelvergütung von 94.243,94 € netto einem Bruchteil von 16,22 % der Regelvergütung entspräche.
12Bei der Festsetzung der Vergütung im vorliegenden Fall auf 5% der Regelvergütung hat sich die Kammer von folgenden Überlegungen leiten lassen:
13Die Regelvergütung eines Insolvenzverwalters bezieht sich auf die Bearbeitung eines sog. Normalverfahrens. Dieses sog. Normalverfahren ist gesetzlich nicht definiert, in Rechtsprechung und Literatur haben sich aber allgemein anerkannte qualitative und quantitative Kriterien für das Vorliegen eines Normalverfahrens herausgebildet (vgl. z.B. Zusammenstellung im BeckOK Inso 22. Edition Stand 15.01.2021 § 2 InsVV Randnummern 4-8 mit weiteren Nachweisen). Qualitativ gehören zu den Aufgaben eines Insolvenzverwalters danach insbesondere die Inbesitznahme und Sicherung der Masse, die Prüfung und Entscheidung zur Unternehmensfortführung, die Prüfung von Aus- und Absonderungsrechten und Anfechtungstatbeständen, die Abwicklung von Verträgen, die Entscheidung über die Aufnahme von Rechtsstreitigkeiten, das Erstellen eines Gläubigerverzeichnisses, eines Masseverzeichnisses und einer Vermögensübersicht sowie der Insolvenzbuchhaltung, das Führen der Insolvenztabelle, das Prüfen der angemeldeten Forderungen und die Masseverwertung sowie die Befriedigung der Massegläubiger bzw. die Quotenausschüttung. Quantitativ ist von einem Normalverfahren auszugehen z.B. bei einem Unternehmen mit bis zu 20 Arbeitnehmern, einem Einzug von bis zu 50 Forderungen, der Anmeldung von bis zu 100 Insolvenzforderungen und einer Verfahrensdauer von bis zu 2 Jahren.
14Von den o.g. Aufgaben eines Insolvenzverwalters im Normalverfahren hatte der Sonderinsolvenzverwalter im vorliegenden Fall lediglich eine wahrzunehmen, nämlich die Überprüfung einer einzigen – wenn auch nicht unbeträchtlichen – Forderung, wobei die Höhe dieser Forderung bereits über die Berechnungsgrundlage der Vergütungsfestsetzung Berücksichtigung findet. Er hatte auch keinerlei Arbeitnehmerangelegenheiten zu regeln und keine Forderungen einzuziehen. Er wurde am 18.05.2015 mit der Prüfung der Forderung beauftragt, hat dem Insolvenzgericht bereits am 10.06.2015 das Ergebnis seiner Prüfung mitgeteilt, die von ihm selbst vorgelegte Korrespondenz mit der widersprechenden Gläubigerin endet am 31.08.2015, dass und inwiefern er auch danach mit der Forderungsprüfung noch befasst gewesen wäre, trägt er selbst nicht vor, so dass allenfalls von einer Dauer der Sonderinsolvenzverwaltung von rund 3 ½ Monaten auszugehen ist. Der Anteil, den die Forderungsprüfung durch den Sonderinsolvenzverwalter an den mit der Regelvergütung abgegoltenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters ausmacht, erreicht damit bei weitem nicht den Bereich der Maximalvergütung von 16,22 % der Regelvergütung (wie auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.01.2021 bestätigt) und kann nach Auffassung der Kammer nur mit einem Prozentsatz im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewertet werden.
15Der tatsächliche Aufwand, der mit der Forderungsprüfung für den Sonderinsolvenzverwalter verbunden war, stellt sich nach Aktenlage und insbesondere nach den Angaben des Sonderinsolvenzverwalters in seinem Schriftsatz vom 17.05.2017 so dar, dass ein Besprechungstermin im Büro des Insolvenzverwalters stattgefunden hat, vom Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellte Unterlagen geprüft wurden, der Sonderinsolvenzverwalter das Ergebnis seiner Prüfung in einem zweiseitigen Aktenvermerk vom 27.05.2015 niedergelegt und dem Amtsgericht in einem (einseitigen) Schreiben vom 10.06.2015 mitgeteilt hat, dass mit der widersprechenden Gläubigerin mehrere Emails ausgetauscht und telefoniert wurden. Der Insolvenzverwalter hat in einem Schriftsatz vom 15.08.2017 bestätigt, dass der Sonderinsolvenzverwalter in dieser Angelegenheit „viele – streitige – Gespräche“ führen musste. Weitere Einzelheiten zum tatsächlichen Arbeitsaufwand, insbesondere zur Anzahl und zur Dauer der geführten Gespräche wurden vom insoweit darlegungspflichtigen Sonderinsolvenzverwalter nicht mitgeteilt. Gewisse Rückschlüsse auf den tatsächlichen Aufwand lassen allenfalls noch die weiteren Aspekte zu, mit denen sich die Kammer in ihrem Beschluss vom 14.03.2018, auf den insoweit verwiesen wird, im Zusammenhang mit der Bewertung von Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit auseinandergesetzt hat, dass nämlich die Forderungsprüfung keine besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten aufwies, dass lediglich 10 Zahlungsströme nachzuvollziehen waren, dass der Umfang der mit der widersprechenden Gläubigerin geführten Korrespondenz gering war und der Sonderinsolvenzverwalter von der Vorarbeit des Insolvenzverwalters profitieren konnte. Diese Aspekte sprechen allerdings eher gegen einen vermehrten tatsächlichen Aufwand.
16Unter Berücksichtigung des feststellbaren tatsächlichen Aufwandes der zu vergütenden Forderungsprüfung und des Anteils, den diese Forderungsprüfung an den mit der Regelvergütung abgegoltenen Aufgaben des Insolvenzverwalters eines hypothetischen Insolvenzverfahrens ausmacht, hält die Kammer einen Bruchteil von maximal 5% der Regelvergütung für angemessen und legt diesen Bruchteil ihrer Vergütungsfestsetzung zugrunde.
17III.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 6 InsO in Verbindung mit §§ 92, 97 ZPO.
19IV.
20Der festgesetzte Verfahrenswert entspricht der Differenz zwischen der beantragten und der festgesetzten Vergütung.
21V.
22Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Gründe für eine (erneute) Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 6 InsO in Verbindung mit § 574 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch den vorangegangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.01.2021 hinreichend geklärt worden. Die darin aufgestellten Grundsätze hat die Kammer bei der Bemessung des angemessenen Bruchteils der Regelvergütung als Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters angewandt, so dass es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung handelt.
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Referenzen
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- § 2 Absatz 2 Satz 1 InsVV 1x (nicht zugeordnet)
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